Wie gut sind mittelständische Banken wirklich auf die Pandemie vorbereitet?

Prof. Dr. Christian Lohmann, Foto: Marcel Haupt

Die Autoren haben im Januar 2020 und damit kurz vor dem Auftreten der Corona-Pandemie eine Befragung unter Vorständen von Banken und Sparkassen durchgeführt. Ziel der Umfrage war eigentlich, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, in welche Richtung sich die Geschäftsmodelle der mittelständischen Banken in Hinsicht auf die drei großen Themen Regulierung, Digitalisierung und Negativzinsumfeld verändern müssen. Doch durch die zeitliche Nähe ziehen Lohmann/Zeiß den Rückschluss, dass kein Institut auf die Krise vorbereitet war, denn nur 11 Prozent der Befragten haben demnach angegeben, dass Risiko-Themen in den kommenden 12 Monaten bedeutsam werden könnten. Die Autoren stellen am Ende in Frage, ob die Banken angesichts des Umfangs der zu erwartenden Verwerfungen tatsächlich gut aufgestellt seien. Sie fordern eine Rückbesinnung auf die Kerngeschäftsfelder der mittelständischen Banken, damit sie ihrer Hauptaufgabe, der Versorgung der Bevölkerung mit Finanzdienstleistungen, sicher und verlässlich nachkommen können. (Red.)

Die wirtschaftlichen Verwerfungen der Covid-19-Pandemie werden mit zeitlichem Verzug auf den Kreditmärkten beobachtbar sein. Für mittelständische Banken ist es daher besonders bedeutsam, sich selbst sowie die konkurrierenden Finanzinstitute hinsichtlich der grundsätzlichen Aufstellung zu kennen. Im Januar 2020, also genau bevor sich der Covid-19-Virus dynamisch in Deutschland ausbreitete, wurde eine empirische Befragung von Vorständen mittelständischer Banken und Sparkassen durchgeführt. Diese Befragung diente zur Beurteilung des Marktumfeldes sowie der Identifizierung von Maßnahmen, welche konkret umgesetzt werden sollen, um die operative Geschäftssituation zu verbessern und sich dauerhaft im umkämpften Bankenmarkt durchzusetzen.

Das Ziel der Datenerhebung war, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, in welche Richtung sich die Geschäftsmodelle der mittelständischen Banken entwickeln müssen, um sich unter Berücksichtigung der zunehmenden regulatorischen Anforderungen, des anhaltenden Niedrig- und Negativzinsumfeldes sowie der Digitalisierung mit den sich hieraus ergebenden Kundenanforderungen gegen alte und neue Wettbewerber behaupten zu können. Aufgrund des Befragungszeitpunkts - unmittelbar vor dem Auftreten der Covid-19-Pandemie in Deutschland - lassen sich die aus der Studie abgeleiteten Informationen heute zusätzlich aus einer weiteren Perspektive interpretieren: Die Ergebnisse der Befragung verdeutlichen eine sehr schematische Weltsicht der befragten Vorstände und lassen den Schluss zu, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit kein mittelständisches Finanzinstitut auf ein solches Marktrisikoereignis, wie die Covid-19-Pandemie es nun weltweit geworden ist, vorbereitet war.

Homogenes Antwortverhalten der Vorstände

Die Einordnung der Studie in den Kontext der Covid-19-Pandemie erfordert die Darstellung der wesentlichen Inhalte und Ergebnisse der durchgeführten Befragung. Gegenstand der Befragung war der Einfluss der veränderten Marktbedingungen auf die zentralen Geschäftsfelder Zahlungsverkehr und Kreditgeschäft sowie mögliche Maßnahmen zur Stärkung der traditionellen Geschäftsmodelle. Der Forschungsansatz basierte auf der Grounded Theory.1) Bei der fragebogenbasierten Untersuchung handelte es sich um ergebnisorientierte Forschung, da standardisierte Fragen und Antwortausprägungen bereits im Vorfeld herausgearbeitet wurden.

Durch geschlossene Fragestellungen sollte vorhandenes Wissen quantifiziert werden, wenngleich den Befragten an bestimmten Stellen auch ganz bewusst angeboten wurde, ihre Ideen durch eine qualitative Beantwortung zu äußern.2) Die anonym durchgeführte Umfrage wurde deutschlandweit an Vorstände mittelständischer Banken und Sparkassen adressiert. Der Befragungszeitraum lag zwischen dem 9. Januar 2020 und 24. Januar 2020 und somit kurz vor der dynamischen Ausbreitung von Covid-19 in Deutschland. 140 zufällig ausgewählte Vorstände wurden zur Teilnahme an der Studie eingeladen; insgesamt 37 vollständig ausgefüllte Fragebögen führten zu einer Rücklaufquote von 26,4 Prozent.

