Libra 2.0: Steigen die Erfolgschancen der Facebook-Währung?

Prof. Dr. Oliver Read, Foto: O. Read

Mit der Beantragung der Lizenz als Zahlungssystem bei der Schweizer Finanzdienstleistungsaufsicht Finma im April dieses Jahres und jüngst der Ernennung des CEO Stuart Levey zeigt sich die Libra Association zuversichtlich, was die Einführung ihrer im Juni 2019 angekündigten Digitalwährung angeht. Der Antrag erfolgte zusammen mit der Veröffentlichung eines überarbeiteten White Papers, in dem geschildert wird, wie der Missbrauch von Libra verhindert und die Währung für Anleger sicherer werden soll. Ob dies nun der Kritik an dem ursprünglichen Konzept genügt, diskutieren die Autoren Read und Schäfer im vorliegenden Beitrag. Viele Kritikpunkte würden im zweiten Versuch der Libra Association adressiert, die Autoren zeigen sich jedoch weiterhin skeptisch, vor allem in Bezug auf das Verhältnis zwischen Libra und den Zentralbanken, für die die Digitalwährung mit ihren Ambitionen ein Dorn im Auge darstellen könnte. (Red.)

Vor einem Jahr, im Juni 2019, sorgte Facebook Inc. mit der Ankündigung des "Libra"-Projektes für weltweites Aufsehen. Der Social-Media-Gigant mit über 2 Milliarden Nutzern wollte bis 2020 eine blockchainbasierte Digitalwährung einführen, die Milliarden von Menschen Zugang zum Finanzsystem und damit ein besseres Leben ermöglichen sollte. Dabei hat der Facebook-Konzern Zusagen einer beeindruckenden Auswahl von Kooperationspartnern aus unterschiedlichen Branchen zur Teilnahme als Gründungsmitglieder an der Libra Assocation (mit Sitz in Genf) eingeholt.

Das Konzept stieß insbesondere bei Politikern und Regulatoren auf teils heftige Kritik und provozierte eine ganze Reihe von Analysen und Stellungnahmen von Institutionen und Organisationen aus dem Bereich der internationalen Finanzmarktregulierung (G7, G20, FSB, IWF et cetera). Der politische Druck war so stark, dass einige der prominentesten zugesagten Partner der Libra Association sich vor der Gründung im Oktober 2019 zurückgezogen haben. Das gesamte Vorhaben schien ins Stocken geraten, wenn nicht sogar gescheitert zu sein.

Für viele Beobachter überraschend legten die Libra-Initiatoren im April einen überarbeiteten Entwurf ("Libra 2.0") vor. Darin gehen sie auf die in den Monaten seit Ankündigung des Vorhabens geäußerten Einwände ein und präsentieren eine entsprechend angepasste Version des Konzepts. Reichen diese Anpassungen aus, damit Libra tatsächlich eines Tages das Licht der Welt erblickt? Um dies zu erörtern, müssen zunächst die bisherigen Entwicklungen der Grundidee (im weiteren "Libra 1.0") und der aktuelle Stand betrachtet werden, bevor sich der überarbeiteten Version angenommen werden kann.

Libra 1.0: "A simple global currency and financial infrastructure"

"Libras Mission ist es, eine einfache globale Währung und Finanzinfrastruktur ins Leben zu rufen, die das Schicksal von Milliarden Menschen zum Besseren wenden kann." Dieses "Mission Statement" steht am Anfang der Konzeptstudie ("White Paper"), mit der Libra vor einem Jahr der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Das ambitionierte Projekt bekam sofort das Label "Facebook-Währung" angeheftet, auch wenn die Initiatoren darauf Wert legten, dass sich in der Libra Association mehr als zwei Dutzend Institutionen unterschiedlichster Art zusammengeschlossen hatten (Abbildung 1). Insbesondere die klangvollen Namen aus dem Finanz- und Technologiesektor ließen die Beobachter aus Medien, Wissenschaft und Politik aufhorchen und Libra von Beginn an ernst nehmen.

