Mit passiven Anlagestrategien den Klimawandel bekämpfen

François Millet, Foto: Lyxor International Asset Management

Der Autor beschäftigt sich in seinem Ar tikel mit der Frage, inwieweit nachhaltiges Investieren auch mithilfe von passiven Produkten funktioniert. Die Dringlichkeit des Themas ist bekannt. Auch bei den ETFs steigen daher die Zuflüsse in ESG-Produkte stark. Zwar gibt Millet zu, dass der Anteil der ETFs an den gesamten nachhaltigen Anlagen noch klein ist. Doch das liegt seiner Meinung nach nur daran, dass das Angebot an nachhaltigen Indizes lange Zeit sehr klein war. Doch mittlerweile sei die Anzahl auf über 1 000 gestiegen. Er weist zudem darauf hin, dass Anleger keinen Performance-Nachteil durch Nachhaltigkeit befürchten, was eine Studie der Lyxor Dauphine Research Academy herausgefunden habe. Er sieht eine zunehmende Rolle der ETF-Branche bei nachhaltigen Investments. Die Anbieter haben damit einen wichtigen Hebel in der Hand, mehr Nachhaltigkeit zu fordern. Lyxor habe 2018 schon an 2 600 Abstimmungen teil genommen und dabei Kapital von mehr als 14 Milliarden Euro vertreten. Allerdings funktioniert eine Einflussnahme nur bei physisch replizierenden ETFs. (Red.)

Das Jahr 2019 war ein Rekordjahr für nachhaltige Exchange Traded Funds (ETF). Bis Anfang Dezember sammelten europäische ESG-Indexfonds 13,8 Milliarden Euro ein. Indexfondsanleger profitieren von einer wachsenden Zahl an nachhaltigen Indizes.

Spätestens seit der UN-Klimakonferenz 2015 ist das Thema Nachhaltigkeit in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft angekommen. Auch auf den Finanzmärkten: Immer mehr Investoren stellen ihr Wertpapierportfolio unter ESG-Gesichtspunkten (Environment, Social and Governance, kurz ESG) auf den Prüfstand. Laut der Fonds-Ratingagentur Scope ist die Zahl nachhaltiger Investmentfonds innerhalb von knapp zwei Jahren (2017 bis 2018) allein auf dem deutschen Markt um mehr als 80 Prozent gewachsen. Mittlerweile stehen Anlegern für die Investmentanlage hierzulande rund 800 nachhaltige Fonds zur Verfügung.

Mit einem Marktvolumen von weltweit über sechs Billionen US-Dollar spielt der ETF-Markt im globalen Finanzsystem eine bedeutende Rolle und damit bei der Mobilisierung und Verteilung von institutionellem und privatem Kapital. In den nächsten fünf Jahren rechnet Blackrock mit einem Anstieg auf bis zu 12 Billionen US-Dollar. Gründe dafür sind unter anderem die deutlich geringeren Kosten und die höhere Transparenz, die ETFs im Vergleich zu aktiv gemanagten Fonds aufweisen.

Diese Entwicklung spiegelt sich auch im Bereich nachhaltiger Investments wider: Allein im ersten Halbjahr 2019 stiegen die europaweiten Zuflüsse in ETFs, die ESG-Kriterien berücksichtigen, um 50 Prozent. Bis Anfang Dezember investierten Anleger 2019 in Europa 13,8 Milliarden Euro in ESG-ETFs. Das entspricht gut 16 Prozent der Gesamtnettozuflüsse in europäische ETFs im gleichen Zeitraum (86 Milliarden Euro).

Zahl der ESG-Indizes stark gestiegen

Zugegeben, noch wird ein Großteil der auf ESG-Kriterien basierenden Vermögenswerte aktiv gemanagt. Das hat historische Gründe. Lange Zeit war das Angebot von ESG-Indizes sehr klein. Den ersten ESG-Index legte KLD Research & Analytics 1990 auf (heute MSCI KLD 400 Social Index). Mittlerweile gibt es mehr als 1 000 Indizes, welche die Kriterien Environment, Social and Governance berücksichtigen.

