Lehren aus der Pandemie für das Währungsmanagement in Unternehmen

Sebastian Linde, Foto: HypoVereinsbank

Wie fast alles hat die Covid-19-Pandemie auch die internationalen Währungsmärkte aus den Angeln gehoben. Nach monatelangen Schwankungen scheinen sich die Kurse nun aber zusammen mit der Wirtschaft wieder zu stabilisieren. Anstatt des Liquiditätsmanagements rückt bei Unternehmen, die im Außenhandel tätig sind, nun auch wieder das Währungsmanagement ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Sebastian Linde warnt trotz der guten Aussichten vor ungewissen Trends an den Währungsmärkten und empfiehlt die Definition eines systematischen Währungsmanagements für Unternehmen. Verwerfungen an den Währungsmärkten können spontan auftreten und derjenige, der für solche Fälle eine festgelegte Strategie und Zuständigkeiten hat, könne im Ernstfall schneller reagieren. Neben der Strategie kommt es aber auch auf die Instrumente an, die ein Unternehmen zur Eliminierung von Risiken anwendet. Banken sollten hier im Tandem mit Unternehmen je nach individuellen Bedürfnissen und Risikotragfähigkeit ein diversifiziertes Instrumentarium zusammenstellen, um weiteren Schocks entgegentreten zu können. (Red.)

Die Stimmung in den Führungsetagen der deutschen Unternehmen hat sich, basierend auf Konjunkturindikatoren, in den vergangenen Wochen spürbar verbessert. So ist etwa der ifo Geschäftsklimaindex im Mai nochmals auf nun 99,2 Punkte gestiegen, was dem höchsten Wert seit Mai 2019 entspricht. Die Geschäftserwartungen für die nächsten sechs Monate haben sich ebenfalls deutlich auf 102,9 gesteigert. Diese Euphorie wurde zuletzt 2017 beobachtet. Nicht nur das verarbeitende Gewerbe, sondern inzwischen auch die Wirtschaftsbereiche Handel und Dienstleistung blicken optimistischer in die Zukunft. Die deutsche Wirtschaftserholung scheint somit intakt und nimmt zunehmend an Geschwindigkeit auf.

Für die aufhellende Wirtschaftsaktivität ist nicht nur die Binnennachfrage verantwortlich, sondern auch die Nachfrage von deutschen Waren und Dienstleistungen aus dem Ausland. Im ersten Quartal 2021 stiegen die Exporte von Waren und Dienstleistungen um 1,8 Prozent. Auch die Exporterwartungen der deutschen Wirtschaft verblieben im Mai auf einem sehr hohen Niveau im Vergleich zu den Vorjahren.

Mit der Erholung des Welthandels verschiebt sich auch wieder der Fokus im Finanzbereich von deutschen Unternehmen. Wohingegen vor rund einem Jahr, zum Ausbruch der Covid-19-Pandemie, das Liquiditätsmanagement oberste Priorität erhielt, rückt nun wieder das Währungsmanagement in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Seit Jahresbeginn 2021 führen die Wirtschaftserholung, gepaart mit dem weltweiten Impffortschritt, zu maßgeblichen Veränderungen an den globalen Währungsmärkten.

Die geschwächten Osteuropa-Währungen (ungarischer Forint, tschechische Krone und polnischer Zloty) haben gegenüber dem Euro seit Jahresbeginn um bis zu 5 Prozent an Wert gewonnen. Auch die weltweit gesteigerte Rohstoffnachfrage hat die damit verbundenen Währungen deutlich gestützt. Beispielsweise haben die bekannten Öl-Währungen (kanadischer Dollar, norwegische Krone, russischer Rubel und schwedische Krone) ebenfalls um bis zu 5 Prozent gegenüber dem Euro aufgewertet.

