Junge Menschen setzen weiter aufs Sparen

Hans Joachim Reinke, Foto: Union Investment

Im vorliegenden Beitrag wertet der Autor eine Umfrage des genossenschaftlichen Asset Managers Union Investment zum Thema Sparen bei jungen Leuten aus. Demnach hat mit 90 Prozent eine erstaunliche hohe Zahl der 18- bis 29-Jährigen angegeben, dass sie sparen würden. Immerhin noch 58 Prozent sparen sogar regelmäßig. Allerdings sei noch für 42 Prozent der Befragten das Sparbuch weiterhin die meistgenutzte Geldanlage. Immerhin 33 Prozent der Umfrageteilnehmer nutzen Investmentfonds. Entgegen der medialen Präsenz würde jedoch die Direktanlage in Aktien (18 Prozent) und vor allem Investments in Kryptowährungen (9 Prozent) nur eine untergeordnete Rolle spielen. Reinke warnt davor, dass vermeintliche Anlagetipps von selbsternannten Experten auf Social-Media-Kanälen zu Fehlallokationen führen könnten. Da viele junge Menschen mit dem Thema noch überfordert sind, sei das wichtigste eine verantwortungsbewusste Beratung auf Augenhöhe. (Red.)

Die Deutschen sparen gern - und das schon in jungen Jahren. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Befragung von Union Investment von rund 2 000 18- bis 29-Jährigen. Trotz des Niedrigzinses ist das Sparen für junge Erwachsene ein wichtiges Thema, das von ihnen ernst genommen wird. So sparen 90 Prozent der jungen Menschen, davon fast zwei Drittel (58 Prozent) regelmäßig. Ganz gleich ob Schüler, Auszubildende, Studierende oder voll Erwerbstätige: Der Großteil der jüngeren Generation legt Geld auf die hohe Kante. Das ist ein gutes Zeichen und macht deutlich, dass junge Menschen nicht nur im Hier und Jetzt leben, wie ihnen immer mal wieder vorgeworfen wird, sondern dass sie durchaus realisieren, dass es wichtig ist, vorzusorgen.

Besonders positiv zu bewerten ist, dass viele junge Menschen selbst dann sparen, wenn sie finanziell nur einigermaßen über die Runden kommen. Knapp die Hälfte (48 Prozent) gibt an, dass es ihnen finanziell gut geht. 38 Prozent sagen, dass sie mit ihrem Geld auskommen, aber dass nicht viel übrig bleibt. Bei gut jedem Zehnten (13 Prozent) ist das Geld knapp. Überdurchschnittlich gut finanziell aufgestellt sind dabei erwartungsgemäß junge Erwerbstätige. 58 Prozent der Befragten sagen, dass es ihnen finanziell ganz gut geht, nur 7 Prozent hadern mit einer knappen Kasse.

Junge Erwachsene offen für chancenorientierte Investments

Der Anteil derjenigen, die ihre finanzielle Situation als eng einschätzt, ist bei den Auszubildenden am größten. Hier sagt jeder Fünfte (20 Prozent), dass das Geld oft knapp sei, und lediglich 39 Prozent geht es nach eigenen Angaben finanziell gut. Doch ganz gleich, wie die finanzielle Situation ausfällt, Sparen ist en vogue - bei all den genannten Gruppen.

Bei der Art und Weise, wie die jungen Erwachsenen sparen, gibt es wenige Überraschungen. Das gute alte Sparbuch ist zwar immer noch die am meisten genutzte Geldanlage (42 Prozent besitzen eines), aber die Befragten sind durchaus offen für wertpapierbasiertes Sparen. Auf Platz zwei der beliebtesten Anlageformen finden sich bereits Investmentfonds (33 Prozent). Hier sieht man, dass die Evolution des Sparens vorankommt und wertpapierbasiertes Sparen gute Chancen hat, in der jüngeren Generation die Verbreitung zu finden, die bei den älteren Sparern so häufig vermisst wird.

Zwei Lager von Anlegern

Die Ergebnisse der Studie machen auch deutlich, dass vieles von dem, was rund um das Thema Geldanlage derzeit als Hype durch soziale Medien und Gazetten geistert, in der Breite nicht belegbar ist: Die Direktanlage in Aktien ist den Zahlen zufolge noch nicht so tief verankert - lediglich 18 Prozent der Befragten besitzen Aktien. Das Thema Kryptowährungen ist nur eine Randnotiz (9 Prozent besitzen eine derartige Anlage).

