Geldwäscheprävention 4.0: Kampf gegen Finanzkriminalität in die Neuzeit bringen

Dr. Karl-Peter Schackmann-Fallis, Foto: Jim Rakete

Rund dreißig Jahre nach dem Beginn der regulierten Geldwäschebekämpfung startet die Deutsche Kreditwirtschaft, vertreten durch DSGV-Vorstand Schackmann-Fallis, einen Aufruf, die Herangehensweise zu verändern. Die Methoden der 1990er-Jahre seien einfach nicht mehr zeitgemäß. Nach einer einer Feststellung des Istzustands - er kritisiert unter anderem den unzureichenden Informationsaustausch zwischen Verpflichteten und Behörden, aber auch der Verpflichteten untereinander - formuliert der Dachverband der Kreditinstitute in Deutschland konkrete Verbesserungsvorschläge für eine effiziente Geldwäschebekämpfung. Verbesserungspotenzial sieht die DK beispielswiese durch eine Optimierung der Rahmenbedingungen für das Transaktionsmonitoring oder durch eine strukturelle Neuorientierung der Behandlung von Verdachtsfällen. Der Verband kommt zu dem Schluss, dass moderne Geldwäschebekämpfung auch eine neuartige Zusammenarbeit von Staat und Unternehmen erfordere. Am Anfang von allem stünde jedoch die Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen. (Red.)

Rund dreißig Jahre nach dem Beginn der regulierten Geldwäschebekämpfung in der Europäischen Union ist das Thema mehr denn je in der Diskussion. Das gilt in besonderem Maße für Deutschland. Denn hierzulande mischt sich gegenwärtig die nie versiegende Diskussion über schlagkräftige, aber auch umsetzbare und den Grundrechten der unbescholtenen Bürger gerecht werdende gesetzliche Rahmenbedingungen mit der Debatte über aktuelle Verdachtsfälle von Finanzkriminalität (Stichwort Wirecard).

Aus Sicht der Kreditwirtschaft sind viele der Beiträge zu diesen Diskussionen bislang noch nicht zu dem durchgedrungen, was das Gebot der Stunde ist: Eine nüchterne Bestandsaufnahme und die Erkenntnis, dass es nicht mehr zeitgemäß ist, im Jahre 2021 mit den Mitteln der 1990er Jahre Organisierte Kriminalität und Finanziers des Terrorismus zu bekämpfen. Es ist an der Zeit für eine systematische Neuausrichtung. Durch äußere Anlässe induzierte kurzfristige regulatorische Reaktionen führen nicht mehr weiter.

Der Erlass von seit 1991 inzwischen sechs EU-Geldwäsche-Richtlinien war indessen stark von äußeren Anlässen geprägt, zuletzt bei der Fünften Richtlinie 2018/843 von den Terroranschlägen in Paris und Brüssel. Dies setzt sich in der aktuellen Diskussion auf EU-Ebene fort, diesmal maßgeblich getrieben durch Geldwäschevorfälle in EU-Kreditinstituten. Inhaltlich kreist die Debatte auf EU-Ebene hauptsächlich um die Fragen einer weitergehenden Harmonisierung des materiellen EU-Anti-Geldwäsche-Rechts (Rechtsinstrument Verordnung statt Richtlinie), einer verbesserten Zusammenarbeit unter den verschiedenen Behörden sowie um Möglichkeiten eines Ausbaus der Kompetenzen zur Bekämpfung der Geldwäsche auf der EU-Ebene. Insbesondere zu diesen Punkten hat der Rat die EU-Kommission am 25. November 2019 um Vorschläge zum weiteren Vorgehen gebeten. Nach entsprechenden Reaktionen im EU-Parlament wird aktuell mit einer nächsten EU-Regulierungsinitiative im Frühjahr 2021 gerechnet.

Eine sorgfältige Überprüfung des Rechtsrahmens und der Kompetenzen zur Durchsetzung der hieraus resultierenden Pflichten ist zweifellos geboten. Allerdings geben auch andere Entwicklungen Anlass, das derzeitige Konzept zur Prävention und Bekämpfung von Geldwäsche zu überprüfen. Denn die Basis für das Bekämpfungskonzept aus den 1990er-Jahren hat sich inzwischen grundlegend gewandelt:

- Der Adressatenkreis der Geldwäschegesetzgebung wurde über den ursprünglich allein verpflichteten Finanzsektor hinaus kontinuierlich erweitert. Dies erinnert daran, dass Geldwäschebekämpfung nicht allein Aufgabe des Finanzsektors, sondern der gesamten Gesellschaft ist. Eine zielgerichtete Mitwirkung weiterer Wirtschafts- und Gesellschaftskreise kann einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, Geldwäsche effektiver zu bekämpfen.

