Finanzplatz Schweiz - ein Plus für Europa

Mario Tuor, Foto: M. Tuor

Für den Finanzplatz Schweiz zeigt Tuor die neue, Ende 2020 beschlossene Strategie auf. Dabei baut das Land auf seinen traditionellen Stärken wie hoher Produktivität und Stabilität auf. Diese Stärken will die Schweiz nun mit Offenheit für neue technologische und internationale Entwicklungen kombinieren. Die Schlüsselwörter der neuen Strategie seien "innovativ, vernetzt und nachhaltig". Als Beispiele dafür bringt er unter anderem die Fintech-Lizenz, eine regulatorische Erleichterung für junge Fintechs oder das Schlagwort "Green Fintech". Hier sollen innovative Finanzdienstleistungen mit nachhaltiger Finanzwirtschaft kombiniert werden. Als ein erster Schritt wurde bereits das Green-Fintech-Netzwerk gegründet. Zudem hält der Autor ein Plädoyer für offene Märkte und gute Zusammenarbeit. Er weist darauf hin, dass auch London nach dem Brexit Teil Europas bleibe und auch entscheidend zur Wettbewerbsfähigkeit Europas beitrage. (Red.)

Europa braucht wettbewerbsfähige, innovative und global ausgerichtete Finanzplätze. Die Schweiz leistet dazu einen wichtigen Beitrag. Eine Voraussetzung sind offene Märkte anstatt Abschottung und Protektionismus.

Das Schweizer Bankgeheimnis für ausländische Kunden gilt gegenüber ausländischen Steuerbehörden seit 2017 nicht mehr. Die Schweiz erfüllt heute sämtliche internationalen Standards zur Steuertransparenz, zum Informationsaustausch und zur Geldwäschebekämpfung. Und die Schweiz gehört weiterhin zu den weltweit führenden Finanzplätzen. Dies soll auch in Zukunft so bleiben. Der Bundesrat, die schweizerische Landesregierung, hat deshalb im Dezember 2020 eine neue strategische Ausrichtung ihrer Finanzmarktpolitik beschlossen.

Neue Finanzmarktpolitik

Diese Finanzmarktpolitik baut auf den traditionellen Schweizer Stärken wie hoher Produktivität, Stabilität, Sicherheit und Vertrauen auf. Um in Zukunft international zu bestehen und gleichzeitig den Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechen zu können, werden diese Stärken kombiniert mit Offenheit für neue technologische und internationale Entwicklungen und dem Streben nach verstärkter internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Die Schlüsselworte der neuen Strategie für einen zukunftsfähigen Finanzplatz sind "innovativ", "vernetzt" und "nachhaltig".

- Innovativ heißt: Bisherige und neue Akteure des Finanzplatzes müssen die vielfältigen Möglichkeiten neuer Technologien und datenbasierter Geschäftsmodelle optimal nutzen können.

- Vernetzt heißt: Internationales Regelwerk im Finanzmarkt entwickelt sich ständig weiter. Die Schweiz bringt sich in zuständigen internationalen Gremien aktiv ein für besseren Marktzugang und international breit akzeptierte Standards.

- Nachhaltig heißt: Nachhaltiges Wachstum in allen seinen Dimensionen, sowohl ökonomisch, als auch ökologisch, gesellschaftlich und sozial, ist auch für Finanzdienstleister der einzige zukunftsfähige Entwicklungspfad.

Blockchain, Start-ups, Green Fintech

Einer der jahrzehntelangen Standbeine des Finanzplatzes Schweiz ist die grenzüberschreitende Vermögensverwaltung. Hier ist die Schweiz mit einem Anteil von über 25 Prozent aller international verwalteten Vermögen weltweit in einer Spitzenposition. Diese Toprangierung soll auch in Zukunft bestehen bleiben. Zusätzlich sind aber Anstrengungen nötig, um bestmögliche Rahmenbedingungen für neue Technologien und für nachhaltige Entwicklung im Finanzbereich bereit zu stellen. Die Schweiz hat auch hier die hohe Ambition, zu den internationalen Vorreitern zu gehören. Drei Beispiele:

Blockchain-Regulierung: Als eines der ersten Länder hat die Schweiz am 1. Februar 2021 neue gesetzliche Regelungen für Distributed Ledger Technology/Blockchain eingeführt. Dabei wurde kein Spezialgesetz für Blockchain geschaffen, sondern es wurden bewährte bestehende Gesetze angepasst, wo es nötig war. Damit besteht ein Rechtsrahmen, der Innovation zulässt, aber gewisse Risiken, zum Beispiel bezüglich Geldwäsche, aufnimmt.

Fintech-Lizenz: Am 1. Januar 2019 hat der Schweizer Gesetzgeber zur Förderung von innovativen Finanzunternehmen die sogenannte Fintech-Bewilligung, eine Bewilligung mit erleichternden Anforderungen, geschaffen. Die Fintech-Bewilligung erlaubt Publikumseinlagen in der Höhe von maximal 100 Millionen Schweizer Franken entgegenzunehmen, wobei die Publikumseinlagen weder angelegt noch verzinst werden dürfen. Startups im Finanzbereich benötigen dadurch nicht eine vollständige Banklizenz.