Volatiles Währungsumfeld

Nichtsdestoweniger konnten auch Abwertungen gegenüber dem Euro beobachtet werden. Hierzu zählt unter anderem die türkische Lira, welche rund 15 Prozent Wertverlust hinnehmen musste. Das prominente Währungspaar Euro/US-Dollar steht aktuell auf dem Kursniveau zu Jahresbeginn, ist allerdings seit April im Eiltempo um 4,5 Prozent geklettert. Schon zwischen Mai und August 2020 schnellte der Wechselkurs um 10 Prozent nach oben. Innerhalb der nächsten Monate können Entwicklungen an den Zinsmärkten, Inflationsentwicklungen und Zentralbankpolitik weiterhin für erhöhte Volatilität im Währungsmarkt sorgen.

Der volatilere Währungsmarkt hat deutsche Unternehmen zum Umdenken mancher Vorgehensweisen veranlasst. Vor allem Überlegungen bezüglich der Umstellung von Euro- auf Fremdwährungsfaktura werden konkreter. Nach wie vor ist der Euro zwar ein beliebtes Zahlungsmittel im deutschen Außenhandel, dennoch steigt die Bedeutung von Handelsgeschäften in Fremdwährungen. Die Vorteile einer Umstellung auf Fremdwährungsfaktura überwiegen zumeist die Nachteile. Verkauft ein deutsches Unternehmen seine Waren und Dienstleistungen in Euro in das Nicht-Euro-Ausland, so wird das Währungsrisiko auf den Abnehmer verschoben. Vorteilhafte Kursentwicklungen kann nun lediglich der Abnehmer nutzen.

Negative Kursentwicklungen führen aber häufig zu Nachverhandlungen des Euro Preises, Ausdehnung der Zahlungsziele oder sogar zu Zahlungsausfällen und Umsatzverlusten. Langfristig können währungsbedingt ganze Absatzmärkte an die Konkurrenz verloren gehen. Auch beim Einkauf in Euro aus dem Nicht-Euro-Ausland können solche indirekten Währungsrisiken entstehen. Steigt nämlich der Wert der Fremdwährung gegenüber dem Euro, muss der ausländische Lieferant vermutlich seine Euro-Preise erhöhen um die lokalen Kosten in seiner Heimatwährung decken zu können. Folglich tendieren deutsche Unternehmen nun vermehrt zur Fremdwährungsfaktura, um das Währungsrisiko selbst steuern zu können. Die Fremdwährungsfaktura kann den Unternehmen auch Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz bieten und Neukundenakquise erleichtern. Allerdings ist das Währungsmanagement im aktuellen Marktumfeld besonders herausfordernd.

Erfahrungswerte aus einer weltweiten Pandemie

Auch vor der Pandemie, im Februar 2020, waren die Konjunkturindikatoren ifo Geschäftsklima und Geschäftserwartung mit 95,7 beziehungsweise 92,8 steigend. Die Schwankungen an den Währungsmärkten waren historisch niedrig. Euro/US-Dollar verlief sukzessive in engen Schwankungsbreiten, über einen Zeitraum von 1,5 Jahren, von 1,17 auf 1,12 (minus 4,3 Prozent) und die implizite Volatilität (erwartete künftige Schwankung von Euro/US-Dollar innerhalb eines Jahres) fiel auf ein historisches Rekordtief. Das verleitete Finanzverantwortliche in Unternehmen zur geringeren Priorisierung des Währungsmanagements. Das Währungsrisiko und dessen Implikationen auf die internationalen Geschäftstätigkeiten waren aus Sicht vieler Unternehmen gering.

Das hat sich mit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie in Höchstgeschwindigkeit verändert. Besonders auf dem Höhepunkt der Unruhen im März gab es deutliche Ausschläge. Innerhalb weniger Tage stürzte Euro/US-Dollar von 1,15 auf 1,07 (minus 7 Prozent) - die Volatilität an den Währungsmärkten war schlagartig zurück. Kurzfristig mussten die Risiken aus dem Grundgeschäft (Lieferverzögerungen, fehlende Vorprodukte, reduzierter Frachtverkehr, Zahlungsverschiebungen, Kostendruck et cetera) evaluiert werden und mit bestehenden Absicherungsinstrumenten abgeglichen werden. Zu diesem Zeitpunkt lösten einige Unternehmen Absicherungsinstrumente auf, weil hierfür plötzlich kein Grundgeschäft mehr vorhanden war. Die Auflösung der Absicherungsinstrumente führte teilweise zu negativen Einflüssen auf die Liqudität der Unternehmen. Teilweise konnte hieraus aber auch zusätzliche Liquidität für die Unternehmen gewonnen werden abhängig vom Marktwert des Absicherungsinstrumentes.

