Wie die Post-Merger-Integration auch im komplexen Bankensektor gelingt

Frank Thole, Foto: Wepex

Das Verhältnis von Aufwand und Ertrag (Cost Income Ratio), die anhaltende Niedrigzinssituation, Konkurrenzdruck, wachsende regulatorische Aufwände, sich wandelnde Kundenbedürfnisse und nicht zuletzt die zunehmende Digitalisierung führen dazu, dass in deutschen Banken vermehrt über Zusammenschlüsse von Instituten nachgedacht wird. Die Bankenkonsolidierung schreitet unaufhaltsam voran. Und tatsächlich sind weitere Fusionen und Übernahmen unvermeidbar und bieten die Chance, vielfältige Synergien zu realisieren. In einem ersten Beitrag in Ausgabe 23/2020 der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen hat Thole den idealen Ablauf einer M&A-Transaktion aufgezeichnet. Um dabei die Vorteile auszuschöpfen, muss vor allem die Post-Merger-Integration (PMI) reibungslos funktionieren, was seiner Meinung nach bisher in den wenigsten Fällen gegeben sei. Daher vertieft der Autor nun nochmal diesen Teilabschnitt eines Zusammenschlusses im vorliegenden Beitrag. (Red.)

Gerade deutschen Banken fällt es schwer, Renditen und Skaleneffekte zu realisieren, die einem internationalen Vergleich standhalten. Vor allem kleinere Institute laufen Gefahr, den wachsenden Anforderungen nicht gerecht werden zu können und früher oder später "too small to survive" zu werden. Der Weg, sich gemeinsam stärker aufzustellen, um Kosteneffizienzen und Skaleneffekte zu erzielen, ist zumindest in der Theorie eine gute Alternative. Die Praxis sieht leider etwas anders aus: Zahlreiche Studien und Praxiserfahrungen zeigen, dass der überwiegende Großteil solcher Mergers & Akquisitions (M&A) nicht zu den erwünschten Ergebnissen führt.

Häufig liegt dies in der gescheiterten Post-Merger-Integration (PMI) begründet. Tatsächlich werden wirtschaftliche und juristische Aspekte im Vorfeld von Fusionen und Übernahmen sorgfältig überprüft. Häufig wird jedoch dem Transaktionsabschluss nachfolgenden Aspekten der Integration, wie dem Change-Management im Hinblick auf Mitarbeitende und Unternehmenskultur sowie insbesondere der Post-Merger-Integration (Konsolidierung der Prozesse, Daten, Systeme und Methoden, Integration und Migration) zu wenig Aufmerksamkeit zuteil. Das kann in der Konsequenz dazu führen, dass das gesamte Projekt insofern scheitert, als die gewünschten Synergien nicht erzielt und die Ziele nicht erreicht werden.

Integrationsanforderungen schon im Vorfeld prüfen

Erfolgreiche M&A-Projekte zeichnen sich dadurch aus, dass auch die Post-Merger-Integration von Beginn an in sämtliche Überlegungen einbezogen wird. Das bedeutet, sich frühzeitig Klarheit darüber zu verschaffen, welche Art und welcher Grad von Integration erforderlich sein wird:

- Ist eine vertikale Fusion geplant, die eine Integration entlang der gesamten Wertschöpfungs- und Prozesskette erfordert? Dieses Modell ist bei der Fusion zweier Banken der Regelfall.

- Oder handelt es sich um eine horizontale Fusion, die lediglich eine Integration der Frontoffice Seite, an den "Points of Sales" et cetera erfordert, zum Beispiel wenn eine Großbank einen Fintech-Provider kauft?

- Oder geht es um eine hybride konzentrisch/generische Fusion? Das wäre der Fall, wenn eine Bank von einem Anbieter einer anderen Industrie gekauft wird, der in den Finanzsektor expandieren will, zum Beispiel bei einer Akquisition eines Kreditinstituts durch Online-Marktplatzbetreiber wie E-Bay oder Amazon.

