Der letzte Schuss mit der Bazooka - ein Treffer?

Dr. Hannes Rehm, Präsident, Industrie- und Handelskammer Hannover, Hannover - Die Bekämpfung einer drohenden Deflation wie auch die Ankurbelung der Kreditvergabe in den (süd-)europäischen Ländern waren und sind die wesentlichen Argumente der EZB für ihr eingeleitetes Quantitative-Easing-Programm. Der Autor hält beide Begründungen für wenig überzeugend. Die Preisentwicklung sieht er bei differenzierter Betrachtung maßgeblich einem vorübergehenden Ölpreisverfall geschuldet. Und im Kreditgeschäft registriert er bei vielen Banken in Europa wenig Interesse, sich im Unternehmenskredit zu engagieren, weil die EZB-Politik das Geschäftsmodell der risikolosen Staatsfinanzierung stimuliert. Angefangen von fehlenden Anreizen zu einer soliden Haushaltspolitik über die Gefahr einer Blasenbildung an den Märkten, dem Verlust der Steuerungsfunktion des Zinses bis hin zu einer Destabilisierung der Altersvorsorge und einer verdeckten Staatsfinanzierung skizziert er sieben negative Nebenwirkungen der derzeitigen Notenbankpolitik. Seine Analyse mündet in dem klaren Fazit: "Europa hat kein monetäres, sondern ein politisches Problem." (Red.)

Der EZB-Rat hat am 22. Januar 2015 das an den Märkten mit Spannung erwartete Paket Quantitative-Easing (QE) auf den Weg gebracht. Mit diesem Programm wird die Notenbank ab März dieses Jahres zusätzlich auch Staatsanleihen sowie Anleihen von supranationalen beziehungsweise quasistaatlichen Organisationen erwerben. Das Ausmaß der Käufe soll sich (inklusive ABS und Covered Bonds) auf 60 Milliarden Euro pro Monat belaufen, das Programm soll mindestens bis September 2016 in Kraft bleiben. Die EZB behält sich vor, dieses zu verlängern, sollte die Inflation im Währungsraum bis dahin keinen nachhaltigen Aufwärtstrend einschlagen. Stellt man die Größe des Programms in Relation zur Wirtschaftsleistung des Währungsraums, so ist das Paket noch größer als das jüngst beendete Ankaufprogramm der US-Notenbank (sogenanntes QE3).

Käufe nach dem Kapitalschlüssel der EZB

Im Hinblick auf die Aufteilung nach Ländern richten sich die Käufe nach dem Kapitalschlüssel der EZB (zum Beispiel entfallen 26 Prozent der Käufe auf Deutschland, 20 Prozent auf Frankreich). Im Gegensatz zum auch rechtlich umstrittenen OMT-Programm zielt das neue Programm nicht auf die Unterstützung eines einzelnen Landes, sondern vielmehr darauf, einen möglichst breit gefächerten Effekt zu erzielen. Griechische Staatspapiere bleiben zunächst außen vor und werden frühestens ab Juli 2015 erworben, sofern das Land bis dahin seine Schulden planmäßig bedient und weiterhin einem europäischen Programm unterliegt.

Für die Aufteilung der Risiken ist vorgesehen, dass die EZB 20 Prozent der Assets in ihre Bilanz nimmt. Die verbleibenden 80 Prozent werden den nationalen Notenbanken zugerechnet. Dies bedeutet, dass diese - und damit im Endeffekt die dahinterstehenden Staaten - den weitaus größten Anteil der Risiken tragen, sollte es bei den angekauften Papieren zu Verlusten kommen. Weiterhin ist zu erwähnen, dass maximal 33 Prozent der Gesamtverschuldung eines Emittenten beziehungsweise maximal 25 Prozent einer Emission gekauft werden. Zudem stellt sich die Zentralbank mit den übrigen Gläubigern gleich (pari passu). Das Laufzeitspektrum der anzukaufenden Papiere liegt zwischen zwei und 30 Jahren.

Mit der Bekanntgabe des QE verbesserte die EZB auch die Konditionen für die sechs noch ausstehenden langfristigen Refinanzierungsgeschäfte (Targeted Longer Term Refinancing Operations, TLTROs), deren Inanspruchnahme durch die Banken bei den ersten beiden Ausschreibungen hinter den Erwartungen zurückgeblieben war. In Zukunft werden die Gebote zum gültigen Hauptrefinanzierungssatz (aktuell: 0,05 Prozent) bedient, dies bedeutet, dass der bisherige Zuschlag von zehn Basispunkten entfällt. Zwei zentrale Motive führt die EZB für dieses Handeln an:

1. Es müsse einer drohenden Deflation begegnet werden.

2. Es fehle dem Europäischen Bankensektor an Mitteln für die notwendige Kreditvergabe zur Unterstützung der Realwirtschaft.

