Kreditvergabe in Zeiten der Corona-Krise

Tobias Hertel, Foto: Dörte Delicat & Daniela Landwehr

"Unsicherheit" war das Schlagwort 2020. Unsicherheit ob immer wiederkehrender Lockdowns, Unsicherheit ob der Stabilität weltweiter Lieferketten, Unsicherheit ob ausbleibenden Konsums. Um Druck aus der Wirtschaft zu nehmen, legte die Bundesregierung ein Hilfsprogramm mit staatlichen Garantien in bisher ungekannter Größe auf. Der Autor analysiert im vorliegenden Beitrag den Einfluss dieser Garantien auf den Kreditvergabeprozess der Banken. Hertel wertet dazu den Bank Lending Survey des Eurosystems aus. So konnte er trotz Garantien eine Verschärfung der Kreditrichtlinien und -bedingungen feststellen. Allerdings sei dabei zu differenzieren, dass dies nur bei den Krediten, die ohne staatliche Garantien vergeben wurden, der Fall war. Es wäre zudem möglich, dass der gestiegene Anteil abgelehnter Kreditanträge darauf hindeutet, dass trotz der staatlichen Garantien nicht die ganze Nachfrage gedeckt werden konnte. Im zum Umfragezeitpunkt noch nicht abgeschlossenen ersten Halbjahr 2021 sei mit einem erneuten Anstieg der Kreditnachfrage zu rechnen. (Red.)

Im vergangenen Jahr erlebte die deutsche Wirtschaft im Zuge der Corona-Krise einen Einbruch historischen Ausmaßes. Durch den pandemiebedingten Stillstand des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens im Frühjahr und Winter 2020 befinden sich die Unternehmen, trotz weitreichender staatlicher Unterstützungsmaßnahmen, in einer angespannten Wirtschafts- und Finanzlage. In einer Blitzumfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (IHK) im Juni (November) 2020 offenbaren 47 Prozent (40 Prozent) der über 13 000 befragten Unternehmen einen Eigenkapitalrückgang und 40 Prozent (27 Prozent) der Unternehmen Liquiditätsengpässe infolge der Corona-Krise.

Demgegenüber stellt jedoch nur etwa jeder zehnte Befragte Schwierigkeiten oder ausufernde Kosten im Bereich der Fremdkapitalfinanzierung fest. In Bezug auf staatliche Unterstützungsmaßnahmen werden neben dem Kurzarbeitergeld (67 Prozent) auch die Förderprogramme, die auf eine Erleichterung des Fremdkapitalzugangs abzielen (33 Prozent), flächen deckend in Anspruch genommen.

Die geringeren Schwierigkeiten in Bezug auf den Zugang zur Fremdfinanzierung werden damit einerseits Resultat der weitreichenden staatlichen Unterstützungsmaßnahmen sein. Andererseits trägt auch das robuste deutsche Bankensystem zu einer Entschärfung des Finanzierungsdrucks bei. Im Gegensatz zur letzten globalen Finanzmarktkrise "sind Banken diesmal nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung" und werden als unverzichtbarer Helfer bei der Bewältigung der Corona Krise identifiziert. Vor diesem Hintergrund gilt es zu beleuchten, welchen Beitrag die Banken zur Bewältigung der wirtschaftlichen und finanziellen Schieflage der Unternehmen, insbesondere durch die zielgerichtete Bereitstellung von Fremdkapital, leisten.

Abbildung 1: Einfluss der staatlichen Garantien auf die Kreditnachfrage (Mittelwerte) Quelle: T. Hertel, basierend auf Bank Lending Survey, Januar 2021

Derartige Einblicke in die Bankenperspektive können auf Basis der Prognosen und retrospektiven Erfahrungswerte deutscher Kreditinstitute im Rahmen der Bank Lending Survey gewonnen werden. Dabei gilt es zu untersuchen, wie die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen in den Kreditvergabeprozess integriert wurden und ob dadurch der krisenbedingte Anstieg der Kreditnachfrage hinreichend bedient werden konnte. Die Ergebnisse dieser Analyse sollen Aussagen über die Wirksamkeit der staatlichen Maßnahmen zur Unterstützung der Fremdkapitalfinanzierung bieten und Denkanstöße für die Bewältigung der langfristigen Folgen der Corona-Krise liefern.

