Prozessoptimierung für Volks- und Raiffeisenbanken

Norbert Nick, Foto: Fiducia & GAD IT AG

Die möglichst weitgehende Standardisierung der Prozesse in genossenschaftlichen Banken schließt eine höchst individuelle Behandlung der Kunden keineswegs aus. Mit dieser Botschaft verweist der Autor auf ein weiterhin großes Effizienzpotenzial in der Gruppe. Ermittelt und beschrieben wurden diese Reserven von einer Arbeitsgruppe aus genossenschaftlichen Instituten, Verbänden und Gremienvertretern mit Blick auf eine technologische Weiterentwicklung des gruppeneigenen Bankverfahrens, Agree-21, in Verbindung mit dem bundesweiten Projekt VR-Process zur Optimierung von Geschäftsprozessen. Das Angebot des gruppeneigenen Rechenzentrums beziffert der Autor mittlerweile auf mehr als zweitausend standardisierte Modellprozesse. Zur besseren Ausschöpfung des vorhandenen Potenzials will er die Vorstände der Ortsbanken von Anfang an einbezogen wissen, um dem Transformationsvorhaben den notwendigen Rückenwind aus der Führungsetage zu geben. (Red.)

Der Einsatz von Standardsoftware mit Prozesssteuerung und -modellierung führt - anders als vielleicht zu erwarten - nicht automatisch zu einer entsprechenden Einheitlichkeit der damit modellierten Prozesse. Dies zeigt sich beispielhaft in den Genossenschaftsbanken, wo trotz gleichartiger Funktion mit demselben Instrumentarium von Agree-21 und VR-Process oftmals sehr unterschiedliche Abläufe gestaltet werden.

Der Grund dafür liegt in der Verschiedenartigkeit der Ausgangbedingungen: Kein Institut fängt bei null an, sondern startet die Modellierung stets auf der Grundlage eines individuell gewachsenen Prozessgefüges - und das ist in jeder Bank ein anderes.

Zeitersparnis dank Standardisierung

Hinzu kommt eine gewisse Trägheitstendenz: Der Wunsch, an Hergebrachtem festzuhalten, verleitet dazu, den Status quo gewohnter Arbeitsschritte weitgehend unverändert abzubilden - verständlich, denn damit bleiben spätere Akzeptanzprobleme ausgeschlossen. Andererseits aber verschenkt eine bloße Eins-zu-Eins-Abbildung wertvolles Optimierungspotenzial, das in den einheitlichen Modellierungswerkzeugen von VR-Process steckt.

Um den Banken diesen Schritt zu erleichtern, stellt die Fiducia & GAD im Rahmen ihres Beratungsangebots "Prozessmodelle" eine Best Practice zur Verfügung, die sich auf unterschiedliche Aktiv-, Passiv- und Omnikanal-Abläufe beziehen. Warum sollte beispielsweise eine Adressänderung oder eine Einrichtung für den Online-Zugang im Banking (VR-Net-Key) in Konstanz anders aussehen als in Flensburg? Zu viel Individualität kann manchmal auch eine Bremse sein: Beim Bestellungsprozess etwa führt das standardisierte Modell des genossenschaftlichen IT-Dienstleisters zu einer Ablaufbeschleunigung von bis zu 69 Prozent - was bei hundert Bestellungen einer durchschnittlichen Zeitersparnis von circa 21 Stunden entspricht.

Sicherlich, die Umstellung eines scheinbar altbewährten Ablaufs ist nicht zum Nulltarif zu haben. Sie kostet vor allem Überzeugungsarbeit, weil sich Arbeitsschritte und Arbeitsteilung ändern. Doch diese Anstrengung kann eine lohnende Zukunftsinvestition sein. Denn abgesehen von höherer Prozesseffizienz sparen Banken dank Standardmodell auch erheblichen Aufwand bei jeder künftigen Systemanpassung ein. Im Hinblick auf die Erfüllung veränderter regulatorischer Anforderungen stellt die Fiducia & GAD in diesem Kontext übrigens immer rechtzeitig aktualisierte Prozesse bereit. Für Volks- und Raiffeisenbanken bedeutet dies: Konformität mit gesetzlichen Neuvorgaben ohne nennenswerte Eigenleistung.