Stichhaltige Begründungen?

Was ist von diesen Begründungen zu halten? Zunächst zu dem ersten Argument der drohenden Deflation: Was sind die Fakten? Im Euroraum sind die Preise im Dezember 2014 erstmals seit 2009 wieder gesunken. Die Inflationsrate betrug minus 0,2 Prozent. Im Januar 2015 hat sich diese Tendenz fortgesetzt und die Inflationsrate betrug für den Euroraum minus 0,6 Prozent. Im Vergleich mit 2014 (Inflationsrate im Euroraum 0,4 Prozent, in Deutschland 0,8 Prozent) ist der Preisrückgang im Januar 2015 insbesondere darauf zurückzuführen, dass die Verbraucher für Haushaltsenergie und Kraftstoffe 9 Prozent weniger bezahlen müssen als vor einem Jahr.

Verfall der Ölpreise

Der Grund ist der Verfall der Ölpreise. Auch Nahrungsmittel kosteten im Januar 2015 rund 1,3 Prozent weniger als Anfang 2014. Dagegen verteuerten sich im Vorjahresvergleich Dienstleistungen um 1,2 Prozent, die Nettokaltmieten stiegen auf das Jahr hochgerechnet um 1,3 Prozent. Der Rückgang der Inflation erklärt sich also fast vollständig durch die schwankungsanfälligen Preise für Öl und Nahrungsmittel. Rechnet man diese heraus, lag die Inflationsrate in Deutschland im Jahr 2014 bei 1,1 Prozent.

Auch für den Euroraum als Ganzes ist keine Deflation zu erkennen. So prognostizierten Anfang Februar 2015 die EU-Kommission und das ZEW die Inflationsrate für das laufende Jahr mit minus 0,1 Prozent beziehungsweise plus 0,7 Prozent. Ein Deflationsprozess wäre erst bei einer sich selbst nährenden Abwärtsspirale von Preisen, Preiserwartungen, von Löhnen und Gewinnen zu erwarten. Das ist zum Beispiel die Situation in Japan, für den Euroraum und für Deutschland trifft dies nicht zu. Die Prognosen deuten hier auf einen anziehenden Konsum und aktuell auch wieder auf einen ansteigenden Ölpreis hin. Die Förderländer im Nahen Osten beenden die Politik des niedrigen Ölpreises. Das Ziel dieser Angebotspolitik ist erreicht: Das Fracking in den USA ist wirtschaftlich destabilisiert.

Die Geldmenge M1 - sie umfasst nur den Bargeldumlauf und die täglich fälligen Sichteinlagen - ging im Januar 2015 für den Euroraum um nahezu 8 Prozent nach oben. Dies wurde begleitet von einer anziehenden Kreditvergabe der Banken an Unternehmen. Im Januar 2015 legten die Ausleihungen an Unternehmen im Euroraum um 11 Milliarden Euro zu. Beide Entwicklungen deuten eher auf steigende, nicht aber auf sinkende Preise hin. Damit erweist sich auch das zweite Argument "mangelnde Kreditversorgung für den unternehmerischen Sektor" als nicht stichhaltig. Die Kreditnachfrage der Unternehmen in Südeuropa und in Frankreich wird zurzeit durch zwei Faktoren gebremst: Zum einen ist die Investitionsneigung wegen unklarer Rechtsverhältnisse, fehlender Ordnungsrahmen und bürokratischer Hemmnisse gering.

Zum anderen sind die Investitionsrisiken wegen der Unsicherheit des wirtschaftspolitischen Kurses dieser Länder hoch. In Italien und Frankreich hat es bislang nur Ankündigungspolitik gegeben, umgesetzt wurde wenig. Wer will in Ländern investieren, wo die Bedingungen für Investitionen unsicher und längerfristig kaum berechenbar sind. In Griechenland fehlt selbst ein Grundstückskataster. Wie soll man investieren, wo die Eigentumsverhältnisse unklar sind? Aus allem wird deutlich, dass die Probleme nicht in der Geldversorgung liegen, sondern in den strukturellen Verhältnissen und in den ordnungspolitischen Rahmenbedingungen. Diese müssen geändert werden. Das ist eine Aufgabe der europäischen und nationalen Ordnungspolitik, aber nicht der Geldpolitik.

