Open Banking: Neupositionierung für Banken in einem Zukunftsmarkt

Guido Köhler, Foto: PPI AG

Der offene Zugang zu Kunden und Transaktionsdaten für Drittanbieter wie Fintechs verstärkt den Wettbewerb am Bankenmarkt. Etablierte Kreditinstitute könnten von dieser Entwicklung profitieren, diese Meinung vertreten zumindest die Autoren. Voraussetzungen seien dabei jedoch der strategische Einsatz von Open Banking und eine Positionierung als zentraler Akteur innerhalb neu entstehender Ökosysteme. Die Studie "Open-Banking- Plattformen" hat die relevanten Anbieter im deutschsprachigen Raum zu deren Markteinschätzung, zu technischen Aspekten ihrer Open-Banking-Plattformen, zu bereits integrierten Modulen und Partnerschaften mit Drittanbietern befragt. Als Fazit sehen Hartmann/ Köhler für Banken in der Zusammenarbeit mit Drittanbietern die Chance, viele neue, innovative Produkte und Dienstleistungen für den Kunden anzubieten und damit die Kundenbeziehungen zu festigen. (Red.)

Verbessern bedeutet immer auch verändern. Eine Herausforderung, die für die Finanzbranche zurzeit hochaktuell ist. Die fortschreitende Digitalisierung hat die Ansprüche und das Verhalten von Kunden verändert. Banken haben bereits sehr früh mit Angeboten im Onlinebanking reagiert. Jetzt attackieren Drittanbieter - Fintechs und branchenfremde Akteure - die Geschäftsmodelle etablierter Banken. Die 2019 in Kraft getretene EU-Zahlungsdienstrichtlinie PSD2 ebnet mit der Aufhebung des Bankenmonopols auf Kontoinformations- und Zahlungsauslösedienste den Weg.

Banken laufen Gefahr, ihren Status als erste Anlaufstelle für Bankgeschäfte und -transaktionen zu verlieren. Über neue Plattformen von Fintechs können Unternehmen und Privatpersonen beispielsweise Kontoinformationen abrufen oder Bezahlvorgänge auslösen. Dazu müssen sie nicht mehr zwingend die Oberfläche ihrer Bank nutzen. Die Transaktionsdaten liefern den Drittanbietern wichtige Informationen zum Nutzerverhalten. Mithilfe neuer Technologien wie dem Internet of Things und Artificial Intelligence können sie klassische Bankleistungen in die reale Lebens- und Arbeitswelt der Kunden integrieren und anbieten. Dadurch geraten die Ertragsquellen der etablierten Institute erheblich unter Druck.

Abbildung 1: Optionen für den Finanzdienstleister im Open Banking Quelle: PPI AG

Schnittstellen als Grundlage für Zugriff durch Dritte

Wenn Banken in diesem Wettbewerb bestehen wollen, dürfen sie den Primärzugang zu ihren Kunden und ihren Vertrauensvorsprung gegenüber Drittanbietern nicht verlieren. Dazu müssen die Institute die Kundenzentrierung erhöhen, neu justieren und ihre Services in die Lebenswirklichkeit und den Alltag des Kunden integrieren.

Open Banking bietet genau diese Chance. Grundlage dafür bilden technische Schnittstellen, die sogenannten Application Programming Interfaces (APIs), sowie regulatorische Vorgaben aus der PSD2. Diese erlauben Drittanbietern zwar die Verwendung und Aggregation von bestimmten Konto- und Zahlungsdaten. Aber keineswegs den kompletten Zugriff auf alle Bankoperationen oder auf die durch die Bank aggregierten und weiterverarbeiteten Daten. Stellen Banken über ihre API weitere Informationen oder Funktionen zur Verfügung, können sie auch entscheiden, welcher Drittanbieter hierauf zugreifen darf. So hat beispielsweise die Sparkassen-Finanzgruppe eine Open-Banking-Plattform entwickelt, über die es möglich ist, auf über 5 000 bankfachliche Funktionen des Gesamtbanksystems OSPlus zuzugreifen. Um ihren Privat- und Firmenkunden die Option auf möglichst viele attraktive und innovative Produkte und Dienstleistungen zu eröffnen, arbeiten die Sparkassen auch mit ausgewählten Drittanbietern zusammen. Die Entscheidung, welche Funktion für welchen Partner freigeben wird, liegt bei den Sparkassen. Die Deutsche Bank hat bereits 2016 ihr API-Programm ins Leben gerufen und seitdem über 25 API-Produkte entwickelt, die von 34 Partnern genutzt werden.

