Nachhaltige Finanzen - ein Zukunftsthema für Genossenschaftsbanken

Gerhard Hofmann, Foto: BVR

Die Europäische Union hat die Politik und Wirtschaft mit ihrem "Green Deal" vor eine anspruchsvolle Agenda gestellt. Denn: Bis zum Jahr 2050 soll Europa zum ersten klimaneutralen Wirtschaftsraum weltweit werden. Um dieses Ziel erreichen zu können, ist die Transformation hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft notwendig. Und da dieser Wandel erheblicher finanzieller Mittel bedarf, sind die europäischen Finanzinstitute zur Unterstützung aufgefordert. Das Thema Nachhaltigkeit ist daher bereits im operativen Banking angekommen. Dennoch müssen noch ein paar Stolpersteine aus dem Weg geräumt werden: So werden beispielsweise mehr vergleichbare ESG-Daten und eine schlankere sowie praxisnahe EU-Taxonomie benötigt, so der Autor. Gerade Letzteres sei ein Dreh- und Angelpunkt bei der Entwicklung nachhaltiger Produktangebote. Die Tendenz zu einer immer stärkeren Detaillierung der rechtlichen Vorgaben in kurzen zeitlichen Intervallen sei somit kritisch zu sehen. (Red.)

Das Thema Nachhaltigkeit hat inzwischen jeden Bereich unseres Lebens erreicht. Für die genossenschaftliche Finanzgruppe der Volksbanken und Raiffeisenbanken sind nachhaltige Finanzen ein zentrales strategisches Anliegen, das zum integralen Bestandteil ihres Geschäftsmodells wird. Genossenschaftsbanken haben seit jeher großen Wert auf nachhaltiges Wirtschaften gelegt. Die niedrige Volatilität und die absolute Höhe der Jahresergebnisse bestätigen dies über lange Zeiträume. Die genossenschaftliche Idee und die daraus abgeleiteten Prinzipien passen perfekt zum Thema ESG/Nachhaltigkeit, wie es vom Pariser Klimaschutzabkommen und der UN-Agenda 2030 mit den 17 globalen Nachhaltigkeitszielen verfolgt wird.

Erhebliche Finanzmittel für Transformation notwendig

Den europäischen "Green Deal" mit dem Ziel, die Europäische Union bis zum Jahr 2050 zum ersten klimaneutralen Wirtschaftsraum der Welt zu machen, unterstützen Genossenschaftsbanken aus Überzeugung. Die EU-Kommission beziffert den jährlichen zusätzlichen Investitionsbedarf auf rund 350 Milliarden Euro zur Erreichung der Emissionsreduktionsziele und weitere 130 Milliarden Euro für andere Umweltziele. Die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft erfordert damit zugleich erhebliche Finanzmittel, die in Europa auch über die Bankensysteme bereitgestellt werden müssen.

Aufbauend auf ihrem seit 2018 sukzessive umgesetzten Aktionsplan "Finanzierung nachhaltigen Wachstums" hat die EU-Kommission im Juli 2021 ihre neue EU-Sustainable-Finance-Strategie zur Finanzierung einer nachhaltigen Wirtschaft beschlossen. Bereits im Mai 2021 hatte die Bundesregierung eine nationale Sustainable-Finance-Strategie veröffentlicht, um das Thema auf europäischer Ebene voranzubringen und Deutschland zu einem führenden Standort auf diesem Gebiet auszubauen. Die Bundesregierung unterstreicht, dass Deutschland hierfür mit dem Drei-Säulen-Modell bestehend aus Genossenschaftsbanken, Sparkassen und Privatbanken über ein breit aufgestelltes Finanzsystem und damit sehr guten Startbedingungen im internationalen Wettbewerb verfügt.

Von Brüsseler Seite wird das Thema Nachhaltigkeit primär durch politische Erklärungen, aber auch durch Regulierungsmaßnahmen bestimmt, die eine Lenkungswirkung entfalten sollen. Die genossenschaftliche Finanzgruppe steht hinter den sehr ambitionierten Zielen der EU und der Bundesregierung. Entscheidend ist, dass Realwirtschaft und Finanzwirtschaft gut zusammenspielen. Ein Übermaß an Bürokratie, das durchaus im Raum steht, muss verhindert werden, damit die Transformation zu einem nachhaltigeren Wirtschaftssystem gut gelingt.