Stimulierung der europäischen Exporte?

Man kann in diesem Zusammenhang anführen, dass die Politik des leichten Euro zu dessen Abwertung gegenüber den großen Währungen der Welt, insbesondere gegenüber dem Dollar, führt und damit die europäischen Exporte stimuliert. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit: Güter und Dienstleistungen sind nur exportfähig, wenn sie neben Preis- und Kostenvorteilen auch spezifische Produktqualitäten aufweisen. Der Abwertungseffekt ist dann eine zusätzliche Stimulanz, er bestimmt aber nicht die originäre Exportkraft eines Landes. Bereits jetzt wird erkennbar, dass der niedrige Außenwert des Euro dem "Exportweltmeister" Deutschland weiteren Schub gibt.

Diese Dominanz war noch vor einem Jahr im Urteil der Europäischen Kommission, des IWF und der EZB selbst im Hinblick auf europäische Gleichgewichte eine ökonomische Sünde. Nunmehr scheinen diese Verschiebungen und der aus gelöste Abwertungswettlauf nicht mehr zu stören. Es ist schon erstaunlich, wie beliebig die Verantwortlichen für die Marktkommunikation mit den Argumenten und deren Gewichten umgehen.

Die Erfahrung zeigt, dass die EZB mit ihrem klassischen Instrument, der Rücknahme des Leitzinses, allein nicht mehr weiterkommt. Die Schritte der Zinssenkungen im Herbst 2011 und im Sommer 2012 haben zwar in Deutschland zu fallenden Bankzinsen geführt, nicht aber in den südeuropäischen Ländern und in Frankreich. In Italien und in Spanien haben die Banken die Zinsen sogar weiter erhöht. Die Märkte sind fragmentiert, der geldpolitische Transformationsmechanismus ist gestört. Warum ist das so? Viele Banken in Europa haben im Grunde genommen kein Interesse, sich im Unternehmenskredit zu engagieren, denn die EZB-Politik stimuliert ein anderes Geschäftsmodell: die risikolose Staatsfinanzierung.

Die Bankapparate in Ordnung bringen

Mit dem niedrigen Refinanzierungssatz werden staatliche Titel in die Bücher genommen, die im Zweifelsfall an die EZB weitergereicht werden können, ein bequemes und risikoloses Geschäft. Damit werden in Europa auch solche Kreditinstitute am Leben gehalten, die eigentlich nicht mehr lebensfähig sind oder ihre Aktivitäten auf neue Geschäftsmodelle gründen müssten. Die Tatsache, dass mit dem Ankauf verbriefter Unternehmenskredite durch die EZB auch Sanierungslasten aus den schwachen Instituten in die Bilanz der EZB transformiert werden können, verschiebt den überfälligen Restrukturierungsprozess zusätzlich.

Sofern man von einer mangelnden Kreditfähigkeit des Bankenapparates in einigen europäischen Staaten sprechen kann, hat diese eher mit dem hohen Anteil von Staatstiteln in den Bilanzen der Kreditinstitute, mit unzureichendem Eigenkapital, mit notleidenden Aktiva und mit mangelnder Kosteneffizienz zu tun. Hier muss angesetzt werden: Die Bankenapparate in diesen Ländern müssen in Ordnung gebracht werden. Die Politik des leichten Geldes verzögert die überfällige Restrukturierung des Europäischen Bankensektors.

Und noch wichtiger: Sie verstellt den Blick dafür, dass die Länder der Eurozone zwar die gleiche Währung haben, aber nicht gleichermaßen wettbewerbsfähig sind. Die monetäre Alimentation verkrusteter Strukturen überdeckt die eigentliche Herausforderung: Die Transformation in eine auch im globalen Maßstab wettbewerbsfähige europäische Wirtschaft.

Die EZB verweist darauf, dass sie mit ihren Maßnahmen "Zeit einkauft". Dies tut sie jetzt seit mehr als fünf Jahren, nämlich seit dem 10. Mai 2010, als sie die ersten monetären Maßnahmen zugunsten Griechenlands einleitete. Aber die so eingekaufte Zeit wird nicht genutzt, im Gegenteil: Die überfälligen ordnungs- und finanzpolitischen Korrekturen werden aufgeschoben und die EZB alimentiert diese Verschleppung. Das ursprüngliche Motiv hat sich - wie das Beispiel Griechenland zeigt - in das Gegenteil verkehrt.

