Investments in die Zukunft: Der deutsche Venture-Capital-Markt wird gestärkt

Dr. Jörg Goschin, Foto: KfW Capital (Fabian Hensel)

Laut den Autoren des vorliegenden Beitrags haben die deutschen Start-ups gerade in der Pandemie gezeigt, welche Stärken Technologieunternehmen "Made in Germany" vorweisen können: Professionalität, Ideenreichtum, Agilität und Flexibilität sowie nicht zuletzt Resilienz. Viele schafften es, ihre Geschäftsmodelle schnell an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Nach einem temporären Schock zu Beginn der Pandemie befinde sich das Geschäftsklima im Venture-Capital-Ökosystem bereits wieder auf einem Allzeithoch. Allerdings sei Deutschland im internationalen Vergleich immer noch im Hintertreffen. Um dies zu ändern hat die Bundesregierung vor gut drei Jahren mit KfW Capital den Markt betreten. Die VC-Investments sollten so ausgeweitet werden. Teil des Plans ist auch der Zukunftsfonds, der in den kommenden Jahren auf 10 Milliarden Euro anwachsen soll. Er soll privates Kapital substanziell hebeln, da stets zusätzlich zum staatlichen auch privates Kapital investiert werden soll. Goschin und Thees weisen zudem daraufhin, dass dabei auch stets ESG-Faktoren berücksichtigt werden müssen. (Red.)

Die Pandemie hat zu einer Disruption vieler Bereiche des Lebens geführt. Sie hat noch deutlicher gemacht, dass man in einer Zeitenwende lebt. Die Zukunftsfähigkeit Deutschlands hängt davon ab, ob und wie es die Herausforderungen der Digitalisierung und die Umstellung auf eine nachhaltige, klimaneutrale Wirtschaft bewerkstelligt. Zukunftstechnologien sind der Schlüssel für die Transformation. Deutschland wird nachhaltiges Wachstum künftig nur generieren können, wenn es gelingt, Innovationen und technologischen Fortschritt zu entwickeln und so Arbeitsplätze der Zukunft zu schaffen. Dafür ist erforderlich, dass die Rahmenbedingungen für diejenigen verbessert werden, die mit unternehmerischem Mut, Know-how und Kreativität Start-ups gründen und innovative Produkte und Dienstleistungen in den Markt bringen.

Professionelle Start-ups und VC-Fonds

Um den Gründungsgeist in Deutschland war es lange nicht zum Besten bestellt. Der boomende Arbeitsmarkt hat viele potenzielle Gründer vom Gründen abgehalten. Zwar hat die Angst vor dem Scheitern als Gründungshemmnis nachgelassen, die Scheu vor dem finanziellen Risiko ist bisher aber immer noch hoch. Ein Lichtblick waren in den letzten Jahren vor der Corona-Krise aber Menschen, die gegen den Trend immer mehr Gefallen an der Vorstellung des Gründens eigener Unternehmen gefunden haben. Die Erfolge deutscher Start-ups haben gezeigt, welche große Stärken innovative Technologieunternehmen "Made in Germany" aufweisen: Die Unternehmer zeichnen sich durch Professionalität, Ideenreichtum, Agilität, Flexibilität und auch durch die während der Pandemie so wichtige Eigenschaft der Resilienz aus. Insbesondere während der Krise gelang es vielen, ihr Geschäftsmodell schnell an die neuen Begebenheiten anzupassen, und sie konnten den Boost im Bereich der Digitalisierung geschickt für sich nutzen und weiteres Kapital für ihr Wachstum insbesondere von den in Deutschland zunehmend aktiveren VC-Fonds einsammeln. Insgesamt hat sich das Geschäftsklima im VC-Ökosystem nach einem pandemiebedingten Schock sukzessive erholt, sodass es sich in diesem Jahr bereits auf einem Allzeithoch befindet.