- Die Einbeziehung der Finanzwirtschaft in die Kriminalitätsbekämpfung beruhte auf der Grundidee, die "Spur des Geldes" durch Aufzeichnungen der verpflichteten Unternehmen nachvollziehen zu können. Es ist offenkundig, dass in der Digitalgesellschaft im Jahre 2021 nicht nur im Finanzsektor Datenspuren vorliegen, die für die Strafverfolgung von Interesse sein können. Die Regulierung hat hierauf noch nicht adäquat reagiert. Die Einbeziehung der Händler von Kryptowerten in den Anwendungsbereich der EU-Geldwäsche-Richtlinien kann allenfalls ein Anfang sein.

- Ein grundsätzlicher Gedanke tritt hinzu: Ursprüngliches Ziel der Geldwäschebekämpfung war die Schaffung eines "Interventionsverbundes" zwischen Staat und Unternehmen zur Bekämpfung eines den Rechtsstaat selbst bedrohenden Kriminalitätsphänomens. Die gegenwärtig intensiv diskutierte Notwendigkeit einer verstärkten Zusammenarbeit von Behörden untereinander und von Behörden mit den Verpflichteten der Geldwäschegesetze dokumentiert, dass dies noch nicht gelungen ist. Aus Bankensicht haben die in den Geldwäschegesetzen geregelten umfangreichen (und mit Blick auf eine effektive Geldwäscheprävention durchaus zum Teil fragwürdigen) Feststellungs- und Dokumentationspflichten sich von der ursprünglichen Zielsetzung - der Verfolgung und Verurteilung Schwerstkrimineller - weitgehend losgelöst. Namhafte Experten zweifeln die Wirksamkeit des derzeitigen Konzepts insgesamt an. Vor diesem Hintergrund sind eine grundlegende Rückbesinnung auf die Zielsetzung und eine darauf beruhende zukunftsgerichtete Justierung des Bekämpfungskonzepts dringend erforderlich.

Dies vorausgeschickt sollen im Weiteren konkrete Vorschläge für teils grundlegende Verbesserungen des Bekämpfungskonzepts vorgestellt werden.

Schwächen des gegenwärtigen Bekämpfungskonzepts

Anders als die gegenwärtige Regulierungsdiskussion auf europäischer Ebene nahelegt, sind die Schwächen des gegenwärtigen Bekämpfungskonzepts nicht (nur) auf eine mangelnde Harmonisierung des Rechtsrahmens und den Umfang der Aufsichtskompetenzen auf EU-Ebene zurückzuführen. Die hauptsächlichen Fehlsteuerungen sind vielmehr auf eine Überbetonung der formalen Bestimmungen der Geldwäschebekämpfung (Datenerhebung in Bezug auf Kunden - KYC, die sogenannte auftretende Person und wirtschaftlich Berechtigte sowie Dokumentation der Ergebnisse) sowie auf einen nicht ausreichenden Informationsaustausch mit den unmittelbar zuständigen Behörden und/oder (sektorübergreifend) zwischen den Verpflichteten untereinander im Bereich der Verdachtsfindung zurückzuführen.

Einheitliche Vorgaben für die Identitätsfeststellung begegnen in der Europäischen Union praktischen Schwierigkeiten: Manche Mitgliedsstaaten verfügen - wie Deutschland - über ausgeprägte Ausweiskonzepte, in anderen Ländern müssen andere Quellen zum Identitätsnachweis herangezogen werden. Unabhängig hiervon dokumentiert der Erlass der eIDAS- Verordnung 910/2014, dass unionsweit einheitliche Vorgaben für elektronische Identifizierungen möglich sind. Entsprechende Vorgaben liegen allerdings für die Identifizierungen unter der Geldwäsche-Richtlinie (noch) nicht vor. Ebenso sind die Maßgaben der EU-Geldwäsche-Richtlinie für die Transparenzregister nicht ausreichend, um die Vorteile einer einheitlichen Erfassung von Daten über wirtschaftlich Berechtigte in der Praxis nutzbar machen zu können. Vielmehr zeichnet sich ein erheblicher Mehraufwand und ein sehr begrenzter Nutzen der Transparenzregister bereits ab.