Als Zwischenergebnis ist festzuhalten: Das Programm nützt, gemessen an den proklamierten Zielen wenig. Es ist ein typisches Placebo, allerdings mit erheblichen Risiken und Nebenwirkungen:

Erstens: Die Erwartung niedriger Zinsen ist mittlerweile zum Versprechen geworden und damit zur Einladung, den Schlendrian in den nationalen Haushaltspolitiken fortzusetzen. Die Regeln des Fiskalpaktes gelten faktisch nicht mehr, wie das italienische und französische Beispiel zeigen. Um Missverständnissen entgegenzutreten: Wenn von Konsolidierung der europäischen Finanzen die Rede ist, dann nicht im Sinne eines Kaputtsparens, sondern im Verständnis der Restrukturierung der Haushalte, um neue Prioritäten zu setzen. Es ist politisch opportuner, solche Finanzpolitik mit den falschen Schlagworten zu stigmatisieren, als - auch im Interesse künftiger Generationen - für eine solche einzuwerben. Dabei begünstigen die niedrigen Zinsen die Reformunlust. Sie alimentieren einen hoffnungslos verschränkten Komplex von Staaten und Banken mit sich wechselseitig stützenden Gläubigern und Schuldnern.

Gefahr von Blasen an den Märkten

Zweitens: Der Rückgang des Ölpreises war offensichtlich nur temporär und dessen Auswirkungen auf das Preisniveau flachen bereits wieder ab. Spätestens in einem Jahr, wenn der Fall des Ölpreises die Veränderungen des Verbraucherpreisindexes nicht mehr beeinflusst, werden die Teuerungsraten nach oben springen. Bis dahin aber werden immer größere Blasen an den Wertpapier- und Immobilienmärkten aufgepumpt, die Situation erinnert fatal an die Ursachen der Finanzkrise 2007/2008.

Dazu kommt drittens, dass die Niedrigzinsen die Steuerungsfunktion des Zinses aufheben. Sie stimulieren die Spekulationen und nicht die Investitionen und neue Arbeitsplätze. Dem Prekariat in Europa wird nicht geholfen, die "rider" an den Märkten erhalten aber reichlich Spielgeld.

Eine vierte Wirkung ist die sogenannte "fiscal repression", eine Umverteilung zwischen dem Staat und seinen Bürgern. Die Entlastung der öffentlichen Haushalte durch die Niedrigzinspolitik in der Position "Zinsausgaben" führt zu einer Umverteilung zwischen den Bürgern und dem Staat. Hinter dem Staat als Schuldner stehen individuelle Zinsempfänger als Gläubiger, die mangels entsprechender Alternativen dem Staat das Geld borgen, aber von diesem real weniger zurückbekommen.

Fünftens beschleunigt sich die Umverteilung in einer anderen Dimension: Die Niedrigzinspolitik straft auch all diejenigen ab, die private Vorsorge betrieben haben, wozu sie ja auch von den staatlichen Stellen ermuntert wurden. Die Versicherungen können mit dem Auslaufen der in früheren Jahren begebenen Papiere und deren Verzinsungsniveau und dem Ersatz dieser Refinanzierungsmittel durch Niedrigzinspapiere die für die Erfüllung ihrer Versorgungszusagen notwendigen Finanzierungsüberschüsse kaum noch erwirtschaften. Hier tickt eine gesellschafts- und sozialpolitische Zeitbombe.

