Interne Revision im Spannungsfeld zwischen Corporate Governance, Regulatorik und Agilität

Dr. Ralf Kölbach, Foto: Westerwald Bank eG

Die digitale Transformation verändert wesentliche Sektoren unserer Volkswirtschaft fundamental. Zu den besonders betroffenen gehört auch die Finanzindustrie. Die Covid-19-Pandemie wirkt wie ein zusätzlicher Brandbeschleuniger, der dafür sorgt, dass alte Strukturen im Bankensektor noch schneller als ursprünglich erwartet verändert werden. Für die Geschäftsleitungen, insbesondere die typischen Regionalbanken sei es daher notwendig, tiefgreifende Veränderungen der klassischen Geschäftsmodelle und Organisationsstrukturen anzugehen, bevor der Markt dies in disruptiver Weise tue, so der Autor. Um herauszufinden, wie zukunftsfähig in diesem Zusammenhang beispielsweise die Interne Revision ist, führt er eine SWOT-Analyse durch und zeigt entsprechend Chancen wie Schwächen auf, die auch in den theoretischen Kontext eingerückt werden. (Red.)

Geschäftsfelder aufzugeben und neue zu finden ist schwer. Die Kunden von morgen und übermorgen wegen mangelnder Zukunftsfähigkeit zu verlieren, ist jedoch tödlich. In diesem Zusammenhang werden vielerorts Methoden der agilen Organisation getestet und als ein wesentlicher Teil der organisatorischen und auch kulturellen Begleitung der digitalen Transformation betrachtet. Mag hier auch häufig das Prinzip Hoffnung und die allzu menschliche Begeisterung für das Neue Pate stehen, so ist es dennoch unzweifelhaft, dass die digitale Transformation nicht - zumindest nicht mehr ausschließlich - in den letztlich noch auf dem Industriezeitalter fußenden Organisationsstrukturen bewältigt werden kann. In diesem veränderten Umfeld, häufig als VUCA-Welt (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity) bezeichnet, stehen damit zweifellos alle Organisationseinheiten eines Finanzinstitutes auf dem Prüffeld ihrer jeweiligen Zukunftsfähigkeit: Welchen Beitrag leistet eine jede Einheit für das Unternehmen - jetzt (noch), aber vor allem in der Zukunft?

Während es unklar ist, wie viele Finanzinstitute es in fünf, acht oder zehn Jahren noch geben wird, so ist offensichtlich, dass es deutlich weniger sein werden und dass sie deutlich schlanker sein werden als heute. Vor allem jedoch werden sie deutlich agiler und schneller sein müssen. Adaptionsfähigkeit als Antwort auf Komplexität ist fundamental. Mit dieser Herausforderung und der Gestaltung der eigenen Zukunftsfähigkeit muss sich auch die Interne Revision (IR) befassen: Wie kann sie im sich rasch ändernden Umfeld sowohl ihren klar definierten regulatorischen Auftrag erfüllen, als auch anderweitige Wertbeiträge leisten und sich so organisieren, dass sie die zukünftig erforderliche organisatorische Grundgeschwindigkeit mitgehen kann und als wertschöpfende Unternehmenseinheit geschätzt wird?

Organisationseinheiten von Finanzinstituten auf dem Prüfstand

Eine Analyse der Zukunftsfähigkeit der IR verlangt aufgrund ihrer Besonderheiten am Anfang das Verständnis ihrer theoretischen Grundlagen: Warum ist die Einrichtung einer Internen Revision überhaupt ökonomisch sinnvoll? Als zentrale Grundlage sieht Eulerich (2018) die Prinzipal-Agenten-Theorie (PA-Theorie). Diese Theorie teilt mit der klassisch/neoklassischen volkswirtschaftlichen Theorie das Menschenbild des individuellen Nutzenmaximierers. Jedoch führt sie die Trennung von Eigentum und Verfügungsmacht über dasselbe ein und beschreibt in ihrer Grundform die möglichen Interessenkollisionen zwischen Eigentümer ("Prinzipal") und dessen angestellten Manager ("Agent").

Die Folge der Aufspaltung des vereinfachenden Idealtyps eines Eigentümer-Unternehmers in zwei Funktionen führt zum Verlust der vollständigen Information des Eigentümers. Mit der Delegation der Verfügungsrechte an den angestellten Manager erhält dieser einen Informationsvorsprung relativ zum Eigentümer. Diese Prinzipal-Agent-Beziehung wiederum kann nun in ihrer mehrstufigen Variante auf alle Hierarchieebenen eines Unternehmens dergestalt übertragen werden, dass die jeweils obere Führungsebene Prinzipal relativ zur nächsttieferen Führungsebene (Agent) ist.

