Kreditgenossenschaften und ihre Rechtsform in Bewegung

Dr. Holger Blisse, Foto: H. Blisse

Der Autor befasst sich in dem vorliegenden Beitrag mit der Frage der richtigen Rechtsform eines Kreditinstituts, insbesondere dem Wechsel der Rechtsform. So gebe es in Österreich, aber auch in Deutschland für eine genossenschaftliche Bank grundsätzlich die Option, sich in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Blisse sieht den Vorteil eines solchen Wandels in der verbesserten Möglichkeit für die Institute, sich Kapital zu beschaffen. Für ihn überwiegen jedoch die Nachteile. Er hält ein Plädoyer dafür, dass Genossenschaftsbanken in ihrer Rechtsform verbleiben sollten beziehungsweise dahin zurückkehren sollten. Das biete eine bessere Möglichkeit, das über Generationen gewachsene Vermögen der Genossenschaft zu schützen und leiste einen wichtigen Beitrag zur sozialen Marktwirtschaft. Weiterhin ruft Blisse dazu auf, dass sich Kreditgenossenschaften nicht nur zu ihrer Rechtsform bekennen sollten, sondern auch Fusionen möglichst unterlassen sollten. Er sieht in der Vielfalt der Institute einen wichtigen Beitrag zur Finanzstabilität. (Red.)

In einem arbeitsteiligen Bankensystem lässt sich schon an der Rechtsform erkennen, wie die Tätigkeit des jeweiligen Kreditinstitutes ausgerichtet ist. Die Deutsche Bundesbank orientiert die - auch als drei Säulen des Universalbankensystems in Deutschland bezeichneten - Bankengruppen an den Rechtsformen:

- Die Kreditbanken mit Großbanken sowie Regionalbanken und sonstigen Kreditbanken, überwiegend kapitalgesellschaftlich verfasst, sind ebenso wie die Zweigstellen ausländischer Banken an einer Gewinnerzielung für ihre Eigentümer ausgerichtet, die sich teilweise direkt über die Börse an den Instituten beteiligen können,

- die Institute des Sparkassensektors mit Deka Bank Deutsche Girozentrale, Landesbanken und Sparkassen sollen in ihrer vor allem öffentlich-rechtlich verfassten, teilweise aktienrechtlich überformten Tätigkeit, oft als Hausbanken einer Kommune oder des Bundeslandes, am Gemeinwohl orientiert arbeiten; eine Besonderheit stellen sechs freie Sparkassen dar, von denen fünf in der Rechtsform als Aktiengesellschaft (AG) verfasst sind, historisch spielte bei den freien Sparkassen die Rechtsform einer Stiftung eine besondere Rolle,

- die Institute des Genossenschaftssektors mit den Kreditgenossenschaften sind gemäß Genossenschaftsgesetz (GenG) an erster Stelle auf die Förderung ihrer Mitglieder durch "gute und günstige" Bank- und Finanzdienstleistungen ausgerichtet, ihr Spitzeninstitut ist die DZ BANK AG Deutsche Zentral-Genossenschaftsbank, in deren Satzung die "Förderung des gesamten Genossenschaftswesens" (§ 2 Abs. 1 der Satzung vom 30. Mai 2018) enthalten ist.

Kompliziertere Struktur durch Sondervorschriften

Eine ähnliche Struktur weist das Bankensystem in Österreich auf. Allerdings ist die Eigentümerstruktur der Kreditinstitute aufgrund einer Sondervorschrift im Bankwesengesetz (BWG) über die Jahre etwas komplizierter geworden. In Österreich unterscheidet die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) nach

- Aktienbanken und Bankiers,

- Sparkassensektor mit einem börsennotierten Institut an der Spitze der Gruppe und als Träger des Auslandsgeschäfts in Mittel- und Osteuropa (CEE: Central Eastern Europe), der Erste Group Bank AG, und,