Strategische Positionierung

Das Ende der bisherigen linearen Geschäftsmodelle mit einer verhältnismäßig kleinen Produktauswahl ist absehbar. In Zukunft werden immer mehr Plattformen und Netzwerke entstehen, in denen klassische Bankdienstleistungen eine eher untergeordnete Rolle spielen werden. Banken müssen sich daher Gedanken über ihre zukünftige strategische Positionierung machen. Eine Option ist der Aufbau einer eigenen Open-Banking-Plattform, in der Fintechs oder sogar komplett branchenfremde Unternehmen verschiedenste integrierte Dienstleistungen als Module anbieten. Vorteil der eigenbetriebenen Open-Banking-Plattform: Die Bank selbst hat den direkten Kundenkontakt. Endkunden, die Leistungen anderer Firmen nutzen, tun dies über das Portal der Bank. Bei solchen Open-Banking-Plattformen können sich Drittanbieter auch untereinander vernetzen und dadurch das Kundenerlebnis und die Convenience verbessern.

Die Alternative ist der Auftritt der Bank als effizienter, zuliefernder, spezialisierter Produzent ausgewählter Banking-Services mit hoher Fertigungstiefe. Eigene Finanzprodukte und Konto- beziehungsweise Kundendaten würden auf Plattformen oder in Prozessen außerhalb der Banksphäre zur Verwendung durch Drittanbieter bereitgestellt. Allerdings hat dann der Drittanbieter den primären Kundenkontakt.

Abbildung 2: Vorteile von Open-Banking-Plattformen für alle Beteiligten Quelle: PPI AG

Aus Sicht von PPI sind Banken prädestiniert, Open-Banking-Plattformen zu betreiben, weil sie nach wie vor einen großen Vertrauensvorsprung bei ihren Kunden haben. Zudem können sie von den Plattformen gleich dreifach profitieren: durch Monetarisierung von Daten, eine höhere Kundenbindung und kürzere Innovationszyklen.

- Banken verfügen über riesige, teils ungenutzte Datenmengen und über den direkten Zugang zu Kunden. Als Betreiber einer Open-Banking-Plattform lässt sich beides monetarisieren. So könnten beispielsweise Erträge, die Drittanbieter über die Plattform der Bank erzielen, aufgeteilt werden. Oder aber jeder API-Abruf kostet einen bestimmten Betrag. Auch eine Kombination aus beidem wäre denkbar. Vorrausetzung: Banken verstehen sich nicht als Monopolisten, sondern als Partner in einem Ökosystem mit teils auch branchenfremden Partnern.

- Finanzdienstleister können sich mit den Plattformen auch in zukunftsträchtigen Absatzmärkten jenseits der eigenen Branchengrenzen positionieren. Durch die branchenübergreifende Vernetzung mit Drittanbietern können Ökosysteme entstehen, die sehr weit in den Lebensalltag der Kunden vordringen. Smart Cities, Smart Home, digitales Gesundheitswesen und neue Mobilitätskonzepte sind nur einige Beispiele für potenzielle Teile solcher Ökosysteme, in denen Banken als zentraler Mittler für verschiedene Angebote und Leistungen auftreten. Sie geben damit zwar den Ein-zu-eins-Kundenkontakt auf, behalten aber als Türöffner die primäre Kundenbeziehung und sind im Lebensalltag des Kunden fest verankert.

- Durch die Zusammenarbeit mit Drittanbietern beschleunigen sich die Innovationszyklen der Banken. Da sich über die APIs der Institute bereits entwickelte und funktionsfähige Module an die Plattform anbinden lassen, verkürzt sich die Time-to-Market erheblich.

PPI hat im Rahmen der Studie "Open-Banking-Plattformen" sieben Anbieter im deutschsprachigen Raum zu deren Markteinschätzung, technischen Aspekten der Plattformen sowie bereits in den Plattformen integrierten Modulen und bestehenden Partnerschaften zu Drittanbietern befragt.

Dabei hat sich gezeigt: Was die Modulvielfalt betrifft, steht Open Banking bisher am Anfang, weshalb sich diese Studie auf klassische Banking-Module beschränkt. Für die schnelle Weiterentwicklung des bankeigenen Produkt- und Serviceangebots sind Drittanbieter elementar. Neben der Open-Banking-API bieten die untersuchten Plattformen optional bereits vorhandene Module be ziehungsweise Partnerschaften mit Drittanbietern. 48 Prozent der in den untersuchten Plattformen bereits integrierten Banking-Module stammen von diesen. Von den abgefragten, aber noch nicht integrierten Modulen könnten sie schon heute 57 Prozent über bekannte Drittanbieter anbinden. Die Module können in der Regel als White Label genutzt werden. Die Banken können ihren Kunden dadurch neue Services und Produkte in einem Bruchteil der bislang üblichen Anbindungszeit offerieren. Bei der Anbieterauswahl sind vorhandene Module und bestehende Partnerschaften entscheidend, um die Time-to-Market zu verkürzen.

Robo Advisor setzen sich durch

Im Bereich der Retail- und Private-Banking-Kunden sind bereits 59 Prozent der in der Studie abgefragten Module in die Open-Banking-Plattformen integriert. Zum Standard gehören ein übersichtliches und grafisch ansprechendes Dashboard sowie ein digitales Customer-Onboarding. Services rund um das Brokerage oder digitale Anlageberatung sind bei mehr als der Hälfte der Anbieter schon eingebunden, bei anderen können sie innerhalb eines Jahres selbst entwickelt oder über einen Drittanbieter integriert werden. Bei vier von sieben Anbietern sind Robo Advisor eingebunden. Gleiches gilt für Chats, Co-Browsing und Videochats zur individuellen Beratung. Auch Module zur Erhöhung der Sicherheit wie die digitale Signatur, Video-Ident und die Authentifizierung durch biometrische Merkmale bieten mehr als die Hälfte an.

