Regionalbanken als Gewinner der Covid-19-Pandemie

Dr. Johannes Rehulka, Foto: Pia Morpurgo

Die Covid-19-Krise stellt die Gesellschaft, Politik und Wirtschaft vor neue Herausforderungen. Vonseiten der Politik mussten schnell Lockdown-Maßnahmen verhängt werden, um die Ausbreitung des Corona-Virus beherrschbar machen zu können. Die daraus resultierenden Produktionsstillegungen sowie Filialschließungen stellen für viele Unternehmen eine existenzielle Bedrohung dar. Hierauf reagieren die Finanzinstitute mit einer deutlichen Ausweitung ihrer Kreditvergabe an Unternehmen. Die plötzlich veränderten Rahmenbedingungen sowie Kundenbedürfnisse erfordern allerdings auch eine gewisse Anpassungsfähigkeit von den Instituten. Digitale Angebote, persönliche Ansprechpartner und ein proaktives Krisenmanagement der Banken seien bei der Unterstützung der Unternehmen essenziell, da diese nur ungern um Hilfe bitten würden, so der Autor. Seiner Ansicht nach führe dieses Vorgehen aber zu einem vermehrten Vertrauen gegenüber etablierten Regionalbanken. (Red.)

Mit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie im März 2020 wurde ganz Österreich von der Verhängung einer der ersten Lockdowns in Europa überrascht. Die Menschen hatten Angst vor einem unbekannten Virus, dessen Übertragbarkeit noch größtenteils unbekannt war. Die Folge waren nach einem ruhigen Sommer mehrere Lockdowns ab Herbst 2020. Auch die Raiffeisenbanken stellte diese Situation vor große Herausforderungen.

Die österreichische Bundesregierung hat mit mehreren Maßnahmen auf den Ausbruch der Covid-19-Pandemie reagiert. Im März 2020 wurde ein gesetzliches Kreditmoratorium für Verbraucher und für Kleinstbetriebe (bis zu 2 Millionen Euro Umsatz und bis zu 10 Mitarbeiter) beschlossen. Dieses gesetzliche Kreditmoratorium war ursprünglich wie in Deutschland für drei Monate geplant, wurde aber zweimal verlängert und lief nach einer Gesamtdauer von zehn Monaten schließlich erst im Januar 2021 aus. Ebenso wurden von der Bundesregierung zahlreiche neue Garantieprodukte für Überbrückungsfinanzierungen auf den Weg gebracht. Nunmehr wurden neben den 80-prozentigen auch 90-prozentige und sogar 100-prozentige staatliche Garantien für die Vergabe von Überbrückungsfinanzierungen zur Verfügung gestellt. Schließlich wird die Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung vorerst bis Ende März 2021 ausgesetzt. Diese Maßnahme soll eine Insolvenzwelle während der Pandemie verhindern.

Wie in anderen Wirtschaftsbranchen stellte sich auch für die Kreditwirtschaft die Frage, wie mit der neuen Situation umgegangen werden soll. In erster Linie waren alle Kreditinstitute darauf bedacht, die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu schützen. Schließlich hat niemand Bescheid gewusst, welche Gefahren tatsächlich im Kundenkontakt bestehen.

Digitalisierungsschub durch Corona

Die Banken haben über Nacht Hygiene- und Sicherheitskonzepte für die Filialen ausgearbeitet. Die Kunden wurden ersucht, nur in absolut dringlichen Fällen zu ihrem eigenen Schutz, aber auch zum Schutz der Mitarbeiter die Filialen aufzusuchen. Die Bankangestellten wurden in bestimmte Teams aufgeteilt, um im Falle einer Infektion in einer Gruppe weiterhin handlungsfähig zu bleiben. Beratungstermine wurden vorwiegend telefonisch und per Videokonferenz abgehalten. Mund- und Nasenschutz wurden rasch und regional von den Banken besorgt, um sie den Kunden zur Verfügung zu stellen.