Abbildung 1: Umfrageergebnis zum Sparverhalten (in Prozent) Quelle: Forsa, im Auftrag von Union Investment, Juli 2021

Es spricht einiges dafür, dass auch die jungen Erwachsenen in zwei Lager zerfallen: in eine kleine Gruppe, die sich intensiv mit dem Thema Anlegen beschäftigt und für riskantere Anlagen grundsätzlich offener ist. Und in eine große Gruppe, die sicherheitsorientierter unterwegs, aber prinzipiell für wertpapierbasiertes Sparen offen ist.

Orientierung durch Beratung

Richtig zufrieden sind die jungen Erwachsenen beim Gedanken an Geld und Finanzen aber nicht. Das hängt damit zusammen, dass sich viele bei dem Thema überfordert fühlen. Frei nach Sokrates beschreibt der Satz "ich weiß, dass ich nichts weiß" die Situation ganz gut: Nicht einmal jeder fünfte junge Erwachsene (19 Prozent) gibt an, gut oder sehr gut über Finanzangelegenheiten Bescheid zu wissen. Die meisten schätzen das eigene Finanzwissen als maximal befriedigend oder ausreichend ein (61 Prozent). Rund ein Fünftel fühlt sich ganz abgehängt, bewertet das Wissen als mangelhaft oder ungenügend.

Vor dem Hintergrund, dass es ein so wichtiges Thema ist und alle sparen, wird hier auch eine Gefahr deutlich. Wenn Freunde oder selbsternannte Experten auf Social-Media-Plattformen vermeintliche Anlagetipps geben, öffnet dies Tür und Tor für Fehlallokationen, weil junge Menschen am Ende gut gemeint, aber schlecht beraten investieren. Gerade hier wird die Rolle deutlich, die verantwortungsbewusste Berater übernehmen können, um jungen Menschen Orientierung zu geben. Dabei ist Beratung auf Augenhöhe gefragt, die junge Menschen ernst nimmt und in ihrer Lebenswirklichkeit ansetzt. Um hier eine möglichst große Reichweite sicherzustellen, ist es unerlässlich, die Beratung breiten Kreisen zugänglich zu machen. Denn zwischen all den situativen Ratschlägen, die junge Menschen auf Social-Media-Plattformen und im Freundeskreis erhalten, sollten Berater immer wieder auf das Grundsätzliche hinweisen - nämlich dass es beim Sparen um den langfristigen Vermögensaufbau geht.

Herausforderung Geldvermögensbildung

Trotz der grundsätzlich erfreulichen Entwicklungen im Sparverhalten junger Erwachsener bleiben die Herausforderungen für das Sparen hierzulande gigantisch, wie ein Blick auf die Entwicklung des Gesamtvermögens der Deutschen zeigt: Die Zahlen der Bundesbank weisen aus, dass das Vermögen in den zwölf Monaten bis zum 30. Juni 2021 um weltmeisterliche 10 Prozent beziehungsweise 670 Milliarden Euro gestiegen ist. Mehr als die Hälfte des Zuwachses (350 Milliarden Euro) sind allein in den ersten sechs Monaten 2021 neu hinzugekommen.

Die gute Nachricht: Viele Deutsche sparen. Die schlechte: Sie sparen immer noch sehr einseitig. So wachsen nach wie vor die Bestände in Bargeld und Sichteinlagen überproportional. Bis Mitte 2021 stieg der Bargeldbestand im Jahresvergleich um 20 Prozent (circa 60 Milliarden Euro). Sichteinlagen legten um 13 Prozent zu, was der schier unglaublichen Zahl von 200 Milliarden Euro entspricht, wie Professor Oscar A. Stolper von der Universität Marburg auf Basis der aktuellsten Bundesbankdaten für Union Investment ausgewertet hat.

Was positiv auffällt: Gewinner mit Blick auf den prozentualen Zuwachs in den zwölf Monaten bis Ende Juni 2021 sind Aktien- und Fondsinvestments. Fonds verzeichneten Nettozuflüsse von rund 26 Prozent (175 Milliarden Euro). Der aggregierte Bestand börsennotierter Aktien kam im Jahresvergleich gar auf einen Rekordzuwachs von 40 Prozent (150 Milliarden Euro).

