Perspektiven für die Bancassurance - worauf kommt es an?

Dirk Wessel, Foto: Swiss Life AG

Die Bancassurance als Vertriebskonzept zwischen Banken und Versicherungen ist nicht sonderlich neu, erhält aber aufgrund der aktuell für beide Branchen schwierigen Rahmenbedingungen (unter anderem durch das Niedrigzinsumfeld) neuen Auftrieb. Und das, obwohl in der Vergangenheit zum Beispiel mit Blick auf die gescheiterte Fusion zwischen der Allianz und der Dresdner Bank und dem anschließenden Verkauf der Dresdner Bank an die Commerzbank keine sonderlich guten Erfahrungen mit diesem Konzept gemacht worden sind. Allerdings wird das Thema heute schon wesentlich weiter als nur bis zum Bankschalter gedacht, so der Autor, weshalb ein Umdenken stattfindet und digitale Ansätze entstehen. Diese Entwicklung sei zu begrüßen, da sich die Kunden einen allumfänglichen Überblick bei ihren Finanzen und ihrer Vorsorge wünschen würden, zu wenige Menschen aber über diesen derzeit verfügen und daher noch viel ungenutztes Ertragspotenzial bestehe. (Red.)

Bancassurance ist vom Grundsatz her ein sehr weit gefächerter Begriff, denn es gibt eine Vielzahl an Bancassurance-Strategien und -Modellen und vor allen Dingen ist das Thema Bancassurance als solches alles andere als neu. In der Vergangenheit verstand man umgangssprachlich unter Bancassurance rein den stationären Vertrieb von Versicherungsprodukten über den Bankschalter, in Kooperation mit dem jeweiligen Verbundpartner als Ausschließlichkeitsvermittler.

Bereits 2008 sorgten das Scheitern der Fusion zwischen Allianz und Dresdner Bank und der anschließende Verkauf der Dresdner Bank an die Commerzbank für Ernüchterung im Bancassurance-Bereich. Bedingt durch das anhaltende Niedrigzinsumfeld ist der ertragsseitige Druck auf Kreditinstitute mittlerweile aber zu groß, um sich auch zukünftig von Bankenseite den Umsatzpotenzialen aus dem Versicherungsvertrieb zu versperren. So ist der Vertrieb von Versicherungsprodukten in den vergangenen Jahren mehr und mehr in den Fokus von Banken gerückt.

Wesentlicher Ertragstreiber in den vergangenen Jahren, vor der erneuten Absenkung des Höchstrechnungszinses im Jahr 2022, war insbesondere das Einmalbeitragsgeschäft, häufig in konventionellen Klassiktarifen, mit kurzen Laufzeiten und bestenfalls noch mit einer 100-prozentigen Bruttobeitragsgarantie zum Laufzeitende. Trotz niedriger Renditen galten diese Lösungen in Zeiten von Verwahrentgelten als lukrative und sinnstiftende Alternative für Anleger, die unverändert das Direktinvestment ablehnten beziehungsweise nur bedingt die Flexibilität der jederzeitigen Verfügbarkeit aufgeben wollten. Selbst Banken nutzten, mangels Alternativen, verstärkt die Versicherungslösung im Eigengeschäft.

Bestehende Kooperationsmodelle zunehmend hinterfragt

Ist das der Versicherungsvertrieb der Zukunft? Oder hat das Einmalbeitragsgeschäft eher die Sicht auf die mögliche Ertragskraft des Versicherungsgeschäfts verschleiert?

Eher letzteres. Daher befindet sich der Bancassurance-Markt im digitalen Zeitalter erneut im Umbruch und erfordert ein endgültiges Umdenken.

Laut einer aktuellen GDV-Studie spielen Kreditinstitute aktuell keine entscheidende Rolle im Versicherungsvertrieb. Lediglich im Bereich Lebensversicherungen kommen sie auf einen Vertriebsanteil von 18,8 Prozent.

Bestehende Kooperations- beziehungsweise Verbundmodelle werden daher zunehmend hinterfragt. Der Point of Sale verlagert sich verstärkt auf Online-Plattformen, auf denen andere Marktteilnehmer bereits entscheidende Kundenschnittstellen besetzen, perfektionieren und somit den Druck auf Kreditinstitute zusätzlich verstärken. Denn hier werden bereits Customer Journeys bereitgestellt, die dem Kunden leicht und verständlich Produkt- und Preisvergleiche inklusive einfacher Abschlussmöglichkeiten zugänglich machen.

Das Zugpferd der digitalen Kundenzugangswege im Versicherungsgeschäft kommt bei Banken leider aktuell nur sehr bedingt beziehungsweise nur stark eingeschränkt zum Einsatz. Hier liegt ein erster Hebel, in dem die digitale Präsenz ausgebaut und das Wissen um den Kunden anlassbezogen genutzt wird.

Zwar gewinnen Banken aus Sicht der Kunden die Vertrauensfrage gegenüber Versicherungen und Online-Anbietern und werden als kompetenter Ansprechpartner im Versicherungskontext wahrgenommen, dennoch gilt: Jeder dritte Kunde wurde, trotz eines Absicherungswunsches, noch nicht aktiv auf ein Versicherungsprodukt angesprochen.