Methodik der Bank Lending Survey

Die seit 2003 im gesamten Eurosystem vierteljährig durchgeführte Bank Lending Survey (BLS) erlaubt eine Innensicht auf die allgemeine Entwicklung der Kreditnachfrage und in den Kreditvergabeprozess der deutschen Finanzinstitute. Die Stichprobe setzt sich aus 34 führenden Mitarbeitern im Kreditbereich (auf oder direkt unterhalb der Vorstands ebene) aller relevanten Bankengruppen zusammen und bietet damit ein repräsentatives Meinungsbild des deutschen Bankensektors.

Die aktuelle Iteration der BLS wurde zwischen dem 4. und 29. Dezember 2020 durchgeführt, die Ergebnisse wurden am 19. Januar 2021 veröffentlicht. Die teilnehmenden Institute sind im Rahmen der BLS angehalten, mithilfe einer fünfstufigen Skala ihre Einschätzung zur Veränderung der Kreditrichtlinien, -bedingungen und nachfrage abzugeben. Zusätzlich adressieren in der aktuellen Ausgabe der BLS mehrere Ad-hoc-Fragen dezidiert den Einfluss der Corona Krise auf die Kreditvergabepraxis. Im Rahmen dieser Fragen werden eine retrospektive Einschätzung der Entwicklung im gesamten Jahr 2020 (aufgeteilt in Halbjahre) sowie ein Ausblick auf das erste Halbjahr 2021 vorgenommen. Um keine Rückschlüsse auf die Antworten der einzelnen Befragten zu ermöglichen, veröffentlicht die Bundesbank aggregierte Umfrageergebnisse (Mittelwerte).

Um die Interpretation zu vereinfachen, wird die Skalierung der Bundesbank transformiert, sodass der Wertebereich der Mittelwerte zwischen minus zwei und zwei liegt und die Befragten bei einem Mittelwert von null im Durchschnitt von der Beibehaltung des Status quo ausgehen. Ein positiver (negativer) Mittelwert impliziert, dass die Befragten eine Lockerung (Verschärfung) der Angebotsbedingungen respektive einen Anstieg (Rückgang) der Nachfrage beobachtet haben beziehungsweise für zukünftige Perioden erwarten.

Dabei gilt zu beachten, dass in der BLS stets Veränderungen abgefragt werden. Ein sinkender, aber nach wie vor positiver Mittelwert impliziert demnach einen durchgehenden Anstieg der Kreditnachfrage (eine durchgehende Lockerung der Kreditrichtlinien beziehungsweise -bedingungen) mit abnehmender Steigung. Dadurch sind grundlegende Einschätzungen über das generelle Stimmungsbild der deutschen Banken möglich. Über die Größenordnung der beobachteten Entwicklung lässt sich hingegen keine belastbare Aussage treffen.

Die Bewältigung eines positiven Nachfrageschocks, speziell in einer hochgradig angespannten gesamtwirtschaftlichen Situation, stellt selbst für ein robustes Bankensystem eine Herausforderung dar. Daher umfassen die staatlichen Corona-Hilfen auch Kreditgarantien und Bürgschaften, um die regulären Finanzierungskanäle der Unternehmen zu stabilisieren.  Als Finanzierungspartner dienen die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und für Großunternehmen der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF). Anspruchsberechtigt sind grundsätzlich nur Unternehmen mit einem langfristig tragfähigen Geschäftsmodell, die sich vor Krisenbeginn noch nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden haben. Bis auf den Ausschluss von Unternehmen aus der Land und Fischereiwirtschaft im Rahmen des Programms "KfW Schnellkredit 2020", liegen keine branchenspezifischen Einschränkungen für den Zugang zu diesen staatlichen Förderprogrammen vor.