Abbildung 2: Aufwuchs des Finanzvermögens deutscher Privathaushalte in Zinsprodukten nach Anteil Kapitalzuwachs und Sparleistung (in Prozent) Quelle: Auswertung von Prof. Oscar A. Stolper per 30. Juni 2021 im Auftrag von Union Investment

Stetig sinkende Ertragskraft von Zinsprodukten

In der Gesamtschau zeichnet sich also ein Erstarken der Aktienkultur sowie ein schleichender Bedeutungsverlust der klassischen Zinsprodukte ab. Gleichzeitig lässt sich jedoch ein ungebrochen starker Trend zum "Girosparen", also der Ablage des Geldvermögens auf dem Girokonto, beobachten. Dieser Trend scheint mit den gestiegenen Inflationsängsten der Deutschen unvereinbar.

Denn die Ertragskraft von Zinsprodukten hat sich in den zwölf Monaten bis zur Jahresmitte noch einmal deutlich verschlechtert, wie die Berechnungen von Professor Stolper belegen. Alle relevanten nominalen Zinssätze haben sich weiter zu Ungunsten der Sparerinnen und Sparer entwickelt.

Der Anteil des Kapitalzuwachses von Zinsprodukten an der nominalen Gesamtzunahme des Geldvermögens ist weiter zurückgegangen: von 20 Prozent Mitte des vergangenen Jahres auf nunmehr 16 Prozent zum Stichtag Ende Juni 2021. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren trugen Zinsen noch knapp 70 Prozent zum Zuwachs des Geldvermögens bei.

Inflation als zusätzliche große Herausforderung

Neben diesem Niedrigzinseffekt kommt nun ein weiterer Faktor ins Spiel, der Sparer vor Herausforderungen stellt: die Inflation. Obwohl die Inflationsrate aufgrund der extrem niedrigen Bemessungsgrundlagen des Vorjahres erst in der zweiten Hälfte des ablaufenden Jahres massiv angestiegen ist, schmälerte die gestiegene Inflationsrate bereits im ersten Halbjahr 2021 die Realverzinsung von Sichteinlagen sowie Termin- und Spareinlagen substanziell. In den zwölf Monaten bis zum 30. Juni 2021 haben deutsche Zinssparer insgesamt die Rekordsumme von fast 60 Milliarden Euro verloren. Hier gilt es, Lösungen aufzuzeigen, um Kunden dabei zu unterstützen, mit ihren Vorsorgeprodukten Erträge jenseits der Inflationsrate zu erwirtschaften.

Auf der Zinsseite ist keine schnelle Entlastung zu erwarten Auch wenn in den USA die Zinswende in Sicht ist, wird es in Europa noch deutlich länger dauern, bis wieder positive Vorzeichen zu sehen sind. Und selbst dann werden diese voraussichtlich noch lange auf niedrigem Niveau verharren.

Sparfreude statt Sparfrust

Um den langfristigen Vermögensaufbau hierzulande sicherzustellen, müssen insbesondere junge Menschen in die Lage versetzt werden, ertragsorientiert zu sparen und damit adäquat vorzusorgen. Die Bereitschaft ist vorhanden, wie die Umfrage bei jungen Erwachsenen belegt. Sie räumen dem Thema Geld und Finanzen einen großen Stellenwert ein: 90 Prozent von ihnen betrachten es als wichtig oder sehr wichtig, um gut auf das Leben vorbereitet zu sein. Damit liegt dieses Thema nur knapp hinter "Gesundheit und Ernährung", das mit 91 Prozent auf Platz eins der lebensvorbereitenden Themen landet, aber mit einem gewissen Abstand vor Schwerpunkten wie "Technik und IT" (81 Prozent) oder "aktiv Sport treiben" (77 Prozent).

Sparen ist in der jungen Generation weit verbreitet, die jungen Menschen sind offen für zukunftsorientiertes Anlegen. Trotzdem herrschen mit Blick auf Anlageformen, die vor dem Vermögensabbau schützen, einige Fragezeichen. Hier gilt es, aufzuklären und zu unterstützen, um die Sparanstrengungen vor dem Hintergrund von Niedrigzins und Inflation nicht ins Leere laufen zu lassen. Nur so verhindert man, dass aus Sparfreude Sparfrust wird.

Hans Joachim Reinke , Vorsitzender des Vorstands , Union Investment, Frankfurt am Main

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