Aus der Art der Fusion ergibt sich der Grad der erforderlichen IT-Integration. Zu unterscheiden sind eine IT-Koexistenz (niedrige Integrationsambition), eine parzielle IT-Integration (moderate Integrationsambition) und die komplette IT-Integration (hohe Integrationsambition).

Je nach Zielsetzung gilt es, den richtigen Integrationsansatz auszuwählen. Für eine niedrige Integrationsambition kann zum Beispiel eine einfache Synchronisation ausreichen, während eine komplette IT-Integration am besten mit einer Erneuerung, Übernahme und/oder Standardisierung zu stemmen ist.

Besonderes Maß an Komplexität bei Banken

Banken zeichnen sich durch große Volumina vertraulicher Daten und eine Vielzahl heterogener Applikationen für Transaktionsverarbeitung, Ertrags- und Risikomessung, Zahlungen, Rechnungs- und Bilanzwesen, Meldewesen und Ähnliches aus. Aus diesen Gründen ist die Post Merger Integration häufig deutlich komplexer als in anderen Industrien oder Branchen.

Im Idealfall sollte deshalb bei den involvierten Instituten das Ausmaß der technologischen und operationellen Übereinstimmung, der Deckungsgleichheit der IT- und Prozessinfrastruktur, zwischen Akquisiteur und akquiriertem Unternehmen beziehungsweise den Fusionspartnern bereits im Rahmen der Due Diligence intensiv geprüft werden. Sonst kann es bei der Vorbereitung der Post-Merger Integration zu signifikanten Verzögerungen und Problemen kommen.

Neben der Zielsetzung der Integration stellt sich die Frage nach dem Status quo. Denn natürlich wird der Integrationsaufwand auch davon bestimmt, wie groß die Differenzen zwischen den Parteien sind: Die Bandbreite reicht von IT- und Prozess-Infrastrukturen ohne jegliche Ähnlichkeiten und Überlappungen über ähnliche IT- und Prozess-Infrastrukturen mit kleinen Überlappungen, ähnliche IT- und Prozess-Infrastrukturen mit großen Überlappungen bis hin zu deckungsgleichen, komplett überlappenden IT- und Prozess-Infrastrukturen, die sehr wenig Anpassungsaufwand erfordern.

Sinnvoll ist es also, schon bei der Auswahl des Fusionspartners oder Übernahmekandidaten auch die nachgeordneten Aufwände sorgfältig zu prüfen. Neben der detaillierten Einschätzung technischer Aufwände, wie der Post-Merger-Integration, sollten auch Faktoren, wie die Unternehmenskulturen genau untersucht und in eine realistische Chancen-Einschätzung einbezogen werden. So kann es theoretisch sehr verlockend klingen, zwei langjährige direkte Konkurrenten zusammenzuführen, um Marktmacht und Kompetenzen zu bündeln und Kosten zu reduzieren.

Nur Realismus führt zum Erfolg

In solchen Konstellationen kommt es allerdings gar nicht so selten vor, dass beide Partner einen Teil ihrer Unternehmensidentität aus der Abgrenzung gegen den jeweils anderen speisen. Eine solche teils über Jahre kultivierte Gegnerschaft lässt sich bei den Mitarbeitenden nicht einfach durch die Unterschrift auf einem Fusionsabkommen eliminieren.

Auch in weniger konfrontativen Konstellationen hängt der Erfolg einer M&A-Transaktion in hohem Maße von einer gelungenen internen Kommunikation ab, die den Mitarbeitern in allen Prozessphasen das Gefühl gibt, gut informiert zu sein. Nur so können Verunsicherungen vermieden werden, die sich negativ auf die Motivation der Mitarbeiter auswirken. Das ist umso wichtiger, als sich die herausfordernde Phase einer Post-Merger-Integration je nach Projektumfang über Jahre hinziehen kann und letztendlich nur mit engagierten und hochmotivierten Mitarbeitern erfolgreich bewältigen lässt.