- davon unabhängig aber in gewissem Sinne ursprünglich den deutschen Landesbanken ähnlich,

- Landes-Hypothekenbanken sowie

- zwei selbstständigen genossenschaftlichen Bankengruppen,

- dem dreistufig aufgebauten Raiffeisensektor mit etwa 380 Raiffeisenbanken beziehungsweise aufgrund eines durch Fusionen gewachsenen Einzugsbereichs sogenannten Raiffeisenbezirksbanken, acht Raiffeisen-Landesbanken sowie als börsennotiertem Institut mit einem besonderen Schwerpunkt in CEE und Russland, Raiffeisen Bank International AG, in der 2017 das frühere Spitzeninstitut, Raiffeisen Zentralbank Österreich AG (RZB), aufgegangen ist,

- dem zweistufigen Volksbankensektor mit inzwischen acht regionalen Volksbanken, einschließlich der Volksbank Wien AG als Zentralorganisation im Sinne von § 30a BWG, und Österreichische Ärzte- und Apothekerbank AG.

Jedem Kreditinstitut die richtige Rechtsform, ...

Bis heute haben sich die Bankdienstleistungsangebote gerade für Privatkunden angenähert, zusätzlich sind Anbieter von elektronischen Teilleistungen (Fintechs) hinzugetreten.

Die Unterschiede zwischen den ein nationales Bankensystem tragenden Säulen nehmen ab, der (Vergleichs-)Wettbewerb nimmt zu, wenn die Institute es versäumen, ihr Profil zu schärfen, und zusätzlich ausländische Anbieter hinzutreten. Dabei könnten gerade die mit jeder Rechtsform verbundenen besonderen Gestaltungsmöglichkeiten weiterhin eine wichtige Orientierungshilfe und Unterscheidung bieten und jeweils Alleinstellungsmerkmale begründen.

... doch die Aktiengesellschaft wird bevorzugt

Geht es nach den wettbewerbsorientierten Vorstellungen auf europäischer Ebene, spricht viel für die Rechtsform der AG - mit der Möglichkeit der Kapitalbeschaffung über die Börse. So ließen sich die Kreditinstitute, selbst als Teilnehmer in den Finanzmarkt integriert, vereinheitlichen und insgesamt für internationale Investoren öffnen.

Der Gesetzgeber hat daher die AG schon früh als eine (Entwicklungs-)Option für eingetragene Genossenschaften (eG) angeboten. In Deutschland spiegelten dies bereits die Vorschriften in den 1969 aufgenommenen §§ 385m bis 385q Aktiengesetz (AktG) wider, nach denen sich Genossenschaften umwandeln konnten, weil "die Genossenschaften ... infolge der Auswirkungen des Gemeinsamen [europäischen] Marktes in Größenverhältnisse hinein[wachsen], die es ihnen in Einzelfällen geboten erscheinen lassen, sich in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Hinzu kommt, dass die Aktiengesellschaften über vielfältigere und einfachere Möglichkeiten verfügen, sich Kapital zu beschaffen." 1995 sind umfassende Gestaltungsmöglichkeiten zusammengeführt und für alle Rechtsformen im Umwandlungsgesetz (UmwG) geregelt worden.

Wahlmöglichkeit in Österreich für bestimmte Institute

Der österreichische Gesetzgeber hatte 1986 im Kreditwesengesetz (KWG) für Sparkassen, Landes-Hypothekenbanken, die Pfandbriefstelle der österreichischen Landes-Hypothekenbanken und Genossenschaften eine Wahlmöglichkeit geschaffen (§ 8a KWG bzw. seit 1993 § 92 BWG), "ihr Unternehmen oder den bankgeschäftlichen Teilbetrieb" (§ 92 Abs. 2 BWG) in eine AG einzubringen, und zwar auf eine von drei Weisen: "Die Einbringung ... ist nur zulässig

1. in eine zu errichtende Aktiengesellschaft als deren alleiniger Aktionär;

2. in eine Aktiengesellschaft, die Bankgeschäfte betreibt und demselben Fachverband wie das einbringende Kreditinstitut angehört;

3. in eine zu errichtende Aktiengesellschaft, in die mehrere Kreditinstitute, die demselben Fachverband angehören, gleichzeitig ihr Unternehmen oder den bankgeschäftlichen Teilbetrieb einbringen." (§ 92 Abs. 3 BWG).