In dieser Welt asymmetrischer Information und des opportunistischen Ausnutzens von dergestalt entstandenen Informationsvorteilen besteht aus Sicht des Unternehmens - vertreten durch den (relativ zu allen anderen Führungsebenen) Prinzipal Geschäftsleitung und dessen Prinzipal Aufsichtsrat - Handlungsbedarf, um das Verhalten der jeweiligen Agenten zu kontrollieren. Neben vielfältigen vertraglichen Lösungen, Anreiz- und Motivationssystemen, kann die Interne Revision hierbei als neutrale Instanz eine zentrale Rolle spielen: Sie kann helfen, Informationsasymmetrien abzubauen, aber auch, verdeckte Aktionen aufzuspüren und zu beenden.

Diese Positionierung der IR findet sich konkret angewendet im "Three-Lines-of-Defence-Modell (TLoD)" wieder. Dieses Modell stellt eine weithin akzeptierte Struktur der unternehmensinternen Governance dar. Der Aufbau gliedert sich im Wesentlichen wie folgt:

1. Verteidigungslinie: operative Kontrollen in der Linie,

2. Verteidigungslinie: Stabsstellen, die systemische Kontrollen entwickeln und durchführen,

3. Verteidigungslinie: die Interne Revision, die nicht Teil des Internen Kontrollsystems (IKS) ist, sondern vielmehr dieses prozessunabhängig überwacht.

Ganz anders sieht es im Rahmen der "Stewardship-Theorie" aus. Auch diese analysiert die Beziehung von Eigentümern zu ihrer Geschäftsleitung, ähnlich wie die PA-Theorie. Sie bezweifelt nicht den Informationsvorsprung der Agenten relativ zu den Prinzipalen. Aber sie beruht, ausgehend von psychologischen Untersuchungen, auf einem anderen Menschenbild: der Agent ist primär nicht vom Eigennutz getrieben, sondern betrachtet sich als Treuhänder des ihm anvertrauten Vermögens und hat damit die gleiche Zielsetzung wie der Prinzipal.

Für die Interne Revision bedeutet ein Umfeld, das der Stewardship-Theorie nahekommt, eine völlig andere Positionierung: sie ist primär nicht der "Wachhund", sondern - im Rahmen des regulatorisch Erlaubten - eine unterstützende Einheit. Anstatt potenziell unternehmensschädigende Handlungen der Agenten aufzuspüren, kann sie sich auf die Sacharbeit fokussieren und zum Beispiel Schwachstellen und Ineffizienzen in der Aufbau- und Ablauforganisation analysieren und Verbesserungsvorschläge machen. Ihre Neutralität macht sie in dieser Theorie zum perfekten internen Berater.

Nicht mehr nur "Wachhund"

Die Stewardship-Theorie kann somit analog auf die direkte Beziehung der Internen Revision zu ihren geprüften/überwachten Einheiten übertragen werden wie im PA-Modell: die IR vertritt die Geschäftsleitung und ist damit Prinzipal relativ zur jeweils geprüften/überwachten Einheit, die als Agenten fungieren. Da diese Einheiten/Agenten jedoch altruistisch im Unternehmenssinne agieren, sind die Spannungsverhältnisse aufgelöst. Zusammenfassend fußt die IR also auf einem soliden theoretischen ökonomischen Fundament, bestehend aus den zwei Säulen PA-Theorie und Stewardship-Theorie.

Schon die vorangegangene Analyse der theoretischen Grundlagen zeigt die hohe Bedeutung der Internen Revision für ein Unternehmen auf. Die Interne Revision hat jedoch zusätzlich eine klare Begründung in Gesetzen und diversen regulatorischen Anforderungen. Hierzu zählt das "Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich" (KonTraG), das die Einrichtung eines Überwachungssystems verlangt. Ebenso bezieht sich auch das "Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts" (BilMoG) explizit auf die Existenz einer Internen Revision. Hinzu kommen diverse Prüfungsstandards des IDW, die auf die IR eingehen. Im Finanzbereich sind diese regulatorischen Anforderungen besonders präzise in Form der "Mindestanforderungen an das Risikomanagement" (MaRisk) der BaFin festgelegt. Die MaRisk befassen sich sowohl im Allgemeinen Teil (AT 4.4.3), als auch im Besonderen Teil (BT 2) intensiv mit der IR und definieren ihre Stellung, Aufgaben und Unterstützungswürdigkeit sehr klar.