Einfluss der Kreditgarantien auf die Entwicklung der Kreditnachfrage

Je nach Unternehmensgröße, Kreditvolumen und Förderprogramm gelten spezifische Förderkonditionen. Bei geringeren Kreditvolumina bestehen dabei tendenziell weniger Voraussetzungen für die Kreditvergabe und weitreichendere Haftungsübernahmen. So ist für Kredite im Rahmen des Programms "KfW-Schnellkredit 2020" (Kreditvolumen bis maximal 800 000 Euro) weder eine Risikoprüfung durch die Hausbank noch die Stellung von Sicherheiten vorgesehen und auch im Rahmen des "KfW-Sonderprogramm 2020" (Kreditvolumen bis maximal 100 Millionen Euro) entfällt bei durch die Hausbank bestätigter Erfüllung sogenannter Fast-Track-Kriterien eine Risikoprüfung durch die KfW. Eine differenzierte Untersuchung der Entwicklung der Kreditnachfrage offenbart, dass im ersten Halbjahr 2020 sowohl für KMU als auch für Großunternehmen (GU) vor allem ein Anstieg der Nachfrage für Kredite mit staatlichen Garantien festzustellen ist (Abbildung 1).

Dies lässt zunächst auf eine breite Akzeptanz der staatlichen Unterstützungsmaßnahmen in den kritischsten Krisenmonaten schließen. Dies gilt im Besonderen Maße für KMU, für welche die angesprochenen, vorteilhafteren Förderkonditionen bestehen. Aufgrund der wirtschaftlichen Erholungsphase im Laufe des zweiten Halbjahres 2020 ist bereits eine leicht rückläufige Entwicklung der Nachfrage nach Krediten mit staatlichen Garantien zu verzeichnen. Die volatilere Entwicklung dieser Nachfrage kann auch durch die hohe Unsicherheit der Unternehmen während des Lockdowns im Frühjahr 2020 beeinflusst sein.

Neben einem akuten Finanzmittelbedarf dürften viele Unternehmen vorsorglich staatlich geförderte Kredite nachgefragt haben, um im Zweifel einen Fortbestand oder gar eine Verschärfung der wirtschaftlichen Bedingungen abfedern zu können. Für Kredite ohne staatliche Garantien ist hingegen ein geringerer, aber fortlaufender Anstieg der Nachfrage zu beobachten. Aufgrund der sich zum Befragungszeitpunkt abzeichnenden Verschärfungen der wirtschaftlichen Einschränkungen rechnen die Befragten für das erste Halbjahr 2021 für sämtliche Kredite mit einem erneuten Nachfrageanstieg. Der vorsorgliche Aufbau von Liquiditätsreserven dürfte dazu beigetragen haben, dass die Banken mit einem geringeren Anstieg der Kreditnachfrage als im ersten Halbjahr 2020 rechnen.

Deckung des akuten Liquiditätsbedarfs im Vordergrund

So identifiziert auch die Mehrheit der Banken akuten Liquiditätsbedarf und den vorsorglichen Aufbau von Liquiditätspuffern als maßgeblich verantwortliche Treiber für den Nachfrageanstieg der Kredite mit staatlichen Garantien und erwarten auch für das erste Halbjahr 2021 eine derartige Entwicklung (Abbildung 2). Dies unterstreicht die Bedeutung der staatlichen Garantien für die Bewältigung der unmittelbaren Krisenauswirkungen.

Abbildung 2: Nachfragefaktoren für Kredite mit staatlichen Garantien (Mittelwerte) Quelle: T. Hertel, basierend auf Bank Lending Survey, Januar 2021

Neben der unmittelbaren Krisenbewältigung sollen die staatlichen Garantien jedoch auch zur nachhaltigen Erholung der Wirtschaft beitragen. Daher sind je nach Förderprogramm Laufzeiten bis zu 5 beziehungsweise 10 Jahren und tilgungsfreie Jahre zum Laufzeitbeginn vorgesehen. Zudem bestehen Vorgaben zur Mittelverwendung oder Restriktionen in Bezug auf die Gewinn- und Dividendenausschüttung, die den Unternehmen ein langfristiges Handeln ermöglichen beziehungsweise zu einem solchen nachhaltig orientierten Verhalten animieren sollen.

In Hinblick auf die dafür essenzielle langfristige Investitionstätigkeit der Unternehmen ist bislang jedoch keine belebende Wirkung erkennbar. So werden "Anlageinvestitionen", oder vielmehr der Verzicht auf derartige Investitionen, von den Befragten als nachfragehemmender Faktor benannt (Abbildung 2). Dies deckt sich mit den Ergebnissen der IHK Blitzumfrage im November 2020, bei der 49 Prozent der befragten Unternehmen eine Streichung oder Verschiebung von Investitionen als Maßnahme des Krisenmanagements nennen. Auch im Rahmen des "KfW-Neukunden-Monitors" geben lediglich 12 Prozent der Anspruchsnehmer der KfW-Corona-Hilfe in den Zusagemonaten April und Mai 2020 an, dass sie die bereitgestellten Finanzmittel für Investitionen nutzen. Zwar beobachtet die Bundesbank einen leichten Anstieg der tatsächlich vergebenen mittel- und langfristigen Unternehmenskredite für das vierte Quartal 2020.