Im Laufe der Zeit haben die Landes-Hypothekenbanken, einschließlich der Emissionszentrale, davon Gebrauch gemacht. Betrachtet man den Sparkassen- beziehungsweise Volksbankensektor genauer, so fällt dort auf, dass aus Gemeinde- und Vereinssparkassen in vielen Fällen Sparkassen-Aktiengesellschaften geworden sind, die im Eigentum einer Anteilsverwaltungssparkasse beziehungsweise aus dieser hervorgegangen einer Sparkassen-Privatstiftung (§ 27a Sparkassengesetz, SpG) stehen. Im Volksbankensektor gehören die fünf Volksbanken-Aktiengesellschaften oft mehreren Verwaltungsgenossenschaften (Doppel-/Holdingstruktur), die im Zuge zahlreicher Fusionen in den letzten zehn Jahren von den ursprünglichen Volksbanken in der Rechtsform einer Genossenschaft verblieben sind. 1991 kam es mit der "Verschmelzung der Volksbanken Klagenfurt, Villach und Velden zur Volksbank, Gewerbe und Handelsbank Kärnten Aktiengesellschaft" zur "ersten genossenschaftlichen" AG im Volksbankensektor. 

Wesensfremde Merkmale

Doch eine genossenschaftlich ausgestaltete AG befindet sich in einem ähnlichen Dilemma wie eine kapitalistisch ausgestaltete eG, sie trägt jeweils ihrer ursprünglichen Konstruktion wesensfremde Merkmale, die im Zeitverlauf zumeist abgelegt werden. Zurück bleibt dann die reine Aktiengesellschaft beziehungsweise eine Genossenschaft, die immer stärker in Richtung einer genossenschaftlichen AG tendiert, um dann auch zur reinen AG zu werden. Die Kombination von Rechtsformen wie zum Beispiel in Gestalt der Kommanditgesellschaft auf Aktien dürfte nur fallweise eine Lösung darstellen und als Genossenschaft & Co. KG in Gestalt der Nürnberger Evenord-Bank eG-KG eher eine Ausnahme geblieben sein.

Bei den österreichischen Raiffeisenbanken ist auf der Ebene der Raiffeisen-Landesbanken diese Doppelstruktur aus einer AG für das Bankgeschäft und der Genossenschaft für den Eigentümer (-kreis) im Zuge der Umwandlung in eine AG bei vier Instituten entstanden. Die Raiffeisenbanken selbst sind nahezu alle als Genossenschaften tätig, bilden aber größere Einheiten. Hier dürfte sich wahrscheinlich überhaupt erst im Falle sektorenübergreifender Fusionen oder Verschmelzungen mit einer Raiffeisen-Landesbank die Frage eines Rechtsformwechsels stellen.

Schutz für das Genossenschaftsvermögen

Der Verbleib in der beziehungsweise auch eine Rückkehr zur genossenschaftlichen Rechtsform leisten jedoch einen Beitrag, das oft über viele Generationen gewachsene Vermögen als Gemeinschafts eigentum in der Genossenschaft zu erhalten. Denn die Genossenschaft ist, anders als eine (börsennotierte) Aktiengesellschaft, vor einer Übernahme durch den (Auf-)Kauf von Anteilen geschützt. Anders als in der Aktiengesellschaft, wo die Aktie die Eigentums-/ Eigentümerrechte verbrieft, ist die Mitgliedschaft in der Genossenschaft höchstpersönlich und weder übertragbar noch handelbar, was sich unter anderem darin ausdrückt, dass eine (Vermögens-)Auseinandersetzung zum Ende der Mitgliedschaft direkt mit der Genossenschaft vorgesehen und üblicherweise auf das Geschäftsguthaben begrenzt ist.