Seit Mitte 2021 konzentrierten sich die Marktteilnehmer an den Währungsmärkten allerdings schon wieder auf positivere Zeiten und verließen folglich die sicheren Häfen (Schweizer Franken, japanischer Yen und US Dollar), welche seitdem um 3 Prozent (Franken), 11 Prozent (Yen) und 9 Prozent (US Dollar) gegenüber dem Euro an Boden verloren. Trotz dieses Trends ist noch nicht absehbar, welche Richtung die Wechselkurse an den Währungsmärkten langfristig einschlagen werden. Umso wichtiger ist es, die richtigen Lehren aus der Pandemie zu ziehen - und hierzu zählen unter anderem:

  • Verwerfungen an den Währungsmärkten treten spontan und meist ohne Vorwarnung auf.
  • Eine definierte Systematik im Währungsmanagement kann Reaktionszeiten verkürzen.
  • Absicherungsinstrumente sollten bei Veränderungen im Grundgeschäft flexibel adjustierbar sein. Ein Mix von Absicherungsinstrumenten kann die Absicherungsziele effizienter erfüllen.

Ein systematisches Währungsmanagement kann dabei helfen, auch in unruhigen Fahrwassern das Ziel der Risikoreduzierung für das Unternehmen nicht aus den Augen zu verlieren. Gleichzeitig können schnelle Reaktionszeiten bei Veränderungen im Grundgeschäft oder am Währungsmarkt sichergestellt und der operative Mitarbeiter im Unternehmen bei seinen Absicherungsentscheidungen geschützt und unterstützt werden. Bei einem systematischen Währungsmanagement geht es um die Fixierung von Regeln, Abläufen und Zuständigkeiten im Unternehmen in Bezug auf das Währungsmanagement. Häufig werden diese Parameter in einer Hedging Policy zusammengefasst und schriftlich dokumentiert - somit wird das systematische Währungsmanagement auch nachhaltig im Unternehmen verankert.

Systematisierung des Währungsmanagements

Immer mehr Unternehmen entwickeln individuelle Hedging Policies und definieren in diesem Rahmenwerk: Wer, zu welchem Zeitpunkt, in welcher Höhe, über welchen Zeitraum und mit welchem Absicherungsinstrument ein Währungsrisiko für das Unternehmen eliminiert. Die Hedging Policy berücksichtigt die individuelle Risikotragfähigkeit und -appetit des Unternehmens. Kalkulations-, Budget- und Worst-Case-Kurse bilden die Leitplanken der Richtlinie. Häufig wird in der Hedging Policy dem operativen Mitarbeiter in der Finanzabteilung, innerhalb bestimmter Bandbreiten, ein Freiraum ermöglicht, um flexibel auf Marktopportunitäten reagieren zu können.

Hedging Policies sind keinesfalls standardisiert und folglich nutzen Unternehmen die Erfahrungswerte der Banken bei der Formulierung. Grund für die fehlende Standardisierung ist der signifikante Unterschied in den Geschäftsmodellen der Unternehmen. Ein Unternehmen mit der Möglichkeit, seine Preise für Waren und Dienstleistungen flexibel und kurzfristig an Wechselkursentwicklungen anpassen zu können, steht völlig anderen Währungsrisiken gegenüber als ein Automobilzulieferer, welcher seine langfristige Kalkulationsbasis und Gewinnmarge vor Währungsrisiken absichern möchte.

Richtiger Einsatz der Absicherungsinstrumente

Ebenso spielen Fragen der Wettbewerbsfähigkeit eine große Rolle, denn in einigen Industrien können aktiv genutzte Marktopportunitäten zu entscheidenden Preisvorteilen gegenüber der Konkurrenz führen. Kehrseite der Medaille ist das Risiko aus entgangener Partizipation an vorteilhaften Kursentwicklungen und somit die Outperformance durch die Konkurrenz. Sämtliche dieser Variablen sind von Industrie zu Industrie und Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich, weshalb Hedging Policies unterschiedlich ausgestaltet sein können und müssen - jedes Unternehmen legt den Schwerpunkt individuell.

