Im genossenschaftlichen Ökosystem ist das Payment ein Wegbereiter für Geschäft

Carlos Gómez-Sáez, Foto: VR Payment GmbH

Die Payment Services Directive2 (PSD2) könne auch genutzt werden, um aus Open Banking ein Ökosystem zu entwickeln. Der Aufbau regionaler Ökosystem ist auch laut Gómez-Sáez das erklärte Ziel der Genossenschaftlichen Finanzgruppe. Allerdings sei dabei das Ziel, die Plattformen auch selbst zu betreiben und nicht nur als Zulieferer zu fungieren. Mit der zunehmenden Wichtigkeit des Payments im Handel, insbesondere im E-Commerce, würden sich auch für die genossenschaftlichen Institute neue Chancen ergeben, beispielsweise an der Schnittstelle zum Händler. Diesem könnten im Rahmen des Payments eine Reihe von Finanzierungsleistungen angeboten werden. Aber auch dem Endkunden über den Ratenkauf, wie er schon von dem Verbundunternehmen Teambank bereits angeboten werde. Laut Autor gebe es noch eine ganze Reihe weitere Chancen am PoS Geschäftsmöglichkeiten zu generieren. Entscheidend für den Erfolg sei eine enge Zusammenarbeit im Verbund. (Red.)

Vor nunmehr gut drei Jahren ist die europäische Payment Services Directive2 (PSD2) in deutsches Recht umgesetzt worden. Sie hat im Finanzmarkt den vom Gesetzgeber gewünschten Wettbewerb um den Kunden verstärkt und zu erhöhten Innovationsanstrengungen geführt. Dies gilt nicht nur für die neuen Akteure. Dies gilt in besonderem Maße für die Banken selbst. Sie bauen an universellen Schnittstellen, die die alten Point-to-Point-Verbindungen ablösen und als standardisierte Andockstationen für verschiedene externe Dienste und Services genutzt werden können.

Die sogenannten Application Programming Interfaces (API's) stellen die Basis für das Open Banking dar. Sie dienen den Instituten zur Flexibilisierung und zur Weiterentwicklung ihres Geschäftes, zur Schärfung ihres Wettbewerbsprofils und zur Kooperation mit Dienstleistern aus dem Fintech- und Nichtbankenbereich. API's werden genutzt, um Kernleistungen wie zum Beispiel Konsumentenkredite durch flexible Softwarelösungen kundenorientierter zu gestalten oder gar, wie die Genossenschaftliche Finanzgruppe mit Easy Credit, ein eigenes Geschäftsmodell darauf zu entwickeln. Sie werden genutzt, um bei einzelnen Prozessen wie beispielsweise der Geldwäscheprävention mit den jeweils neuesten Technologien arbeiten zu können. Sie werden aber auch genutzt, um einen Schritt weiter zu gehen und aus Open Banking ein Ökosystem zu entwickeln.

Ein Ökosystem, das durch die Integration attraktiver, auch bankunabhängiger Leistungen eine hohe Relevanz für den Kunden besitzt. Ein solches Ökosystem zielt auf Kundenwachstum ab, versucht die Kunden an die Plattform zu binden und das darüber aufgebaute Netzwerk zu monetarisieren. Plattformbasierte Ökosysteme sind eine zentrale Antwort auf das Entstehen der sogenannten "Network Economy". Der Aufbau regionaler Ökosysteme ist auch das erklärte Ziel der Genossenschaftlichen Finanzgruppe. Ziel ist es, Betreiber eigener Plattformen und nicht bloß Zulieferer für Plattformen anderer zu sein.

Gerade die Genossenschaftliche Finanzgruppe mit ihren rund 800 in den jeweiligen Regionen bestens vernetzten und verankerten Volksbanken Raiffeisenbanken, mit ihren leistungsstarken Partnern und Dienstleistern eignet sich in besonderer Weise für den Aufbau solcher Plattformen. Dies liegt neben der regional starken Stellung auch daran, dass sowohl die genossenschaftlichen Grundprinzipien als auch die tief verankerte Kooperationsfähigkeit eine starke kulturelle Grundlage dafür bilden. Mit anderen Worten: Wem das Prinzip, dass viele schaffen, was einer allein nicht vermag, in Fleisch und Blut übergegangen ist und wer es gewohnt ist, das Spezial-Knowhow genossenschaftlicher Partner und Dienstleister in die Kundenberatung bruchlos zu integrieren, der bringt für den Aufbau und den Betrieb eines regionalen Ökosystems bereits zentrale Fähigkeiten mit. Die dazu komplementäre Funktion des Digitalisierungspartners nimmt auf der technischen Seite der genossenschaftliche IT-Dienstleister ein und fördert die technische Weiterentwicklung zur Plattformbank.