Der weltweit größte Anbieter von Nachhaltigkeitsanalysen und Ratings im Bereich Umwelt, Soziales und Government ist MSCI ESG Research, der mit seiner 40-jährigen Research-Expertise auf den Erfolgen der Nachhaltigkeitspioniere IRRC, KLD, Innovest und GMI Ratings aufbaut.

MSCI entwickelt seine ESG-Indizes auf Basis der Analyse von mehr als 6 000 Unternehmen. In einem aufwendigen mehrstufigen Auswahlprozess werden zunächst Unternehmen, die zum Beispiel in der Tabakindustrie, der Nuklearbranche oder in den Geschäftszweigen Glücksspiel, Militär oder Pornografie tätig sind, ausgeschlossen. Anschließend bewertet der Finanzdienstleister die Unternehmen anhand von 38 ESG-Kriterien wie etwa ihrem CO2-Ausstoß, ihre Energieeffizienz sowie der Mitarbeiter- und Unternehmensführung. Zuletzt werden solche Unternehmen aussortiert, die in Kontroversen verwickelt sind, zum Beispiel aufgrund mangelhafter Arbeitssicherheit oder Rückrufaktionen. In einen ESG-Index aufgenommen werden schließlich nur diejenigen Unternehmen, die im Hinblick auf ESG-Faktoren zu den besten ihrer Branche zählen.

Das Trend-Leader-Konzept geht noch einen Schritt weiter. Neben dem ESG-Profil wird zusätzlich berücksichtigt, wie sich das entsprechende Rating im Zeitverlauf ändert. Unternehmen, die sich um die Verbesserung ihres Ratings bemühen, erhalten eine höhere Punktzahl. Im Index kann das dann zu einer höheren Gewichtung führen. Damit werden Anreize geschaffen, um in den Index aufgenommen zu werden.

Anleger müssen nicht befürchten, dass die Berücksichtigung von Klimaschutz oder anderen nachhaltigen Strategien zulasten der Performance ihres Portfolios geht. Im Gegenteil: Unter Risikoaspekten dürften nachhaltige Investments, wie MSCI in einer Analyse nachgewiesen hat, sogar mittelfristig besser abschneiden.

Keine Kompromisse bei der Performance von ESG-Fonds

Dieses Ergebnis wird durch eine Studie der Lyxor Dauphine Research Academy in Zusammenarbeit mit der Universität Lausanne unterstützt. Die Forscher untersuchten unter anderem, ob die Ausrichtung auf ESG-Anlagen die Wertentwicklung eines Portfolios schmälert und ob bestimmte Faktoren zu besseren Ergebnissen führen als andere. Dafür haben sie rückwirkend über einen Zeitraum von zwölf Jahren (Januar 2007 bis Dezember 2018) ein breites Spektrum von Risiko- und Renditemerkmalen für bis zu 7 000 internationale Aktien aus dem MSCI All Country World Index analysiert. Für jeden der drei ESG-Faktoren - Umwelt, Soziales und Governance - wiesen sie den Unternehmen einen Score zu.

In einem nächsten Schritt nahmen sie nach und nach Aktien aufgrund ihres ESG-Wertes aus dem ursprünglichen Anlageuniversum heraus. Das Ergebnis: Der Ausschluss von Unternehmen auf Basis ihres ESG-Scores wirkte sich nicht negativ auf das Portfolio aus. Im Gegenteil, in einigen Fällen führte diese Vorgehensweise sogar zu Verbesserung der risikobereinigten Renditen im Vergleich zum ursprünglichen Aktienuniversum.

