Personal bewegen - Reorganisation für neue Perspektiven

Jörg Rau, Foto: Foto Studio Hirch, Darmstadt

Die Betriebskosten müssen von einem Unternehmen stets im Auge behalten werden. Neben den gerade auch im Bankensektor enormen Investitionen in IT wandert dabei nach Meinung der Autoren der Blick auch stets auf die Personalkosten. Veränderungen in Hinblick auf die Belegschaft würden damit unvermeidlich. Grundsätzlich stellen Rau und Wirtz hierbei die Frage, ob es sinnvoll sei, die Stellen wie früher - also langfristig und unbefristet - zu besetzen. Sie weisen darauf hin, dass Interimsbesetzungen, projektbezogene Rekrutierung oder Arbeitnehmerüberlassung für eine bestimmte Periode nach ihrer Einschätzung manchmal sinnvoller sein könnte. Kritik üben die Autoren auch an der Praxis, überflüssige Arbeitskräfte weiter zu beschäftigen und sie "auszuschwitzen", also zu warten bis sie freiwillig gehen. Dies sei zwar sinnfällig und begreiflich, ist aber nach Meinung von Rau und Wirtz falsch für die betroffenen Mitarbeiter und eher schädlich. (Red.)

Überall drohen Krisen und auch die Corona-Krise wird die Gesellschaft noch lange Zeit beschäftigen, denn die vierte Welle, so ist zu befürchten, wird nicht die letzte sein. Die zur wirtschaftlichen Lage täglich veröffentlichten Zahlen versprechen auch für die Zukunft nichts Gutes.

Tiefgreifende Veränderungen

Die Konsumausgaben sind um 6,1 Prozent gesunken, die Einkommenseinbußen der Erwerbstätigen wegen der Korona-Pandemie werden auf 3,2 Prozent geschätzt. Die Investitionen sind um einen zweistelligen Prozentsatz zurückgegangen, auch Export und Import sind um einen ähnlichen Prozentsatz gesunken. Die Arbeitslosenquote erhöhte sich auf 5,9 Prozent, wobei der hohe Anteil der Kurzarbeit noch gar nicht berücksichtigt ist. Die niedrigen Zinsen haben diesen Negativtrend noch beschleunigt.

Entgegen aller Schönrederei ist zu erwarten, dass die wirtschaftliche Entwicklung in naher Zukunft die meisten Unternehmen, von einigen wenigen Krisengewinnlern wie den Lieferdiensten oder dem Onlineverkauf abgesehen, zu tiefgreifenden Anpassungsmaßnahmen und Veränderungen zwingen wird. Bisher unbekannte Herausforderungen wie die Digitalisierung und damit verbundene Automatisierung, sowohl im Produktions- als auch im Servicebereich und eine erhöhte Onlinepräsenz, stellen auch das professionelles HR-Management vor ganz neue Aufgaben, die alle Branchen sowohl in horizontaler als auch vertikaler Hinsicht betreffen. Restrukturierungsmaßnahmen und eine weitgehende Neuorientierung auf zukünftige Themenbereiche lassen sich zwar schon heute deutlich erkennen und werden im Rahmen von kurzfristigen Entscheidungen auch erkannt, jedoch wurden sie infolge der großen Anzahl an regulatorischen Anforderungen bisher nur sehr zögerlich in Angriff genommen und daher auch kaum realisiert.

Blick auf die Personalkosten

Wenn ein Unternehmen auf seinem Markt erfolgreich agieren will, muss es Antworten auf ein sich veränderndes Marktumfeld finden und Veränderungen selbst aktiv angehen, ehe Veränderung von außen ihre Wirkung auf das Unternehmen entfalten und damit den eigenen Handlungsspielraum einengen oder wichtige Bereiche von Dritten besetzt werden.

Es ist jedem Unternehmer zu gönnen, wenn die gesetzten Unternehmensziele erreicht werden, die erwünschten Gewinne eingefahren werden und mögliche Risiken kontrolliert werden können. Trotzdem müssen die Betriebskosten zu jeder Zeit im Auge behalten werden. Die Kosten für die Einführung von IT und für Zukunftsinvestitionen müssen permanent auf den Prüfstand gestellt werden, zumal sie einerseits zunehmen und andererseits auch zwingend notwendig sein werden. In diesem Zusammenhang wandert der Blick recht schnell auf die Personalkosten. Veränderungen in Hinblick auf die Belegschaft werden dann unvermeidlich. Nach weit verbreiteter Ansicht auch angesehener Beratungsinstituten muss stets ein bestimmter Anteil der Mitarbeiter den Konsequenzen von Neuerungen im Unternehmen Rechnung tragen und dementsprechend freigesetzt werden.

