Mittelstandsgeschäft: Finanzieren mit der Crowd

Michael Philipp und Axel Schmidt, Projektverantwortliche für Schwarmfinanzierungen, GLS Gemeinschaftsbank eG, Bochum

Michael Philipp und Axel Schmidt, Projektverantwortliche für Schwarmfinanzierungen, GLS Gemeinschaftsbank eG, Bochum - Dass die Umsetzung von neuen Produkt- und Dienstleistungsangeboten nicht nur in der Kreditwirtschaft zuweilen mit einer gewissen Verzögerung erfolgt, hängt oft mit der Befürchtung zusammen, andere traditionelle Produktlinien mit den Neuerungen zu beschneiden. Mit Blick auf das Crowdfunding beziehungsweise das Crowdinvesting als eine seiner Ausprägungen werden diesbezüglich negative Auswirkungen auf das Kreditgeschäft für möglich gehalten. Die Autoren sehen das anders. Ihrer Sicht der Dinge nach wird das Kreditgeschäft durch eine Crowdfinanzierung nicht verdrängt, sondern durch die Stärkung der Eigenkapitalbasis teilweise sogar erst möglich gemacht. Als bevorzugte Einsatzbereiche nennen sie Immobilienprojekte, gefolgt von KMU-Finanzierungen und Aktivitäten im Bereich erneuerbare Energien. (Red.)

Seit geraumer Zeit wird eine Eigenkapitallücke im deutschen Mittelstand beklagt, die angesichts der zunehmenden Regulierungsdichte die Finanzierung von Gründungs- und Wachstumsvorhaben über eine klassische Bankfinanzierung erschwert. Vor diesem Hintergrund setzen viele Unternehmen auf eine Kapitalerhöhung der bestehenden Gesellschafter oder die Aufnahme neuer Anteilseigner. Doch während die erste Variante häufig an den finanziellen Möglichkeiten der Gesellschafter scheitert, werden neue Gesellschafter aufgrund der damit verbundenen Einflussmöglichkeiten und Mitspracherechte nur zögerlich aufgenommen.

Crowdinvesting-Plattformen

Eine Alternative oder Ergänzung zu diesen beiden Eigenkapitalmaßnahmen ist die Aufnahme von Mezzanine-Kapital, welches wirtschaftlich wie Eigenkapital wirkt und bei Banken auch als solches anerkannt wird, rechtlich jedoch nach wie vor Fremdkapital darstellt. Hier existiert am Markt eine Vielzahl von Instrumenten, etwa stille Beteiligungen und Genussrechte oder über Crowdinvesting-Plattformen vermittelte Nachrangdarlehen. Speziell letztere nehmen an Bedeutung zu, weil angesichts anhaltend niedriger Zinsen und volatiler Börsen immer mehr Privatanleger nach alternativen Möglichkeiten suchen, um ihr Geld renditeorientiert anzulegen.

Welchen Beitrag kann Crowdinvesting hier leisten? Die Idee hinter diesen sogenannten Schwarminvestitionen ist einfach: Beim Crowdinvesting stellt eine Vielzahl von Anlegern (die Crowd) Unternehmen und Projektgesellschaften über eine Onlineplattform finanzielle Mittel in Form von Nachrangdarlehen zur Verfügung. Im Gegenzug erhalten die Anleger einen Anspruch auf Zinsen und Rückzahlung der Darlehen sowie gegebenenfalls einen Anteil am Gewinn oder an der Unternehmenswertsteigerung. Zwar werden die Forderungen der Anleger im Fall einer Insolvenz des Unternehmens erst nach den Forderungen der anderen Gläubiger bedient, doch liegt die Verzinsung der Nachrangdarlehen aufgrund des höheren wirtschaftlichen Risikos auch deutlich über der Verzinsung von Fremdkapital (Abbildung 1).

Auf einigen Plattformen finden insbesondere Start-ups und innovative Wachstumsunternehmen Anleger. Andere Anbieter haben sich auf etablierte mittelständische Unternehmen spezialisiert, weil deren Geschäftsmodelle sich bereits bewährt haben. Zudem gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Crowdinvesting-Plattformen, die verschiedene Branchen bedienen, da runter vor allem Immobilien und "grüne" Projekte.