Anpassungen an kulturellen Wandel nötig

Insgesamt lässt sich damit festhalten, dass die IR theoretisch solide, gesetzlich/regulatorisch eindeutige und insbesondere auch zukunftsorientierte "Fürsprecher" hat. Auf dieser Basis stehend, hat sie die Möglichkeiten, auch im modernen Umfeld zu bestehen und wertvoll zu sein. Dieses Umfeld wird im nächsten Abschnitt beschrieben.

Unabhängig davon, dass die Interne Revision auf zwei starken Schultern steht, ist es doch in letzter Konsequenz immer die Adaption an das ökonomische Umfeld, die darüber entscheidet, ob die IR nur als "lästiges Übel" überlebt und nur im regulatorisch absolut erforderlichen Rahmen ausgestattet wird, oder ob sie als wesentlicher Bestandteil der Finanzinstitute von morgen und übermorgen positioniert ist. Der Schlüssel zur Wahl der ersten oder zweiten Variante liegt primär in der Fähigkeit der IR, sich dem kulturellen Wandel, der von der digitalen Transformation ausgelöst wird, anzupassen. Wie ist nun dieser zwingend erforderliche kulturelle Wandel, der mit den unterschiedlichsten Begriffen belegt und mit verschiedenen Organisationskonzepten unterlegt wird, greifbar zu machen?

Denn nur bei einer möglichst exakten Beschreibung dieser Kehrseite, der rein technischen Seite der digitalen Transformation, kann ein Pfad zur Adaption an sie beschrieben und begangen werden.

SWOT-Analyse der Internen Revision

An dieser Stelle sollen die derzeit primär diskutierten Konzepte rund um agile Organisationsmethoden oder Arbeitsplätze der Zukunft ("New Work") nicht im Detail vorgestellt werden. Vielmehr werden die sich aus ihrer Anwendung ergebenden Konsequenzen für eine typische regionale Universalbank in folgender auflistender Form dargestellt:

- Das dominierende Leitmotiv des gesamten Finanzinstitutes ist die Kundenzentrierung und die Begleitung der Kunden während ihrer gesamten Customer- und Service-Journey. Alle hierbei störenden Rahmenbedingungen werden hinterfragt und nur im regulatorisch erforderlichen Ausmaß akzeptiert.

- Hierarchien werden überprüft und es wird tendenziell weniger Hierarchieebenen geben; aus Kosten- aber auch Effizienzgründen.

- Die Eigenverantwortung und damit diverse Kompetenzen der Belegschaften werden als Konsequenz des ersten Punktes ausgebaut.

- In der Ausbaustufe werden zunehmend unternehmerische Teilverantwortlichkeiten auf die Belegschaft übertragen.

- Arbeit wird vielleicht immer noch schwerpunktmäßig, aber bei Weitem nicht mehr ausschließlich, im quasiindustriellen Format, also am immer gleichen Ort zu den immer gleichen Zeiten, verrichtet.

- Fehler werden als wichtiges Instrument des organisationellen Lernprozesses angesehen, nicht mehr als umgehend zu sanktionierende Falschhandlungen.

- Verschiedene Organisationskonzepte werden ko-existieren: so ist es denkbar, dass im Vertrieb und diversen Stabsstellen agile Methoden eingesetzt werden; in den Produktionsbereichen hingegen eher Lean-Ansätze und bei übergreifenden Themen Strukturen der Matrix-Organisation.

- Führungskräfte haben die Kernkompetenz Führung; es sind nicht mehr die besten Fachkräfte, die zu Führungskräften befördert werden.

- Im ganzen Unternehmen gilt "Augenhöhe"; die interne Wertschätzung aller Einheiten orientiert sich am Beitrag zur Weiterentwicklung des Unternehmens. Formale Vorgaben werden akzeptiert und umgesetzt, aber auch von allen internen Bereichen wird eine kunden- und marktorientierte Sichtweise erwartet.

Es ist gut ersichtlich, dass sich eine Revisionsabteilung alten Typs, die sich ganz primär als "interne Sicherheitsabteilung" sieht und organisationsweit primär als "Wachhund" wahrgenommen wird, mit dieser neuen Kultur sehr schwer tun wird.