Bei den Kreditgenossenschaften ist durch Rücklagenbildung über die Jahrzehnte ein Vermögen gewachsen, das zumindest teilweise als keiner Mitgliedergeneration mehr direkt zurechenbar anzusehen und vor jedem individualisierenden Zugriff geschützt ist. Es wäre zu bedenken, ob dieses Vermögen in dem Maße als partiell gemeinnützig eingestuft werden sollte, wie eine (Gründungs-)Mitgliedergeneration, die zur Rücklagenbildung beigetragen hat, nicht mehr lebt und die Genossenschaft fortbesteht. Daraus erwächst in gewisser Weise dann fast eine Verpflichtung, die Genossenschaft auf Dauer als Genossenschaft fortzuführen. Eine solche Genossenschaft könnte einen zusätzlich ausgleichenden - sozialen - Beitrag innerhalb einer zunehmend marktund wettbewerbsorientierten (Kredit-) Wirtschaft leisten und auf Dauer zu einer sozialen Marktwirtschaft beitragen.

Historische Gründe für Umwandlungen

Die Entwicklung von in die AG umgewandelten Kreditgenossenschaften - mit einem internen oder börslichen Aktienhandel - hat historisch betrachtet in den meisten Fällen dazu geführt, dass diese vergleichsweise kleinen Institute untergingen oder übernommen wurden. Bis in das 20. Jahrhundert verblieben nur wenige Institute von einer größeren Zahl um die Jahrhundertwende gewandelter Institute. Dabei gehen die Gründe für die Umwandlung auf das GenG zurück, das bis 1889 noch die unbeschränkte persönliche Haftung der Mitglieder vorsah, die man in der AG auf das der Gesellschaft überlassene Kapital begrenzen wollte. Zum anderen sollte das variable Eigenkapital der eG, das durch Erhöhung des Nennwertes eines Geschäftsanteils erweitert worden war, auf diesem Niveau stabilisiert werden. Mit dem GenG von 1889 wurde das Kreditgeschäft mit Nichtmitgliedern verboten. Institute, deren Nichtmitgliedergeschäft schon einen großen Umfang angenommen hatte und nicht in Mitgliedergeschäft überführt werden konnte, wechselten die Rechtsform.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nutzten in Deutschland nur wenige Kreditgenossenschaften den rechtlichen Spielraum: Nach Stuttgarter Volksbank (1973) und Volksbank Essen (1987) wechselte die Raiffeisenbank Plankstetten (2010) in die AG. Dabei konnten Aktionäre, vermittelt über einen internen Markt oft mit Warteliste, einen Wertzuwachs realisieren.

Die Stuttgarter Volksbank verzeichnete eine starke Nachfrage im Kreditgeschäft und musste die Eigenkapitalbasis erweitern. Dies erschien auf längere Sicht nicht aus den Beiträgen der Mitglieder realisierbar. Angesichts einer damaligen Dividende - in einer Hochzinsphase - auf die Geschäftsguthaben von 10 Prozent wurde die Eigenkapitalbeschaffung in der AG langfristig als kostengünstiger angesehen. Allerdings vernachlässigte diese Kalkulation etwas die Möglichkeiten der Gewinnthesaurierung und die Tatsache, dass die Dividendenzahlung an die Mitglieder sich natürlich nur an der Höhe der Geschäftsguthaben orientiert und nicht die Rücklagen einbezieht. Kreditgenossenschaften wird alternativ empfohlen, eher die Intensität der Leistungsbeziehung zu honorieren als eine Kapitalbeteiligungsdividende zu zahlen.