Gute Planung zeigt sich in den Details

Um die angestrebten Einsparungseffekte zu realisieren, muss das Ziel der IT-Migration die ausschließlich gemeinsame Nutzung von IT-Systemen, Applikationen, Stamm- und Marktdaten und sonstiger IT-bezogener Arbeitsmittel sein.

Ein IT-Migrationskonzept muss deshalb sämtliche Systeme, Schnittstellen und Daten(banken) berücksichtigen. Dazu sollte bereits im Vorfeld sorgfältig spezifiziert werden, welche Daten wann genau in welche Richtung migriert werden. Vielfältige Verantwortlichkeiten und Abhängigkeiten und auch eine auf Minuten genaue Terminkontrolle und Cut-off-Planung müssen präzise geplant werden. So entsteht ein minutiös geführtes IT-Migrationsdrehbuch.

Sicherheit ist ein Prozess

Zusätzliche Sicherheit geben professionell durchgeführte umfassende Unit-, System-, Funktions-, Integrations- sowie User-Acceptance-Tests. Ein Parallelbetrieb der Systeme für einen bestimmten Zeitraum nach der Migration fungiert als Fallback für den Notfall. Und zur optimalen Steuerung können Techniken wie Projektpläne mit integrierter Netzplantechnik eingesetzt werden, um die komplexen Abläufe, Zeitpuffer, kritische Pfade und Tausende von Abhängigkeiten kontinuierlich im Auge zu behalten und zu steuern. Wichtig ist es, präzise zu erfassen, welche Schritte parallel und unabhängig voneinander erfolgen können, welche Systemkomponenten aufeinander aufbauen und ob von einer Testumgebung Parametrisierungen kopiert werden oder die Produktionsumgebung neu aufgesetzt wird.

Architekturdesigns, Zielbilder und IT-Integrationsansätze sollten frühzeitig Review-Iterationen unterzogen und somit behutsam zu einer sehr robusten Grundlage entwickelt werden. Wichtig ist, dass genügend qualifizierte Ressourcen zur Verfügung stehen und ausreichend Zeit eingeplant wird. Professionelles Projektmanagement nutzt State-of-the-Art-Methoden der Fehleridentifizierung und Risikosteuerung. Mit den anschließend professionell durchgeführten Umsetzungsprojekten sind die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der Großteil der angestrebten Synergien aus M&A-Transaktionen realisiert werden kann. Bewährt hat sich der Einsatz agiler und iterativer Methoden, wie zum Beispiel Scrum und Kanban, flexible Iterationen und Interaktionen sowie inkrementelle Integrations-/Migrationsphasen. So gelingt es, die Anwendung von Administration und Bürokratie auf ein sinnvolles, vertretbares Maß zu begrenzen.

Realistische Einschätzung der Aufwände nötig

Eine Konsolidierung der deutschen Bankenlandschaft scheint angesichts der steigenden Belastungen unausweichlich. Zusammenschlüsse und Übernahmen sind grundsätzlich zielführende Mittel, um den Herausforderungen der nahen Zukunft zu begegnen - wenn es denn gelingt, solche Mergers-&-Acquisitions-Transaktionen erfolgreich umzusetzen. Denn leider passiert es häufig, dass sich die gewünschten positiven Effekte nicht im gewünschten Maße einstellen.

Gerade wenn es um komplexe Fusionen oder Akquisitionen im Bankensektor geht, empfiehlt es sich, die Aufwände der Post-Merger-Integration schon im Rahmen der Due Diligence realistisch einzuschätzen und sehr frühzeitig klare und belastbare Strategien zur System-Integration zu entwickeln. Die Umsetzung selbst sollte mit State-of-the-Art-Methoden und Instrumenten erfolgen, um einen reibungslosen und vor allem erfolgreichen Post-Merger-Integration-Prozess sicherzustellen.

Frank Thole Partner, Wepex Unternehmensberatung, Frankfurt am Main
 
Frank Thole , Partner , WEPEX Unternehmensberatung, Frankfurt am Main
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