Sie wird überleben, da sie auf zwei sicheren Standbeinen fußt: sowohl die ökonomische Begründung wie auch die regulatorischen Vorgaben unterstützen beziehungsweise garantieren ihre Existenz. Jedoch wird ihre relative Bedeutung sinken und sie wird im Wettbewerb um interne Ressourcen und junge Menschen zurückfallen.

Damit dieses nicht passiert, ist zunächst eine beispielhafte strategische Analyse erforderlich. Letztlich geht es darum, mit ihrer Hilfe zukunftsorientierte strategische Stoßrichtungen zu identifizieren, die der IR neben des aufgrund ihrer starken Grundlagen gesicherten Überlebens (Pflicht) auch eine starke Positionierung (Kür) garantieren.

Wie sieht nun eine mögliche konkrete SWOT-Analyse einer beispielhaften und nicht untypischen Internen Revision eines Finanzinstituts unter dem Blickwinkel der Zukunftsfähigkeit und vor dem geschilderten Hintergrund - theoretischer Begründung, regulatorischen Anforderungen und dem veränderten Umfeld - aus?

Stärken (S):

- Regulatorische Rückendeckung; eher zunehmend,

- auch in der VUCA-Welt gibt es die Notwendigkeit, Informationsasymmetrien mit Hilfe der Revision zu kompensieren,

- qualifiziertes Personal,

- typischerweise neutrale, hoch angesehene Stellung der Internen Revision in den Finanzinstituten.

Schwächen (W):

- Eingeschränkte Möglichkeiten der Unternehmensgestaltung/Übernahme von Verantwortung im Sinne agiler Methoden als Folge regulatorischer Vorgaben,

- intern wird die IR oft als konservativ eingestuft,

- relativ hoher Altersdurchschnitt im Team, wenige junge Menschen,- häufig mangelnde Einbindung von modernen Themen, sofern nicht regulatorisch vorgegeben als Pflichtthema,

- in der Konsequenz häufig relativ geringe Kenntnisse in agilen Methoden, Change Themen und relevanter Softwarelösungen/Plattformen.

Chancen (O):

- Neupositionierung der IR als Begleiterin in Change Prozessen und Organisationsveränderungen,

- gleichzeitig Stärkung auch der klassischen Fähigkeiten (Überwachung) aufgrund Adaption agiler Methoden und höherer IT-Kompetenzen,

- Entwicklung der IR zur zentralen Schnittstelle im um den Combined Assurance Gedanken erweiterten TLoD-Modell,

- Begleitung in bestimmten Themen der Unternehmensstrategie,

- Aufbau eines innovativen Continuous Auditing Systems.

Risiken (T):

- Stagnation in der "Wachhund-Funktion",

- sinkende Akzeptanz der IR aus Sicht des Topmanagements,

- in der Konsequenz wird die IR auf das regulatorisch absolut notwendige Maß geschrumpft.

Das TLoD-Modell stellt eine ebenso anschauliche wie stringente Governance-Struktur dar und leistet einen enormen Beitrag zur effektiven Risikominimierung. Jede interne Einheit hat ihre klar zugewiesene Rolle im "Verteidigungssystem"; Fehlsteuerungen und Redundanzen können vermieden werden. Jedoch handelt es sich um eine rein aufbauorganisatorische Darstellung als Ergebnis strategischer Überlegungen. Es fehlt das verbindende prozessuale Element, damit Struktur nicht direkt aus Strategie folgt, sondern sich über den Zwischenschritt Prozess, direkt aus der Strategie abgeleitet, ergibt. Während das Unternehmen mit dem TLoD-Modell "das Richtige" tut, somit effektiv handelt, so ist es die prozessuale Zwischenschicht, die über "richtiges Tun" im Sinne des ökonomischen Prinzips zusätzlich zur Effektivität nun auch Effizienz gewährleistet.

Strategie im VUCA-Umfeld bedeutsam

Combined Assurance ist ein Prozessmodell, das die zahlreichen, sehr heterogenen Funktionen im TLoD-Modell koordinieren kann, auch im Sinne eines einheitlichen Reportings Richtung Geschäftsleitung. Die Interne Revision, aufgrund ihrer Rolle als "dritte Linie" die einzige wirklich neutrale Stelle, ist hervorragend geeignet, die anderen Einheiten in diesem Sinne zu begleiten und zu koordinieren - ohne deshalb deren Tätigkeiten zu verantworten. Hier liegt eine große Chance der internen Profilierung. Voraussetzung hierfür ist ein tiefgreifendes Verständnis des Unternehmens, eine sehr hohe Reputation und eine sehr hohe Fachkompetenz in Governance-Themen.

