Investitionsstau abbauen, Zukunft sichern

Dr. Ingrid Hengster, Mitglied des Vorstands, KfW Bankengruppe, Frankfurt am Main

Dr. Ingrid Hengster, Mitglied des Vorstands, KfW Bankengruppe, Frankfurt am Main - Gesellschaftlich erwünschte Entwicklungen zu fördern, die allein den Marktkräften überlassen überhaupt nicht, nicht schnell genug oder nicht in dem gewünschten Ausmaß eintreten, ist eine der wichtigen Aufgaben der Förderbanken. Die Autorin lenkt den Blick auf den vieldiskutierten Investitionsbedarf der deutschen Kommunen. Als anschauliches Beispiel wählt sie den bundesweit zu beobachtenden Sanierungsbedarf in Schulen, verweist aber auch auf Nachhol- oder Erneuerungsbedarf bei der Verkehrsinfrastruktur, einer flächendeckenden Ausstattung mit schnellen Datenleitungen sowie die diversen Maßnahmen einer möglichst reibungslosen Integration von Flüchtlingen. (Red.)

Die KfW ist eine der führenden Förderbanken der Welt. In Deutschlands unterstützt die Bank im Auftrag des Bundes und der Länder Unternehmen, Privatpersonen und öffentliche Einrichtungen bei ihren Zukunftsinvestitionen. Dafür hat sie 2016 ein Fördervolumen von 55,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, neun Prozent mehr als im Jahr zuvor. Förderung der kommunalen und sozialen Infrastruktur bildet einen wichtigen Schwerpunkt der KfW-Finanzierungen. Außerdem erhebt die KfW jährlich umfangreiche Daten zur Finanzlage der Kommunen in Deutschland. Im Folgenden wird erläutert, wie die Investitionstätigkeit der Kommunen momentan aussieht, und deutlich gemacht, dass es notwendig ist, den Rückstand weiter abzubauen, um die Zukunftsfähigkeit Deutschlands zu sichern.

Schulen als anschauliches Beispiel

An einem konkreten Beispiel wird deutlich, wie die Kommunen von der Förderung profitieren können: Das größte Bauprojekt der Stadt Ravensburg ist eine Schule. 2014 begann die Kreisstadt unweit des Bodensees mit der Generalsanierung des Spohn- und Albert-Einstein-Gymnasiums. Eine Untersuchung hatte zuvor gezeigt, dass viele Schulen in Ravensburg sanierungsbedürftig sind, doch bei dem Gebäude aus dem Jahr 1914 war der Handlungsbedarf am größten. Dunkle Flure, veraltete Raumtechnik sowie abgenutzte Wände und Möbel schufen eine bedrückende Atmosphäre. 2014 begann Ravensburg mit der Sanierung des 12000-Quadratmeter-Komplexes, die rund 18 Millionen Euro kostet.

Die Finanzierung verteilt sich auf mehrere Schultern: Rund 15 Millionen Euro sind Eigenmittel, die Stadt und das Land gemeinsam tragen. Die restlichen drei Millionen Euro erhält Ravensburg als zinsverbilligten Kredit aus dem KfW-Programm "IKK - Energieeffizient Bauen und Sanieren". Dieses Programm ist auf Kommunen zugeschnitten, die neu bauen oder ihren Bestand an Nichtwohngebäuden energetisch sanieren wollen: So werden Innendämmung und neue Fenster helfen, die Heizkosten des Spohn- und Albert-Einstein-Gymnasiums künftig zu senken. Momentan beträgt der Zinssatz 0,05 Prozent bei einer Zinsbindungsfrist von zehn Jahren und einer von der Kommune gewählten Gesamtlaufzeit von 20 Jahren. Wenn das Gebäude am Ende den Standard KfW-Effizienzhaus Denkmal erreicht, gewährt die KfW der Stadt Ravensburg einen Tilgungszuschuss von rund 225 000 Euro. 2019 soll die Sanierung abgeschlossen sein und die 1 300 Schülerinnen und Schüler die provisorische Unterbringung auf dem Hof verlassen und zurück in das modernisierte Schulgebäude ziehen.

Das ist ein erfreuliches Beispiel in Zeiten, in denen der Substanzverlust kommunaler Infrastruktur intensiv diskutiert wird. Es geht um den defizitären Bau- und Ausstattungszustand von Schulen, die Mängel an Straßen und Brücken und die nach wie vor bestehenden Kapazitätslücken bei der Kinderbetreuung. Bis 2030 müssen 15 Prozent der kommunalen Straßenbrücken entweder saniert oder komplett neu gebaut werden. Geschätzte Kosten: 17 Milliarden Euro. Solche Zahlen sind ein wiederkehrender Bestandteil im politischen Diskurs und in der Medienberichterstattung.