Die Kundenfrequenz in den Filialen ist in den letzten Monaten stark zurückgegangen. Die Krise hat insbesondere den Kunden gezeigt, dass eine aktive Kundenbetreuung, genauso wie in sonstigen Bereichen des beruflichen Umfelds, auch ohne physische Präsenz möglich ist, sofern dies gewünscht wird. Wie in vielen anderen Branchen auch wurde die Digitalisierung des Bankgeschäfts durch die Covid-19-Pandemie beschleunigt. Seit Verhängung des ersten Lockdowns ist bei allen Kreditinstituten ein extrem starker Anstieg des Online- und Mobile Banking zu verzeichnen. Die Pandemie hat viele vormals analoge oder hybride Kunden auf den Geschmack des Online- und Mobile Banking gebracht.

Für die oben beschriebene Gewährung der gesetzlichen Stundungsmöglichkeiten wurde in der Raiffeisen Bankengruppe binnen kürzester Zeit ein Tool im Online- und Mobile Banking eingerichtet, das eine rasche, digitale Abwicklung für Stundungsanfragen sicherstellte. Der Kontakt mit dem Kundenberater wurde auf eine Kommunikation über das Online- und Mobile Banking oder über das Telefon umgestellt. Die Kunden wurden ebenso gebeten, insbesondere einfache Funktionen des Zahlungsverkehrs in kürzester Zeit auf das Online- und Mobile Banking umzustellen, um einen unnötigen persönlichen Kontakt zu vermeiden.

Zunahme kontaktloser Zahlungen

Nicht nur die Banken, auch die Lebensmittelhändler und Supermärkte wollten den physischen Kontakt ihrer Mitarbeiter mit den Kunden auf ein absolutes Minimum reduzieren. Daher haben sie alle Kunden breitenwirksam dazu aufgerufen, auf das Bezahlen mit Bargeld zu verzichten. Insbesondere Warteschlangen an den Kassen sollten um jeden Preis verhindert werden. Für die Banken selbst stellte sich die Frage, inwieweit die damals geltende Höchstgrenze bei Zahlungen mit "Near Field Communication" (NFC - kontaktlose Zahlungen ohne PIN-Eingabe) bis zu 25 Euro einer verstärkten Nachfrage nach bargeldlosem Bezahlen noch gerecht werden würde.

Die 25 Euro waren zum Zeitpunkt der Einführung der NFC-Funktion von den Banken vorgesehen worden, da Verbraucherschützer bei der Einführung dieser PIN-Code-freien Bezahlfunktion eine illegale Verwendung ohne Einwilligung des Karteninhabers befürchtet hatten. Binnen kürzester Zeit wurde die Zahlungsobergrenze von 25 Euro auf 50 Euro erhöht. Eine Maßnahme, die den Bezahlprozess an den Kassen beschleunigt hat, aber zu keinerlei negativen Erfahrungen im Zusammenhang illegaler Verwendung der NFC-Funktion geführt hat.

Neben den gesundheitlichen Schutzmaßnahmen für die Mitarbeiter war für die Raiffeisenbanken klar, dass viele Wirtschaftstreibende sofort Liquiditätsunterstützungen brauchen würden. Schließlich ist für viele Unternehmen von einem auf den anderen Tag jegliche Einnahmequelle weggefallen und der übliche Betrieb gestoppt worden. Daher griffen die Kundenbetreuer zum Telefon, erkundigten sich bei den Betrieben, welche Unterstützungen benötigt werden und brachten die erforderlichen Maßnahmen auf den Weg. Die Mitarbeiter gingen in dieser Zeit über ihre Belastungsgrenzen. Ihnen muss für ihren außerordentlichen Einsatz gedankt werden (was in der Öffentlichkeit viel zu selten geschehen ist).

