Nachhilfe für Deutschland

Dr. Christine Bortenlänger, Foto: Deutsches Aktieninstitut

Ökonomische und finanzielle Bildung sorgen für steigenden Wohlstand und sind zentrale Bausteine für eine selbstbestimmte Gesellschaft. Wirtschaftswissen dient nach Ansicht von Bortenlänger und Leven in erster Linie dem Wohl der Bürger. Sie sind jedoch der Meinung, Deutschland tue sich schwer, dies anzuerkennen und die notwendigen Schritte zu gehen. Um zu verdeutlichen, wie es gehen kann, nennen die Autoren auch erfolgreiche Beispiele aus anderen Ländern wie Österreich, wo erst Ende 2021 eine nationale Finanzbildungsstrategie ausgerufen wurde. Ökonomische und finanzielle Bildung spiele zudem auch eine wichtige Rolle in der Zukunft des deutschen Rentensystems, da sie für eine erfolgreiche private Vorsorge entscheidend sei. Die entscheidende Frage laute für Deutschland demnach nicht, ob und warum ein Schulfach Ökonomie nötig ist, sondern wie es umgesetzt werden kann und womit es flankiert werden muss. (Red.)

Nichts weniger als eine "Bildungsrevolution für Deutschland" forderte kurz vor der Bundestagswahl im vergangenen Jahr die damalige parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Bundestagsfraktion. Ein knappes halbes Jahr nach der Wahl konkretisiert Bettina Stark-Watzinger, nunmehr Ministerin für Bildung und Forschung in der neuen Bundesregierung, ihre Überlegungen. So fordert sie einen Aufbruch für die Schulen in Deutschland und macht den bemerkenswerten Vorstoß: "Ökonomische Bildung halte ich für eine extrem wichtige Grundlage, idealerweise als eigenes Fach. Wenn das nicht geht, muss sie viel stärker in anderen Fächern vorkommen."

Wie ist es aktuell um die finanzielle oder im weiteren Sinne ökonomische Bildung in Deutschland bestellt? Überschriften wie "Riesige Bildungslücken beim Thema Geld" oder "Wirtschaft ist ein Fremdwort" lassen vermuten, in welche Richtung es geht. Fakt ist: Viele Menschen sind mit wirtschaftlichen Zusammenhängen und Finanzfragen überfordert.

Integraler Bestandteil der Allgemeinbildung

Eine Steuererklärung ausfüllen, ein Lebensversicherungsangebot prüfen oder sich um die eigene Altersvorsorge kümmern - das muss heute jeder können. Und wie funktioniert eigentlich soziale Marktwirtschaft?

Abbildung 1: Stellenwert der Vermittlung wirtschaftlicher Inhalte bei den 14- bis 25-Jährigen (in Prozent) Quelle: Bankenverband "Jugendstudie 2021 zu Wirtschaftsverständnis und Finanzkultur"

Wirtschaftswissen ist integraler Bestandteil der Allgemeinbildung. Für viele wichtige Entscheidungen im Alltag benötigt man ökonomische und finanzielle Kenntnisse. Sie befähigen uns, mündige Entscheidungen in wirtschaftlichen Fragen zu treffen - gleich ob als Verbraucher, Arbeitnehmer, Wähler oder Anleger. Dazu gehören unter anderem das effektive Management der eigenen Finanzressourcen, die Beurteilung von Finanzdienstleistungen, der Umgang mit Geld und den eigenen Lebensrisiken, die Aufnahme von Krediten und der Aufbau des Vermögens beziehungsweise der Altersvorsorge, aber auch viele andere wichtige Aspekte: die Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers und des Konsumenten, die erfolgreiche Gründung und Führung eines Unternehmens, die Entscheidung zum Kauf einer eigenen Immobilie.

Wirtschaftliche Zusammenhänge zu verstehen, wird in der heutigen Gesellschaft immer wichtiger. Deutschlands soziale Marktwirtschaft, deren Begründer Ludwig Erhard in diesem Jahr 125 Jahre alt geworden wäre, braucht kompetente und verantwortungsvolle Bürger. Ein ökonomisches Grundwissen befähigt zur gesellschaftlichen Teilhabe und hilft Menschen, sich in einer Vielzahl von Lebenssituationen zurechtzufinden. Ökonomische und finanzielle Bildung sind der Schlüssel zur Partizipation am Berufsleben, an Wirtschaft und Gesellschaft. Wirtschaftliche Kompetenzen und eine ökonomische Perspektive sind Grundlagen für ein selbstbestimmtes Leben.