Allerdings gilt es weiterhin, den Eigenkapitalbeitrag der Mitglieder zu würdigen. Anderenfalls tendiert der Genossenschaftsbetrieb in Richtung der Förderung der (Eigen-)Erwerbswirtschaft, während die Vermögensrechte der Mitglieder vereinsrechtliche Züge annehmen beziehungsweise sich fast stiftungsähnlich auflösen.

Bei der Volksbank Essen wurde neben der begrenzten Aufstockung der Geschäftsguthaben angeführt, dass das Grundkapital nicht mehr durch Kündigungen verringert wird, anstelle der steuerlich ungünstigen Rücklagenbildung können höhere Gewinnausschüttungen mit Kapitalerhöhungen verbunden werden und, vermittelt über den Aktienkurs, der den Betrag der Geschäftsguthaben übertreffen dürfte, entsteht für die Mitglieder durch den möglichen Vermögenszuwachs ein Beteiligungsanreiz.

Allerdings ist zu fragen, ob eine Ertrags- und Wachstumsstrategie und eine die individuellen finanziellen Vorteile der Eigentümer betonende Ausrichtung mit der genossenschaftlichen Mitgliederförderung verträglich sind oder sogar eher ein Risiko im Hinblick auf die Solidargemeinschaft im Verbund der anderen Kreditgenossenschaften und deren Verbund- und Sicherungseinrichtungen darstellen.

Das Stuttgarter Institut kehrte in die eG zurück ebenso wie die Volksbank Essen, die vorübergehend den Sektor verlassen hatte und 1999 mit der Genossenschafts-Bank Essen eG zur Geno-Volks-Bank Essen eG fusionierte.

Commerzialbank Mattersburg als aktuelles Beispiel

Im Juli 2020 richtete sich die Aufmerksamkeit auf die Commerzialbank Mattersburg im Burgenland AG, die von der Österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA) nach Bekanntwerden von Bilanzfälschungen geschlossen worden ist. Ihr Eigentümerkreis war zweigeteilt: Fast 80 Prozent des Grundkapitals lagen bei einer Genossenschaft. Diese Beteiligungsgenossenschaft ging zurück auf eine Raiffeisenbank, die 1995 ihren Bankbetrieb in die AG eingebracht hatte und als Aktionär der Bank mit ihren Mitgliedern verblieb, weitere private Personen kamen als Aktionäre hinzu.

Mit diesem Aufbau lässt sich der genossenschaftliche Eigentümerkreis erhalten. Gegenüber einer reinen Kreditgenossenschaft besteht der Nachteil, dass nur noch ein Vertreter die Genossenschaft in der Hauptversammlung der Bank repräsentiert. Entscheidungen auf Ebene der Bank werden in der Genossenschaft vorbereitet, sofern sie dort beschlossen werden müssen. Viele Entscheidungen vollziehen sich, ohne dass die Genossenschaft direkt mitwirken und bei ihren Mitgliedern nachfragen muss. So waren Genossenschaft und Einzelaktionäre in der Hauptversammlung der Commerzialbank unter sich.

Der Einfluss des einzelnen Mitgliedes fiel geringer aus verglichen mit einer Kreditgenossenschaft. Kreditgenossenschaften werden zudem durch einen genossenschaftlichen Prüfungsverband geprüft. Die Kontrolle bei umgewandelten Kreditgenossenschaften verlagert sich oft immer mehr hin zur Bank beziehungsweise deren Management. Es ist nachvollziehbar, wenn Probleme dann nicht rechtzeitig nach außen dringen.