Daraus lässt sich jedoch nicht zwangsläufig schlussfolgern, dass sich bereits eine Erholung der langfristigen Unternehmensinvestitionen abzeichnet. Solange eine nachhaltige Entschärfung der wirtschaftlichen Einschränkungen und eine damit einhergehende wirtschaftliche Erholung nicht abzusehen ist, bestehen für viele Unternehmen große Unsicherheiten, wann eine Rückkehr zum wirtschaftlichen Regelbetrieb wieder möglich ist. Der Anstieg der tatsächlich vergebenen mittel- und langfristigen Unternehmenskredite könnte somit auch Resultat eines vorausschauenden Liquiditätsmanagements der Unternehmen sein, um sich für eine unsichere wirtschaftliche Zukunft zu wappnen. Insbesondere Unternehmen, die im Sommer 2020 Investitionen für ein pandemiekonformes Hygienekonzept getätigt haben, dürften nach dem erneuten Lockdown im Winter 2020 zudem eine gewisse Zurückhaltung gegenüber weiteren Investitionen besitzen.

Jenseits der Liquiditätssicherung

Für die Zukunft müssen sich die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen daran messen lassen, ob sie nicht nur zu einem Anstieg der langfristigen Unternehmenskredite, sondern vor allem zu einer Erholung der langfristigen Unternehmensinvestitionen beitragen können. Andernfalls besteht die Gefahr, dass es durch die Förderprogramme zu einer Finanzierung von "Zombie Unternehmen" und damit langfristig zu einer Fehlallokation von Ressourcen kommt. Diese Problematik gilt es, insbesondere aufgrund der aktuellen Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, im Blick zu behalten.

Die Erwartungen der Banken für das erste Halbjahr 2021 (Abbildung 2) suggerieren, dass der Beginn einer Erholungsphase der langfristigen Unternehmensinvestitionen noch nicht gekommen und eine weitere Beobachtung dieser Entwicklung geboten ist. An dieser Stelle liegt es auch in der Verantwortlichkeit der Banken, durch eine flexible, auf die wirtschaftliche Gesamtsituation abgestimmte und dennoch nachhaltig konzipierte Kreditvergabepolitik zur Bewältigung der kurz und langfristigen Auswirkungen der Corona-Krise beizutragen.

Anteil abgelehnter Kreditanträge gestiegen

Obwohl ein positiver Nachfrageschock (wie im ersten Halbjahr 2020) zunächst eine Chance für die Ausweitung der Kreditvergabe bietet, ergeben sich aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Gesamtsituation zusätzliche Risikopotenziale, die es im Rahmen der Kreditvergabepolitik differenziert zu berücksichtigen gilt. Denn um sich gegen potenzielle Kreditausfälle zu rüsten, "stellt sich die legitime Frage, ob die schlagartig wachsenden Kreditrisiken und die damit verbundenen Wertberichtigungen zu Einschränkungen beim Kreditangebot führen könnten." Eine derartige Anpassung der Kreditvergabepolitik würde sich in einer restriktiven Kreditvergabe widerspiegeln.

Für die tatsächlich vergebenen Unternehmenskredite verzeichnet die Bundesbank einen Anstieg im ersten Halbjahr 2020 und eine Stagnation beziehungsweise einen marginalen Rückgang im zweiten Halbjahr 2020. Für kurzfristige Kredite ist im ersten Quartal 2020 ein Anstieg von mehr als 10 Prozent und ab dem zweiten Quartal 2020 ein fortwährender Rückgang des tatsächlich vergebenen Kreditvolumens festzustellen. Trotz der Parallelen in der Entwicklung der Kreditnachfrage und dem Volumen der tatsächlich vergebenen Unternehmenskredite besteht die Möglichkeit, dass der Anstieg der Kreditnachfrage im ersten Halbjahr 2020 nicht vollständig durch die Banken bedient werden konnte. Denn das Volumen der tatsächlich vergebenen Kredite erlaubt nur eine verlässliche Aussage zur Entwicklung der befriedigten Kreditnachfrage. So ist es denkbar, dass die gesamte Kreditnachfrage im ersten Halbjahr 2020 noch dynamischer angestiegen ist als das Volumen der tatsächlich vergebenen Kredite.