Nutzung von Marktchancen

Aus Sicht der Genossenschaftsbanken gilt es, Nachhaltigkeit chancenorientiert zu sehen. Nachhaltigkeit ist die Zukunft, und ohne Nachhaltigkeit gibt es ab einem bestimmten Zeitpunkt keine Zukunftsfähigkeit mehr, weder für Banken, noch für andere Unternehmen, noch für uns als Menschen. Der Weg dorthin mag kontrovers und mit Rückschlägen versehen sein, das Ziel erscheint jedoch offensichtlich, wenn wir die Welt den nachfolgenden Generationen in einem lebenswerten Zustand hinterlassen wollen. Diese Einstellung prägt das Handeln der genossenschaftlichen Finanzgruppe. Ökonomisches Handeln und Nachhaltigkeit sind keine Gegensätze, sondern komplementär.

Der gesellschaftliche Bedeutungswandel von Nachhaltigkeitsthemen ist unübersehbar und zeigt sich in allen Lebensbereichen - etwa den Klimaschutzdemonstrationen, dem Ausstieg aus der Kohleförderung, der zunehmenden Bedeutung von E-Mobilität sowie der steigenden Nutzung alternativer Energien über das generell wachsende Angebot nachhaltiger Waren und Dienstleistungen bis hin zur Diskussion um die Vermeidung oder den Ausgleich von CO2-Belastungen etwa bei Flugreisen.

Das Ende 2020 beschlossene Nachhaltigkeitsleitbild der genossenschaftlichen Finanzgruppe enthält ein klares Bekenntnis zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen und des Pariser Klimaabkommens. Mit der Unterzeichnung der Unterstützererklärung zu den Prinzipien der Vereinten Nationen für ein verantwortliches Bankwesen Anfang 2021 unterstreicht der BVR die genossenschaftliche Nachhaltigkeitsausrichtung. Der genossenschaftliche Banksektor hat hiermit ein klares Commitment kommuniziert, die Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele durch regionale Lösungsbeiträge der Mitglieder zu unterstützen. Dies ist gleichzeitig ein Aufbruchssignal zur beharrlichen Fortsetzung des längeren Transformationsweges.

Genossenschaftliches Leitbild

Im operativen Banking der genossenschaftlichen Institute ist das Thema längst angekommen. An dem erwähnten Leitbild können sich alle Genossenschaftsbanken orientieren. Zudem haben sie vom BVR einen vollständigen Werkzeugkasten zur Umsetzung einer Nachhaltigkeitsstrategie erhalten. Dieser ermöglicht eine Einschätzung des Ist-Zustandes mit Blick auf Nachhaltigkeit, die nachvollziehbare Festlegung eines Ambitionsniveaus in puncto Nachhaltigkeit, Maßnahmen in allen Bereichen des Bankgeschäfts und dem Bankbetrieb, auch Maßnahmen außerhalb der Bank, die im sozialen Bereich wirksam werden oder die Umwelt verbessern.

Die Vorschläge beziehen sich dabei auf den Geschäftsbetrieb der Banken (beispielsweise Energieverbrauch, Mobilität) sowie - mit stärkerer Gewichtung - auf die Verankerung von Nachhaltigkeit im Kerngeschäft jeder Bank (Kredite und Einlagen sowie Geschäfte wie Anlageberatung, Zahlungsverkehr und Immobilienvermittlung). Spezifische Beispiele im Bankgeschäft sind nachhaltige Anlageprodukte für Retail-Kunden, die sich von der Nische mit exponentiellen Wachstumsraten in den Mainstream entwickelt haben, grüne Pfandbriefe oder die Finanzierung alternativer Energien.

Neben einigen Spezialisten wie der GLS Bank oder den Kirchenbanken, die seit vielen Jahren sehr konsequent auf Nachhaltigkeit setzen, gibt es Vorreiter unter anderen Primärbanken, die etwa die Beratung anhand der Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden als Wettbewerbsfaktor nutzen. Nachhaltigkeit ist ein "moving target", und in der Tendenz steigen die Anforderungen weiter an, in der Regel aufgrund politischer Entscheidungen. Vor diesem Hintergrund steht die Ausweitung des Unterstützungsangebotes im genossenschaftlichen Finanzverbund immer wieder im Fokus. Die Umsetzung in der täglichen Praxis bleibt eine Daueraufgabe in den nächsten Jahren. Es geht darum, Nachhaltigkeit mit wirtschaftlichen Zielen so gut zu verbinden, dass mittelfristig eine neue, nachhaltige Wachstumsdynamik für unsere Volkswirtschaft und auch für Banken entsteht.