Jedoch ist es höchst zweifelhaft, ob die Unternehmen ihre Mitarbeiter tatsächlich in ausreichendem Maße kennen. Hier stellt sich die Frage, ob ein Geschäftsleiter oder HR-Verantwortlicher wirklich die Talente und Fähigkeiten eines jeden Belegschaftsmitglieds kennt. Dabei spielt hier nicht die Einschätzung der täglichen Arbeit die entscheidende Rolle. Vielmehr geht es in diesem Zusammenhang um die spezifischen Interessen und die Neugier jedes einzelnen Mitarbeiters, um die Bereitschaft zur Veränderung und um den Mut Neues zu versuchen. Es geht auch darum, den Mitarbeitern die Chance zu geben, sich im Neuen auszuprobieren, eigene Talente zu entdecken und Wünsche und möglicherweise auch Träume wahr werden zu lassen. Als Transfergesellschaft erleben wir fast täglich, dass Mitarbeiter, deren Beschäftigungsverhältnis bei einem Unternehmen beendet wurde, weil dort keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bestanden, sich in kürzester Zeit in einem völlig neuen Tätigkeitsfeld bei einem anderen Unternehmen wiederfinden. Hier stellt sich die Frage, ob dieser Weg nicht auch beim alten Arbeitgeber möglich gewesen wäre. Aus Erfahrung zeigt sich, dass eine bessere Kenntnis des einzelnen Mitarbeiters und eine bessere Kommunikation über wichtige Themenbereiche möglicher weise zu einer anderen Entscheidung geführt hätten.

Genossenschaftliche Idee für die zwischenmenschliche Ebene

Visionen, Strategien und Ziele existieren in jedem Unternehmen und werden täglich neu überdacht. Wertvorstelllungen und Selbstverständnis entstehen bei der Auseinandersetzung mit den alltäglichen Herausforderungen. Beurteilungen und Feedback-Runden eignen sich in besonderer Weise, um Mitarbeiter auch in ihrer Persönlichkeit besser kennen zu lernen. Dazu müssen jedoch auch die dazu geeigneten Inhalte besprochen und diskutiert werden. Externe Hilfestellung zu leisten, kann in diesem Zusammenhang sehr hilfreich sein, um den von Alltagsroutinen Gefesselten die notwendige Unterstützung zu gewähren. Jeder Mensch ist von etwas angetrieben. Hier kommt die genossenschaftliche Idee ins Spiel, die gerade für die zwischenmenschliche Ebene äußerst förderlich ist. Dies bezieht sich keineswegs nur auf genossenschaftlich organisierte Unternehmen, sondern auf alle Unternehmen, die bereit sind, ihre Mitarbeiter ernst zu nehmen und mit ihnen auf gleicher Ebene zu kommunizieren.

Fast überall Fachkräftemangel

Personaler haben gerade dann ein Erfolgserlebnis, wenn eine neue Stelle erst nach schwierigen und langen Diskussionen und nach Ausräumung einer Reihe von Einwänden von der Unternehmensführung genehmigt wurde. Hier stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, Stellen so zu besetzen, wie es auch schon früher üblich war, nämlich unbefristet und langfristig. In diesem Zusammenhang könnte eine Interimsbesetzung, eine projektbezogene Rekrutierung oder eine Arbeitnehmerüberlassung für eine bestimmte Zeitperiode möglicherweise die bessere Lösung sein und, angesichts des geringeren Risikos, auch schneller durchzuführen sein.

Hinsichtlich der Kosten ist anzumerken, dass das Unternehmen bei derartigen Stellenbesetzungen nur für die tatsächlich geleistete Arbeit aufkommen muss. Der Fachkräftemangel macht sich zwar fast in allen Bereichen bemerkbar, jedoch wer für Alternativen nicht offen ist, der muss den Mitkonkurrenten über kurz oder lang das Feld überlassen.

Tiefgreifende Veränderungen, die sich schon heute in neuen Formen der Zusammenarbeit und in Fusionen manifestieren, werden auch zukünftig das Bild unserer Wirtschaft prägen. Durch Synergieeffekte eröffnet sich die Möglichkeit, Tätigkeitsfelder zusammenzulegen und zu vereinheitlichen. Die heutige Praxis, überflüssige Arbeitskräfte weiter zu beschäftigen und "auszuschwitzen", bis diese freiwillig abtreten oder in den Ruhestand gehen, ist zwar sinnfällig und begreiflich, sie ist aber unsinnig und für die betroffenen Mitarbeiter eher schädlich. Zudem entstehen wegen der schlecht oder unnütz Beschäftigten auch erhebliche Kosten für das eigene Unternehmen. Diese Praxis mag gut gemeint sein, sollte jedoch zum Wohle aller unbedingt vermieden werden.