Möglichst viele Kreditgenossenschaften erhalten

Daher wäre allen Instituten, die in dieser Doppel-/Holdingstruktur arbeiten, zu empfehlen, die Mitgliedschaft zu aktivieren oder zur reinen Genossenschaft zurückzukehren. Beispiele für in die eingetragene Genossenschaft zurückgekehrte Kreditinstitute gibt es bereits in Deutschland und Österreich: Die Vereinigte Volksbank AG, Cochem, wechselte in die eG und verschmolz im gleichen Jahr mit der Raiffeisenbank Bernkastel-Wittlich eG zur Vereinigte Volksbank Raiffeisenbank eG (2008). Stuttgarter Volksbank AG und Volksbank Rems eG verschmolzen zur Volksbank Stuttgart eG (2010). Aus der Volksbank Beteiligungsclub Kärnten eGen entstand im Wege der verschmelzenden Umwandlung mit der Volksbank Gewerbe- und Handelsbank Kärnten AG die Volksbank Gewerbe- und Handelsbank Kärnten eGen (2013). Heinsberger Volksbank AG und Raiffeisenbank eG, Heinsberg, fusionierten zur Volksbank Heinsberg eG (2015). Als jüngstes Beispiel geht, wie das Institut in Cochem, die Vereinigte Volksbank AG, Böblingen, Sindelfingen noch zurück auf eine schon im 19. Jahrhundert gewandelte Kreditgenossenschaft. Sie ist nach vielen Fusionen, bei denen stets die AG erhalten blieb, 2016 selbst direkt in die eG zurückgekehrt.

Indem Kreditgenossenschaften sich zu ihrer genossenschaftlichen Rechtsform bekennen und Fusionen möglichst unterbleiben, sodass so viele Institute wie möglich weiterhin bestehen bleiben, leisten sie alle zusammen mit den Kreditbanken und den Instituten des Sparkassensektors im Falle ihrer Arbeitsteilung einen Beitrag zur Risikoteilung im Bankensystem.24) Mit Kreditgenossenschaften bleibt ein nicht börsennotierter und förderwirtschaftlicher Kreditinstitutstyp erhalten und mit einem stabilen Bankensystem eine Alternative zum Kapitalmarkt. Diese Vielfalt und Wahlmöglichkeiten stabilisieren insgesamt das Finanzsystem.

Fußnoten

1) Vgl. hierzu und mit weiteren Gruppen Deutsche Bundesbank (2020): Statistik der Banken und sonstigen Finanzinstitute, Richtlinien, Juli 2020. Statistische Sonderveröffentlichung 1. Frankfurt am Main, S. 750-754, abrufbar unter: https://www.bundesbank.de/resource/blob/611454/6c695077d6c066317b9cb8e2b39c7d82/mL/statso01-16-verzeichnisse-data.pdf (alle Links verfügbar am 27.09.2020).

2) "In der Bankenstatistik in der Gruppe Landesbanken enthalten." (Deutsche Bundesbank (2020, Fn. 1): S. 754, Fn. 1).

3) "Aus datenschutzrechtlichen Gründen zeigt die Deutsche Bundesbank in der Bankenstatistik keine Gruppe "Genossenschaftliche Zentralbanken" mehr. Die Meldedaten der "DZ Bank AG Deutsche Zentral-Genossenschaftsbank. Frankfurt am Main" (die im Juli 2016 aus der Verschmelzung der 'DZ Bank AG Deutsche Zentral-Genossenschaftsbank. Frankfurt am Main' und der 'WGZ BANK AG, Westdeutsche Genossenschafts-Zentralbank, Düsseldorf' entstanden ist) sind ab Juli 2016 in der Gruppe 'Banken mit Sonder-, Förder- und sonstigen zentralen Unterstützungsaufgaben' enthalten." (Deutsche Bundesbank (2020, Fn. 1): S. 754, Fn. 2).

4) Vgl. hierzu und mit weiteren Gruppen OenB: Anzahl der Kreditinstitute nach Sektoren - Teil 1, abrufbar unter: https://www.oenb.at/isaweb/report.do?lang=DE&report=3.1.1

5) Vgl. Hofinger, Hans (2013): Der Kreditinstitute-Verbund - Ein neues genossenschaftliches Modell für die Österreichischen Volksbanken. In: Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen, 63. Jg., S. 59-66.