Unternehmen, die bereits ein systematisches Währungsmanagement verfolgen, reagieren in Zeiten stärkerer Wechselkursschwankungen strukturierter, haben aber im Anschluss an die Pandemie-Turbulenzen vor allem bei der Auswahl von Absicherungsinstrumenten nachgearbeitet. Denn Absicherungsinstrumente, die für beide Vertragspartner (Unternehmen und Bank) zu einer verpflichtenden Konvertierung in der Zukunft führen (beispielsweise Devisentermingeschäfte) und bei Ausfall des Grundgeschäfts zu ergebnisrelevanten Marktwertschwankungen führen können, standen auf dem Prüfstand.

Zwar bilden Devisentermingeschäfte weiterhin den Bodensatz der meisten Absicherungsportfolios, allerdings werden diese ergänzt durch optionale Absicherungskomponenten. Hierzu zählt die klassische Plain-Vanilla-Option, aber auch Abwandlungen hiervon. Vorteil gegenüber Devisentermingeschäften liegt bei Plain-Vanilla-Optionen in ihrem "nicht verpflichtenden" Charakter. Das Unternehmen sichert sich hiermit das Recht, allerdings nicht die Pflicht, zur Konvertierung von Währungen in der Zukunft. Somit ist Flexibilität garantiert, wird Partizipation an positiven Kursentwicklungen ermöglicht und gleichzeitig das Risiko negativer, ergebnisrelevanter Marktwertschwankungen aufgehoben.

Plain-Vanilla-Optionen kosten bei Geschäftsabschluss allerdings eine Optionsprämie (diese entfällt beim Devisentermingeschäft), welche die Unternehmen zumeist erst budgetieren müssen. Auch hier sind Unternehmen mit Hedging Policy im Vorteil, weil im Rahmen der regelmäßigen internen Überprüfungen der Hedging Policy auch ein Budget für optionale Absicherungsinstrumente beantragt wird. Somit gewinnen diese Unternehmen zusätzliche Reaktionszeit. Unternehmen, die weiterhin gegen ein Budget für optionale Absicherungsinstrumente votieren, haben dennoch die Möglichkeit, vergleichbare Instrumente in ihre Absicherungsstrategien zu integrieren. Sogenannte prämienneutrale Absicherungen gewinnen zunehmend an Bedeutung, weil sie beide Welten - keine Optionsprämie und dennoch Flexibilitätsgewinn und Partizipationsmöglichkeiten - miteinander verbinden.

Währungsmanagement basierend auf Hedging Policy

Die Auswahl der Absicherungsinstrumente sollte weiterhin auf einer fundamentalen Analyse der unternehmerischen Währungsrisiken sowie der daraus abgeleiteten Risikotragfähigkeit und -appetit fußen. In der Praxis wird häufig, ähnlich wie bei einer diversifizierten Geldanlage, auch bei Absicherungsinstrumenten auf einen Mix geachtet. Die exakte Allokation kann dann im Sparring mit der Bank definiert werden. Im Ergebnis ist somit eine maßgeschneiderte Absicherungsstrategie passend zum individuellen Grundgeschäft des Unternehmens sichergestellt.

Das systematische Währungsmanagement, basierend auf der Hedging Policy und den gewonnenen Erfahrungswerten aus der Pandemie, steigert die Professionalisierung der Finanzabteilung und schafft wieder Freiraum für die Fokussierung auf das, was die deutschen Unternehmen auf den Weltmärkten so erfolgreich macht und in der Erholungsphase der Weltwirtschaft besonders wichtig ist: innovative Produkte und Dienstleistungen.

Sebastian Linde Associate Director und Währungs management-Experte, UniCredit Bank AG, München
 
Sebastian Linde , Associate Director und Währungs management-Experte, UniCredit Bank AG, München
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