Strategiewechsel bei Banken

Hier liegt der zweite Hebel zur Ertragsoptimierung. Insbesondere Banken haben durch ihr flächendeckendes Filialnetz und ihre Nähe zum Kunden einen Vertriebsvorteil, der keinem weiteren Marktteilnehmer auch nur ansatzweise zur Verfügung steht. Neben dem reinen Absicherungsgedanken wünschen Kunden einen allumfänglichen Überblick über ihre Finanz- und Vorsorgeprodukte. Daher wird die Hausbank unverändert als neutraler und vertrauensvoller Berater geschätzt.

Der überwiegende Teil der Banken setzt daher auf einen Strategiewechsel und baut die Kooperationen zu Versicherungsgesellschaften aus, löst sich aber aus der Ausschließlichkeit und sucht gezielt die Zusammenarbeit mit unabhängigen Plattformanbietern. Aktuell ist eine klare Entwicklung aus dem reinen Ausschließlichkeitsvertrieb heraus hin zu Kooperationsmodellen mit mehreren, qualifizierten Produktgebern zu erkennen.

Günstige Rahmenbedingungen

Die aktuellen Rahmenbedingungen für die digitale Bancassurance sind so günstig wie nie. Das regulatorische Umfeld erleichtert den Datenaustausch, die Kunden erwarten eine einfache, digitale Lösung aus einer Hand und der Ertragsdruck zwingt Banken zum Handeln.

Was ist neu und was ist anders im Jahr 2022? Was sind die Lehren aus den vergangenen Jahren? Für uns im Vertriebsweg Banken von Swiss Life steht das Jahr 2022 ganz im Zeichen von Bancassurance 2.0.

Swiss Life ist davon überzeugt, dass Bancassurance 2.0 in der gezielten Kombination aus Direktanbindungen und digitalen, plattformbasierten Beratungsmodellen in Ergänzung oder im Austausch zu den bestehenden Verbundpartnermodellen eine "Win-win-win-Situation" für Kunden, Banken und Versicherungen darstellt.

Insbesondere finanzstarken Versicherungspartnern, außerhalb der Verbundlogik, welche die Fähigkeit besitzen, sich auf Bankpartner und deren Kunden einzustellen und dafür über ein entsprechen - des Netzwerk in die digitalen Welten und unterschiedlichen Plattformlösungen verfügen, kommt hier ein besonderer Stellenwert zu. Längst sind die Zeiten vorbei, in denen eine Versicherungsgesellschaft rein als Produktgeber agieren konnte. Aktuell sind insbesondere die Fähigkeiten als Trusted Advisor in Kombination mit leistungsstarken Angeboten gefragt.

Voraussetzungen für den Erfolg

Im Zielmodell der Banken sollten unter anderem grundsätzlich folgende Voraussetzungen beziehungsweise Differenzierungen geschaffen werden:

  • Feststellung des erforderlichen Vermittlerstatus im Zielmodell,
  • klare Abgrenzung zwischen Bancassurance und digitaler (hybrider) Bancassurance,
  • in welchen Kundensegmenten/Zielmärkten nutze ich als Kreditinstitut welche (verbundübergreifenden) Produktanbieter beziehungsweise Plattformlösungen,
  • Differenzierung zwischen Retail- und Spezialisten-Geschäft erforderlich, bedingt differenzierten Mitarbeitereinsatz,
  • systemische Integrationen der Produktlinien/Plattformlösungen ins jeweilige Kernbanksystem,
  • Befähigung der Mitarbeiter beziehungsweise Versicherungsspezialisten Vergleichsrechner/Plattformlösungen zielführend am Kunden einzusetzen und die Kompetenzerweiterung der Mitarbeiter im Markt, anlassbezogen die aktive Kundenansprache vorzunehmen,
  • Einführung eines CRM-Systems als Knotenpunkt zum Kunden und internes Agenturverwaltungssystem.

Denn allein die Bereitstellung von digitalen Verkaufsplattformen/Vergleichsrechnern in die Kundenschnittstellen wird nicht zum gewünschten Erfolg führen. Auf der anderen Seite ist aus Versicherer-Sicht die produktübergreifende Verzahnung in die Bankenlandschaft, die Kooperation mit Verbundpartnern im Konsortialgeschäft und das Zusammenspiel mit Pools und Dienstleistern ein entscheidender Faktor, um Bancassurance mit wachstumsorientierten Banken erfolgreich zu gestalten.

Aus Sicht von Swiss Life ist die Zeit gekommen, aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt zu haben und den Wachstumsmarkt Bancassurance mit starken Partnern, die Bancassurance können und verstanden haben, erfolgreich zu erschließen.

Fußnoten

1) GDV, 2019, Vertriebswegeanteile in der Lebensversicherung

2)Studie Perspektiven der Bancassurance in Deutschland 2021; Bankenforen Leipzig/fondsfinanz

Dirk Wessel , Key Account Manager Bankenvertrieb , Swiss Life AG, München
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