Strategiearbeit hat ihren früher eher gemächlichen, recht klar definierten, Charakter zumindest teilweise verloren. Reichten in der Vergangenheit bei stabilem Marktumfeld fest definierte Strategieklausuren zur Festlegung "der Strategie" im Abstand von einem oder auch mehreren Jahren in der Regel aus, so bedeutet Strategiearbeit im VUCA-Umfeld weit mehr: auch Strategieentwicklung hat sich zu agilisieren und muss sich an ein komplexes, oft nicht eindeutiges Umfeld anpassen, dessen Volatilität und Unsicherheiten aufnehmen und sich viel häufiger als früher anpassen.

Genauso wie Kunden häufig von der schieren Informationsfülle überfordert sind und sich nach dem trusted advisor im Bankgeschäft sehnen, so stehen Geschäftsleitungen in diesem Umfeld oft vor einer Nebelwand und suchen neutrale, vertrauenswürdige Partner im Unternehmen, die einige Teilaufgaben der Strategieentwicklung begleiten können. Und damit kann auch hier die Stunde der Internen Revision schlagen. Um deren mögliche Einsatzfelder zu verdeutlichen, wird zunächst der Strategieprozess grafisch in der Abbildung dargestellt.

Abbildung: Darstellung des Strategieprozesses Quelle: Kölbach in Anlehnung an Welge/Al-Laham/Eulerich (2017)

Qualitätssicherung als zentrale Aufgabe

Die Möglichkeiten der Internen Revision, sich hier einzubringen, ergeben sich aus den Leitplanken ihres Handelns. Da die Revision keine Verantwortung für Prozesse und Ergebnisse übernehmen darf, scheiden die Phasen 1 (strategische Zielplanung) und 3 (Strategieformulierung und -bewertung) aus. In den Phasen 2 (strategische Analyse und Prognose), 4 (Strategieimplementierung) und 5 (Strategiekontrolle) hingegen kann die IR ihren Beitrag leisten.

Konkret kann sie in Phase 2 folgende Aufgaben erfüllen:

- Prüfung des Prozesses der Erstellung von SWOT-Analysen,

- Prüfung der vorgelagerten Informationsbeschaffung und deren Prämissen auf Plausibilität,

- und sogar: direkte Übernahme des Informationsbeschaffungsprozesses.

Der Wertbeitrag der IR in dieser Phase ist damit eine verbesserte Qualität der Informationsversorgung.

In der Phase 4 kann die IR ebenfalls hilfreich sein:

- Prüfung des Prozesses der Operationalisierung der Gesamtstrategie auf Konsistenz und Plausibilität in den Organisationseinheiten.

- Prüfung der operativen Umsetzung der Strategie in die Systeme (zum Beispiel in die Bereichs-Balanced-Scorecards).

In dieser Phase erzeigt die Revision eine bessere Qualität im Prozess der Strategieimplementierung.

Auch die Phase 5 kann die IR wertsteigernd begleiten. Hier erbringt sie folgende Leistungen:

- Prüfung der Prämissen des Strategieprozesses und

- Prüfung der Zielerreichung und Identifikation der Abweichungsursachen; damit Unterstützung des Controlling.

In dieser Schlussphase leistet die IR somit einen wesentlichen Beitrag sowohl zur Qualitätssicherung des abgelaufenen Gesamtprozesses, wie auch der Vorbereitung des nächsten.

Interne Revision zukunftsfähig

Der Strategieprozess bietet der IR somit vielfältige Möglichkeiten, sich im Unternehmen wertschöpfend einzubringen. Setzt Combined Assurance primär auf die Sicherheitsthematik im Sinne der PA-Theorie evolutionär auf, so steht die Unterstützung im Strategieprozess erkennbar in der Denkrichtung der Stewardship-Theorie. Verbindend für beide Chancen sind die hohen Anforderungen an das Personal der IR: Unterstützung im Strategieprozess verlangt eine sehr hohe Fachkompetenz im strategischen Management, gepaart mit einer präzisen Trennfähigkeit zwischen erlaubten und von der Regulatorik ungern gesehenen Tätigkeiten. Continuous Auditing (CA) , in Anlehnung an Eulerich (2018, S. 324) definiert als "... ein Unterstützungssystem der Internen Revision [...], welches automatisiert und kontinuierlich Prüfungsobjekte hinsichtlich zuvor definierter Kriterien prüft und über Besonderheiten und/oder Abweichungen von einem zuvor definierten Soll-Zustand informiert", stellt einen wesentlichen Schritt hin zur Digitalisierung der Revisionsarbeit dar und wird von der digitalen Transformation forciert in die Umsetzung gebracht werden.