In dieser Untersuchung standen die Auswirkungen der veränderten Marktbedingungen auf mittelständische Kreditinstitute (insbesondere das Niedrigzinsumfeld, die Digitalisierung und Regulierungsanforderungen) sowie die notwendigen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung oder zum Ausbau der eigenen Marktposition im Mittelpunkt. Die Ergebnisse der Befragung überraschten nicht (siehe Abbildung 1): Eine klare Mehrheit der Befragten bewertete das Niedrig- beziehungsweise Negativzinsumfeld als die für sie bedeutsamste Herausforderung (83 Prozent). 11 Prozent der Vorstände betrachteten die veränderten Kundenanforderungen als große zu bewältigende Schwierigkeit, während nur jeweils 3 Prozent der Bankmanager eine Bedrohung des Geschäftsmodells durch verstärkte regulatorische Anforderungen oder einen intensiveren Wettbewerb befürchteten.

Das Optimierungspotenzial in ihren tragenden Geschäftsfeldern3) Zahlungsverkehr und Kreditgeschäft beurteilten die Vorstände mittelständischer Banken in Abhängigkeit der bereits individuell getroffenen Maßnahmen unterschiedlich. Finanzinstitutsübergreifend beabsichtigten sie, die Abläufe im Zahlungsverkehrsgeschäft effizienter zu gestalten sowie neue technologische Entwicklungen in allen Geschäftsfeldern in einem größeren Umfang zu nutzen.

Die Vorstände wurden ebenfalls nach den Schwerpunktthemen befragt, die ihrer Einschätzung nach im Finanzmarktumfeld in den kommenden 12 Monaten die größte Bedeutung für mittelständische Kreditinstitute haben werden. Wie Abbildung 2 zu entnehmen ist, haben Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen für 60 Prozent der befragten Vorstände eine herausgehobene Bedeutung, um das Geschäftsmodell der mittelständischen Bank langfristig zu sichern. Dies spiegelt sich auch in den von ihnen konkret angestrebten Maßnahmen wider. Nachdem sie in den vergangenen Monaten und Jahren den Fokus auf die Ertragsseite ihres Geschäftsmodells gerichtet haben, wollten die Bankvorstände zukünftig die Ausgabenseite noch stärker ins Blickfeld nehmen, um Kosten einzusparen. Im Gegensatz dazu haben nur 11 Prozent der Befragten angegeben, dass Risiko- und Compliance-Themen in den kommenden 12 Monaten für ihre Finanzinstitute besonders bedeutsam sein werden.

Abschließend wurde nach den Faktoren gefragt, welche die Verantwortlichen für die Aufrechterhaltung ihrer Geschäftsmodelle als entscheidend erachten. Abbildung 3 zeigt, dass die befragten Vorstände neben einer hohen Beratungsqualität vor allem die persönliche Nähe zu ihren Kunden - ihr Alleinstellungsmerkmal und gegebenenfalls ihre Kernkompetenz - nutzen möchten, um die Kunden an sich zu binden.

Die Befragungsergebnisse zeigen, dass mittelständische Banken in einer zweckmäßigen Weise Antworten auf die bekannten Veränderungen in ihrem Marktumfeld gefunden haben. Die befragten Vorstände setzen sich mit den wirtschaftlichen Aspekten der Marktsituation auseinander; dies erfolgt aber überwiegend für das traditionelle Bankgeschäft. Maßnahmen zur Anpassung der Aufwandsund Ertragsstrukturen in Form von Kosteneinsparungsprogrammen und Prozessoptimierungen erscheinen dabei als zu vorhersehbare Managementansätze. Auch organisatorische Verbesserungen und die Integration von neuen Technologien vermögen vermutlich nicht, einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil herauszuarbeiten. Die Rückmeldungen der befragten Vorstände können insgesamt über die einzelnen Aspekte der Untersuchung hinweg als sehr homogen beschrieben werden, wobei die Befragungsergebnisse nahezu allesamt vorhersehbar waren und im Vorfeld formulierte Erwartungen bestätigten.