Abbildung 3: Änderungen der Kreditrichtlinien und -bedingungen (Mittelwerte) Quelle: T. Hertel, basierend auf Bank Lending Survey, Januar 2021

Ein solches Szenario sollte sich in einem Anstieg des Anteils abgelehnter Kreditanträge widerspiegeln und würde Diskussionsgrundlage für ergänzende Unterstützungsmaßnahmen im Falle fortbestehender wirtschaftlicher Einschränkungen nahelegen. Für das erste Halbjahr 2020 ist im Rahmen der BLS eine stetige Zunahme der Anzahl der Befragten, die einen Anstieg des Anteils abgelehnter Kreditanträge (in Bezug auf Kredite mit und ohne staatliche Garantien) beobachten, festzustellen. Auch für das zweite Halbjahr 2020 beobachten die Befragten im Durchschnitt einen weiteren Anstieg des Anteils abgelehnter Kreditanträge, wenngleich weitaus weniger Befragte eine derartige Entwicklung beobachten als noch im ersten Halbjahr 2020. Aufgrund der Entwicklung des Anteils abgelehnter Kreditanträge ist es denkbar, dass die staatlichen Kreditgarantien eine Verschärfung der Kreditvergabepolitik nicht verhindern konnten und der Anstieg der Kreditnachfrage im ersten Halbjahr 2020 nicht vollumfänglich befriedigt werden konnte.

Zwar sorgen die staatlichen Garantien für eine Risikoreduktion im Vergleich zu Krediten ohne derartige Garantien und könnten dadurch eine Lockerung der Kreditrichtlinien ermöglichen. Durch die Kreditvergabe werden jedoch auch bei einer Risikoübernahme im Rahmen der staatlichen Garantien Mittel gebunden, die nicht anderweitig vergeben werden können. Eine unüberlegte Vergabe von Krediten mit staatlichen Garantien kann damit zu Opportunitätskosten für die Banken führen. In Anbetracht der gesamtwirtschaftlichen Lage ist es zudem nicht unwahrscheinlich, dass sich Banken zu einer risikobedingten Anpassung der Kreditbedingungen gezwungen sehen.

Differenzierung im Rahmen der Kreditvergabepolitik

Im Rahmen der BLS werden sowohl die Entwicklung der internen Vorgaben zur Kreditgewährung (Kreditrichtlinien), als auch die Bedingungen bei der tatsächlichen Kreditvergabe (Kreditbedingungen) adressiert. Dabei beschreiben Kreditrichtlinien die schriftliche Fixierung und praktische Auslegung interner Vorgaben, nach denen das jeweilige Institut vor Beginn der eigentlichen Kreditverhandlungen definiert, welche Kredite (zum Beispiel hinsichtlich sektorspezifischer oder kreditnehmerspezifischer Kriterien) als wünschenswert erachtet werden. Demgegenüber umfassen Kreditbedingungen sämtliche Gestaltungsfaktoren im Rahmen der Kreditvergabe wie zum Beispiel Risikoaufschläge oder Anforderungen an Sicherheiten.

In Bezug auf alle Kredite (mit und ohne staatliche Garantien) ist eine Verschärfung der Kreditrichtlinien und -bedingungen festzustellen. Im Rahmen der Kreditrichtlinien identifizieren die Befragten neben der gesamtwirtschaftlichen Lage vor allem die branchen- beziehungsweise unternehmensspezifische Situation als maßgeblich für die Verschärfung der Kreditrichtlinien. Da im Rahmen der staatlichen Kreditgarantien nahezu keine branchenspezifischen Einschränkungen festgeschrieben sind, scheint eine diesbezügliche Anpassung der Kreditrichtlinien nur folgerichtig.