Mehr Investitionen der deutschen Kommunen

Die Kommunen haben jedoch die Notwendigkeit, in die Infrastruktur zu investieren, erkannt und versuchen, aktiv zu werden und sich Spielräume für die benötigten finanziellen Mittel zu schaffen. Diese Bemühungen spiegeln sich auch in den Finanzierungen der KfW wider. Mit diesen Investitionen lösen die Kommunen nicht nur dringende Probleme, sondern sparen auf Dauer Geld und rüsten sich für die Herausforderungen der Zukunft. Sanierungen von Schulen und Sportstätten, die Energiekosten senken, Modernisierungen des öffentlichen Personennahverkehrs, die gleichzeitig Barrierefreiheit nach sich ziehen, der Bau von Brücken, die Wohngebiete verbinden und Reisezeit verkürzen, sowie energetische Sanierungen ganzer Stadtteile. Viele Maßnahmen bringen nicht nur Innovationen, sondern schützen das Klima: Allein im vergangenen Jahr hat sich zum Beispiel die kommunale Umwelt- und Klimaschutzförderung der KfW gegenüber 2015 von 378 auf 745 Millionen Euro verdoppelt. Einer der Champions ist die Gemeinde Ilsfeld, die als Europäische Energie- und Klimaschutzkommune ausgezeichnet worden ist.

Ilsfeld hat für seine Investitionen ins innovative Nahwärmenetz Mittel aus dem KfW-Programm "Energetische Stadtsanierung" in Anspruch genommen. Dieses startete vor knapp sechs Jahren mit 63 Pilotprojekten, die sich mit der Erstellung integrierter energetischer Quartierskonzepte befassten. Mittlerweile haben es mehr als 600 Quartiere für einen ökologischen Umbau genutzt. Dabei handelt es sich um ein lernendes Programm, das laufend an die aktuellen Bedingungen angepasst wird: So kann das Sanierungsmanagement seit Dezember 2015 nicht nur drei, sondern bis zu fünf Jahre mit Zuschüssen gefördert werden. In rund einem Fünftel dieser Kommunen ist bereits ein Sanierungsmanagement im Einsatz.

Investitionsrückstand vermindert - Verschuldungstrend abgebremst

Dass die Investitionstätigkeit der Kommunen an Fahrt gewinnt, bestätigt auch das Kommunalpanel 2017, eine repräsentative Umfrage im Auftrag von KfW Research unter den Kommunen in Deutschland mit mehr als 2 000 Einwohnern. In der Summe planen die befragten Kämmerer eine Steigerung ihrer Investitionen um etwa 15 Prozent auf 31,7 Milliarden Euro. Selbst ein wachsender Teil von Kommunen, die den Haushaltsausgleich derzeit nicht schafft oder sogar einem Haushaltssicherungskonzept unterliegt, beabsichtigt, die eigenen Investitionsausgaben 2016 und 2017 zu steigern. Das wirkt sich auch auf den Investitionsrückstand der Kommunen in Deutschland insgesamt aus: Nachdem dieser zuletzt auf hohem Niveau stagnierte (2016: 136 Milliarden Euro), sank er im vergangenen Jahr auf "nur" 124 Milliarden Euro.

Die deutschen Kommunen erwirtschafteten 2016 einen deutlich höheren Überschuss als im Jahr zuvor: Insgesamt betrug der Finanzierungssaldo 5,4 Milliarden Euro (3,2 Milliarden Euro in 2015). Damit konnte auch der stete Verschuldungstrend der vergangenen Jahre abgebremst werden: Die kommunale Verschuldung ist um 1,5 Prozent auf 127,5 Milliarden Euro gesunken.

Neben dem günstigen gesamtwirtschaftlichen Umfeld tragen zurzeit auch die Investitionsprogramme und Entlastungsmaßnahmen von Bund und Ländern zur Belebung der Investitionsaktivitäten bei. Neben dem Kommunalinvestitionsförderfonds zählen da zu die Aufstockung der Programme zur Städtebauförderung, das Investitionsprogramm "Kinderbetreuungsfinanzierung" oder der erst jüngst aufgelegte Investitionspakt Soziale Integration im Quartier.

Noch handelt es sich nicht um eine flächendeckende Trendwende, die alle Kommunen in Deutschland erreicht. Denn Kommunen, die sich durch eine gute Finanzlage und eine relativ hohe Investitionsfähigkeit auszeichnen, stehen finanz- und strukturschwache Kommunen mit geringer Investitionstätigkeit gegenüber. Ein beachtlicher Teil der im KfW-Kommunalpanel 2017 befragten Kommunen konnte im Jahr 2016 keinen Haushaltsausgleich erzielen - auch ein Grund, warum die regionalen Unterschiede so hartnäckig bestehen bleiben.