Erkenntnisse im Kontext der Covid-19-Pandemie

Die Befragungsergebnisse erscheinen im Kontext der kurz nach Beendigung der Studie aufkommenden Covid-19-Pandemie als besonders interessant. Der sehr geringe Zeitunterschied zwischen der Durchführung der Befragung und dem Auftreten der durch das Corona-Virus ausgelösten Marktverwerfungen erfordert und ermöglicht eine grundlegende Neubewertung der Studienergebnisse. Losgelöst vom eigentlichen Zweck der Befragung - Maßnahmen zu identifizieren, die Vorstände von mittelständischen Banken ergreifen, um sich an weitestgehend bekannte Marktveränderungen anzupassen - implizieren die Antworten der befragten Vorstände vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie weitere aufschlussreiche Erkenntnisse.

Während sich die Entscheidungsträger in mittelständischen Banken noch im Januar 2020 überwiegend mit Konzepten zur Kosteneinsparung und Effizienzerhöhung beschäftigt haben, sind nur wenige Wochen später plötzlich wieder die Zuverlässigkeit und Sicherheit des Bankensektors als übergeordnete Themen präsent. Bei der Frage, wie sich die mittelständischen Banken für die Zukunft ausrichten sollten, spielten die Gewährleistung der Bargeldversorgung für die Bevölkerung, der Umgang mit möglichen Kreditausfällen oder die dadurch entsprechend notwendige Eigenkapitalunterlegung der Bank keine oder eine nur sehr untergeordnete Rolle in den Überlegungen der Entscheidungsträger.

Trotz der in den Medien bereits Anfang des Jahres dargestellten Ausbreitung des Corona-Virus in China wurden durch die befragten Vorstände keine nennenswerten Risiken für die verfolgten Geschäftsmodelle abgeleitet. Die nachträgliche Analyse zeigt, dass viele dieser neu aufgekommenen Herausforderungen und Risiken noch im Januar 2020 deutlich unterbewertet wurden. Auch die hohe Rücklaufquote von 26,4 Prozent ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Marktsituation als relativ entspannt und bezogen auf den plötzlich bekannt gewordenen Sars-CoV-2-Virus vielleicht sogar als sorglos wahrgenommen wurde.

Zu Beginn des Jahres 2020 wurde von den Vorständen kein Handlungsbedarf in Bezug auf die drohende Covid-19-Pandemie erkannt; sie betrachteten ihr Zahlungsverkehrs- und Kreditgeschäft - abgesehen von prozessualen Optimierungsaspekten - als gut aufgestellt. Probleme bei der Bargeldversorgung, eine Zunahme notleidender Darlehen oder die Notwendigkeit von digitalen Bezahlverfahren wurden in der Breite nicht gesehen. Jedoch erleben gegenwärtig besonders jene mittelständischen Banken, dass die Nachfrage nach Bargeld teilweise enorm steigt.

Zudem muss in Anbetracht der engen Verzahnung mit der heimischen Wirtschaft mit einem deutlichen Anstieg von Kreditausfällen gerechnet werden.4) Während in der Finanzkrise 2007/2008 der Ursprung der Risiken noch im Investmentbanking lag, befindet er sich heute möglicherweise in den Kreditbüchern von mittelständischen Banken. Durch größere Zahlungsausfälle können signifikante Adressrisiken entstehen, die zusätzlich zu den operativen Risiken durch die Finanzinstitute neu bewertet und adäquat berücksichtigt werden müssen.5) Die wiederholte Betrachtung von Abbildung 2 führt in diesem Kontext deutlich vor Augen, wie wenig Beachtung dem Risikomanagement noch im Januar 2020 geschenkt wurde. Nur jeder zehnte Vorstand hatte dieses Thema als besonders bedeutsam eingeschätzt.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Problematik sowie des Umfangs der zu erwartenden Verwerfungen auf dem Kreditmarkt ist zumindest zweifelhaft, ob die mittelständischen Banken tatsächlich gut aufgestellt sind. Weiter bleibt ungewiss, ob die Bargeldlogistik und Infrastruktur der SB-Stellen ausreichend dimensioniert sind, inwiefern Banken gezwungen sind, zusätzliche Filialen zu schließen sowie ob die bestehende Risikovorsorge für den Härtefall ausreicht. Insgesamt verdeutlichen die beschriebenen Zusammenhänge, wie störanfällig die für mittelständische Banken typischen stationären Geschäftsmodelle bereits auf die ersten Auswirkungen der Covid-19-Pandemie reagieren.