Restriktivere Vergabe durch größeres Risiko

Eine detailliertere Betrachtung der Entwicklungen der einzelnen Komponenten der Kreditbedingungen offenbart, dass vor allem in Bezug auf die Kreditmargen (insbesondere für risikoreiche Kredite) und die zu stellenden Sicherheiten eine Verschärfung erfolgte. Die Bereitschaft auch in angespannten wirtschaftlichen Situationen Finanzmittel bereitzustellen, erfolgt demnach nur unter der Bedingung eines angemessenen Risikoaufschlags und hinreichender Absicherung für den Fall einer Bonitätsverschlechterung.

Jedoch zeigt sich sowohl für die Kreditrichtlinien als auch die Kreditbedingungen eine eindeutige Differenzierung zwischen Krediten mit und ohne staatliche Garantien. Während für Kredite mit staatlichen Garantien eine Lockerung der Kreditvergabepolitik festzustellen ist, lässt sich demgegenüber für Kredite ohne Garantien eine Verschärfung beobachten (Abbildung 3). Dabei fällt auf, dass für Kredite mit staatlichen Garantien bevorzugt die Kreditrichtlinien gelockert wurden (positiver Mittelwert). Die staatlichen Garantien ermöglichen den Banken demnach, bei der Auswahl potenzieller Kreditnehmer einen breiteren Kreis an Unternehmen zu berücksichtigen. Die gleichzeitige Lockerung der Kreditbedingungen induziert, dass die Institute tendenziell zusätzlich bereit sind, den Kapitalnehmern in der Vertragsgestaltung entgegenzukommen.

Für Kredite ohne staatliche Garantien zeigt sich für beide Faktoren eine durchgehende Verschärfung. Weitaus mehr Institute beschreiben dabei eine Verschärfung der Kreditbedingungen. Dies zeigt, dass Banken für Kredite ohne staatliche Garantien vor allem eine risikobedingte Anpassung der Vertragsgestaltung (zum Beispiel in Form von Risikoaufschlägen oder erhöhten Anforderungen an Sicherheiten) vornehmen.

Sättigung des Marktes bedingt Vorsicht

Während für Kredite mit staatlichen Garantien weitaus weniger Institute eine weitere Lockerung der Kreditrichtlinien und -bedingungen im zweiten Halbjahr 2020 feststellen als noch im ersten Halbjahr, beschreibt ein gleichbleibender Anteil der Institute eine weitere Verschärfung für Kredite ohne staatliche Garantien im zweiten Halbjahr 2020. Folglich scheint die weiterhin angespannte wirtschaftliche Gesamtsituation eine fortlaufende Verschärfung der Kreditrichtlinien und -bedingungen für Kredite ohne staatliche Garantien zu erfordern. Demgegenüber scheinen die Institute nicht bereit zu sein, für Kredite mit staatlichen Garantien weitere Lockerungen der Richtlinien und Bedingungen vorzunehmen.

Dies impliziert, dass die Banken die Vorteile der staatlichen Garantien bereits angemessen in ihren Kreditvergabeprozess eingepreist haben und aktuell keine wettbewerbsbedingte Notwendigkeit für weitere Lockerungen sehen, obwohl die Institute für das zweite Halbjahr 2020 vereinzelt sogar einen Rückgang der Nachfrage nach Krediten mit staatlichen Garantien feststellen konnten (Abbildung 1). Eine differenzierte Anpassung des Kreditvergabeprozesses in Bezug auf die Unternehmensgröße liegt, trotz der Unterschiede in den Förderkonditionen, nicht vor und wird auch für das kommende Halbjahr nicht von den Instituten geplant.

Auch die Prognose für das erste Halbjahr 2021 offenbart ein differenziertes Vorgehen für Kredite mit und ohne staatliche Garantien. Für Kredite ohne staatliche Garantien erwarten die Institute vor allem eine Verschärfung der Kreditrichtlinien. Möglicherweise liegt dies in einer allmählichen Sättigung des Risikoappetits beziehungsweise in einer bewusst vorsichtigeren Herangehensweise der Banken begründet. So lassen sich die zusätzlichen Risiken durch die Vergabe risikoreicher Kredite ab einem gewissen Bestand derartiger Kredite nicht mehr durch eine entsprechende Anpassung der Kreditbedingungen aufwiegen, sodass eine restriktivere Auswahl der Kreditnehmer erforderlich ist. In dieser Hinsicht gilt es kritisch zu beobachten, ob die Fortführung der bestehenden regulatorischen Lockerungen (Refinanzierungskonditionen, Liquiditäts- und Kapitalanforderungen) neben ihrem positiven Beitrag zur Krisenbewältigung nicht auch die Gefahr einer ausufernden Risikoakkumulation der Banken birgt.