Das Projekt sollte auf drei zentralen Säulen basieren: Neben der Trägerschaft durch die Libra Association waren das eine als sicher und verlässlich bezeichnete Blockchain, die auch stark wachsende Mengen von Bezahlvorgängen abwickeln können sollte, sowie die Deckung aller ausgegeben Libra-Coins durch eine hochgradig liquide und sichere Libra-Reserve. Libra-Coins würden nur gegen Einzahlung von Fiat-Geld, welches dann in kurzlaufende Staatsanleihen und Bankeinlagen zu investieren war, ausgegeben werden.

Dabei war die Libra-Reserve als Währungskorb geplant. Die Staatsanleihen und Bankeinlagen sollten nach einem fes ten prozentualen Schema in den großen internationalen Währungen denominiert sein. Weil diese Form von digitalem Geld über eine Deckung mit hochwertigen Sicherheiten - mit dem Ziel einer stabilen Wertentwicklung - verfügt, spricht man von "Stablecoins".

Abgrenzung zu etablierten Kryptowährungen

Mit den drei Säulen sollte Libra klar von Kryptowährungen wie Bitcoin abgegrenzt werden. Bitcoin ist rein dezentral organisiert und seine Technologie wäre mit großen Mengen an Bezahlvorgängen überfordert. Der wesentliche Mangel von Bitcoin ergibt sich aber aus seinem unelastischen Angebot: Neue Bitcoins müssen in einem aufwendigen Verfahren von den Anwendern "geschürft" werden, und der Bitcoin-Algorithmus begrenzt die Gesamtzahl der jemals schürfbaren Bitcoins auf 21 Millionen.

Daraus resultiert, dass es im Wesentlichen die Nachfrage ist, die den Preis bestimmt. Extreme Preisschwankungen sind vorprogrammiert und wurden in den letzten Jahren beobachtet. Die drei traditionellen Geldfunktionen (Tauschmittel, Recheneinheit, Wertaufbewahrungsmittel) kann Bitcoin daher nicht erfüllen.

Skepsis in Politik und Wissenschaft

Auch wenn die Libra-Initiatoren die Fehler von Bitcoin explizit vermeiden wollten und insbesondere das Ziel einer besseren Finanzinfrastruktur in den armen Ländern in den Vordergrund der Debatte zu rücken versuchten, stieß ihr Vorhaben von Beginn an auf erhebliche Skepsis, wenn nicht gar offene Kritik in Öffentlichkeit und Politik (hier vor allem bei Regulatoren und Notenbankern) sowie an den Hochschulen und Forschungsinstituten, die sich mit Kryptoassets beschäftigten.

Internationale Institutionen hatten sich schon zuvor ausgiebig mit dem Aufkommen von Kryptoassets und den daraus resultierenden Regulierungsnotwendigkeiten beschäftigt. Allerdings waren die dort diskutierten Fragestellungen eher theoretischer Natur, weil man selbst Bitcoin - ganz zu schweigen von den anderen Kryptoassets - nicht als systemrelevant einstufte.

Auswirkungen auf die Finanzstabilität

Mit der Libra-Ankündigung bekam die regulierungspolitische Debatte neuen Schwung. Dafür sorgten die großen Namen - insbesondere die Facebook-Gruppe mir ihren Milliarden Nutzern - unter den Mitgliedern der Libra Association. Sie ließen es als wahrscheinlich erscheinen, dass das Vorhaben rasch eine kritische Größe erreichen könne und Netzwerkexternalitäten ihre Wirkung entfalten würden.

Die Bandbreite der Kritik im Sommer und Herbst 2019 war weit und umfasste mikro- und makroprudenzielle Aspekte. Sie reichte von der Besorgnis, Libra könne für Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung missbraucht werden, über Zweifel an der technischen Stabilität der Plattform bis zu Befürchtungen hinsichtlich der Konsequenzen für Geldpolitik und Finanzstabilität. Der letztgenannte Aspekt wurde zu einem unter Ökonomen breit diskutierten Thema.