Rückgriff auf die Bonität der europäischen Gläubigergemeinschaft

Sechstens ist das "OE-Programm" eine zusätzliche Variante der Staatsfinanzierung. 80 Prozent der angekauften Titel unterliegen dabei - wie eingangs erwähnt - nicht der Gemeinschaftshaftung. Jede Notenbank kauft die Papiere des eigenen Staates in Proportion zum Kapitalschlüssel der EZB und haftet dafür. Die Zinsen auf diese Papiere kommen vom Nationalstaat und fließen an diesen zurück. Dabei besteht ökonomisch kein Unterschied zu einer direkten Finanzierung der Staaten durch die EZB. Im Umfang der EZB-Käufe wird frisches Geld gedruckt, das man den Staaten auch direkt hätte zuleiten können. Für 20 Prozent des Volumens der jetzt nochmals ausgeweiteten Staatsfinanzierung besteht ein Potenzial zur Umverteilung der Traglasten zwischen den europäischen Staaten. Acht Prozentpunkte dieser 20 Prozent entfallen auf Papiere, die von der EZB selbst gekauft werden und zwölf Punkte auf solche, welche die Notenbanken auf dem Umweg über Banken von europäischen Institutionen erwerben. Fallen die Papiere des EZB-Ankaufs unter den Einstand, entsteht bei der EZB ein Verlust und - wie bei den bereits aus anderen Programmen gekauften Titeln - ein Abschreibungspotenzial, das im zweiten und dritten Schritt eine Kapitalerhöhung bei der EZB mit einer Lastverteilung nach den Kapitalquoten erfordern kann.

Ständige Erhöhung der Pensionsrückstellungen

Bei den anderen zwölf Prozent jener Papiere, die gemeinschaftlich abgesichert werden, geht es insbesondere um Anleihen der Europäischen Investitionsbank, die eine zentrale Rolle bei der Flankierung der Junker'schen Investitionsinitiative von 300 Milliarden Euro übernehmen soll. Damit kann diese zumindest teilweise durch Rückgriff auf die Bonität der europäischen Gläubigergemeinschaft, faktisch also durch Eurobonds, refinanziert werden.

Als siebte und letzte Nebenwirkung des Placebos ist ein Phänomen zu nennen, das noch nicht im Fokus der Öffentlichkeit steht: Die Niedrigzinspolitik führt nach den Rechnungslegungsregeln zu einer ständigen Erhöhung der Pensionsrückstellungen der Unternehmen, unabhängig ob diese nach HGB oder IFRS bilanzieren. Damit das, was die Unternehmen ihren Mitarbeitern für das Alter zugesagt haben, vorhanden sein wird, wenn das Geld gebraucht wird, müssen die Rückstellungen bei sinkenden Zinsen entsprechend höher sein.

Ein politisches Problem

Für die Bilanzierung der Pensionsverpflichtungen wird ein Referenzwert herangezogen, der aus den Renditen solider Unternehmensanleihen und deutscher Staatspapiere in den vergangenen sieben Jahren berechnet wird. Je tiefer die Zinsen fallen und je länger die Niedrigzinsphase dauert, umso mehr sinkt der Durchschnittswert, da die höher verzinslichen Anleihen zunehmend aus der Betrachtung herausfallen und durch Papiere mit niedriger Rendite ersetzt werden.

Nach Angaben der Bundesbank addieren sich die Pensionszusagen kleiner und mittelgroßer Unternehmen in Deutschland aktuell auf rund 23 Milliarden Euro. Je niedriger die am Markt erreichbare Verzinsung ist, desto mehr Mittel aus dem laufenden Geschäft müssen die Unternehmen einsetzen, um ihre Pensionszusagen auszufinanzieren. Es kommt zu einer laufenden Mehrbeanspruchung des verteilbaren Ergebnisses durch Pensionszusagen. Hier liegen bilanzpolitische Belastungen, zumal die zusätzlichen Aufwendungen für die Dotierung der Pensionsrückstellungen nicht als Betriebsausgaben anerkannt werden. Die Unternehmen sind insofern von der Niedrigzinspolitik zweifach betroffen.

Es zeigt sich auch, dass die EZB immer mehr zum Gefangenen ihrer eigenen Politik wird: Die Verkaufsbereitschaft des Marktes ist gering: Zum einen sind die infrage kommenden Titel noch attraktiv verzinst und sie weisen hohe Kursreserven aus. Zum anderen sind die Alternativen dank der EZB-Politik niedrige beziehungsweise Strafzinsen. Die EZB hat den Markt selbst trockengelegt.

Aus allem wird deutlich: Der Schuss mit der Bazooka wird kein Blattschuss werden, sondern ein Rohrkrepierer. Der Versuch, die europäische Idee mit Geld zu retten, ist untauglich. Europa hat kein monetäres, sondern ein politisches Problem. Die Politik hat sich dem Dogma "fällt der Euro, fällt Europa" unterworfen. Richtig ist: Die ökonomischen Grundlagen der europäischen Idee werden fallen, wenn man den Versuch fortsetzt, die Gemeinschaft mit Geld retten zu wollen, "whatever it takes".

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