Finanzgruppe als kleines Ökosystem

Aus der Perspektive der Primärinstitute kann man den genossenschaftlichen Finanzsektor selbst bereits als kleines Ökosystem betrachten: Die Bank als Plattform, auf der der Kunde alle Leistungen findet, die er für seine finanzielle Lebensführung braucht. Der Unterschied zwischen Plattformgeschäften und Cross-Selling, wie es andere betreiben, besteht in der Integration. In der Genossenschaftlichen Finanzgruppe sind viele Produkte und Dienstleistungen, die von Partnern zur Verfügung gestellt werden, bereits in die Geschäftsprozesse der Banken integriert und Teil des Leistungsportfolios gegenüber den Kunden. Im Ergebnis steht eine höhere Ausschöpfung der Kundenbeziehung und ein zufriedener Kunde, der mit jeder Transaktion stärker an seine Bank gebunden ist. Den Vorteil, dass der Kunde im genossenschaftlichen Ökosystem gehalten werden konnte und für weitere Dienstleistungen aus diesem System offen ist, gibt es on top.

Mit der zunehmenden Bedeutung, die das Payment heute im Handel und bei Verbrauchern einnimmt, eröffnen sich auch in diesem Bereich neue Chancen für das genossenschaftliche Ökosystem und für gemeinsame Geschäfte. Dieser Bedeutungszuwachs des Payments resultiert aus mehreren Entwicklungen. Zum einen ersetzen auch im stationären Handel immer stärker digitale Bezahlverfahren die herkömmliche Barzahlung. Covid-19 hat hier noch einmal eine zusätzliche Dynamik entfacht. Zum zweiten weitet der E-Commerce mit seinen digitalen Bezahloptionen seinen Marktanteil am Handel kontinuierlich aus. Der unbare Anteil im gesamten Handel hat den Bargeldanteil überholt und liegt inzwischen wertmäßig bei rund 55 Prozent.

Zum dritten übernimmt das Smartphone immer stärker die Funktion eines universellen Werkzeugs für den Alltag und damit auch für Finanztransaktionen und das tägliche Bezahlen. Wir sind also am Tipping-Point einer Entwicklung, bei der die Rolle des Payments am PoS vom Abwickler im Hintergrund zum kritischen Erfolgsfaktor im Verkauf wird. Wer nicht in der Lage ist, seinen Kunden die von ihm gewünschten bargeldlosen Zahlverfahren anzubieten oder den Komfort beim Bezahlen vernachlässigt, ist aus dem Geschäft. Abwandernde Kunden an der Ladenkasse und hohe Abbruchraten beim E-Commerce sind die Folge. Payment wird so zum Wegbereiter für Geschäft.

Mit dieser Positionsveränderung des Payments entsteht für die Genossenschaftliche Finanzgruppe ein neuer Wertpunkt, ein neues Asset in der Kundenbeziehung. Die Payment-Schnittstelle ist eine weitere Schnittstelle zum Kunden und kann, wie alle Kundenschnittstellen, für Geschäftstransaktionen genutzt werden. Diesen Vorteil hat im Übrigen die Genossenschaftliche Finanzgruppe für sich allein, weil nur sie mit VR Payment über einen eigenen Payment-Dienstleister verfügt. Alle anderen Payment-Dienstleister nutzen ihre gestärkte Position zu ihrem eigenen Vorteil. Ein gutes Beispiel dafür ist der schwedische Paymentprovider Klarna, bei dessen Neuausrichtung es immer weniger um Payment und dafür immer mehr um "Smooth Shopping" geht und der seine Wertschöpfungskette damit erweitert. Den Vorteil über einen eigenen Payment-Dienstleister zu verfügen, gilt es auszuspielen und für die weitere Intensivierung des genossenschaftlichen Ökosystems zu nutzen.

Wie das gehen kann, zeigt das Beispiel 'Ratenkauf by Easy Credit'. Die Teambank und VR Payment haben zusammen eine Lösung für den PoS und E-Commerce entwickelt, bei der Kreditierungs- und Bezahlprozess nahtlos ineinander übergehen. Insbesondere im höherpreisigen Produktmarkt wie bei Fahrrädern, Möbeln oder weißer Ware unterstützt eine mit dem Kauf angebotene Ratenzahlung den Entscheidungsprozess des Kunden und führt zu höheren Bons beim Einkauf. Mit diesem Angebot können Einkäufe ab 200 Euro und bis zu 10 000 Euro für mindestens sechs und maximal 60 Monate realisiert werden.