Stabile Rahmenbedingungen erforderlich

Die Sustainable-Finance-Regulierung ist ein starker Treiber für die Nachhaltigkeitsausrichtung von Banken. Der EU-Aktionsplan "Finanzierung nachhaltigen Wachstums" war ein entscheidender Impuls, um das Thema auf den Agenden der Finanzmarktteilnehmer nach oben zu bringen. Kritisch zu sehen ist jedoch die Tendenz zur immer stärkeren Detaillierung der rechtlichen Vorgaben in kurzen zeitlichen Intervallen. Produktangebote und Märkte brauchen aber Verlässlichkeit, das heißt stabile und widerspruchsfreie Rahmenbedingungen.

Das gilt insbesondere für die Taxonomie, welche ein Dreh- und Angelpunkt bei der Entwicklung nachhaltiger Produktangebote sein wird. Durch die Taxonomie soll ein EU-weit einheitliches Klassifikationssystem zur Festlegung von als nachhaltig eingestuften wirtschaftlichen Tätigkeiten geschaffen werden. Dies soll Unternehmen ermöglichen, eine gemeinsame Definition von Nachhaltigkeit zu verwenden und zudem Grünfärberei (Greenwashing) verhindern. Eine schlanke und praxisgerechte Taxonomie ist unerlässlich. Leider wird der im Juni 2021 beschlossene delegierte Rechtsakt zur Festlegung technischer Evaluierungskriterien für die ersten beiden Umweltziele (Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel) aufgrund seiner Komplexität diesem Anspruch nur bedingt gerecht. Bei der noch ausstehenden Festlegung der Evaluierungskriterien für die übrigen Umweltziele und den Überlegungen zur Entwicklung einer sozialen Taxonomie sollte die EU-Kommission die Anwendbarkeit der Taxonomie in der Praxis besser berücksichtigen als bisher.

Unternehmen brauchen Anreize für mehr Nachhaltigkeit

Vorschläge zur etwaigen Einführung einer sogenannten braunen Taxonomie im Sinne eines Ausschlusskatalogs würden zu einer Stigmatisierung bestimmter Wirtschaftszweige führen und könnten die europäische Volkswirtschaft letztlich beeinträchtigen. Maßgebliches Ziel der Politik sollte vielmehr sein, Unternehmen Anreize auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit zu geben und sie dabei zu unterstützen. Regulierung von Nachhaltigkeit bleibt also ein Balanceakt. Das rechte Maß und die Sinnhaftigkeit staatlicher Vorgaben entscheiden über das Funktionieren der Märkte und sind für den langfristigen Erfolg bestimmend.

Für die Realwirtschaft und Finanzwirtschaft stellen die in der Taxonomie-Verordnung vorgesehenen weitgehenden Melde- und Berichtspflichten ab dem Jahr 2024 über Art und Umfang der ökologischen nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten (Green Asset Ratio) für berichtspflichtige Unternehmen eine Herausforderung dar. Wie die EU-Kommission in ihrem delegierten Rechtsakt zur Taxonomie-Verordnung ausführt, sollte angesichts der sehr komplexen technischen Bewertungskriterien die Taxonomie-Konformität realwirtschaftlicher Unternehmen von einem unabhängigen Dritten geprüft werden. In diesem Punkt stimmt die genossenschaftliche Finanzgruppe der EU-Kommission vollkommen zu. Dies bedeutet jedoch zugleich, dass die Realwirtschaft externe Gutachter mit der Taxonomie-Konformitätsprüfung beauftragt. Bereits ab dem Jahr 2022 müssen berichtspflichtige Kreditinstitute über den Anteil ihrer taxonomiefähigen und nicht-taxonomiefähigen Risikoaktiva sowie Anteile weiterer wichtiger Bilanzpositionen an der Bilanzsumme berichten.

Nachhaltigkeitsberichterstattung gibt Einblick

Insgesamt sollte die Politik die häufig fehlende Verfügbarkeit von ESG-Daten von finanzierten Unternehmen als Kernproblem erkennen und stärker thematisieren. Um klare Rahmenbedingungen zu schaffen, ist der Gleichlauf der Taxonomie-Verordnung mit anderen EU-Regelungen zu Sustainable Finance sicherzustellen.

Die Vorschläge der EU-Kommission zur Weiterentwicklung der bisherigen Nachhaltigkeitsberichterstattung in der sogenannten Corporate-Sustainability-Reporting-Richtlinie (CSRD) ab dem Jahr 2024 sehen eine Absenkung der Schwellenwerte für den Anwenderkreis und eine Ausweitung der Berichtspflichten vor. Im Sinne des Zielsystems für Nachhaltigkeit erscheint dies konsistent.