Um sachgerecht untersuchen zu können, welche Auswirkungen Libra auf die internationale Makroökonomie und Finanzstabilität haben könnte, ist ein etwas genauerer Blick auf dessen grundlegende Konstruktion unerlässlich (Abbildung 2). Libra soll in erster Linie - das gilt für die Ursprungsvariante wie für Libra 2.0 - eine Zahlungstechnologie sein.

Die Grundkonstruktion: Libra als Zahlungsinfrastruktur

Potenzielle Nutzer sollen Libra-Coins bei speziellen Stellen, den "Designated Dealers", für traditionelles Fiat-Geld erhalten. Die Nutzer verwahren ihre Libra-Coins in digitalen Geldbörsen ("E-Wallets"), die Designated Dealers geben das erhaltene Fiat-Geld an die Libra-Reserve weiter, die es dann in möglichst liquide und sichere Anlagen investiert (hauptsächlich kurzlaufende Staatsanleihen und Bankeinlagen). Die Erträge aus diesen Anlagen sollen den Betrieb der Libra-Infrastruktur finanzieren und den Mitgliedern der Libra Association eine Rendite bringen.

Wie das Geschäftsmodell im Einzelnen funktionieren soll, bleibt weitestgehend im Dunkeln. Angesichts der aktuell negativen Zinsen auf kurzfristige sichere Anlagen dürfte die Libra-Reserve auf absehbare Zeit kein Ertragsbringer, sondern ein Kostenfaktor sein. Das White Paper spricht dann noch von Transaktionsgebühren als weitere Einnahmequelle, Details hierzu nennt es jedoch nicht. Auch ist nicht bekannt, wie die Designated Dealers entlohnt werden sollen.

Die Libra Association verspricht den Nutzern jedenfalls ein sicheres, schnelles und kostengünstiges Zahlungssystem, welches vor allem den Milliarden von Menschen helfen soll, die "Under-" oder "Unbanked" sind, also keinen ausreichenden oder überhaupt keinen Zugang zu Zahlungsdiensten haben.

Einfaches System mit großer Reichweite

Insbesondere die Versender und Empfänger von "Remittances" (internationale Bargeldtransfers zwischen privaten Haushalten, zum Beispiel über Western Union) sollen profitieren, denn solche Zahlungen von Gastarbeitern in reichen Staaten an ihre Angehörigen in Schwellen- und Entwicklungsländern sind derzeit mit Gebühren in Höhe von durchschnittlich knapp 7 Prozent der versendeten Summe noch sehr teuer.

Für niedrige Transaktionsgebühren würden Libra-Coins weltweit von E-Wallet zu E-Wallet fließen. Der Empfänger einer Zahlung könnte die empfangenen Libra-Coins schließlich entweder bei einem Designated Dealer in Fiat-Währung eintauschen oder in seiner E-Wallet aufbewahren. Als "Buyer of last resort" könnte dabei die Libra Association auftreten: Laut White Paper vom Juni 2019 hätten die Designated Dealers grundsätzlich die Möglichkeit, ihre Libra-Coins der Libra Association zum aktuellen Preis gemäß dem Wert der Reserve zu verkaufen.

In der einfachsten Sichtweise wäre Libra bloß ein effizientes Zahlungssystem und ein elektronischer Aufbewahrungsort für monetäre Werte. Es würde sich dabei zumindest um sogenanntes E-Geld (im Sinne der EU-Zahlungsdiensterichtlinie) handeln, ähnlich einer Chipkarte, die aufgeladen und dann für Zahlungen verwendet werden kann. Libra hätte aber das Potenzial, über dieses Stadium schnell und deutlich hinauszuwachsen.