Fehler bei der Datenfeststellung beziehungsweise Datenverifizierung und bei der Aufzeichnung bei Identifizierungen oder vor allem der Feststellung von wirtschaftlich Berechtigten sind in der Aufsichtspraxis nach der "Tick-Box-Methode" leicht vorzunehmen und führen mit geringem Aufwand zu leicht begründbaren Beanstandungen, die ein Bußgeldverfahren auslösen können. Die Konzentration von Beaufsichtigten und Aufsehern auf diese "formale" Seite der Geldwäschebekämpfung lenkt letztlich von der zentralen Zielsetzung des Gesetzes ab. Zugespitzt formuliert tritt die Sanktionierung der Verpflichteten wegen formaler Fehler in den Mittelpunkt - eine wirksame Verfolgung von Schwerstkriminellen gerät zunehmend aus dem Blickfeld.

In Deutschland ist der Austausch zwischen den Verpflichteten des Geldwäschegesetzes und den Ermittlungsbehörden wegen des föderalen Aufbaus unterschiedlich intensiv. In einer Gesamtschau bleibt er hinter dem zurück, was aktuell möglich und für eine optimierte Strafverfolgung zielführend wäre. Schon seit dem Beginn der Geldwäschebekämpfung haben sich die Ermittlungsbehörden einem regelmäßigen und einzelfallbezogenen Feedback auf erstattete Verdachtsanzeigen beziehungsweise -meldungen entzogen. Bis heute ist es weder statistisch noch einzelfallbezogen möglich, den Beitrag der erstatteten Verdachtsmeldungen auf den Ausgang eines Strafverfahrens darzustellen, weil die dafür erforderlichen Informationen nicht erhoben werden. Zwar lassen sich sowohl Zahlen zu den jährlich erstatteten Verdachtsanzeigen beziehungsweise Verdachtsmeldungen aus den Jahresberichten der FIU entnehmen. Entsprechendes gilt für Daten zur Verurteilung wegen Geldwäsche gemäß § 261 StGB aus der jährlich veröffentlichten Strafverfolgungsstatistik. Allerdings ist der Aussagewert der Daten aus folgenden Gründen begrenzt: Schon den Zahlen über Verurteilungen wegen § 261 StGB kann nicht entnommen werden, ob diese auf Geldwäsche-Verdachtsmeldungen zurückgehen. Zudem führen Geldwäsche-Verdachtsmeldungen aller Erfahrung nach durchaus zu Verurteilungen wegen anderer Delikte, insbesondere wegen Betruges gemäß § 263 StGB. Ob und in welchem Umfang dies jedoch der Fall ist, lässt sich der Statistik noch weit weniger entnehmen.

Dies bedeutet letztlich, dass den geldwäscherechtlich Verpflichteten kein belastbares empirisches Material zur Verfügung steht, um ihr Meldeverhalten an tatsächlichen Geldwäschevorfällen auszurichten beziehungsweise zu schärfen. Vielmehr richten die Meldepflichtigen ihr Verhalten an abstrakt formulierten Risikofaktoren, Typologiepapieren sowie an ihrem bisherigen Meldeverhalten aus. Ein Ende des rasanten Anstiegs der Verdachtsmeldungen, der immer zu dem Ergebnis "Masse statt Klasse" führt, ist nicht zu erwarten.

Weitere Sensibilisierung des Meldeverhaltens

So wurde beispielsweise in Deutschland die Schwelle für einen meldepflichtigen Verdacht im Jahr 2011 durch das Gesetz zur Optimierung der Geldwäscheprävention abgesenkt. Noch weiter verschärft wurde diese Absenkung 2018 durch einen Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt. In diesem Beschluss wurden die Prüfungs- und Plausibilisierungsmöglichkeiten des meldepflichtigen Instituts sehr restriktiv ausgelegt und damit der Ermessensspielraum des Geldwäschebeauftragten bezüglich der Frage, ob ein meldepflichtiger Sachverhalt vorliegt, stark eingeschränkt. Dies hat zu einer weiteren Sensibilisierung des Meldeverhaltens geführt. Der eigentliche Anknüpfungspunkt für eine Verdachtsmeldung, nämlich das Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte für eine illegale Herkunft der Vermögensgegenstände (Vortat der Geldwäsche oder Zusammenhang mit Terrorismusfinanzierung) gerät dabei zunehmend aus dem Blickfeld. Im Hinblick auf die Kundeninteressen und damit auch deren Rechte sowie den Interessen der Strafverfolgungsbehörden an der Übermittlung fundierter Sachverhalte muss es den Verpflichteten aber möglich sein, einen etwaigen Verdacht in einem gewissen Rahmen zu überprüfen.