Die Raiffeisenbanken stellten in dieser Phase unter Beweis, was es bedeutet, in einer Genossenschaftsbank Mitglied zu sein. Durch das proaktive Zugehen der Institute auf die Unternehmen wurde den Kunden auch die Überwindung einer mentalen Schwelle genommen. Um Hilfe bei der Bank zu bitten, ist meist nicht in der DNA von Unternehmen vorhanden. Unternehmen wollen Probleme meist selbst ohne Unterstützung von Dritten lösen. Viele Unternehmen werden dieses positive "Auf-den-Kunden-Zugehen" gerade in der Krise nicht vergessen.

In welchem Ausmaß die Raiffeisenbanken geholfen haben, zeigt die Analyse der Kreditvergabe an kleinere und mittlere Unternehmen in den ersten drei Quartalen im Jahr 2020: Die Raiffeisenbanken gewährten 40 Prozent aller garantierten Kredite an KMU. Beim Volumen erreichten diese Liquiditätshilfen sogar 42 Prozent aller Finanzierungen.* Diese Zahlen zeigen deutlich auf, wie rasch, proaktiv und effizient die Raiffeisenbanken dem Mittelstand geholfen haben.

Die wesentlichen Lehren aus den ersten Monaten der Pandemie fallen vielschichtig aus. Zunächst einmal haben jene Banken am stärksten profitiert, die ein funktionierendes Online- und Mobile Banking anbieten können. Jene Bankengruppen, die in der Vergangenheit Investitionen getätigt haben, haben nun in der Krise davon profitiert. Gerade in Krisenzeiten vergessen Kunden nicht, wie sich ihre Hausbank verhalten hat. Insbesondere, wenn die Hausbank rasch und unkompliziert geholfen hat, schlägt sich das in einem höheren Vertrauen der Kunden nieder. Gerade während der Covid-19-Pandemie konnten die Raiffeisenbanken als verlässliche Regionalbanken einen verstärkten Kundenzustrom verbuchen.

Kundennähe im Fokus

Schließlich wurde auch der Aspekt der persönlichen Nähe durch die Covid-19-Pandemie noch einmal zu einem deutlicheren Unterscheidungsmerkmal. Bei der rein digitalen Konkurrenz hat dies aus unserer Erfahrung etwas anders ausgesehen. Bei Fragen und Problemen sind die Raiffeisenbanken individuell auf die Bedürfnisse ihrer Kunden eingegangen und haben versucht, maßgeschneiderte Lösungen zu finden. Gerade in einer so außergewöhnlichen Zeit sind eher solche individuellen Lösungen als Standardantworten gefragt.

Und schließlich hat die Pandemie auch wieder vor Augen geführt, wie wichtig regionale Wertschöpfungsketten sind. Beispielsweise im Falle von IT-Systemen, die in Österreich und nicht im Ausland betrieben werden. Raiffeisenbanken bekennen sich zu ihrer Region und haben ein hohes Interesse daran, dass es den Unternehmen und Menschen dort gut geht. Es besteht keine Abhängigkeit von internationalen Anbietern oder Betreibern. Diese Punkte haben den Menschen auch gezeigt, welchen Mehrwert unabhängige Genossenschaftsbanken in ihrem Ort haben.

Ihre regionale Ausrichtung, die Kundennähe sowie ihr Butter-und-Brot-Geschäft (überwiegend Einlagen- und Kreditgeschäft) sind schon seit ihrer Gründung die Wesensmerkmale der Raiffeisenbanken. Noch unmittelbar vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie versuchte die Konkurrenz, diese Eigenschaften als unmodern, behäbig in der Innovation und langweiliges Geschäftsmodell darzustellen. In dieser Krisenzeit könnten die Raiffeisenbanken aber auch den ein oder anderen Skeptiker von sich überzeugt haben.

Fußnote

* Siehe Bankenranking der Austria Wirtschaftsservice GmbH, 1.-3. Quartal 2020.

Dr. Johannes Rehulka Geschäftsführer, Fachverband der Raiffeisenbanken, Wien
 
Dr. Johannes Rehulka , Geschäftsführer, Fachverband der Raiffeisenbanken, Wien
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