Umdenken bei Vorständen von mittelständischen Banken nötig

Es ist sehr wahrscheinlich, dass alle befragten Vorstände mittelständischer Banken von der durch das neuartige Sars-CoV-2-Virus ausgelösten Krise und deren Auswirkungen wenigstens überrascht, wenn nicht sogar geschockt wurden. Eine bequeme Vorgehensweise wäre es, alle zukünftigen negativen Folgen auf die sehr plötzlich und unerwartet aufgetretene Covid-19-Pandemie zu schieben und die Covid-19-Pandemie als Black-Swan-Ereignis zu interpretieren. Diese Argumentation greift jedoch zu kurz, da das Geschäftsmodell von mittelständischen Banken auch die - zumindest gedankliche - Vorbereitung auf derartige Risiken beinhaltet. Es bedarf vielmehr einer grundlegend neuen Denkweise, ein "out of the box-Denken", in mittelständischen Kreditinstituten.

Die neuen Regeln seit Ausbrechen des Corona-Virus sind "Abstand statt Nähe" und "Sicherheit statt Effizienz". Bisher strebten viele Banken jedoch vorrangig nach Optimierung und Einsparung von eingesetzten Ressourcen. Die Covid-19-Pandemie, die eine weltwirtschaftliche Krise auslöste, zeigt jedoch, dass mittelständische Banken neben diesen Ansätzen wieder einen größeren Fokus auf Risikovorsorge und Bereitstellung rudimentärer Finanzdienstleistungen legen sollten. Sie müssen ihre Strategien überdenken und neu bewerten. Hierbei geht es nicht nur um ihren Fortbestand, sondern auch um die Sicherstellung von gesellschaftlich relevanten Funktionen wie dem Zahlungsmittel- und Kapitalaustausch.

Rückbesinnung auf die Kerngeschäftsfelder

Eine Rückbesinnung auf jene Kerngeschäftsfelder, denen sich vor allem die mittelständischen Finanzdienstleister verpflichtet haben, ist erforderlich. Die Ausrichtung ihres Geschäftsmodells, welches die Versorgung der Bevölkerung mit Finanzdienstleistungen des Alltags zur Hauptaufgabe hat, muss unter den Aspekten Sicherheit und Verlässlichkeit erfolgen.

Stabilität in Zeiten wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Krisen wird eine größere Beachtung finden und kann zukünftig zu einem Wettbewerbsvorteil werden.6) Schon jetzt ist deutlich geworden, dass die Priorität bei den mittelständischen Banken - anders als von den befragten Vorständen im Januar 2020 beurteilt - auf der Sicherstellung des Bankbetriebs und der Steuerung der finanziellen Risiken liegen muss. Letztlich können mittelständische und regional verankerte Kreditinstitute nur dadurch ihr Versprechen gegenüber ihren Kunden einlösen und als kompetenter und verlässlicher Partner in allen Finanz- und Vermögensfragen zur Seite stehen.

Fußnoten

1) Vgl. Allan, G. (2003): A Critique of Using Grounded Theory as a Research Method, Electronic Journal of Business Research Methods 2(1), S. 1-10.

2) Vgl. Kaiser, W. (2004): Die Bedeutung von qualitativer Marktforschung in der Praxis der betrieblichen Marktforschung, Forum Qualitative Sozialforschung 5(2), Artikel 31.

3) Vgl. Littkemann et al. (2020): Verrechnungspreissystem im Kreditgeschäft - Analyse einer Einführung, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 73(7), S. 339.

4) Vgl. Flögel, F./Gärtner, S. (2020): Die Covid-19-Pandemie und das Bankwesen, IAT Discussion Paper 20/01, S. 5.

5) Vgl. Gövert et al. (2004): Helfen die MaK bei der Vermeidung von Bankenschieflagen?, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 57(13), S. 676.

6) Vgl. Riese, C. (2020): Die Zukunft der Finanzbranche ist ein steiniger Weg, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 73(5), S. 236.

Prof. Dr. Christian Lohmann Lehrstuhl für BWL, insbesondere Controlling, Universität Bamberg
Julian Zeiß Spezialist Controlling, Sparkasse Bamberg
Christian Lohmann , Lehrstuhl für BWL, insbesondere Controlling, Universität Bamberg
Julian Zeiß , Spezialist Controlling, Sparkasse Bamberg

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X