Unabhängig von diesen Entwicklungen haben sich über die Zeit Kontakte zwischen Verpflichteten und Ermittlungsbehörden ergeben, die wertvolle Hinweise für die Verpflichteten ermöglicht haben. Aus Sicht der Kreditwirtschaft ist eine Intensivierung, Verstetigung und Regelung dieses Austauschs der wesentlichste Aspekt für eine Optimierung des Instrumentariums zur Bekämpfung der Geldwäsche.

Allerdings hat die ausschließliche Zuständigkeit der beim Zollkriminalamt angesiedelten Financial Intelligence Unit (FIU) den zuvor partiell üblichen praxisnahen und lokalen Informationsaustausch der Verpflichteten mit den Ermittlungsbehörden des Bundes und der Länder reduziert. Daher muss sich die FIU den Zugang zu den relevanten Informationen bei den Ermittlungsbehörden verschaffen, will sie deren Rolle wirkungsvoll übernehmen. Der im Rahmen der Umsetzung der 5. EU-Geldwäsche-Richtlinie beschlossene Zugriff der FIU auf polizeiliche und staatsanwaltschaftliche Datenbanken (§ 31 Abs. 4, 4a GwG) ist in dieser Hinsicht zu begrüßen. Ob diese Maßnahme in der Praxis den gewünschten Erfolg erbringen wird, bleibt allerdings abzuwarten. Eine gewisse Skepsis liegt insofern nahe, als der eigentliche Schlüssel zur Aufklärung von Verdachtsfällen in einem zeitnahen Austausch über operative Daten liegt. Das heißt, dass sich Behörden und Verpflichtete oder auch Verpflichtete untereinander (und idealerweise sogar sektorübergreifend) auch über personen- und transaktionsbezogene Daten im Vorfeld eines Verdachts austauschen, weil dies gerade der Feststellung dient, ob ein Verdachtsfall vorliegt. Dies wird in anderen Staaten (zum Beispiel im Vereinigten Königreich) auf eigens dafür geschaffener gesetzlicher Grundlage bereits umgesetzt. Hierfür ist der aktuelle Rechtsrahmen in Deutschland noch nicht ausgelegt.

Vorschläge zur Optimierung der Geldwäschebekämpfung

Die folgenden Vorschläge sind aus Sicht der Deutschen Kreditwirtschaft geeignet, das Instrumentarium zur Bekämpfung der Geldwäsche substanziell zu verbessern.

1. Vollharmonisierung der rechtlichen Vorgaben für die Identifizierung: Die Pflichten zur Identifizierung von Kunden (inklusive der auftretenden Person und des wirtschaftlich Berechtigten) nehmen unter den Regelungen zur Geldwäschebekämpfung breiten Raum ein. Dies ist im Hinblick auf die Zielsetzung - die Anlegung von Datenspuren - auch nachvollziehbar. Fraglich erscheint allerdings, ob diese "erste Stufe" der Maßnahmen zur Geldwäschebekämpfung angesichts der veränderten Verhältnisse in der Digitalgesellschaft nicht einheitlicher und stringenter gefasst sowie zeitgemäßer umgesetzt werden sollten. Hierfür bedarf es zum einen einheitlicher und praxisgerechter rechtlicher Rahmenbedingungen. Diese sollten künftig in Form einer EU-Verordnung geschaffen werden, die die zu erhebenden Daten sowie die hierbei heranzuziehenden Datenquellen (Ausweispapiere et cetera) konkret und abschließend regelt.