Abbildung 3: Unterstützungsangebote in den Entwicklerportalen Quelle: PPI AG

Weniger verbreitet sind dagegen Tools, die nicht so unmittelbar mit dem Bankgeschäft verbunden sind, wie beispielsweise die digitale Steuererklärung oder ein Versicherungsmanager. Der Bereich der Vermögensverwaltung für Privat kunden wurde in der Studie gesondert untersucht. Zum Standard gehört hier die Integration von Marktdaten und -informationen. Ein individuelles Portfolioreporting offerieren vier von sechs Anbietern.

Für Selbstständige und KMU gibt es sehr viel weniger Angebote. Beinahe die Hälfte (47 Prozent) der abgefragten Module stehen nicht zur Verfügung. Die vorhandenen sind hier auf die speziellen Bedürfnisse von kleineren Unternehmen zugeschnitten. Beispielsweise beim Dokumentenmanagement: Über dieses Modul können Unternehmen elektronische Post - auch Rechnungen - empfangen und kategorisieren. Zudem wird ein Service zur Vereinfachung von Auslandstransaktionen angeboten. Ein dezidiertes Berechtigungsmanagement macht es möglich, verschiedenen Nutzern aufseiten des KMU unterschiedliche Rechte zu verleihen.

Die auf den Open-Banking-Plattformen der befragten Anbieter eingesetzten technischen Funktionalitäten unterscheiden sich sowohl bei den Betriebs- und Datenformaten, den Unterstützungsangeboten auf den Entwicklerplattformen, als auch in Integrationsaspekten. So offerieren zwar fast alle Befragten grundsätzlich den Betrieb ihrer Software als Software as a Service (SaaS) oder über eine Cloud. Einige Lösungen lassen sich aber auch auf Wunsch lokal auf der Hardware des Kunden betreiben. Den einheitlichen Berlin-Group-Standard für APIs haben sechs der sieben Anbieter umgesetzt.

Alle befragten Dienstleister betreiben für ihre Kunden ein Entwicklerportal, auf dem sie fachliches Wissen, Expertenhinweise und besondere Funktionen bereitstellen. Die Entwicklerportale haben nicht nur unterstützende Funktion, sie tragen auch erheblich zur Sicherheit der Open-Banking-Plattformen bei. Denn Programmierer können erst auf die hier vorhandenen Tools und Informationen zugreifen, wenn sie einen umfangreichen Registrierungsprozess durchlaufen haben.

Open Banking bietet für etablierte Banken und Finanzdienstleister deutlich mehr Chancen als Risiken, wenn die Institute es strategisch einsetzen und sich selbst als zentralen Player innerhalb der neuen Ökosysteme etablieren. Vorteil der Banken: Sie verfügen noch über den Primärzugang zum Kunden und einen hohen Vertrauensvorsprung. Die Zusammenarbeit mit Drittanbietern und deren Anbindung über APIs gibt ihnen die Möglichkeit, Privat- und Firmenkunden viele neue, innovative Produkte und Dienstleistungen zu offerieren. Banken profitieren von Open-Banking-Plattformen unmittelbar.

Die zusätzlichen Angebote verfestigen die Kundenbeziehung, zudem gelingt es ihnen durch die Zusammenarbeit mit Drittanbietern ihre eigenen Produkt- und Serviceangebote schneller weiter zu entwickeln. Gleichzeitig können sie als Plattformbetreiber Provisionserlöse für die API- oder Plattformnutzung generieren.

Noch steht Open Banking am Anfang. Die meisten derzeit angebotenen Module haben einen engen Bezug zum klassischen Bankgeschäft. Die Studie zeigt aber auch, dass sich erste Ansätze für neue Ertragsquellen jenseits des bisherigen Kerngeschäfts entwickeln.

In Zukunft wird eine Vielzahl von branchenfremden Modulen und Drittanbietern folgen. Banken müssen sich hier frühzeitig positionieren und einen Paradigmenwechsel hin zum Beyond Banking vollziehen.

Guido Köhler Manager, PPI AG, Köln
 
Florian Hartmann Senior Consultant, PPI AG, Frankfurt am Main
 
Aktuelle PPI-Studie Die detaillierten Umfrageergebnisse sowie weitere Informationen zu Marktchancen durch Open Banking gibt die Studie "Open-Banking-Plattformen" des Hamburger Beratungs- und Softwarehauses PPI AG. Die Studie kann auf der Webseite der PPI AG kostenlos angefordert werden:www.ppi.de/studie-open-banking
Guido Köhler , Manager, PPI AG, Köln
Florian Hartmann , Senior Consultant, PPI AG, Frankfurt am Main

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