Aber bedeutet dies, dass der hiesige VC-Markt auch zukünftig in der Lage ist, das erforderliche Kapital bereitzustellen, das Start-ups und jungen Technologieunternehmen brauchen, um die dringend benötigten Zukunftstechnologien insbesondere in den Bereichen Umwelt- und Klimaschutz, Gesundheit und Bildung hervorzubringen? Zunächst: Parallel zur positiven Entwicklung der Start-ups haben sich auch die VC-Fonds in den vergangenen Jahren in Deutschland weiterentwickelt. Die Fondsmanager zeichnen sich heute durch eine große Professionalität aus, die auch der Weiterentwicklung ihrer Portfoliounternehmen zugutekommt.

Bessere Finanzierungsbedingungen

Insbesondere sieht man, dass in Deutschland die Versorgung von sehr frühen Gründungen mit finanziellen Mitteln auch aufgrund einer langjährigen staatlichen Förderung wie etwa durch den High-Tech-Gründerfonds gut ausgestaltet ist. Problematischer ist jedoch die Situation - trotz Verbesserungen der vergangenen zehn Jahre - wenn innovative Technologieunternehmen größere Finanzierungsrunden für ihr Wachstum benötigen: Die jährlichen VC-Investments hierzulande haben sich in den letzten Jahren zwar vervielfacht - in anderen Ländern aber auch teilweise deutlich stärker. So liegen in Deutschland die VC-Investments in Relation zur Wirtschaftskraft im internationalen Vergleich nach wie vor zurück: In Großbritannien ist der VC-Markt bezogen auf das BIP drei Mal größer als in Deutschland. Jenseits des Atlantiks, "im Land der Big Five", sogar fünf Mal so groß. Bei neun von zehn großen Finanzierungsrunden wird die Kapitalkraft ausländischer Investoren benötigt. Diese können das stemmen, denn die Anzahl und das Volumen der VC-Fonds in Amerika oder Asien sind häufig um ein Vielfaches größer als in Deutschland und Europa. Im Oktober 2018 trat KfW Capital als hundertprozentige Beteiligungstochter der KfW in den Markt. Ausschlaggebend dafür war die Entscheidung der Politik, das Volumen für VC-Fondsinvestments deutlich auszubauen, um den Markt so zu stärken, dass Start-ups und innovativen Technologieunternehmen in Deutschland besseren Zugang zu Venture Capital erhalten. Bisher hat KfW Capital an 53 deutsche und europäische VC-Fonds Kapitalzusagen von circa 900 Millionen Euro gegeben. Diese finanzierten damit bisher rund 1 200 Startups und junge Technologieunternehmen.

Bislang investiert KfW Capital mit Unterstützung des European Recovery Program (ERP)-Sondervermögens jährlich im Schnitt rund 200 Millionen Euro in deutsche und europäische VC-Fonds. Im Juni 2021 startete zusätzlich die ERP/ Zukunftsfonds-Wachstumsfazilität. Im Rah men dieser Wachstumsfazilität stehen - mit Unterstützung des ERP-Sondervermögens und des Zukunftsfonds des Bundes - bis Ende des Jahres 2030 zusätzlich 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Antragsteller sind ausschließlich europäische VC-Fonds, die ihrerseits verpflichtet sind, mit mindestens dem von KfW Capital eingebrachten Kapital Start-ups und Wachstumsunternehmen in Deutschland zu finanzieren. KfW Capital nutzt dabei die Expertise des Marktes, sprich der Fondsmanager, die in der Lage sind, die besten Start-ups auszuwählen und zu entwickeln. Dabei investiert KfW Capital branchenübergreifend und hat so bereits ein entsprechend diversifiziertes VC-Fonds-Portfolio aufgebaut.

Zukunftsfonds des Bundes

KfW Capital investiert stets mit dem Markt, also zu gleichen Bedingungen wie private Investoren, also Institutionelle und Family Offices, und stets nie mehr als 19,9 Prozent des jeweiligen Fondsvolumens. Investiert wird sowohl in Folgefonds bereits etablierter Fondsmanager als auch in First-Time-Fonds, um insbesondere Neugründungen von VC-Fonds zu unterstützen. Bei den VC-Fondsinvestments des ERP-Programms stehen eher frühphasigere Fonds im Fokus. Hierbei bringt KfW Capital bis zu 25 Millionen Euro pro Fonds ein. Bei Investments aus der ERP/Zu kunftsfonds-Wachstumsfazilität können die VC-Fonds bis zu 50 Millionen Euro erhalten. Durch beide Ansätze werden mittelfristig mehr und auch kapitalstärkere Fonds entstehen, die auch größere Finanzierungsrunden realisieren können.