Wirtschafts- und Finanzwissen sind Allgemeinbildung

Eine gute ökonomische Grundbildung kann nicht erst im Erwachsenenalter erworben werden. Sollen alle Menschen mit den notwendigen Kenntnissen und Fertigkeiten in ökonomischen Fragestellungen ausgestattet werden, führt kein Weg an der Schule vorbei.

Schulen sind der Ort, an dem junge Menschen Wissen und Fähigkeiten für ihr Leben erwerben. Sie sollen entdecken, was ihre Neigungen, Fähigkeiten und Wünsche sind, aber auch lernen, wie sie ihr Leben autonom und eigenverantwortlich gestalten und führen können. Dazu gehört auch das Wissen um ökonomische Zusammenhänge, etwa der Umgang mit Geld. Insbesondere junge Menschen müssen Kompetenzen im Bereich Finanzen erwerben, damit sie das nötige Rüstzeug für ihren Alltag besitzen. Kinder und Jugendliche haben zudem ein ganz natürliches Interesse auch an Geldthemen. Das belegt nicht nur ein Schlaglicht, sondern harte Statistik.

Zunächst das Schlaglicht: "Ich bin fast 18 und habe keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann eine Gedichtanalyse schreiben. In vier Sprachen." 2015 löste die damals 17-jährige Schülerin Naina mit diesem Tweet eine Debatte über den Bildungsauftrag von Schulen in Deutschland aus. Sie klagte stellvertretend über mangelnde Vorbereitung auf ihr Leben und kritisierte, dass ihr der Durchblick zu grundlegenden Finanzthemen nicht vermittelt wurde. Sieben Jahre später ist ihre Bestandsanalyse der Finanzbildung an Deutschlands Schulen leider noch immer aktuell - wie alle einschlägigen Statistiken zeigen.

So hat das Institut für Ökonomische Bildung in Oldenburg im Rahmen der Oe-BiX-Studie den Stand der ökonomischen Bildung in den verschiedenen Bundesländern erhoben. Dabei wurde rein quantitativ erhoben, wie viele Wochenstunden Ökonomie an den verschiedenen Schulformen laut Lehrplan unterrichtet werden sollen und wie es um den Stand der Lehrerausbildung im Fach Ökonomie bestellt ist. Das Ergebnis ist erschreckend, aber leider nicht überraschend: Elf von 16 Bundesländern erfüllen nicht einmal die Hälfte der üblichen Anforderungen an ein normales Nebenfach Wirtschaft. Der Bundesdurchschnitt liegt gerade einmal bei 45 Prozent. Am besten schneidet Niedersachsen ab - mit immerhin fast 74 Prozent. Das Schlusslicht unter den Bundesländern bildet Rheinland-Pfalz mit 23 Prozent. Ob dieses geringe Maß an ökonomischer Bildung durch eine herausragende Qualität des Unterrichts wettgemacht wurde oder die tatsächliche Situation aufgrund des Fehlens kompetenter und qualifizierter Wirtschaftslehrer noch viel schlimmer ist, geht aus der Studie nicht hervor. Wahrscheinlich trifft beides zu - an der einen Schule so, an der anderen Schule so.

Ökonomisches Wissen und die Nutzung des Kapitalmarktes

Bemerkenswert ist, dass den jungen Menschen durchaus bewusst ist, dass ihnen ökonomische Bildung vorenthalten wird. In einer Umfrage von Union Investment monierten zwei Drittel der jungen Befragten, sie hätten in der Schule in Sachen Wirtschaft nicht so viel oder so gut wie nichts gelernt. Eine regelmäßige Umfrage des Bankenverbandes zeigt seit Jahren, dass eine überwältigende Mehrheit von über 70 Prozent der jungen Menschen sich einen höheren Stellenwert der Vermittlung wirtschaftlicher Inhalte in der Schule wünscht (Abbildung 1). Drei von vier Befragten fordern ein eigenes Schulfach Wirtschaft (Abbildung 2).