Dabei sollte überprüft werden, ob die Anwendung des risikobasierten Ansatzes auf diese "erste Säule" der Geldwäschebekämpfung noch sachgerecht ist. Aus Perspektive der DK ist im Bereich der Datenerhebung und Verifizierung derselben ein regelbasierter Ansatz klar vorzugswürdig. Das Beispiel der selbst innerhalb der EU unterschiedlichen Vorgaben, welche Daten in Bezug auf einen wirtschaftlich Berechtigten zu erheben sind, welche Quellen zur Verifizierung beizuziehen sind und welche Berechnungsmethode zur Ermittlung des wirtschaftlich Berechtigten bei mehrstufigen Beteiligungsebenen anzuwenden ist, verdeutlicht die aktuellen Probleme des risikobasierten Ansatzes in diesem Punkt sehr schön. Von zentraler Bedeutung ist zudem, dass der EU-Gesetzgeber die Regeln über die Identifizierung technologieneutral ausgestaltet.

2. Erfassung und Bereitstellung der Daten zu wirtschaftlichen Eigentümern in Transparenzregistern: Die Funktion des durch die vierte EU-Richtlinie eingeführten Transparenzregisters sollte gestärkt werden. Das Ziel muss die Schaffung von vernetzten Registern sein, die auf der Basis eines einheitlichen Anforderungskataloges an die zu erhebenden Daten einen "Single Point of Truth" über die Verhältnisse von wirtschaftlichen Eigentümern bieten. Die Richtigkeit und Verlässlichkeit der in den Registern enthaltenen Daten kann am besten durch eine staatliche Registerführung gewährleistet werden.

3. Verbesserung der Rahmenbedingungen für das Transaktionsmonitoring: Aus Sicht der Kreditwirtschaft kommt dem Transaktionsmonitoring in der modernen Geldwäscheprävention durch Kreditinstitute eine zentrale Bedeutung zu. Das Transaktionsmonitoring dient dazu, aus dem Datenbestand der Kreditinstitute diejenigen Anhaltspunkte herauszufiltern, die einer näheren Überprüfung auf etwaige Verdachtsmomente zugeführt werden müssen. Dabei kommt der Qualität des zugrunde liegenden Datenbestandes eine entscheidende Bedeutung zu.

Aus diesem Grunde ist eine intensivierte Zusammenarbeit mit anderen Verpflichteten aus dem Finanzsektor und mit den zuständigen Behörden wichtig. Da ein Transaktionsmonitoring regelmäßig nicht ohne die Verwendung personenbezogener Daten auskommt, ist eine entsprechende eindeutige gesetzliche Grundlage erforderlich, die ebenfalls im Rahmen einer Rechtsverordnung erlassen werden sollte, um den datenschutzrechtlichen Anforderungen gerecht zu werden.

4. Strukturelle Neuorientierung der Behandlung von Verdachtsfällen: Wie die jährlich veröffentlichte Strafverfolgungsstatistik deutlich macht, trägt nur ein Bruchteil der erstatteten Verdachtsmeldungen tatsächlich dazu bei, Strukturermittlungen gegen Organisierte Schwerstkriminalität und terroristische Aktivitäten zu unterstützen. Dieser Befund ist nicht auf Deutschland begrenzt, sondern findet sich in entsprechender Weise auch in anderen Jurisdiktionen, wenngleich dort zum Teil noch höhere Meldungszahlen zu verzeichnen sind. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Kritik an dem bestehenden Meldekonzept in diesen Jurisdiktionen als erstes formuliert und nach entsprechenden Lösungskonzepten gesucht wurde.

Vielversprechend erscheint nach den vorliegenden Ergebnissen der Ansatz der "Joint Money Laundering Intelligence Taskforce" im Vereinigten Königreich. Kern dieses Konzepts ist die gemeinsame Überprüfung von Verdachtsmomenten im Dialog zwischen operativ handelnden Ermittlungsbehörden einerseits und den Verpflichteten andererseits. Das heißt, die Dialogpartner diskutieren Sachverhalte "im Vorhof" eines Verdachts, wobei sie sich von dem Austausch mit der jeweils anderen Seite weiteren Aufschluss versprechen. Da hiermit Grundrechtseingriffe im Vorfeld eines Verdachts verbunden sind, muss eine eindeutige und verfassungsrechtlich ausreichende gesetzliche Grundlage geschaffen werden.