Während bisher nur Unternehmen von öffentlichem Interesse, also Banken, Versicherungen und kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Berichtspflicht unterlagen, wird dies auf alle großen Unternehmen im Sinne des Paragrafen 267 Handelsgesetzbuch (HGB) ausgeweitet. Nach einer ersten Auswertung bedeutet dies, dass mindestens ein Viertel der Genossenschaftsbanken, circa 200 Institute statt bisher 40 Institute, berichtspflichtig sein werden. Hinzu kommt die freiwillige Berichterstattung.

Die Perspektive wird sich dabei ändern: Galt bislang in der Finanzberichterstattung eine Outside-In-Perspektive, bei der Informationen zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens abgegeben wurden, so soll künftig bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung auch eine Inside-Out-Perspektive angewendet werden, bei der die Unternehmensaktivitäten mit wesentlichen Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft beschrieben werden.

Berichterstattung künftig umfangreicher

Zentrale berichtspflichtige Themenkomplexe sollen gemäß Richtlinienvorschlag der EU-Kommission künftig die Beschreibung des Geschäftsmodells, der Geschäftsstrategie sowie der gesetzten Nachhaltigkeitsziele, der damit zusammenhängenden Risiken beziehungsweise negativen Auswirkungen auf das Unternehmen und die Rolle der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane in Bezug auf die Nachhaltigkeitsfaktoren sein. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung soll künftig Teil des Lageberichts sein, das heißt, es wird nicht mehr möglich sein, einen gesonderten nichtfinanziellen Bericht zu erstellen.

Um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten, sollen die Nachhaltigkeitsberichte unter noch zu entwickelnden Nachhaltigkeitsstandards erstellt werden, die derzeit von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) erarbeitet werden. Sie plant, ihren ersten Vorab-Entwurf ab Mitte Oktober 2021 mit verschiedenen Expertengruppen bis Anfang 2022 zu diskutieren und dann zu veröffentlichen.

Inhaltlich umfassen die Nachhaltigkeitsstandards gemäß Artikel 19 b der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) Umwelt-, soziale und Unternehmensführungsaspekte. In technischer Hinsicht werden die Institute dazu verpflichtet, ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung in digitaler Form im European Single Electronic Format (ESEF) unter Verwendung der Taxonomie zu erstellen. Im Ergebnis wird die Berichtserstattung insgesamt deutlich umfangreicher ausfallen als bisher.

Die Kommission schlägt vor, dass die CSR-Richtlinie durch die Mitgliedsstaaten bis zum 1. Dezember 2022 in nationales Recht umgesetzt wird. Dies hätte zur Folge, dass die Änderungen erstmals für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2023 beginnen, angewendet werden müssen.

Delegierte Rechtsakte zur MiFID II

Ein zentrales Ziel des EU-Aktionsplans ist es, das Vertrauen der Marktteilnehmer in den noch jungen Markt für nachhaltige Anlageprodukte durch einen einheitlichen Rechtsrahmen zu erhöhen. Transparenzvorgaben sollen einerseits die Vergleichbarkeit der Produkte mit Blick auf ihre Nachhaltigkeitswirkung ermöglichen, aber auch möglichem Greenwashing vorbeugen. Zugleich erfolgte eine Anpassung der vertriebsrechtlichen Anforderungen, wonach die neu gewonnene Transparenz über nachhaltigkeitsbezogene Aspekte integraler Bestandteil der Wertpapierdienstleistungen (WpDL) werden soll.

Die am 10. März 2021 in Kraft getretene Offenlegungsverordnung (SFDR) gilt säulenübergreifend und regelt nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten für Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater. Ziel der SFDR ist es, Informationsasymmetrien in den Beziehungen zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern im Hinblick auf die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken, die Berücksichtigung nachteiliger Nachhaltigkeitsauswirkungen, die Bewertung ökologischer oder sozialer Merkmale sowie im Hinblick auf nachhaltige Investitionen dadurch abzubauen, dass Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater zu vorvertraglichen Kundeninformationen und laufenden Offenlegungen (Internetveröffentlichung, periodische Berichterstattung) gegenüber Endanlegern verpflichtet werden.

Das betrifft im Wesentlichen die Wertpapierdienstleistungen der Finanzportfolioverwaltung (als Finanzmarktteilnehmer) und der Anlageberatung (als Finanzberater). Künftig muss - vereinfacht ausgedrückt - transparent werden, wie Nachhaltigkeitsfaktoren in den Investitionsentscheidungs- und Beratungsprozessen berücksichtigt wurden. Davon dürften nahezu alle Banken betroffen sein, da sie zumindest die Anlageberatung zu Wertpapieren und Versicherungsanlageprodukten anbieten, häufig aber auch die Finanzportfolioverwaltung. Die Pflichten gelten nur für Finanzprodukte im Sinne der SFDR. Das sind im Wesentlichen Fonds- und Versicherungsanlageprodukte sowie Portfolios der Finanzportfolioverwaltung.