Außerdem stellten die Forscher fest, dass ein sehr stringenter Ansatz zu einer verstärkten Ausrichtung auf Aktien aus Europa und dem Pazifikraum sowie zu einer Verdrängung von Titeln aus den USA und den Schwellenländern führte. Grund dafür waren die schlechten ESG-Werte von Unternehmen aus den USA und den Emerging Markets im Vergleich zu Europa und dem pazifischen Raum.

Nachhaltigkeit ist ein Megatrend

Nachhaltigkeit ist ein gesellschaftlicher Trend, der großen Einfluss auf die Finanzmärkte und ihre Instrumente nimmt. Die meisten Unternehmen haben mittlerweile erkannt, dass sie den gesellschaftlichen Paradigmenwechsel hin zu einer nachhaltigeren Lebens- und Unternehmensführung ernst nehmen müssen. Erst jüngst erklärten rund 200 Chief Executive Officers großer US-Unternehmen wie Apple, Walmart und Amazon, dass der Shareholder Value künftig bei ihnen nicht mehr den höchsten Stellenwert einnehmen soll. Stattdessen wollen sie sich künftig stärker auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter, Kunden und Zulieferer sowie auf den Schutz der Umwelt und des Allgemeinwohls konzentrieren.

Diese Entwicklung wird nicht zuletzt durch die Politik und die Finanzmarktteilnehmer getrieben. Fehlende Nachhaltigkeit gilt selbst bei klassischen Ratingagenturen wie Fitch, Moody's und S&P mittlerweile als bedeutender Risikofaktor, der in die Unternehmensbewertungen mit einfließt. Unternehmen, die sich nicht glaubwürdig mit ihrer ökologischen, sozialen und ökonomischen Nachhaltigkeit beschäftigen, müssen mittlerweile mit Nachteilen auf dem Kapitalmarkt rechnen.

Investoren unterstützen Klimaschutz und Gesellschaft

Als wachstumsstärkstes Marktsegment spielen ETFs eine zunehmende Rolle bei der Verteilung des Anlegerkapitals auf Vermögenswerte, die ethischen und ökologischen Prinzipien folgen. ETF-Anbieter haben damit (wie aktive Fondsmanager auch) einen nicht zu unterschätzenden Hebel in der Hand, mit dem sie Unternehmen im Interesse ihrer Kunden dazu bewegen können, ihre Nachhaltigkeit zu verbessern. Dies gilt, entgegen der weit verbreiteten Annahme, auch für Vermögensverwaltungen, die passive Investmentstrategien managen. Lyxor Asset Management zum Beispiel hat 2018 an mehr als 2 600 Abstimmungen teilgenommen und über Aktienpositionen von mehr als 14 Milliarden Euro abgestimmt.

Möglich ist das allerdings tatsächlich nur bei Indexfonds mit direkter (physischer) Replikation. Dabei kauft der Fonds sämtliche Wertpapiere des zugrunde liegenden Index und gewichtet diese eins zu eins zum Referenzindex. Bei indirekter (synthetischer) Replikation hingegen geht dies nicht. Hierbei stellt der ETF- Anbieter die Wertentwicklung des Index über ein Tauschgeschäft, einen Swap, dar.

Zusammenfassend lässt sich feststellen: Investoren tragen mit nachhaltigen Finanzinstrumenten in erheblichem Maß zur Finanzierung der Bekämpfung des Klimawandels und der Entwicklung hin zu einer nachhaltiger orientierten Unternehmensführung bei. Künftig werden Finanzberater im Rahmen einer Nachbesserung von MiFID II verpflichtet, das Thema Nachhaltigkeit in die Finanzberatung zu integrieren. Vor allem Privatanleger werden damit für das Thema und die Möglichkeiten bei der Vermögensanlage sensibilisiert. Das wird die Nachfrage nach nachhaltigen Finanzprodukten sicherlich noch weiter verstärken.

François Millet Head of ETF Strategy, ESG & Innovation, Lyxor Asset Management, Paris
François Millet , Head of ETF Strategy, ESG & Innovation, Lyxor Asset Management, Paris
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