Abbildung 2: Soll Wirtschaft ein eigenes Fach werden? (in Prozent) Quelle: Bankenverband "Jugendstudie 2021 zu Wirtschaftsverständnis und Finanzkultur"

Der Nutzen und die Notwendigkeit ökonomischer Bildung seien am Beispiel des Kapitalmarktes, vor allem der Aktie, erläutert. Der Umgang mit Geld und die Finanzplanung in die eigenen Hände zu nehmen, ist heute wichtig und notwendig für den erfolgreichen weiteren Lebensweg und die Sicherung des Lebensstandards im Alter. Das Umlageverfahren allein wird Letzteres in Zukunft immer weniger gewährleisten können. Entsprechend steigen die Bedeutung und Notwendigkeit einer ergänzenden privaten Vorsorge. Damit diese bei vertretbarem Konsumverzicht gelingt, müssen junge Menschen drei Sachverhalte und Zusammenhänge verstehen: die verschiedenen abzusichernden Lebensrisiken, die Wirkung des Zinseszinseffektes und das langfristige Chancen-Risiko-Profil der verfügbaren Anlageformen. Bereits diese intellektuelle Grundausstattung ermöglicht eine eigenverantwortliche Vorsorge der kommenden Generationen.

Das Ziel-Mittel-Verhältnis ist eindeutig, muss aber zur Vermeidung von Missverständnissen betont werden: Ziel ist die Absicherung breiter Bevölkerungskreise. Mittel zur Erreichung dieses Ziels ist der Kapitalmarkt mit seinen vielfältigen Produktangeboten. Damit die verschiedenen Anlageformen individuell optimal kombiniert werden können, bedarf es einer verständlichen Gebrauchsanweisung. Nicht mehr, aber auch nicht weniger ist ökonomische Bildung. Dieses Beispiel - das sich durch viele weitere ergänzen ließe - zeigt aber auch, dass ökonomische Bildung positive Effekte weit über die einzelnen Individuen hinaus hat. Ein durch das Engagement vieler Menschen gut genutzter, florierender Kapitalmarkt sammelt Kapital, das für unternehmerische Zwecke zur Verfügung steht. Nicht ohne Grund besteht ein positiver Zusammenhang zwischen dem Anteil, mit dem die Altersvorsorge in einem Land über ein Ansparverfahren sichergestellt wird, und der Zahl der Börsengänge innovativer Wachstumsunternehmen. Auf dem Umweg über kapitalmarktfinanzierte Innovationskraft und Unternehmergeist steigt die Wirtschaftskraft, was wiederum nicht allein den Aktionären zugutekommt, sondern der gesamten Bevölkerung bis hin zu den verschiedenen sozialen Sicherungseinrichtungen.

Wenn ökonomische Bildung einerseits so wichtig ist und andererseits auch von jungen Menschen selbst mit überwältigender Mehrheit gefordert wird, stellt sich die Frage nach den tieferen Ursachen der nicht zufriedenstellenden aktuellen Situation in fast allen Bundesländern. Sind über 70 Prozent Zustimmung zur Forderung nach einem Fach Wirtschaft nicht ganz eindeutig ein klarer demokratischer Auftrag?

Ideologische Bedenken gegen ein Ökonomie-Schulfach

Die Bedenken gegen ein Schulfach Ökonomie sind vielfältig und - leider - immer noch wirkungsvoll. So wird vorgetragen, ökonomische Bildung sei kein Teil der Allgemeinbildung und gehöre daher nicht in die allgemeinbildende Schule. Was aber ist die Aufgabe von Schule, wenn nicht das Vermitteln von Wissen, das alle brauchen und das an anderer Stelle nicht erworben werden kann? Auch die praktischen Einwände, dass kein zusätzliches Fach mehr in der Stundentafel untergebracht werden kann, lassen sich nicht belegen: Da, wo auch ökonomische Bildung angeboten wird, sind keine Klagen über die Vernachlässigung anderer Fächer zu hören. Vielmehr ist eher zu vermuten, dass viele Fächer - unabhängig von der Einführung eines weiteren Schulfachs - von einer Entschlackung und Modernisierung ihrer Lehrpläne profitieren können.