Stärkung der Eigenkapitalbasis

Unternehmen und Projektgesellschaften können so mithilfe von Crowdinvesting ihre Eigenkapitalbasis stärken, ohne dass Gesellschaftsanteile abgegeben werden müssen. Zudem hat Crowdinvesting eine Marketingwirkung, denn es ermöglicht die Einbeziehung der eigenen Kunden- und Fanbasis. Auch lokal begrenzte Angebote, etwa in Form der Einbindung der lokalen Bevölkerung bei Bürgerenergiemodellen, sind damit möglich.

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen bestehen beim Crowdinvesting? Die rechtliche Grundlage für die Tätigkeit der Onlineplattformen bildet das sogenannte Schwarmfinanzierungsprivileg nach § 2a des Vermögensanlagengesetzes: Danach können je Emittent bis zu 2,5 Millionen Euro an Nachrangdarlehen prospekt-, legitimations- und beratungsfrei über eine internetbasierte Plattform vermittelt werden. Privatanleger können dabei bis zu 10000 Euro anlegen.

Emittenten können aufgrund der Nachrangigkeit der Darlehen nur insolvenzfähige, juristische Personen sein, die ihren Sitz in Deutschland haben. Unternehmen und Projekte aus Österreich können durch hiesige Plattformen mit einigen vertraglichen Anpassungen jedoch auch finanziert werden. Die Crowdinvesting-Plattformen sind Finanzanlagenvermittler nach § 34 f Gewerbeordnung und benötigen für ihre Tätigkeit eine entsprechende Genehmigung der zuständigen lokalen Behörden. Wenn Banken selbst eine Plattform betreiben wollen, gilt das Gesetz über das Kreditwesen als höhere Regulierungsstufe, was eine Legitimation der Anleger erforderlich macht. Wie ein Funding abläuft, zeigt Abbildung 2.

Vorbereitungszeit zwischen vier und acht Wochen

Zunächst übernimmt der Plattformbetreiber die Auswahl der Projekte nach formalen Kriterien, zu denen insbesondere das Vorliegen eines plausiblen Finanzplans gehört. Erfahrungsgemäß werden bis zu 90 Prozent der Anfragen mangels Aussicht auf Erfolg bereits in einem frühen Stadium abgelehnt. In dieser Phase werden auch die Konditionen des Fundings wie Zinssatz, Laufzeit und Tilgungsstruktur abgestimmt und in den mit den An legern online zu schließenden Darlehensvertrag eingepflegt. Zwischen der Plattform und den Unternehmen wird ein Projektvertrag geschlossen, der die rechtlichen Beziehungen zwischen beiden Parteien in Bezug auf das Funding regelt. Insgesamt liegt die Vorbereitungszeit für ein Funding in der Regel zwischen vier und acht Wochen.

Zum Start einer Crowdinvesting-Kampagne versenden sowohl die Plattformen wie auch die Anbieter der Vermögensanlage regelmäßig Newsletter und bewerben das Projekt auf sozialen Medien wie Facebook oder Twitter. Meistens stellen sich die Projekte auch in einem eigenen Video vor. Während der Fundingphase, die wenige Stunden oder auch mehrere Monate dauern kann, haben die Anleger die Möglichkeit, sich bei Fragen an das Unternehmen zu wenden. Wird die sogenannte Fundingschwelle, also die Mindestsumme, die eingeworben werden soll, erreicht, so gilt ein Funding als erfolgreich und die eingesammelten Gelder werden durch den zwischengeschalteten Treuhänder nach dem Ablauf der gesetzlichen Widerrufsfrist ausgezahlt. In der Realisierungsphase leistet das Unternehmen Zins und Tilgung und stellt den Anlegern in regelmäßigen Abständen ein individuell gestaltbares Reporting mit Angaben zur Unternehmensentwicklung zur Verfügung.

Ökonomische Rahmenbedingungen

Welche ökonomischen Rahmenbedingungen gibt es? Die wirtschaftlichen Parameter der Nachrangdarlehen können auf den Bedarf der Unternehmen hin angepasst werden. So ist die Laufzeit abhängig von der Projektart und liegt bei Unternehmensfinanzierungen bei der GLS Crowd zwischen vier und sechs Jahren, bei Projektfinanzierungen sind es ein bis zehn Jahre. Die Tilgung kann endfällig, in Raten oder annuitätisch erfolgen; tilgungsfreie Zeiten sind dabei möglich. Je nach Plattform können vorzeitige Kündigungsmöglichkeiten der Emittenten gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung für entgangene Zinsen bestehen, beispielsweise nach der Hälfte der Laufzeit.