Daneben wurden für das Wertpapiergeschäft die Vorschriften zur Anlageberatung durch Änderung der Delegierten Verordnung zur MiFID II angepasst. Und auch die Vorgaben zur Product Governance in der Delegierten Richtlinie zur MiFID II wurden mit Blick auf das Thema Nachhaltigkeit modifiziert.

Berücksichtigung relevanter ESG-Risiken

Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeit in der Anlageberatung beziehungsweise Finanzportfolioverwaltung soll nach den Vorgaben der Delegierten Verordnung zur MiFID II durch eine Nachhaltigkeitspräferenzabfrage beim Kunden sichergestellt werden. Mit Blick auf die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden und die Umsetzung der neuen Vorgaben zur Product Governance soll das gemeinsame Konzept "Typologie für nachhaltige Finanzinstrumente - ESG Zielmarkt" der Deutschen Kreditwirtschaft, des Deutschen Derivate Verbandes und des Bundesverbandes Investment und Asset Management eine Anpassung erfahren. Damit wird die bereits exponentiell wachsende Anlage in nachhaltigen Wertpapieren einen weiteren Schub erhalten.

Die Umsetzung der neuen Anforderungen in den Banken macht auch Anpassungen in den IT-Systemen erforderlich, was mit Blick auf die vorgegebenen Umsetzungsfristen zu berücksichtigen ist. Als unmittelbar geltende rechtliche Vorgabe ist die Delegierte Verordnung zur MiFID II ab dem 2. August 2022 anzuwenden. Für die Delegierte Richtlinie zur MiFID II wiederum ist eine Umsetzung der Änderungen in nationales Recht bis zum 21. August 2022 und eine Anwendung der umgesetzten Änderungen ab dem 22. November 2022 vorgesehen. Die SFDR ist indes - wie bereits erwähnt - weitgehend seit 10. März 2021 in Anwendung.

MaRisk-Anpassung erwartet

Im Risikomanagement und in der Gesamtbanksteuerung der Banken werden die ESG-Aspekte (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) zukünftig einen bedeutenden Einfluss haben. Dies aus eigenem Antrieb, aber auch aufgrund der Ansprüche der Aufsicht. BaFin und EZB erwarten eine angemessene Berücksichtigung des Themas "Nachhaltigkeit" innerhalb des Risikomanagements und haben entsprechende Vorgaben kommuniziert. In Deutschland wird perspektivisch eine Anpassung der MaRisk und mittelfristig - sofern nachhaltiges Wirtschaften und Handeln nicht angemessen in den Instituten verankert wird - eine Diskussion um mögliche SREP-Aufschläge erwartet. Es ist davon auszugehen, dass die Aufsicht Nachhaltigkeitsrisiken zumindest bei direkt von der EZB überwachten Instituten im nächsten Stresstest adressiert.

Relevanz von Nachhaltigkeit nimmt weiter zu

Neben den steigenden aufsichtlichen Anforderungen wird das Thema Nachhaltigkeit zukünftig auch bei rein ökonomischen Entscheidungen, ebenso wie bei der Anlageberatung von Kunden und Mitgliedern eine immer größere Rolle spielen. Zugleich werden Nachhaltigkeitsanforderungen mehr und mehr Eingang in die Unternehmensbewertung finden und das Angebot an sogenannten Green Bonds und Social Bonds auf dem Kapitalmarkt wachsen lassen. Auf dem Kapitalmarkt wird sich dies unmittelbar in den Spreads beziehungsweise im Wert der entsprechenden Wertpapiere niederschlagen, bei den mittelständischen Kreditnehmern der Genossenschaftsbanken in der Bonität und damit im Rating des Unternehmens. Diese Entwicklung birgt für die Banken auch Chancen, indem sie ihr Angebot an Produkten und Dienstleistungen erweitern. Längerfristig müssen alle Aktivitäten einer Bank nachhaltig sein. Die Einschätzung von Nachhaltigkeitsrisiken stellt dabei für alle Banken große Herausforderungen dar, denn es gibt bisher kein anerkanntes System der Messung solcher Risiken.

Ähnlich wie in der Nachhaltigkeitsberichterstattung repräsentieren die Sammlung von relevanten Daten, die Formulierung und Durchführung von Szenarioanalysen sowie schließlich die Anpassung von Systemen einige der zentralen Fragen der Zukunft in diesem Themengebiet, für Genossenschaftsbanken, aber auch für alle anderen Institute.

Gerhard Hofmann , Mitglied des Vorstands , Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR), Berlin
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