Kritisch ist diese Entwicklung vor allem, wenn aufgrund unterlassener Investitionen die Nachhol- und Ersatzbedarfe inzwischen eine solche Höhe erreicht haben, dass das jährliche Investitionsvolumen nicht mehr den Abschreibungen entspricht. Dabei müsste gerade in solchen Kommunen mehr investiert werden, um die Grundlage für wirtschaftlichen Aufschwung zu schaffen. Hinzu kommt, dass einige Kommunen sich gar nicht verschulden dürfen.

Für alle Kommunen gilt außerdem, dass die am Ende realisierten Investitionen oft hinter den Planungen zurückbleiben. Oder Investitionsprojekte können - trotz der stehenden Finanzierung - nicht umgesetzt werden, weil Kapazitäten in der Verwaltung und Bauwirtschaft begrenzt sind. Dabei setzt der Abbau des Investitionsrückstandes einen langen Atem und Planungssicherheit voraus. Es wäre sinnvoll, die kurzfristigen Fördermaßnahmen durch langfristige zu ergänzen, um die kommunalen Finanzen dauerhaft zu stärken.

So entfällt mehr als die Hälfte des kommunalen Investitionsrückstands nach wie vor auf die Bereiche Verkehr und Bildung. Beispiel Verkehr: Rund 34 Milliarden Euro der notwendigen Investitionen in vorhandene Straßen, Verkehrseinrichtungen und -anlagen wurden 2016 nach Schätzung kommunaler Kämmerer nicht getätigt. Einsparungen, die auf Dauer zu teuren Schäden führen können.

Beispiel Bildung: Der schulischen Infrastruktur in Deutschland fehlen nach Schätzungen der Kämmerer derzeit Investitionen in Höhe von rund 33 Milliarden Euro. Die Renovierung alter Bausubstanz drängt, zugleich steigen die Anforderungen an Gebäude, etwa durch modernere Formen von Unterricht, den Ausbau zu Ganztagsschulen oder die Inklusion von Kindern mit geistiger und körperlicher Beeinträchtigung.

Beispiellose Kraftanstrengung

Beim Ausbau der Kindertagesbetreuung hingegen lassen sich positive Tendenzen erkennen. Der Anteil der Kommunen mit nennenswertem Investitionsrückstand in diesem Bereich hat sich von 2012 bis 2015 fast halbiert.

Auch in einem weiteren Bereich haben die Kommunen viel Lob verdient. In einer bespiellosen administrativen Kraftanstrengung haben die Kommunen den Flüchtlingsstrom 2015/2016 fürs Erste bewältigt. Wie drängend die Lage war, hat die immense Nachfrage nach den von der KfW bereitgestellten zinslosen Krediten für Flüchtlingsunterkünfte gezeigt. Die Anfang September 2015 gestartete Sonderfazilität "Flüchtlingsunterkünfte" wurde drei Mal auf insgesamt 1,5 Milliarden Euro aufgestockt und war bereits nach vier Monaten im Januar 2016 ausgeschöpft - so schnell, wie kein anderes Programm in der Geschichte der KfW. Bis zu 150 000 Unterbringungsplätze in 700 Kommunen wurden so geschaffen, die zum Teil in Dauerwohnungen umgewandelt werden können. Auch heute vergibt die KfW im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) zinslos Kredite für Baumaßnahmen in Flüchtlingsunterkünften, die zum Schutz der Frauen, Kinder sowie anderer besonders bedürftiger Menschen beitragen. Die eigentliche Integration der Flüchtlinge steht allerdings noch bevor. Hier sind insbesondere weitere Investitionen in den Bereichen Wohnungsbau sowie Schul- und Kitaausbau nötig. Dafür bietet die KfW den Kommunen den "IKK - Investitionskredit Kommunen" mit sehr attraktiven Standardkonditionen.

