Positionen In die Zukunft Europas investieren

Jyrki Katainen, Vizepräsident, Europäische Kommission, zuständig für Arbeitsplätze, Wachstum, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit, Brüssel, und Werner Hoyer, Präsident, Europäische Investitionsbank, Luxemburg

Oberste Priorität der neuen Kommission ist eine ehrgeizige Agenda für Beschäftigung und Wachstum, und das völlig zu Recht. In den jüngsten Prognosen wird sowohl für die gesamte EU als auch für den Euroraum von einem schwachen Wirtschaftswachstum ausgegangen. Es ist nach wie vor mit einer nur langsamen Erholung zu rechnen, die an der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit nur wenig ändert, und Europa verliert in der globalisierten Weltwirtschaft weiter an Wettbewerbsfähigkeit.

Finanzquellen intelligent mobilisieren

Es ist Zeit zu handeln. Nach der Überwindung der Staatsschuldenkrise brauchen wir neue Impulse, um Investitionen zu mobilisieren. Die Investitionen sind von ihrem Höchststand 2007 um 15 Prozent auf 430 Milliarden Euro gefallen, was durch die Krise verstärkt wurde. In einigen Mitgliedstaaten fiel dieser Rückgang noch drastischer aus. Öffentliche und private Finanzquellen müssen jetzt auf intelligente Weise mobilisiert werden. Dabei muss jeder Euro, der aus öffentlichen Mitteln stammt, so eingesetzt werden, dass neue private Investitionen angekurbelt werden, ohne dass dadurch die öffentliche Verschuldung steigt.

Die neue Investitionsoffensive ist nicht isoliert zu betrachten. Vielmehr sind auf allen Ebenen staatlichen Handelns Maßnahmen notwendig. Sowohl auf der Nachfrage- als auch auf der Angebotsseite müssen alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um Wachstum und Beschäftigung zu schaffen. Wir müssen weiter die strukturellen Ursachen der dauerhaft schwachen gesamtwirtschaftlichen Nachfrage bekämpfen und dabei besonders bei den Investitionen ansetzen; zugleich gilt es, unsere Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, Produktionspotenzial zu erschließen und mit der Produktivität Europas in neue Bereiche vorzudringen.

Die Antwort auf die derzeitigen wirtschaftlichen Herausforderungen kann nicht von oben herab diktiert werden. Es gibt in Brüssel keine Wundermittel und keine Lösungen auf Knopfdruck. Wohlstand und Vertrauen in der Gesellschaft Europas können nur wiederhergestellt werden, wenn Struktur-, Finanz- und Geldpolitik auf nationaler und auf EU-Ebene auf wachstumsfördernde Weise integriert werden. Der Investitionsplan wird diese politischen Ziele flankieren. Die EZB hat bereits eine Reihe wichtiger Maßnahmen ergriffen, um die Geldpolitik zu lockern und deren Auswirkungen auf die finanziellen Rahmenbedingungen zu verbessern. Sie wird weiter eine wichtige Rolle spielen und im Rahmen ihres Mandats und in völliger Unabhängigkeit die Wirtschaft stützen.

Die Argumente für einen Investitionsplan für Europa sind hinreichend bekannt. Die Höhe der Investitionen in der EU liegt 270 Milliarden Euro bis 340 Milliarden Euro unter dem, was im historischen Kontext als tragfähig angesehen werden kann. Zum Teil ist der Investitionsrückgang lediglich ein Korrektiv für eine zu hohe Investitionstätigkeit in der Vergangenheit (besonders in der Immobilienbranche einiger Länder). Die Herbstprognose der Kommission zeigt jedoch, dass das niedrige Investitionsniveau immer noch die zaghafte Erholung der EU bremst, besonders im Euroraum. Liquide Mittel sind durchaus genügend vorhanden, doch die öffentliche und die private Verschuldung sind nach wie vor hoch und begrenzen den finanziellen Spielraum für viele Akteure. Gleichzeitig besteht ein hoher Investitionsbedarf, und für viele wirtschaftlich tragfähige Projekte wird eine Finanzierung gesucht.

Die Unsicherheit und die fehlende Risikobereitschaft der Projektträger halten Realinvestitionen zurück. Das Vertrauen in die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen muss wieder hergestellt werden, in der Politik und bei der Regulierung müssen Berechenbarkeit und Klarheit herrschen, Vertrauen in das Potenzial von Investitionsvorhaben muss aufgebaut werden, und es ist eine Risikotragfähigkeit nötig, die Investitionsanreize schafft und private Investoren und Projektträger ermutigt. Genau diese Aspekte müssen die Behörden auf allen Ebenen angehen. Hier kann die EU mit ihrem Instrumentarium, das ihr durch den EU-Haushalt und innerhalb der EIB als EU-Bank an die Hand gegeben wird, eine ganz besondere Rolle einnehmen.

Initiative zur Investitionsförderung

Vor diesem Hintergrund bereitet die Kommission mit der EIB eine über drei Jahre angelegte Initiative zur Investitionsförderung in Höhe von 300 Milliarden Euro vor, mit der die dringend benötigten Investitionen freigesetzt werden sollen. Sie soll in Schlüsselbereichen wie Infrastruktur, Bildung, Forschung und Innovation, erneuerbare Energie, digitale Wirtschaft sowie Entwicklung der KMU eine Risikotragfähigkeit sicherstellen. In diesem Zusammenhang müssen auch Regulierungshürden, die Investitionen hemmen, genau auf den Prüfstand gestellt und, falls erforderlich, abgeschafft werden. Zugleich müssen wir innovativer denken und die Entwicklung gemeinsamer Finanzinstrumente weiter vereinfachen.

Diese Initiative muss in eine umfassendere Strategie eingebunden werden, in deren Rahmen Strukturreformen zur Modernisierung von Bereichen wie Energie, Telekommunikation und digitale Wirtschaft mit einer ehrgeizigen Agenda für den Binnenmarkt sowie Maßnahmen zur Einrichtung einer Kapitalmarktunion mit neuen Wachstums- und Beschäftigungschancen durchgeführt werden. Außerdem muss sie flexibel genug angelegt sein, damit die verschiedenen Bedürfnisse unterschiedlicher Branchen und Regionen berücksichtigt werden können. Und zu guter Letzt sollte eine verantwortungsvolle, für jedes Land hinreichend ausdifferenzierte Fiskalpolitik die Erholung stützen und damit das Vertrauen aufbauen, das für Investitionen in eine von Wohlstand geprägte Zukunft der EU notwendig ist.

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