Green Fintech: Die Kombination von digitaler Technologie, welche innovative Finanzdienstleistungen hervorbringen kann, und von nachhaltiger Finanzwirtschaft, welche Risiken der Klimaveränderung berücksichtigt, ist zukunftsweisend. Ende 2020 hat das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) ein Green-Fintech-Netzwerk lanciert. Das Netzwerk, dem Green-Fintech-Unternehmen, Universitäten, Risikokapitalfirmen und Beratungs un ter nehmen angehören, soll aufzeigen, wie die Rahmenbedingungen in der Schweiz für Green Fintech verbessert werden können. Einen ersten Aktionsplan hat das Netzwerk im Frühjahr 2021 vorgestellt.

Offene Märkte

Eine Stärkung des Wirtschaftsstandorts Europa kann nur über offene Märkte und gute Zusammenarbeit erreicht werden. Im Finanzbereich heisst das: gegenseitige Anerkennung von Standards, Regulierungen und Prozeduren. Die Schweiz hat in den letzten Jahren bei Finanzmarktregulierung viel getan, um solche Anerkennungen zu ermöglichen. Sie hat zahlreiche EU-Regulierungen übernommen, entweder wortwörtlich oder zumindest im gleichen Sinne. Zudem lebt die Schweiz den Geist offener Märkte vor und gewährleistet liberalen Zugang für ausländische Unternehmen im Finanzbereich. Diese Konkurrenz ist Ansporn für Innovation und Wachstum.

Leider wird dies in Europa nicht genügend genutzt. Nicht förderlich für wirtschaftliche Prosperität und Innovation sind regionale Alleingänge bei der Einführung eigener Standards, welche von globalen Standards abweichen. Und ebenfalls nicht förderlich für wirtschaftliche Prosperität und Innovation ist es, die gegenseitige Anerkennung der Regulierung von sachfremden politischen Themen abhängig zu machen.

Mit dem Brexit hat der größte Finanzstandort die Europäische Union verlassen. London bleibt aber Teil Europas und trägt als Top-Finanzplatz mit globaler Ausstrahlung zur Wettbewerbsfähigkeit Europas weiterhin entscheidend bei.

Brexit als Chance

Die Schweiz hat deshalb im Juni 2020 mit dem Vereinigten Königreich eine Erklärung (Joint Statement) unterzeichnet. Darin wird die gemeinsame Absicht zu einem Abkommen der beiden Länder im Finanzbereich unterstrichen. Dieses Abkommen soll bis Anfang 2022 ausgehandelt sein und den grenzüberschreitenden Marktzugang für eine breite Palette an Finanzdienstleistungen im Versicherungs-, Banken-, Asset Management- sowie Kapitalmarktinfrastrukturbereich ermöglichen.

Mit einem Finanzdienstleistungsabkommen wollen die Schweiz und das Vereinigte Königreich ihr Bekenntnis zur Bedeutung offener Finanzmärkte und zur internationalen Finanzstabilität bekräftigen sowie ihre Stellung als weltweit führende internationale Finanzzentren in Europa festigen.

Das angestrebte Abkommen soll auf dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung der entsprechenden Finanzmarktregulierung sowie des jeweiligen Aufsichtsrahmens basieren. Beide Seiten sind dabei dem Schutz von Investoren und Konsumenten sowie integren Märkten und Finanzstabilität unter Einhaltung höchster Regulierungsstandards verpflichtet.

Das internationale Umfeld wurde in den vergangenen Jahren rauer und multipolarer. Umso wichtiger ist es, in internationalen Gremien aktiv und konstruktiv mitzuwirken und gute Kontakte zu Partnerstaaten zu pflegen. Es gilt, die gute Reputation der Schweiz als Standort eines weltweit führenden Finanzplatzes in Europa zu erhalten und auszubauen. Globale Finanzplätze sollen auch künftig nicht nur in USA oder in Asien existieren, sondern auch in Europa.

Mit "Finance Swiss" haben die Schweizer Finanzmarktbehörden im Jahr 2020 zusammen mit der Finanzbranche eine neue Plattform entwickelt. Einerseits werden damit unter der gleichnamigen Internetadresse verlässliche Informationen zum Finanzstandort Schweiz vermittelt. Dazu gehören sowohl Angaben zu gesetzlichen Rahmenbedingungen, insbesondere für neue innovative Technologien sowie neue Trends aus der Banken-, Versicherungs- und Start-up-Welt. Anderseits dient Finance Swiss auch als Basis für gemeinsame Auftritte von Behörden und Branche an internationalen Anlässen. Reinschauen lohnt sich.

Finanzplatz Schweiz im Überblick
250 Banken200 Versicherungen200 000 Angestellte in Banken und Versicherungen350 Fintech Start-ups900 Blockchain-Firmen9,7 Prozent Anteil am Bruttoinland produkt1 160 Milliarden Schweizer Franken in nachhaltigen InvestmentsNr. 1 in grenzüberschreitender VermögensverwaltungNr. 2 Finanzzentrum in EuropaNr. 3 weltweit RückversicherungsstandortNr. 1 Standort weltweit für HandelsfinanzierungNr. 1 EU-Innovation Scoreboard 2020Nr. 2 weltweit bei der Dichte an Fortune-500-FirmenNr. 1 Global Green Finance Index 2021 Quelle: finance.swiss
 
Mario Tuor Leiter Content, finance.swiss, Bern
 
Mario Tuor , Leiter Content, finance.swiss, Bern
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