Dieser neuartige Ansatz erscheint trotz der einzuräumenden erheblichen Eingriffstiefe gegenüber der bisherigen Praxis vorzugswürdig. Denn diese generiert auf der Grundlage eines immer weiter erodierenden Verdachtsbegriffs ständig neue Rekorde an Verdachtsmeldungen, die von den adressierten Behörden nicht mehr adäquat behandelt werden können. Zudem ist zu berücksichtigen, dass für Meldepflichtige auch die Pflicht besteht, gegenüber dem Betroffenen einer Verdachtsmeldung sicherzustellen, diesen nicht leichtfertig den (unangenehmen) Folgen eines Geldwäscheverdachts auszusetzen. Dies ergibt sich aus der Pflicht, verantwortungsbewusst an der Prävention und Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung mitzuwirken und dabei auch die Interessen der Kunden als Betroffene abzuwägen.

Organisation der zuständigen Behörden

Darüber hinaus haben die Meldepflichtigen neben der Verdachtsmeldung jeweils zu prüfen, ob die Geschäftsbeziehung zu dem gemeldeten Kunden aufrechterhalten werden kann. Daher ist neben der Schaffung einer fokussierten Verdachtsschöpfung nach dem JMLIT-Modell eine spürbare Erhöhung der Verdachtsmeldeschwelle geboten. Unter Umständen kann sich eine Erprobung eines solchen neu strukturierten Verdachtsmeldungskonzepts empfehlen, wie dies in anderen Mitgliedsstaaten bereits durchgeführt worden ist. Dabei sollte zusätzlich erwogen werden, die kriminologische Forschung in derartige Pilotprojekte einzubinden.

Verschiedene Geldwäsche-Vorfälle in der Europäischen Union haben eine intensive Diskussion über die Struktur der Behörden und die Verteilung der Kompetenzen zwischen der Unionsebene und den Mitgliedsstaaten ausgelöst. Die Diskussion verengt sich dabei aus Sicht der deutschen Kreditinstitute mitunter voreilig auf die Frage, welche EU-Behörde am besten geeignet sein könnte, Kompetenzen der nationalstaatlichen Behörden zu übernehmen. Diesen Überlegungen sollte eine genaue Analyse der jeweiligen behördlichen Funktion vorausgehen. Im Übrigen ist aus Sicht der Deutschen Kreditwirtschaft die Frage der Rechtsharmonisierung durch eine unmittelbar geltende Verordnung vorrangig gegenüber der Behördenzuständigkeit. Unter dieser Prämisse ist zu den auf EU-Ebene diskutierten Fragen der Behördenzuständigkeit Folgendes anzufügen:

- Eine Übertragung der aufsichtlichen Befugnisse auf die Europäische Zentralbank begegnet mit Blick auf die Rechtsgrundlage gemäß Art. 127 Absatz 6 AEUV aus deutscher Perspektive Bedenken. So hat das Bundesverfassungsgericht seine Zurückweisung zweier Verfassungsbeschwerden gegen die Bankenunion vom 30. Juli 2019 unter anderem mit den der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht verbliebenen Funktionen begründet. Hierzu zählt nicht zuletzt die Aufsicht über die Einhaltung der Pflichten nach dem Geldwäschegesetz. Würde man diese Kompetenz der EZB übertragen, könnte unter Umständen die verfassungsrechtliche Würdigung der Bankenunion anders ausfallen.

- Die Übertragung weiterer Kompetenzen zur Beaufsichtigung der Regelung zur Geldwäscheprävention auf die European Banking Authority (EBA) dürfte im Wesentlichen faktischen Bedenken begegnen. So dürfte die EBA nach ihrer gegenwärtigen personellen und sachlichen Ausstattung kaum in der Lage sein, eine wirksame Vor-Ort-Aufsicht über Kreditinstitute in den Mitgliedsstaaten zu gewährleisten. Ferner erscheint fraglich, ob die EBA neben Unternehmen des Finanzsektors auch andere Adressaten der Anti-Geldwäsche-Regelungen beaufsichtigen könnte. Einzuräumen ist andererseits, dass der der EBA bisher gesetzte Rechtsrahmen bereits erhebliche Eingriffskompetenzen aufweist und keine Gründe ersichtlich sind, diesen im Hinblick auf eine effektive praktische Aufsicht auszubauen.