Ein ähnliches Geschäftsmodell lässt sich auch auf der Händlerseite gemeinsam aufbauen. Die Nachfrage danach wächst und folgerichtig wollen in letzter Zeit immer mehr Paymentprovider bei ihren angeschlossenen Handelsunternehmen in das Kreditgeschäft einsteigen. Vorreiter war Paypal. Der Online-Bezahldienst bietet bereits seit zwei Jahren seinen Händlern Kredite an. Nun versuchen immer mehr Payment-Dienstleister sich stärker als Händlerbank zu positionieren und entwickeln sich an der Händlerschnittstelle zu Wettbewerbern der klassischen Banken. Damit wächst auch für genossenschaftliche Institute, deren Handelskunden nicht bei VR Payment, sondern bei anderen Acquirern und Netzbetreibern angeschlossen sind, das Risiko im Kreditbereich mittelfristig Kunden zu verlieren.

Merchant Lending als Geschäftspotenzial

Umgekehrt bietet dieses Geschäftsfeld interessantes Wachstumspotenzial, denn nicht jeder Händler wendet sich bei auftretendem Bedarf an seine Hausbank. Je nach Bedürfnis können unterschiedliche Angebote an die Händler gemacht werden. Das beginnt mit sehr kurzfristigen Darlehen zum besseren Liquiditätsmanagement. Dabei werden Umsätze eines Tages dem Händler sofort ausbezahlt, auch wenn die Verarbeitung einzelner Zahlungen mehr Zeit in Anspruch nimmt. Daneben steht die revolvierende Händlereinkaufsfinanzierung, die insbesondere dort infrage kommt, wo es um höherwertige Wirtschaftsgüter geht. E-Commerce-Händler suchen häufig Unterstützung bei der Lagerfinanzierung. In der Regel beläuft sich der Finanzierungsspielraum in der Lagerfinanzierung im Onlinehandel auf 120 bis 180 Tagen. Schließlich lässt sich auch die Investitionsfinanzierung für den Händler über diese Schnittstelle abbilden.

Vorteil Sicherheit

Die Integration von Kreditfunktionen für den Händler in das PoS-Payment geht nicht auf Kosten der Sicherheit. Bei entsprechender Vertragsgestaltung ist eher das Gegenteil der Fall. Zum Ersten lässt sich die Geschäftsentwicklung des Händlers anhand der anfallenden Payment-Daten sehr zeitnah und präzise mitverfolgen. Die Payment-Daten erlauben sozusagen eine mitlaufende Risikobewertung des Kunden und ermöglichen eine schnelle Reaktion. Zum Zweiten lassen sich Zinszahlungen und die Rückführung des Darlehens an die Payment-Umsätze binden. So kann vereinbart werden, dass von jedem elektronisch getätigten Umsatz ein bestimmter Prozentsatz für Zins und Tilgung verwendet werden. Und zum Dritten können zusätzlich zu den Waren die Kundengelder als Sicherheiten genutzt werden.

Durch die starke Rolle des Payments am physischen wie virtuellen PoS lassen sich noch viele weitere Geschäftsmöglichkeiten für die Primärinstitute und die Genossenschaftliche Finanzgruppe realisieren. Händlerfinanzierung ist dafür nur ein, wenn auch sehr aktuelles, Beispiel wie Payment zu Wachstum bei zinstragenden Geschäften beitragen kann. Hier drängt die Zeit, da andere Paymentprovider bereits entsprechende Angebote an den Start bringen. Perspektivisch können aber auch attraktive Versicherungsprodukte sowohl auf Händler- als auch auf Käuferseite dazu kommen. Auch bei einer Erweiterung des genossenschaftlichen Ökosystems und der Integration von komplementären oder ergänzenden Leistungen Dritter kann das Payment eine wichtige Funktion im Vertrieb dieser Leistungen spielen. Entscheidend für den Erfolg ist die enge Zusammenarbeit innerhalb der Genossenschaftlichen Finanzgruppe. Dann können Kundenbeziehungen auch effektiv ausgeschöpft werden – zum Wohl der Finanzgruppe und des Kunden

Carlos Gómez-Sáez Vorsitzender der Geschäftsführung, VR Payment GmbH, Frankfurt am Main
Carlos Gómez-Sáez , Vorsitzender der Geschäftsführung , VR Payment GmbH
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