Die Verzinsung ist abhängig von der Risikostruktur, die insbesondere das Geschäftsmodell, die Eigenkapitalquote und die Laufzeit umfasst, und liegt bei Wachstumsfinanzierungen derzeit typischerweise zwischen fünf und acht Prozent pro Jahr. Bonuszinskomponenten oder eine Beteiligung an der Unternehmenswertsteigerung sind denkbar. Die Kosten für die Vermittlung des Eigenkapitals umfassen üblicherweise eine einmalige, erfolgsabhängige Vermittlungsprovision und eine laufende jährliche Vergütung für die Anlegerbetreuung und die Zahlungsabwicklung.

Beispiel GLS Crowd

Wie viele andere Banken auch steht die GLS Gemeinschaftsbank eG vor den Herausforderungen eines niedrigen Zinsniveaus, einer zunehmenden Regulierung und der voranschreitenden Digitalisierung. Als eine mögliche Antwort hierauf hat sich die Bank entschieden, ein Angebot für Crowdinvesting zu schaffen. Da Schnelligkeit in onlinebasierten Geschäftsmodellen ein wesentlicher Faktor ist, kam eine Eigenentwicklung oder der Betrieb der Plattform innerhalb der Bank nicht infrage. Nach einer Reihe von Gesprächen mit potenziellen Softwareanbietern hat sich die GLS Bank letztlich für das sogenannte Betreibermodell der Crowd Desk GmbH entschieden.

In diesem Modell konzentrieren sich die beiden Partner auf das, was sie jeweils am besten können. Die GLS Bank ist für die Projektauswahl zuständig und nutzt dafür ihren Zugang zu sozialökologisch ausgeprägten Unternehmen. Aufgrund des höheren Risikogehalts konzentriert sich das Team dabei nicht auf Start-ups, sondern auf Unternehmen, die den Anlage- und Finanzierungsgrundsätzen der Bank entsprechen, die ihr Geschäftsmodell bereits unter Beweis gestellt haben und die nun Wachstumskapital in Höhe von mindestens 200000 Euro benötigen. Auch reine Projektfinanzierungen, etwa für erneuerbare Energien oder Immobilien, sind denkbar.

Crowd Desk ist in diesem Betreibermodell Alleingesellschafterin der eigens für diesen Zweck gegründeten GLS Crowdfunding GmbH und für den Betrieb der Plattform verantwortlich. Zudem fungiert der Partner während und nach der Fundingphase als Ansprechpartner für die Unternehmen und die Anleger und koordiniert zusammen mit dem Treuhänder alle Zahlungen an die Anleger. Durch die Projektauswahl durch die GLS Bank ist sichergestellt, dass diese den sogenannten Anlage- und Finanzierungsgrundsätzen der Bank entsprechen, auch wenn die Anteile an der Betreibergesellschaft zunächst von einem Partner gehalten werden. Neben der Crowdfinanzierung von Unternehmen und Projekten aus dem Umfeld der GLS Bank ist es aber auch möglich, solche von anderen Banken zu finanzieren, sofern diese zu den Anlage- und Finanzierungsgrundsätzen passen. Des Weiteren sind auch Lösungen denkbar, die eine gemeinschaftliche Finanzierung von mehreren Banken in Kombination mit der Crowd abbilden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang generell, dass eine Crowdfinanzierung das Kreditgeschäft nicht verdrängt, sondern es durch die Stärkung der Eigenkapitalbasis teilweise sogar erst möglich macht.

Offen für weitere Anwendungen

Wie geht es weiter? Derzeit boomt der Markt für Crowdfinanzierungen. So wurden in den ersten neun Monaten 2017 über 125 Millionen Euro über Crowdplattformen vermittelt. Dies entspricht einer Steigerung von 219 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Den Hauptanteil nehmen dabei Immobilienprojekte ein, gefolgt von KMU-Finanzierungen und Projekten im Bereich erneuerbare Energien (Abbildung 3). Es ist damit zu rechnen, dass das Wachstum noch geraume Zeit anhalten wird, es jedoch auf Plattformseite früher oder später zu einer Konsolidierung kommen wird. Die GLS Bank sieht sich in diesem Kontext gut aufgestellt, da die GLS Crowd durch Angebote für die Vermittlung von Fonds- und Genossenschaftsanteilen sowie Wertpapieren noch attraktiver werden soll.

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