Dafür bürgt die Einbindung in das Facebook-, Whatsapp- und Instagram-Netzwerk mit seinen weitreichenden Funktionalitäten und Milliarden Nutzern - noch dazu ergänzt um das enorme Potenzial der Mitglieder der Libra Association. Es ist also davon auszugehen, dass Libra - sollte es irgendwann zu dessen Einführung kommen - weltweit eine enorme Verbreitung erfahren könnte.

"Too-connected-to-fail"-Problematik

Dies hätte weitreichende Konsequenzen für die internationale Währungsordnung und das Finanzsystem. Wenn hunderte Millionen - gegebenenfalls ein bis zwei Milliarden - Menschen eine Libra-E-Wallet hätten und dort zu Transaktionszwecken im Durchschnitt eine dreistellige US-Dollarsumme deponierten, könnte das Volumen der Libra-Reserve schnell Dollarbeträge im hohen zwei- beziehungsweise niedrigen dreistelligen Milliardenbereich erreichen. Das würde die ohnehin schon angespannte Lage am Markt für sichere Anlagemöglichkeiten weiter verschärfen.

Eine so weite Verbreitung hätte zudem den Effekt, dass Systemstörungen jeglicher Art erhebliche Konsequenzen für die internationalen Warenströme hätten. Vom Libra-Netzwerk ausgehend ergäbe sich eine neue Form der "Too-connected-to-fail"-Problematik.

Über die Verwahrung von Geld in Form von Libra-Coins zu Transaktionszwecken hinaus ist auch denkbar, dass private Haushalte und Unternehmen gerade in Schwellen- und Entwicklungsländern aus Angst vor Inflation und Währungsabwertung größere Libra-Beträge zur Wertaufbewahrung in ihren E-Wallets deponieren. Das würde nicht nur die Libra-Reserve anschwellen lassen und die beschriebenen Probleme auf den Märkten für liquide und sichere Assets verschärfen, sondern die Anleger auch abhängig von den Wertschwankungen ihrer Libra-Bestände machen.

"Stablecoins" sind nämlich nicht notwendigerweise so wertstabil, wie ihre Verfechter sie anpreisen. Ihr Wert schwankt zum einen mit dem Wert der Assets, in die die jeweilige Libra-Reserve investiert. Im Extremfall kann es sogar zu einem "Run" kommen, wenn die Libra-Nutzer während einer Krise angesichts strauchelnder Banken und sinkender Kurse von Staatsanleihen das Vertrauen in die Einlösung ihrer Libra-Coins zum ursprünglichen Preis verlieren.

Massenhafte Libra-Einlösungen würden die Libra Association dann zwingen, in entsprechendem Umfang Bankeinlagen aufzulösen und Staatsanleihen zu verkaufen, was die Probleme auf diesen Märkten weiter verschärfen und das Misstrauen der Libra-Halter vergrößern würde.

Zuletzt sind strukturelle Änderungen der Finanzsysteme insbesondere in denjenigen Ländern vorstellbar, deren monetäre Institutionen schwach sind und die unter Inflation sowie Währungsabwertungen zu leiden haben. Libra könnte hier zu einer Disintermediation in Form des massiven Abzugs von Einlagen bei den einheimischen Banken führen.

Diese Kreditinstitute wären dann tendenziell auf teurere und volatilere Formen der Refinanzierung angewiesen. Auch die Bargeldhaltung in inländischer Währung könnte zugunsten von Libra zurückgehen. All das würde nicht nur die jeweiligen Bankensysteme instabiler machen, sondern auch der Zentralbank eine effektive Geldpolitik erschweren. In Krisenzeiten könnte Libra zudem auch genutzt werden, um Kapital aus einem Land abzuziehen und Kapitalverkehrskontrollen zu umgehen.