Der eigentliche Kern des Widerstands gegen ein Schulfach Wirtschaft liegt in ideologischen Bedenken: So wird partiell eine - von den Ökonomen selbst kritisch diskutierte - Grundannahme der Ökonomie, der "Homo oeconomicus", aufgegriffen und behauptet, Ziel des Wirtschaftsunterrichtes sei es, die jungen Menschen zu ebenjenem egoistischen Homo oeconomicus zu erziehen. Zum Glück kann inzwischen auch empirisch belegt werden, dass dies keine zwingende Wirkung des Wirtschaftsunterrichtes ist. Die Einführung des Faches "Wirtschaft/Berufs- und Studienorientierung" in Baden-Württemberg wurde von einer Studie begleitet, deren Ergebnisse eindeutig sind: Die Schüler entwickelten ein höheres Interesse an wirtschaftlichen Fragestellungen und maßen auch dem Geld eine größere Bedeutung zu, wurden sich also der Existenz ökonomischer Zusammenhänge und Zwänge bewusst. Zugleich wiesen sie jedoch Unternehmen eine stärkere gesellschaftliche Verantwortung zu. Insgesamt kommt die Studie zum Ergebnis, dass Ökonomie in der Schule nicht zu der von Kritikern befürchteten "neoliberalen Indoktrination" führt. Das ist ja auch gar nicht Ziel des Unterrichts.

Widerstand gegen ökonomische Bildung kommt auch aus der Sicht eines Nachbarfaches, das eine ergänzende Perspektive eigentlich begrüßen sollte: der Politik. Vonseiten der Vertreter des Faches Politik herrscht vielfach die Furcht vor ökonomischem Imperialismus, vor der Übernahme der gesamten Erklärungsfunktion durch das Fach Wirtschaft und die Verdrängung des Faches Politik. Nichts wäre falscher als das.

Ökonomie und Politikwissenschaften befassen sich zu einem großen Teil mit den gleichen Sachverhalten, aber aus jeweils unterschiedlichen Blickwinkeln. So kann das wirtschaftspolitische Handeln einer Regierung aus ökonomischer wie auch aus politologischer Sicht behandelt werden - nein, es muss aus (mindestens) diesen beiden Blickwinkeln behandelt werden, wenn ein zutreffendes Gesamtbild entstehen soll. Ökonomie und Politik ergänzen sich hier; sie stehen nicht in Konkurrenz zueinander, sondern können nur gemeinsam einen wichtigen Ausschnitt der Lebenswelt junger (und älterer) Menschen erklären und verständlich machen.

Trotzdem ist es notwendig, dass beide Fächer jeweils von kompetenten, in dem einzelnen Fach ausgebildeten Lehrern selbstständig mit je eigenen Stundendeputaten und Lehrplänen unterrichtet werden. Nur so lässt sich die "Grammatik" des jeweiligen Faches sauber und unverzerrt erlernen, was die unabdingbare Voraussetzung für einen grundsätzlich anzustrebenden fruchtbaren Dialog zwischen den gleichberechtigten Nachbardisziplinen ist.

Schulfach Ökonomie etablieren: wichtig, aber nicht ausreichend

Damit Deutschland im Bereich finanzieller und ökonomischer Bildung vorankommt, muss die Politik aktiv werden. Es braucht aus unserer Sicht ein Drei-Punkte-Programm mit der Einführung eines Ökonomie-Schulfachs, einer nationalen Finanzbildungsstrategie und der kapitalgedeckten Altersvorsorge.

Da die Bildungspolitik in den Händen der 16 Bundesländer liegt, sollte die neue Bundesregierung den Bundesländern umgehend dazu einen Staatsvertrag anbieten. Wenn es die neue Bildungsministerin ernst meint mit ihrer skizzierten Bildungsrevolution, wäre dies der erste Schritt. Ökonomische Bildung gehört in die Lehrpläne der allgemeinbildenden Schulen - verpflichtend und überall. Das Thema muss in der Schule stattfinden.