Die Einführung eines CA-Systems kann damit unternehmensweit ein Leuchtturm angewandter Digitalisierung sein und einen wesentlichen Beitrag zur Effizienzsteigerung der IR leisten. Sie stellt zugleich eine evolutionäre Weiterentwicklung des Revisionsprozesses dar. Somit ist CA eine weitere zentrale Chance für die IR, sich in einem immer stärker technikgetriebenen Umfeld als Vorreiterin zu positionieren und Wandlungsfähigkeit zu demonstrieren.

Die Effizienzsteigerung der Revisionsarbeit wiederum kann den Überwachungsaspekt auf ein höheres Niveau heben und damit ein wesentlicher Bestandteil der modernen Fraud Prevention werden. Fraud in der Zukunft, also gewissermaßen "Fraud 2.0", wird immer stärker IT-unterstützt sein und verlangt IT-gestützte Präventionsmaßnahmen. Ein dichtes Netzt integrierter Prüfungshandlungen ist somit nicht nur ökonomisch effizient, sondern auch unter dem Sicherheitsaspekt effektiv. Auch diese Chance verlangt Wandlungsfähigkeit. Konkret verlangt CA hohe IT-Kompetenzen innerhalb der Internen Revision der Zukunft.

Die Analyse hat gezeigt, dass keine der beiden Säulen, auf denen die Interne Revision derzeit steht, zukünftig wegzubrechen droht. Die zugrunde liegenden ökonomischen Theorien - Prinzipal-Agenten-Theorie, Stewardship-Theorie und als konkrete Anwendung der Überwachungsfunktion das TLoD-Modell - sind weiterhin adäquate Modelle zur Beschreibung des Revisionsumfelds auch in der VUCA-Welt. Ähnliches gilt für die Regulatorik, das zweite Standbein der Internen Revision: Sie stärkt die Rolle der IR zunehmend und sieht in ihr einen Schlüsselspieler der Finanzinstitute. Dies zeigt die aktuelle Version der MaRisk sehr deutlich auf.

Individuelle Bestandsaufnahme lohnenswert

Die SWOT-Analyse ergab, dass die IR ausgehend - von dieser Basis und unter Beachtung der Risiken - sehr gute Chancen hat, sowohl ihre Kernaufgaben auf noch höherem Niveau zu vollbringen, als auch neue Aufgaben zu übernehmen, die vom Unternehmen als wertschöpfend und innovativ erlebt werden. Empfehlenswerte zentrale strategische Stoßrichtungen für die Interne Revision sind neben der Positionierung im Rahmen eines Combined-Assurance-Ansatzes unterstützende Tätigkeiten im Rahmen des Strategieprozesses. Die Revision darf hier nicht in allen Teilprozessen beteiligt sein, kann aber wertvolle Unterstützung bieten. Die dritte Empfehlung mit dem Ziel einer starken Positionierung ist der Aufbau eines Continuous Auditing Systems. Zukunftsfähigkeit und Gestaltungspotenzial sind jedoch keine Selbstläufer. Vielmehr ist eine individuelle Bestandsaufnahme in Form einer strategischen (Selbst-)Analyse zwingend erforderlich. Die sich ergebenden strategischen Stoßrichtungen können deutliche Veränderungen für die Interne Revision bedeuten, sowohl hinsichtlich ihrer kulturellen Prägung, aber auch diverser neuer Anforderungen an die Qualifizierung der Teammitglieder. Insbesondere gewinnen Prozess- und IT-Kompetenz immer mehr an Bedeutung. Ein dergestalt zukunftsorientierter(Teil-) Umbau der Strukturen stellt in vielen Unternehmen zweifellos eine signifikante Herausforderung dar. Die sich abzeichnenden Zukunftschancen für die Interne Revision sind es wert.

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Dr. Ralf Kölbach Mitglied des Vorstands, Westerwald Bank eG, Montabaur
Ralf Kölbach , Mitglied des Vorstands, Westerwald Bank eG, Montabaur

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