In diesem Kontext besteht die Hauptaufgabe darin, den Mitarbeitern während des Transformationsprozesses Unterstützung zuteilwerden zu lassen. Transparenz, ein fairer Umgang, Ehrlichkeit und Seriosität werden von allen Mitarbeitern geschätzt. Eine Aussprache über die Zukunft eines Mitarbeiters, die auch außerhalb des eigenen Unternehmens liegen kann, ist wesentlich hilfreicher als die oft praktizierte Nichtkommunikation. Diskussionen über einen Personalabbau sind auch für die meisten Führungskräfte unangenehm und werden es sicher auch in Zukunft sein. Halbherziges Handeln und Zögern jedoch sind auch wenig hilfreich und schaden der Entscheidungsfindung. In diesem Zusammenhang kann eine Unterstützung und ein Fitness-Check durch Dritte hilfreich sein. Ein Fitness-Check, der Behutsam, mit Augenmaß und ausreichend Zeit angegangen wird, kann einen guten Beitrag leisten und hilft mehr, als hier einen blinden Fleck zu kultivieren, bis es nicht mehr geht.

Integrale Bestandteile einer erfolgreichen Transfergesellschaft

Maßnahmen, die zum Beispiel von einer Transfergesellschaft mitgestaltet werden, können wesentlich zur Verständnisbereitschaft beitragen. Mitarbeiter, denen ein derartiges Angebot gemacht wird, erkennen schnell, dass das Unternehmen, bei dem sie bisher gearbeitet haben, auch die Zukunft eines jeden Angestellten mitbedacht hat und möglicherweise interessante Lösungsmöglichkeiten vorschlägt. Arbeitnehmervertretungen, die in dieser Sache nicht nur in konstruktiver Weise kooperieren, sondern deren Denken auch in dieselbe Richtung geht, sind bereit, derartige Abbaumaßnahmen mitzutragen, womit langfristige Verhandlungen über Sozialpläne merklich beschleunigen werden können. Leistungen von Transfergesellschaften werden vom Staat stark unterstützt, wodurch sich die Aufwendungen dafür erheblich verringern lassen. Durch klar bestimmbare Kosten wird die Kalkulation vereinfacht, wodurch Kündigungsschutzverfahren, die mit unkalkulierbaren Risiken verbunden sind, vermieden werden können.

Einem Unternehmen entsteht keineswegs ein Nachteil, wenn es sich um seine Mitarbeiter bemüht, auch wenn diese zukünftig für ein anderes Unternehmen tätig sein werden. Professionell arbeitende Transfergesellschaften, die am Markt gut etabliert sind, zeichnen sich nicht nur durch eine hervorragende Markt- und Branchenkenntnis, sondern auch durch eine profunde Menschenkenntnis und Mitarbeiterorientierung aus und können mithilfe von Profilings, Trainings- und Coaching-Maßnahmen, Praktika oder ähnlichen Angeboten den Mitarbeitern neue Wege aufzeigen, die ihnen oft völlig neue Perspektiven eröffnen. Dabei sind Empathie, individuelle Unterstützung, die Fokussierung auf den Transfermitarbeiter oder die Transfermitarbeiterin bei gleichzeitigem respektvollem Umgang mit der individuellen Persönlichkeit integrale Bestandteile einer erfolgreichen Transfergesellschaft. Sie bietet den Mitarbeitern den notwendigen (auch zeitlichen) Rahmen, die eigene Transformation von Verlust über die neutrale Phase bis hin zur aktiven Neuorientierung zu gestalten.

Spotlight - Die Kommunikation auf eine neue Basis stellen. - Auch die bisher nicht bekannten Stärken und Talente der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erforschen und fördern. Die Motivation der Mitarbeiter kennen.- Dieses Wissen für das Unternehmen zu nutzen, bringt häufig mehr Vorteile alsständige Neueinstellungen. Strategien entwickeln und Ziele bestimmen.- Personaldefizite und -überschüsse rechtzeitig identifizieren und bekannt machen. Gemeinsames Vorgehen der Betriebsparteien. Einstellungen variabel handhaben, um Flexibilität und Bereitschaft zu wahren.- Personalabbau mit Wertschätzung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durchführen und Sozialverträglichkeit beachten, jedoch stets die Kosten im Blick behalten.- Professionalität nutzen. Bisherige Erfahrungen und Erfolge für sich selbst und das eigene Unternehmen nutzbar machen. Stets in Bewegung bleiben, nur so wird Veränderung erfolgreich sein.
Jörg Rau , Geschäftsführer , PDZ Personaldienste & Zeitarbeit GmbH
Oliver Wirtz , Head of HR Transformation & Change Management , PDZ Personaldienste & Zeitarbeit GmbH

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