Lehrer qualifizieren

Ein separates Fach "Wirtschaft" setzt wiederum gut ausgebildete Lehrer voraus. Lehrkräfte müssen fachlich und didaktisch qualifiziert werden. Lehramtsstudiengänge mit Wirtschaftsschwerpunkt könnten dazu beitragen, Lehrkräfte und damit Schülerinnen und Schüler zu mündigen Einschätzungen und Entscheidungen zu befähigen. Durch eine qualifizierte Ausbildung werden Lehrer und Schüler zugleich vor dem oft befürchteten Lobbyismus an Schulen oder gar interessengeleitetem Schulunterricht geschützt.

Lehrer, die das Schulfach Ökonomie unterrichten, müssen in den Universitäten und Hochschulen fachlich und didaktisch vorbereitet werden. Nur dann sind sie in der Lage, ökonomische Zusammenhänge und alltagsrelevantes Finanzwissen an Schülerinnen und Schüler zu vermitteln und Begeisterung für wirtschaftliche Themen zu wecken.

Finanzbildungsstrategie einführen

Mit einem Schulfach Ökonomie sowie ausgebildeten Pädagoginnen und Pädagogen allein ist es jedoch nicht getan. Deutschlands wichtigste Ressource sind seine gut ausgebildeten Bürger. Auch diejenigen, die die Schule bereits hinter sich gelassen haben, müssen ein Bildungsangebot bekommen. Hier lohnt ein Blick über den Tellerrand. Während sich viele andere EU-Staaten Finanzbildung auf die Fahnen geschrieben haben, ist es in Deutschland jedem selbst überlassen, sich hierzu fortzubilden. Welchen Stellenwert hat die Vermittlung von finanzieller und ökonomischer Bildung im Ausland?

Da gibt es viele gute Beispiele, wie die OECD zeigt. Slowenien, Österreich oder Hongkong stehen besser da als Deutschland. Diese Länder haben sich nationale Strategien zur ökonomischen Bildung gegeben. Deutschland gehört zu den wenigen entwickelten Staaten, die ein solches Programm nicht haben. In Österreich ist eine zentrale Maßnahme die Etablierung eines Finanzbildungsportals. Das Portal soll als erste Anlaufstelle Informationsmodule, Lernvideos und Unterlagen zu Themen anbieten und bestehende Initiativen und Informationen auf einer Website rund um ökonomische und finanzielle Bildung zusammenführen.

Beispielsweise soll es in Anlehnung an den Führerschein fürs Auto eine Art Finanz-Führerschein geben, mit dem das Finanzwissen in den Bereichen Basisfinanzbildung, Kapitalmarktkompetenz, Zukunftsvorsoge, grüne und digitale Finanzen getestet werden kann. Auch gibt es mit "KARDEA!" seit 2019 einen österreichweiten Preis für Finanzbildung an Schulen. Ziel ist es, einen bewussten und verantwortungsvollen Umgang mit Geld zu fördern. Mit dieser Finanzbildungsstrategie will die Alpenrepublik die Finanzkompetenz ihrer Bürger stärken. Zielgruppe sind Kinder und Jugendliche, junge Erwachsene, Frauen, berufstätige Erwachsene, Privatanleger und Kleinunternehmer.

Großbritannien und Australien haben ebenfalls eine nationale Agenda zur finanziellen Bildung eingeführt. Hier werden Zusammenhänge wie der Aufbau des Wirtschaftssystems und grundlegende Funktionsweisen im alltäglichen Finanzleben nicht nur in der Schule vermittelt. Auch am Arbeitsplatz werden Arbeitnehmern Bildungsangebote zu Finanzthemen gemacht. Beispielsweise hat Großbritannien mit seiner nationalen Strategie Plattformen etabliert, damit sich alle Bevölkerungsschichten zu Finanzthemen informieren können.

Die Niederlande haben ebenfalls erfolgreich eine nationale Strategie zur Finanzbildung in der gesamten Breite der Bevölkerung verankert. Zwar gibt es wirtschaftliche Wissensvermittlung und das Rechnen mit Geld bereits in der Grundschule, auch in den weiterführenden Schulen werden ökonomische Zusammenhänge stärker beleuchtet. Allerdings werden flankierend dazu seit 2008 auf der Plattform "Money Wise" sämtliche Informationsangebote rund um das Thema gebündelt. Zusätzlich gibt es Projekte wie die 2010 etablierte "National Money Week", um ökonomische und finanzielle Bildung in den Grundschulen zu verstärken.