6) Vgl. z. B. Bathija, Alwin; Kümpel, Thomas (2019): Digitalisierung im Bankensektor - Notwendigkeit von neuen kundenzentrierten Geschäftsmodellen. In: Kümpel, Thomas; Schlenkrich, Kay; Heupel, Thomas (Hrsg.): Controlling & Innovation 2019 - Digitalisierung. Wiesbaden, S. 199-216.

7) Vgl. z. B. für die Kreditgenossenschaften Ringle, Günther (2015): Auf dem Weg zur "Mitgliederbank". In: Brazda, Johann; Husen, Rainer van; Rößl, Dietmar (Hrsg.): Perspektiven für die Genossenschaftsidee - Festschrift zum 65. Geburtstag von Verbandsanwalt Professor DDr. Hans Hofinger. Bremen, S. 250-261.

8) Deutscher Bundestag (1969): Drucksache V/4253. Bonn, S. 6.

9) Vgl. Volksbank Kärnten (1998): Programm zur Begebung von Schuldverschreibungen. Prospekt vom 23.05.2018. Klagenfurt, online abrufbar unter: https://www.volksbank-kaernten.at/m101/volksbank/m004_42130/downloads/2018/anleihen/20180523_pv_vbk__signed_approved_.pdf, S. 98, Zitate: ebd.

10) Vgl. z. B. Luther, Martin (1978): Die genossenschaftliche Aktiengesellschaft. Schriften zur Kooperationsforschung, Reihe C: Berichte, Bd. 6. Tübingen und Hofinger, Hans (1993): Bankgenossenschaft und genossenschaftliche Bankaktiengesellschaft - Rechtliche und rechtspolitische Wertung. Schulze-Delitzsch-Schriftenreihe, Bd. 13. Wien.

11) Vgl. z. B. Vollmer, Lothar (1995): Die kapitalistische Genossenschaft. Berliner Beiträge zum Genossenschaftswesen, H. 23. Berlin.

12) Vgl. aber Baden-Württembergischer Genossenschaftsverband (Hrsg.) (2012): Wie gründe ich eine Energie-Genossenschaft. Karlsruhe: "Als Rechtsform, die sowohl Bürgerbeteiligung als auch die Integration von Großinvestoren ermöglicht, kann eine eG & Co.KG in Betracht kommen." (ebd., o. S. (S. 5)).

13) Vgl. für Österreich Dellinger, in Dellinger, Markus (Hrsg.) (2014): Genossenschaftsgesetz samt Nebengesetzen - Kommentar. 2. Aufl., Wien, S. 505 (§ 79, Rn. 23).

14) Vgl. § 73 Abs. 1 und 2 bzw. auch Abs. 3 (für einen Gestaltungsspielraum) deutsches GenG, für Österreich § 5 Ziff. 4 GenG, §§ 55 Abs. 3, 79 Abs. 2 (jeweils mit weitem Gestaltungsspielraum) öGenG, mit Bezug auf eine Auseinandersetzung §§ 56, 58 öGenG, vgl. umfassend und grundlegend auch Husen, Rainer van (1998): Wem gehört das Genossenschaftsvermögen? - Ein Beitrag zur Reform des Genossenschaftsrechts. Studien zum Unternehmens- und Wirtschaftsrecht, Bd. 7. Wien und Beuthien, Volker; Klappstein, Verena (2018): Sind genossenschaftliche Rücklagen ein unteilbarer Fonds? - Zur Kapitalerhaltung und Überschussverwendung im Genossenschaftsrecht. Schriften zum Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, Bd. 47. Tübingen.

15) Vgl. Beuthien, Klappstein (2018, Fn. 14): S. 94.