Langfristige Wirkung der staatlichen Kreditgarantien noch nicht absehbar

Die Analyse konnte zeigen, dass staatlich garantierte Kredite zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen und zum Aufbau von Liquiditätspuffer flächendeckend nachgefragt wurden. Aufgrund des ebenfalls gestiegenen Anteils abgelehnter Kreditanträge kann es nicht ausgeschlossen werden, dass trotz der staatlichen Kreditgarantien ein Sockel unbefriedigter Kreditnachfrage besteht. Die Anpassung der Kreditvergabeprozesse zeigt eine klare Differenzierung der Banken zwischen Krediten mit und ohne staatlicher Garantien und unterstreicht dadurch den Beitrag der staatlichen Kreditgarantien bei der Entschärfung der angespannten Finanzierungslage. Für das erste Halbjahr 2021 erwarten die Banken einen erneuten Anstieg der Kreditnachfrage, wenngleich auf deutlich geringerem Niveau als im Frühjahr 2020.

Dies zeigt eine gewisse Zuversicht der Banken, die Unternehmen auch in weiterhin herausfordernden Zeiten unterstützen zu können. In Bezug auf die langfristige Wirkung der staatlichen Kreditgarantien sind bislang noch keine Erholungseffekte auf die Investitionstätigkeit der Unternehmen sichtbar. Die weitere Zukunft wird in dieser Hinsicht zeigen, ob auch die langfristigen Krisenauswirkungen abgefedert werden können und ob eine Anpassung der Kreditvergabepolitik und der diesbezüglichen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen geboten ist. Die vorangegangene Analyse soll hierbei als Denkanstoß für die fortlaufende Anpassung der Unternehmensfinanzierung durch die Banken (und dahingehende staatliche Unterstützungen) an die aktuellen Herausforderungen gesehen werden. Denn auch wenn die Corona-Krise mitunter den Eindruck vermittelt die Zeit würde stillstehen, zeichnen sich neben der Krisenbewältigung mit dem Brexit und dem Klimawandel bereits weitere folgenreiche Herausforderungen am Horizont ab.

Fußnoten

1) Deutsche Industrie und Handelskammern (2020), Auswirkungen von COVID 19 auf die deutsche Wirtschaft - 5. DIHK-Blitzumfrage November 2020.

2) Hufeld (2020), Banken sind diesmal Teil der Lösung, BaFin Journal April 2020, S. 20.

3) Bank Lending Survey - Aggregierte Umfrageergebnisse, https://doi.org/10.12757/Bbk.BLS.aggregates.03Q1-17Q2.01.01.

4) Dafür wird der Mittelwert aus den Rohdaten um 3 reduziert.

5) Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2020), Informationen und Unterstützung für Unternehmen, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Coronavirus/coronahilfe.html (Abruf: 1.3.2021).

6) Merkblatt KfW Schnellkredit 2020, S. 3.

7) Merkblatt KfW Schnellkredit 2020, S. 3 und Merkblatt KfW Sonderprogramm 2020, S. 4.

8) Bundesbank Monatsbericht November 2020, S. 29.

9) Deutsche Industrie und Handelskammern (2020), Auswirkungen von COVID 19 auf die deutsche Wirtschaft - 5. DIHK Blitzumfrage November 2020, S. 4.

10) KfW Customer Analytics und KfW Research (2020), Monitoring der KfW Corona Hilfe, S. 5.

11) Bundesbank Monatsbericht Februar 2021, S. 38.

12) Acharya, V., M. Crosignani, T. Eisert und C. Eufinger (2020), Zombie Credit and (Dis )Inflation: Evidence from Europe, NBER Working Paper, Nr. 27158.

13) KfW Research (2020), KfW Kreditmarktausblick Juni 2020, S. 2.

14) Zeitreihen Datenbank der Bundesbank, Buchkredite an inländische Unternehmen.

15)Deutsche Bundesbank (2020), Bank Lending Survey - Compilation Guide, S. 4 f.

Tobias Hertel , M.Sc., Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl für Finanzierung und Kreditwirtschaft, Ruhr-Universität Bochum

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