Libra 2.0 als Reaktion auf die Kritik

Die Libra Association reagierte auf diese Schwierigkeiten mit einer umfassenden Anpassung ihres Konzeptes und nennt das Projekt nun "Libra 2.0". In dem am 16. April 2020 veröffentlichten neuen White Paper bekennt sie sich zum einen zu einer umfassenden Zusammenarbeit mit den Regulierungsbehörden. Dabei stellt sie die Bekämpfung jeglicher im Zusammenhang mit Libra möglicher illegaler Aktivitäten (Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung, Umgehung von Sanktionen, Steuerhinterziehung et cetera) als einen Schwerpunkt ihrer Arbeit dar.

Zum anderen soll es drei substanzielle Änderungen am Konzept von Libra als Kryptowährung geben: Das digitale Währungskonzept wird erstens für die großen Fiat-Währungen jeweils einzeln aufgelegt, die ursprünglich geplante Libra-Coin stellt dann zweitens nur noch eine Aggregation der Einzelwährungs-Libras dar und drittens soll sich das Libra-Netzwerk zu einer potenziell offenen Plattform für programmierbares digitales Geld weiterentwickeln.

Als erste potenzielle Einzelwährungs-Libras nennt das White Paper 2.0 zunächst US-Dollar, britisches Pfund, Euro und Singapur-Dollar. Diese Einzelwährungs-Libras werden mit einer Reserve gedeckt, die aus in der jeweiligen Währung denominierten Bankeinlagen und sehr kurzfristigen Staatsanleihen besteht. Es ist das ausdrückliche Ziel der Libra-Initiatoren, die Liste der Einzelwährungs-Libras in Zusammenarbeit mit den jeweiligen nationalen Zentralbanken und Regulierungsbehörden sukzessive zu erweitern, sodass perspektivisch immer mehr Währungen auf der Libra-Plattform digital abgebildet werden.

Zwischentauschmittel für Transaktionen weltweit?

Die ursprüngliche, globale Libra-Coin wird keine separate digitale Einheit mehr sein, sondern nur eine Aggregation der wichtigsten Einzelwährungs-Libras. Diese Aggregation erfolgt auf Basis fester prozentualer Gewichte, die transparent sind und nicht ohne Weiteres geändert werden können. Den oben beschriebenen Währungskorb aus dem Libra-1.0-Konzept ersetzt nun also ein Korb aus Einzelwährungs-Libras.

Die Deckung der Korbwährungs-Libra ergibt sich indirekt aus den Deckungsreserven der darin aggregierten Einzelwährungs-Libras. Diese Korbwährungs-Libra steht insbesondere Nutzern aus Ländern offen, für die es noch keine Einzelwährungs-Libras gibt. Weiterhin soll sie bei grenzüberschreitenden Zahlungen als Verrechnungseinheit zum Einsatz kommen.

Zudem soll die Libra-Infrastruktur zukünftig auch als Basis für die Verwendung von sogenanntem "digitalen Zentralbankgeld" (Central Bank Digital Currency, CBDC) dienen. Dabei handelt es sich um digitales Geld, das von den Zentralbanken bereitgestellt wird und gegebenenfalls auch dem Nichtbankensektor offensteht.

(Zu) viele offene Fragen

Die Einführung der Einzelwährungs-Libras löst die oben beschriebenen Probleme allenfalls teilweise. Zwar fällt das Wechselkursrisiko für Nutzer der betroffenen Währungen weg, für alle anderen bleibt es aber bestehen. Auch die Gefahr eines Runs auf Libra, wenn das Vertrauen in die Werthaltigkeit der Reserve verloren geht, existiert weiter. Schließlich ist offen, wie die Korbwährungs-Coins entstehen. Einzelwährungs-Coins werden geschaffen, wenn dafür das jeweilige Fiat-Geld einbezahlt wird.

Zur Schaffung der Korbwährungs-Coins steht im bereits genannten White Paper lapidar: "...implemented as a smart contract aggregating single-currency stablecoins using fixed nominal weights." Demzufolge dürfte es Korbwährungs-Coins nur dann geben, wenn es genügend Einzelwährungs-Coins in der entsprechenden prozentualen Verteilung gibt. Sollte Letzteres nicht der Fall sein, müssten die Korbwährungs-Coins auf einem alternativen, derzeit aber noch nicht offengelegten Weg entstehen.