16) Vgl. Blisse, Holger (2019): Genossenschaften im Markt - Zum ausgleichenden Beitrag einer Rechtsform im Markt und Wettbewerb am Beispiel der Kreditgenossenschaften - Grundlagen. Wien, S. 30.

17) Vgl. Afhüppe, Sven (2020): Drohbrief aus Amerika. In: www.handelsblatt.com, 07.08., abrufbar unter: https://www.handelsblatt.com/meinung/morningbriefing/morning-briefing-drohbrief-aus-amerika/26074156.html?ticket=ST-2430812-9fAA2ydPTbcUK-VYWUA4U-ap5, dort mit dem Hinweis auf Marija Kolak, die Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, die von Papst Franziskus zum Mitglied des Wirtschaftsrates des Heiligen Stuhls ernannt worden ist. Es wird aus einem Interview mit ihr in der Börsen-Zeitung zitiert: "'Viele Menschen äußern die Erwartung, dass die Coronakrise uns zu einem Umdenken bringt, wie wir mit den Ressourcen unseres Planeten zukünftig umgehen. Dazu brauchen wir einen breiten öffentlichen Diskurs, wie wir unser Modell der Sozialen Marktwirtschaft weiterentwickeln können, ohne den erwirtschafteten Wohlstand zu gefährden.' Vielleicht waren es diese beiden Sätze, mit denen Marija Kolak Papst Franziskus aufgefallen ist. Wie auch immer, Kolaks Berufung ist absolut verdient." (Zitate: ebd.).

18) Vgl. Crüger, Hans (Hrsg.) (1910): Die ersten fünfzig Vereins- und Genossenschaftstage des Allgemeinen Verbandes der auf Selbsthilfe beruhenden deutschen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, e. V. Genossenschaftliche Zeit- und Streitfragen, H. 9. Berlin, S. 111f.

19) Seit 1974 ist es in Deutschland Genossenschaften erlaubt, ihren Geschäftsbetrieb auf Personen auszudehnen, die nicht Mitglieder der Genossenschaft sind, es muss aber in der Satzung bestimmt sein (§ 8 Abs. 1 Ziff. 5 GenG).

20) Vgl. Ringle, Günther (2020): Genossenschaft und Gewinn. In: Cooperativ - Das Magazin für die Zukunftskraft Genossenschaft, 148. Jg., H. 3, S. 30-33.

21) Vgl. Blisse, Holger (2006): Stärkung der Kreditgenossenschaften durch verbundbezogenes Eigenkapital der Mitglieder. Schriftenreihe Finanzierung und Banken, Herausgeber: Prof. Dr. Detlev Hummel, Bd. 10. Sternenfels, S. 199ff.

22) Vgl. APA (2020): Schließung der Commerzialbank Mattersburg angeordnet. In: www.sn.at, 13.08., abrufbar unter: https://www.sn.at/wirtschaft/oesterreich/schliessung-der-commerzialbank-mattersburg-angeordnet-91446868.

23) Vgl. z. B. Graber, Renate (2020): Wem gehört die gestürzte Mattersburger Bank? In: derstandard.at, 25.07., abrufbar unter: https://www.derstandard.at/story/2000118973450/wem-gehoert-die-gestuerzte-mattersburger-bank.

24) Vgl. zu diesem eher arbeitsteiligen als wettbewerbsorientierten Verständnis innerhalb der Kreditwirtschaft auch Mußler, Hanno (2020): Eine deutsche Genossenschaftsbankerin für den Papst. In: www.faz.net, 08.08., abrufbar unter: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/bvr-praesident-marija-kolak-beraet-papst-franziskus-16895131.html: "Marija Kolak vertritt Finanzinstitute, die nicht auf Gewinnmaximierung, sondern auf Mitgliederförderung setzen."

Dr. Holger Blisse Wirtschafts- und Sozialanalytiker, Wien
Dr. Holger Blisse , Wirtschafts- und Sozialanalytiker, Wien
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