Kommunale Wachstumsschmerzen

Die Versorgung mit Wohnraum stellt nicht ausschließlich aufgrund der Flüchtlinge ein akutes Problem dar. Zunehmende Urbanisierung bringt Wohnraumknappheit sowie weitere Herausforderungen mit sich, die früher nicht so stark im Mittelpunkt der öffentlichen Wahrnehmung standen. Dazu gehören auch Investitionen in den ÖPNV, in die Energieversorgung und gesundheitliche Infrastruktur. Unter den "Wachstumsschmerzen" leiden nicht nur die klassischen Metropolregionen, sondern auch immer mehr mittelgroße Städte. Zusammengenommen ist der Investitionsrückstand in diesen Bereichen um mehr als 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen und beläuft sich schon heute auf mehr als neun Milliarden Euro. Dabei liegen die eigentlichen Herausforderungen erst noch vor den Kommunen. Beispielsweise dürften der Ausbau des ÖPNV zur Reduzierung der Verkehrsbelastung in Innenstädten oder die Anpassung der kommunalen Einrichtungen an eine alternde Gesellschaft den künftigen Investitionsbedarf der Kommunen in neue Höhen treiben.

Auch bei dem Thema Breitbandausbau, der für Kommunen zum zentralen Standortfaktor geworden ist, gibt es in Deutschland noch erhebliche Defizite. Angesichts der zunehmenden Anforderungen - wie Industrie 4.0, Internet der Dinge oder E-Health - werden künftig deutlich höhere Bandbreiten benötigt, die insbesondere Glasfasernetze erfordern und den Breitbandausbau gerade im ländlichen Raum zur Herausforderung machen werden.

Manche Städte setzen sich mit diesen Zukunftsthemen bereits intensiv auseinander. So untersucht zurzeit Magdeburg mit Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft, wie effektive Verkehrsplanung funktioniert, wie Liefersysteme mit elektrisch betriebenen Lastern etabliert werden können oder wie man Bürger zu mehr Klimaschutz animiert. Die fünf Millionen Euro, die das Projekt kostet, hat die Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt in einem Wettbewerb des Ministeriums für Bildung und Forschung gewonnen - für ihre früheren Investitionen in die Energieeffizienz.

Zur Finanzierung der Investitionen in die Infrastrukturen der öffentlichen Daseinsvorsorge nutzen Landkreise, Städte und Gemeinden vor allem eigene Einnahmen, wie Steuern und verschiedene Zuweisungen und Fördermittel von EU, Bund und Länder. Die befragten Kämmerer erwarten außerdem, dass künftig in der Investitionsfinanzierung vor allem den Kommunalkrediten eine höhere Bedeutung zukommt. Bereits heute finanzieren Kommunen rund ein Viertel ihrer Investitionen über Kredite. Insbesondere große Städte setzen im großen Umfang auf dieses Finanzierungsinstrument.

Hier ist es wichtig zu unterscheiden: Kassenkredite, die lediglich laufende Ausgaben decken sollen, können langfristig eine Gefahr darstellen, wenn die Schuldenstände zu hoch sind. Dann drohen Kommunen in einen Teufelskreis aus hohen Kapitaldiensten bei wachsenden Investitionsrückständen zu geraten, insbesondere, wenn Zinsen wieder ansteigen. Von Krediten in einer dauerhaft tragfähigen Höhe, mit denen notwendige Investitionen finanziert werden, können Kommunen jedoch langfristig profitieren. Denn eine gute Verkehrsinfrastruktur ist Voraussetzung für wirtschaftlichen Aufschwung. Und Bildungserfolge, die auch von schulischer Infrastruktur abhängen, sind das Fundament nachhaltigen Wohlstands.

Wirtschaftlichkeitsüberlegungen können auch für Investitionen in die Energieeffizienz sinnvoll sein. Diese tragen nicht nur zu den Klimaschutzzielen der Bundesregierung bei, sie können kommunale Kassen mittelfristig auch spürbar entlasten - etwa, weil effiziente Gebäude und Technologien Energiekosten mindern.

KfW-Programme für Kommunen

Zukunftsweisende Investitionen - zum Teil mit Bundesmitteln - zu finanzieren, ist der Auftrag der KfW. Sie bietet langfristig zinsgünstige Kredite sowie Tilgungszuschüsse für Investitionen in die kommunale und soziale Basisversorgung - darunter auch in den Breitbandausbau -, in die energetische Stadtsanierung, in den Aus- und Umbau energieeffizienter Versorgungssysteme im Quartier oder in den Abbau von Barrieren in den Städten, um diese für den demografischen Wandel zu rüsten. Auch private Unternehmen, die im Rahmen öffentlich-privater Partnerschaften (ÖPP) investieren können von der KfW-Förderung profitieren.

Die Förderung in Anspruch zu nehmen, heißt auch, durch sie die Grundlage für gesellschaftliche Teilhabe, Lebensqualität, wirtschaftliche Entwicklung und künftige Steuereinnahmen in den Städten und Gemeinden zu legen und dem Arbeitsmarkt wichtige Impulse zu geben. Investitionen schaffen die Basis für künftigen Wohlstand. Zumal die Finanzierungsmöglichkeiten historisch günstig sind.

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