- Schließlich wird auf europäischer Ebene die Neuschaffung einer Anti-Geldwäsche-Behörde im Gewand einer Agentur erwogen. Diese könnte die Beaufsichtigung aller Adressaten der Anti-Geldwäsche-Regelungen ins Auge fassen und ihr Kompetenzrahmen könnte von Grund auf neu bestimmt werden. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Grenzen der Meroni-Doktrin durch das sogenannte ESMA-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 22. Januar 2014 erheblich erweitert worden sind: Hiernach können auf der Grundlage der Binnenmarktkompetenz des Art. 114 AEUV Agenturen mit unmittelbaren Eingriffsrechten gegenüber dem Unionsbürger durchaus geschaffen werden. Allerdings muss diese Erweiterung der Kompetenzen durch geeignete inhaltliche Vorgaben und verfahrensrechtliche Bindungen ausbalanciert werden.

Die Schaffung einer mit neuen Kompetenzen ausgestatteten EU-Anti-Geldwäsche-Agentur setzt somit Verfahrensregelungen voraus, die durchaus beträchtlich sein dürften. Zudem würde eine EU-Agentur mit einer Zuständigkeit für die Aufsicht über alle Adressaten der Regeln zur Geldwäschebekämpfung erhebliche Ressourcen und einen entsprechenden zeitlichen Vorlauf bis zur Aufnahme des Wirkbetriebs benötigen.

Chance auf einen großen Schritt nach vorn

Moderne Geldwäschebekämpfung erfordert eine neuartige Zusammenarbeit von Staat und Unternehmen. Die stetig zunehmende Zahl von Verdachtsmeldungen rückt immer mehr Bürger in den Vorhof eines strafrechtlich relevanten Verdachts. Die zuständigen Behörden müssen die meldepflichtigen Unternehmen daher mit konkreten Informationen versorgen, um zielgerichtete und effektive Maßnahmen zu ermöglichen. Nur auf diese Weise können die messbaren Ergebnisse der Geldwäscheprävention (Verurteilungen von Schwerkriminellen und die Einziehung durch strafbares Handeln erlangter Vermögenswerte) gesteigert werden. In diesem Kontext spielt auch die Digitalisierung eine große Rolle. Hier müssen nicht nur die verpflichteten Unternehmen, sondern auch die zuständigen Behörden ihren Beitrag leisten. Dabei kann sich niemand mehr Jahrzehnte dauernde Großprojekte leisten; hier muss rasch gehandelt werden.

Am Anfang steht allerdings die Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen an diese Veränderungen. Diese wird fraglos substanziell sein. Dies muss auch so sein, denn es geht um eine neue Abwägung zur Beantwortung der Frage, welche Eingriffe alle Bürger dulden müssen, damit der Staat, unterstützt durch private Stakeholder, die rechtsstaatliche und demokratische Grundordnung gegen Kräfte verteidigen kann, die anderes im Sinn haben. Der EU-Gesetzgeber hat in diesem Frühjahr die Chance, einen großen Schritt nach vorn zu tun. Er sollte diese nicht verpassen.

Fußnoten

1) Siehe den sog. "Post-Mortem-Bericht" der EU-Kommission vom 24. Juli 2019, COM (2019) 373.

2) Fischer, Strafgesetzbuch, 67. Aufl. 2020, § 261 Rdnr. 4b bis d.

3) ABl. EU Nr. L 257 vom 28. August 2014, S. 73 ff.

4) Joint Money Laundering Intelligence Taskforce, Einzelheiten siehe unter www.nationalcrimeagency.gov.uk/what-we-do/national-economic-crime-centre

5) Urteil vom 30.07.2019, Az. 2 BvR 1685/14 und 2 BvR 2631/14

6) Urteil vom 13.06.1958 - 9/56, Slg. 1958, S. 11

7) Rs. C 270/12

8) Saurer, J.: Die Errichtung von Europäischen Agenturen auf der Grundlage der Binnenmarktharmonisierungskompetenz des Art. 114 AEUV, DÖV 2014, 549 (555)

Dr. Karl-Peter Schackmann-Fallis Geschäftsführendes Vorstandsmitglied, Deutscher Sparkassen- und Giroverband e.V. (DSGV), Berlin, Federführer der Deutschen Kreditwirtschaft (DK)
 
Dr. Karl-Peter Schackmann-Fallis , Geschäftsführendes Vorstandsmitglied , Deutscher Sparkassen- und Giroverband e.V., DSGV, Berlin
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