Darüber hinaus werden mit Programmen wie "Pension3days" oder "Financially heal thy employees" Fragen von Arbeitnehmern behandelt, wie sie sich bestmöglich auf den Ruhestand vorbereiten können. Auffällig ist hierbei eine prominente politische Person, die das Thema antreibt: Die Prinzessin der Niederlande, Königin Máxima, steht als studierte Wirtschaftswissenschaftlerin an der Spitze der Finanzbildungsbewegung. Dadurch werden Niederländer motiviert, sich mit den Themen auseinanderzusetzen.

Von diesen Ländern müssen wir lernen. Auch in Deutschland brauchen wir eine nationale Finanzbildungsstrategie, um Menschen aller Altersklassen den Weg zu einem stärkeren Wirtschaftswissen und zu einer auskömmlichen Altersvorsorge zu ebnen. Ziel muss sein, dass möglichst viele Menschen informierte eigenständige Entscheidungen treffen können. Auch und gerade Deutschland als international bedeutender Wirtschaftsstandort braucht eine nationale Agenda für finanzielle Bildung.

Altersvorsorge mit Aktien einführen

Neben einem Schulfach Wirtschaft und einer nationalen Finanzbildungsstrategie ist ein weiteres wirkungsvolles Instrument zur Verbesserung der ökonomischen und insbesondere der finanziellen Bildung die Einführung einer das Umlageverfahren ergänzenden Altersvorsorge mit Aktien. Wenn Arbeitnehmer aktiv mit dem Kapitalmarkt und der Ertragskraft der Aktie in Berührung kommen, kann positives Erfahrungswissen aufgebaut werden.

Auch hier lohnt ein Blick in andere Länder. Viele sind uns bei der Altersvorsorge voraus, teilweise basiert dort sogar die staatliche Rente auf Aktien. In Schweden sind Aktien in der gesetzlichen Rente fest verankert. 2,5 Prozent der Einzahlung in die Altersvorsorge gehen dort in die sogenannte Premienpension, die sich vorwiegend auf Aktien stützt. Andere Länder setzen stark auf betriebliche Altersvorsorge mit Aktien und Anlagen am Kapitalmarkt. Musterbeispiel ist hier Australien, aber auch die Niederlande haben Aktien in der betrieblichen Altersvorsorge fest etabliert.

Deutschlands Altersvorsorge dagegen fußt zum großen Teil auf der umlagefinanzierten staatlichen Rente, auf Versicherungsprodukten und festverzinslichen Anlagen. Obwohl breit gestreute langfristige Aktienanlagen, beispielsweise in den DAX, in der Vergangenheit durchschnittlich sechs bis neun Prozent Rendite jährlich erwirtschaftet haben, setzen die Deutschen immer noch überwiegend auf Tagesgeld und festverzinsliche Anleihen. Aktien müssen deswegen unbedingt stärker in das Bewusstsein der Deutschen gerückt werden.

Wenn Aktien ein fester Baustein unserer Altersvorsorge werden, wird Wissen über Aktien aufgebaut und Missverständnisse werden ausgeräumt, die zum Teil von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Die Aktienkultur in Deutschland würde davon profitieren - vor allem aber würden die Menschen in unserem Land davon profitieren!

Großes Aufholpotenzial in Deutschland

Lebenslanges Lernen ist ein bedeutendes Ziel der Bildungspolitik. Finanzielle und ökonomische Bildung gehören zur Allgemeinbildung. In Deutschland besteht hier großes Aufholpotenzial.

Was aktuell fehlt, ist der politische Wille, eine ganzheitliche Finanzbildungsstrategie voranzutreiben und das Schulfach Ökonomie in den allgemeinbildenden Schulen zu etablieren. Zudem fehlt eine angemessene Berücksichtigung von Aktien in der Altersvorsorge, um Erfahrungswissen bei den Menschen aufzubauen. Die frisch gestartete Ampel-Koalition muss diese Themen nun beherzt angehen - gemeinsam mit den Bundesländern.

Dr. Christine Bortenlänger , Geschäftsführende Vorständin , Deutsches Aktieninstitut e. V., Frankfurt am Main
Dr. Franz-Josef Leven , Stellvertretender Geschäftsführer , Deutsches Aktieninstitut, Frankfurt am Main

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