Standardisiert und dennoch individuell

Als besonders hilfreich für die Umstellung auf die genossenschaftlichen Best Practices hat sich insbesondere auch das von der Fiducia & GAD angebotene Prozesscontrolling erwiesen. Denn dieses Tool erleichtert den Banken das Prozessmanagement und die Ressourcenplanung. Mehr als ein Drittel aller Genossenschaftsinstitute profitiert inzwischen zumindest partiell von den Prozess- und Standardmodellen ihres IT-Dienstleisters - und mit jeder neu hinzukommenden Bank steigt der Standardisierungsgrad innerhalb der genossenschaftlichen Finanzgruppe.

Wie die bisherige Beratungspraxis zeigt, ist eine vorausschauende Zeitplanung für den Erfolg der Prozessumstellung unverzichtbar. Mindestens ebenso wichtig ist es, den Vorstand der Bank gleich zu Beginn miteinzubeziehen. Denn kein Transformationsvorhaben kommt ohne Rückenwind aus der Führungsetage aus.

Genügend Vorbereitungszeit ist auch deshalb unabdingbar, weil die geplanten Prozessverbesserungen mit einer Vielzahl grundsätzlicher Entscheidungen einhergehen: Erst, wenn darüber Klarheit herrscht, lässt sich der konkrete Umstellungsbedarf abschätzen und Prioritäten auf fundierter Basis festlegen. Doch unabhängig davon, welche Prozesse in welcher Reihenfolge an den genossenschaftlichen Standard angepasst werden sollen: Über die Zusammensetzung des eigenen Portfolios entscheidet nach wie vor jedes Institut selbst. In dieser Hinsicht geht die Ablaufoptimierung also keineswegs zulasten der Individualität am Kunden.

Vision einer durchgängigen Prozesslandkarte

Inzwischen umfasst das Angebot der Fiducia & GAD mehr als zweitausend standardisierte Modellprozesse. Gewachsen ist dieser enorme Fundus seit 2012 im beständigen Austausch mit den Banken und unter Ausnutzung immer neuer Möglichkeiten, die sich im Zuge der technologischen Entwicklung sowohl für Agree-21 in Verbindung mit VR-Process ergaben.

Ursprünglich zielte das Vorhaben "nur" auf etwa 350 Passivprozesse ab. Im Lichte des Erfolgs jedoch häuften sich die Anfragen aus den Banken, aber auch aus den Reihen der genossenschaftlichen Gremien, ob sich mit einer Ausweitung der Standardisierungsinitiative noch weiteres Potenzial heben und die bisherigen Vorteile potenzieren lassen. Um dies zu klären, fand sich eine Arbeitsgruppe zusammen, der neben der Fiducia & GAD neun ausgewählte Genossenschaftsbanken sowie Vertreter aus Regionalverbänden und den zuständigen Gremien des BVR angehören.

Welche zusätzlichen Chancen böte eine zweite Standardisierungsinitiative? Und würde die Ausarbeitung neuer Prozessmodelle einen hinreichend großen Mehrwert bieten, der den Aufwand für eine erneute Umstellung in den Banken rechtfertigt? Gerade mit Blick auf diesen Anpassungsaufwand kam die Arbeitsgruppe zu dem Schluss, dass eine möglichst flächendeckende einheitliche Prozesslandkarte für mehr Transparenz sorgen und jede künftige Anpassung stark vereinfachen würde.

Das trifft zum Beispiel auf regulatorisch notwendige Systemaktualisierungen zu, aber auch auf jedes neue Release für den Bankarbeitsplatz. Der einmalige Aufwand für die Prozessumstellung - so die einhellige Auffassung in der Arbeitsgruppe - würde durch eine erweiterte Prozesslandkarte doppelt und dreifach kompensiert.