Die ERP/Zukunftsfonds-Wachstumsfazilität ist Teil des Zukunftsfonds des Bundes, den das deutsche Parlament Ende 2020 verabschiedet hat. Der in den nächsten Jahren auf 10 Milliarden Euro anwachsende Zukunftsfonds umfasst ein Bündel von wichtigen Maßnahmen, die das Ziel haben, das VC-Ökosystem in Deutschland auszubauen und dadurch innovative Technologieunternehmen in jedem ihrer Wachstumsschritte zu unterstützen. Er wird substanziell privates Kapital hebeln, da das staatliche Geld stets additiv zu privatem Engagement investiert wird. Der Meinung von KfW Capital nach wird der Zukunftsfonds des Bundes dazu beitragen, das VC-Ökosystem auf eine neue Entwicklungsebene zu heben, die die Basis für die Finanzierung und Entwicklung von Zukunftstechnologien stärkt. Dabei ist von besonderer Bedeutung, dass die Gelder nach Bedarf des Marktes sukzessive investiert werden. Die im VC-Markt bei Fonds üblichen Standards beinhalten lange Fundraising-Phasen, und auch die Investmentphasen belaufen sich meistens auf fünf Jahre. Es gilt, die Mittel erst nach sorgfältiger Due Diligence zu investieren und keine Blasen zu befördern.

Bereits mit der Einführung der ersten drei Bausteine des Zukunftsfonds im Juni 2021 stehen insgesamt 7 Milliarden Euro für die nächsten Jahre zur Verfügung. Neben der ERP/Zukunftsfonds-Wachstumsfazilität sind das die German-Future-Fund-Wachstumsfazilität, die beim Europäischen Investitionsfonds angesiedelt ist, und der Deep- Tech-Future-Fonds beim High Tech-Gründerfonds. KfW Capital ist vom Bund mit der Strukturierung des Gesamtpakets beauftragt - in enger Abstimmung mit dem Bundeswirtschafts- und Bundesfinanzministerium, der KfW und den weiteren Akteuren. Zusätzliche Instrumente sollen sukzessive eingeführt werden, noch in diesem Jahr erwartet KfW Capital den Start des Dachfonds für Wachstumskapital, der gezielt professionelle Investorengruppen wie Versicherer, Versorgungswerke und Pensionskassen für die Assetklasse Venture Capital weiter öffnen soll.

ESG gewinnt zunehmend an Bedeutung

Neben Finanzierungsfragen rückt für die Entwicklung des VC-Ökosystems ein weiterer Aspekt derzeit immer mehr in den Fokus: die Einführung von ESG-Strategien, die implementiert werden und über deren Umsetzung auch regelmäßig berichtet werden muss. Dies ist sowohl für die VC-Fonds als auch für die Portfoliounternehmen unerlässlich, wenn sie künftig Investoren und damit weiteres Kapital für ihr Wachstum finden wollen. Denn diese und dies gilt insbesondere auch für institutionelle Investoren sowie für strategische Käufer der Portfoliounternehmen - achten zunehmend darauf, dass ihre Investments ESG-konform sind.

Das Momentum für die Entwicklung von Zukunftstechnologien ist da: Alle Akteure ziehen an einem Strang, um den VC-Markt so weiter zu entwickeln, damit Deutschlands Innovationskraft und damit die künftige Wettbewerbsfähigkeit des Landes gestärkt wird.

Dr. Jörg Goschin , Geschäftsführer, KfW Capital GmbH & Co. KG, Frankfurt am Main
Alexander Thees , Geschäftsführer, KfW Capital GmbH & Co. KG, Frankfurt am Main

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