Will man die Erfolgschancen von Libra beurteilen, greifen solche geldtheoretischen Betrachtungen jedoch zu kurz. Stattdessen ist die politökonomische Frage zu beantworten, ob Regierungen und Zentralbanken wirklich bereit sein werden, wesentliche Teile des Währungs- und Finanzwesens einem Konglomerat von globalen Unternehmen zu überantworten. Denn damit würden sie einen Kernbereich der staatlichen Aufgaben quasi privatisieren. Die Mitglieder der Libra Association gehen im White Paper 2.0 zwar umfänglich auf die Kritik an Libra 1.0 ein: Sie versprechen, die zugrunde liegende Blockchain sicherer zu machen, verpflichten sich zu einem umfassenden Compliance-Rahmenwerk und zeigen Wege auf, die Sicherheit der Libra-Reserve zu erhöhen.

Doch selbst wenn es sich dabei um mehr als bloße Lippenbekenntnisse handeln sollte, ist der Anspruch der Libra-Initiatoren zu ambitioniert, sodass er für Politiker und Notenbanker inakzeptabel bleiben dürfte. Denn perspektivisch will Libra nicht mehr und nicht weniger als möglichst alle Währungen auf seine Plattform bringen und in Zukunft schließlich auch das potenzielle digitale Zentralbankgeld der Notenbanken verwalten.

Fußnoten

1) Vgl. Murphy, H. (2019).

2) Libra Association (2019), Übersetzung des Verfassers.

3) Vgl. Schmeling, M. (2019).

4) Vgl. Adachi, M. et al. (2020).

5) Für eine Definition und kritische Beurteilung von "Stablecoins" vgl. ECB (2019).

6) Vgl. Fiedler, S./Gern, K./Stolzenburg, U. (2018).

7) Vgl. Wolf, M. (2019) und Murphy, H./Stacey, K. (2019).

8) Vgl. Gräslund, K./Read, O. (2018) und Read, O. (2018) für einen Überblick.

9) Vgl. für die nun folgenden Ausführungen Libra Association (2020a).

10) Vgl. World Bank (2020).

11) Vgl. Libra Association (2019), S. 8, und Catalina, C. (2019).

12) Vgl. ECB (o.J.) sowie Adachi, M. et al (2020).

13) Vgl. Zetzsche, D. et al. (2019), S. 15f.

14) Vgl. G7 Working Group on Stablecoins (2019), S. 14 sowie Caballero, R./ Farhi, E./ Gourinchas, P.-O. (2017).

15) Vgl. Zetzsche, D. et al. (2017) sowie Zetzsche, D. et al. (2019), S. 21f.

16) Vgl. Adachi, M et al. (2020).

17) Vgl. Brühl, V. (2020), S. 60 sowie G7 Working Group on Stablecoins (2019), S. 15-16.

18) Vgl. Zetzsche, D. et al. (2019), S. 23f. sowie G7 Working Group on Stablecoins (2019), S. 14.

19) Vgl. Libra Association (2020).

20) Vgl. Niepelt (2020).

21) Libra Association (2020a), S. 25.

Prof. Dr. Oliver Read CFA, Professor für Finanzierung und Prodekan, Hochschule RheinMain, Wiesbaden

 
 
Prof. Dr. Stefan Schäfer Volkswirtschaftslehre/Makroökonimik, Hochschule RheinMain, Wiesbaden
Prof. Oliver Read , CFA, Professor für Finanzierung und Prodekan, Hochschule RheinMain, Wiesbaden
Prof. Dr. Stefan Schäfer , Volkswirtschaftslehre/Makroökonomik , Hochschule RheinMain, Wiesbaden

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