Digitalisierungsoffensive: klare Vorgabe der Richtung

Einig war sich die Arbeitsgruppe auch darüber, dass bankindividuelle Abläufe im Standardgeschäft objektiv keinerlei Vorzüge bieten. Im Gegenteil: Sie spiegeln meist nur über Jahre eingeschliffene Arbeitsweisen wider, die bislang noch niemand infrage gestellt hat. Das Festhalten an solchen Abläufen gehört zu jener eingangs erwähnten Trägheitstendenz - was die Notwendigkeit untermauert, rechtzeitig vor der Umstellung solcher Prozesse auf eine rückhaltlose Unterstützung durch das gesamte Bankmanagement zu dringen.

Bei der Frage, welche konkreten Abläufe vorrangig in die standardisierte Prozesslandkarte eingearbeitet werden sollten, gab die aktuelle Digitalisierungsoffensive der genossenschaftlichen Finanzgruppe die Richtung vor: Im Sinne der Omnikanal-Fähigkeit schlug die Arbeitsgruppe die weitere Fokussierung der vorhandenen Prozessmodelle zu einer Standardbank mit unmittelbarer Anbindung an alle Onlinekanäle vor. Daneben votierten die Arbeitsgruppenmitglieder einheitlich für die weitere Digitalisierung von Funktionsbereichen, die ein überdurchschnittlich großes Optimierungspotenzial aufweisen - was unter anderem beim Dokumentenmanagement und der volldigitalen Weiterarbeitung per Pen-Pad elektronisch erfasster Unterschriften der Fall ist. Als Kriterium für die Auswahl und Priorisierung der Prozessbereiche galt es zudem zu klären, inwieweit per Standardisierung der parallele Einsatz verschiedener Lösungen mit gleichartigem Funktionsspektrum im Sinne einer Konsolidierung überwunden werden kann.

Zur neuen Standardbank gehören nicht zuletzt auch ausgelagerte Funktionen: Im ersten Schritt betrifft dies das Meldewesen sowie die Berichtserstellung mit der Steuerungssoftware VR Control, die in einer weiter standardisierten Version mit Quartalsberichten zu Marktpreis- und Adressrisiken beziehungsweise zur Gesamtbanksteuerung angeboten werden soll. Im Meldewesen übernimmt die Fiducia & GAD im Hintergrund die komplette Vorbereitung und Bewertung aller aufsichtsrechtlich relevanten Meldungen, wobei die Bank den modulweisen Einstieg entscheiden kann.

Stärkung der Marke

Und noch eine Forderung gab die Arbeitsgruppe der Prozessstandardisierung und der Entwicklung einer Standardbank als flankierende Maßgabe mit auf den Weg: Jedes neue Prozessmodell sollte sich so weit wie möglich am objektiven Bedarf der Genossenschaftsinstitute, unabhängig von deren Größe, orientieren - und nicht an isolierten Bedürfnissen einzelner Banken. Als weitere Randbedingung formulierte die Arbeitsgruppe den Anspruch, dass jedes Prozessmodell einen greifbaren Mehrwert gegenüber den damit abgelösten Individualprozessen aufweisen müsse. Denn es liegt auf der Hand, dass sich nur bei deutlich sichtbaren Vorteilen hinreichend viele Banken von der freiwilligen Prozessstandardisierung überzeugen lassen. Die Zahl der dafür gewonnenen Institute spielt nicht nur mit Blick auf eine verbesserte regulatorische Konformität oder höhere Effizienz eine Rolle, sondern auch unter dem Aspekt der einheitlichen Außenwirkung. Die Standardisierungsinitiative stärkt auch die gemeinsame Marke "Volksbanken Raiffeisenbanken".

Norbert Nick Leiter Beratung, Training und Outsourcing, Fiducia & GAD IT AG, Karlsruhe und Münster
Norbert Nick , Leiter Beratung, Training und Outsourcing, Fiducia & GAD IT AG, Karlsruhe und Münster

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