Reporting von Nachhaltigkeitsrisiken

Dr. Jacob Kleinow, Foto: zeb

Nachhaltigkeitsrisiken bedeuten für den Finanzsektor die Herausforderungen für die Zukunft. Daher beschäftigen sich aktuell Regulierer, aber auch Initiativen aus der Finanzindustrie mit der Frage, wie ESG-Risiken in Instituten adäquat offengelegt beziehungsweise berichtet werden sollen. Der vorliegende Beitrag stellt eine Übersicht der aktuellen Entwicklungen im internen und externen Reporting von ESG-Risiken in Kreditinstituten dar. Darüber hinaus zeigt er einerseits spezifische Herausforderungen des ESG-Reportings auf und empfiehlt andererseits Möglichkeiten zur Integration der neu artigen nichtfinanziellen Informationen in den Bankbetrieb. Als zentrale Instrumente hierfür empfehlen die Autoren geeignete Schritte zur Entwicklung eines ESG-Datenhaushalts und ESG-Datenmodells. Beides werde in den kommenden Jahren erheblichen Aufwand für die Institute bedeuten, den es aber angesichts der schärferen Anforderungen besser früh als spät aus der Welt zu schaffen gilt. (Red.)

Die EU-Kommission hat mit der Absichtserklärung, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu wandeln, ein ambitioniertes Ziel herausgegeben.1) Dieses Ziel soll über die Einbindung der Kreditwirtschaft als Transmissionsmechanismus gelingen, woraus in der Folge eine Vielzahl von Initiativen durch Regierungs- und Regulierungsbehörden resultieren. Diese Initiativen, die im Hinblick auf das ESG-Reporting eine hohe Relevanz für Institute darstellen, können nach den damit einhergehenden Anforderungen systematisiert und mögliche Entwicklungsstränge des ESG-Reportings aufgezeigt werden.

Beim ESG-Reporting wird das Konzept der doppelten Wesentlichkeit verfolgt.2) Dies besagt, dass einerseits ESG-Aspekte auf die Leistung, Marktstellung und zukünftige Entwicklung von Instituten (Outside-In-Perspektive) und andererseits Institute auf Gesellschaft und Umwelt (Inside-Out-Perspektive) wirken können. Die Initiativen lassen sich in zwei Ausprägungen kategorisieren. Erstens: Initiativen mit Fokus auf das Reporting von ESG-Aspekten im Bankbetrieb (BaFin-Merkblatt, EZB-Leitfaden und EBA-Diskussionspapier) - sie berücksichtigen im Wesentlichen die Outside-In-Perspektive.

Zweitens: die Offenlegung auf Instituts- und Produktebene - sie zielt mehrheitlich auf die Inside-Out-Perspektive ab. Darüber hinaus gibt es Vorgaben wie beispielsweise von der EU-Kommission im Rahmen der nichtfinanziellen HGB/IFRS-Berichterstattung (non-financial reporting), die auf eine ausgewogene Darstellung beider Perspektiven hinwirken.3) Abbildung 1 gewährt eine Übersicht relevanter Initiativen mit einer Einwertung der doppelten Wesentlichkeit. Die Initiativen sind dabei nach den vorgestellten Gruppen "Internes Reporting", "Offenlegung" und "nichtfinanzielle HGB-/IFRS-Berichterstattung" sortiert. Zusätzlich sind Bewertungen der benötigten Aufwände für Datensourcing- und -verarbeitung in der Implementierung und im Betrieb mit angegeben.

Anforderungen an das ESG-Reporting

Eine inhaltliche Analyse der einzelnen Initiativen erlaubt aufgrund der zahlreichen Gemeinsamkeiten eine gebündelte Ableitung der qualitativen und quantitativen Reporting-Anforderungen. Mit dem (Nummer 1, siehe Abbildung 1) BaFin-Merkblatt4) , dem (2) EBA-Diskussionspapier5) und dem (3) EZB-Leitfaden6) werden gleichermaßen Empfehlungen beziehungsweise Erwartungen an die Integration von ESG-Aspekten in die Geschäftsstrategie/-organisation, die Unternehmensführung, das Risikomanagement, die Verankerung in das Three-Linesof-Defense-Modell sowie den Aufbau des ESG-Reportings formuliert. Zusätzliche Aspekte umfassen die Berücksichtigung von ESG-Risiken im Kreditvergabeprozess und im Liquiditätsmanagement sowie die Durchführung von Stresstests.

Der (4) EBA-ITS zur Offenlegung auf Institutsebene (Säule III)7) sieht für kapitalmarktorientierte große Institute die Veröffentlichung von quantitativen Angaben zu Transitions- und physischen Risiken sowie der Green Asset Ratio vor (als Quotient von Taxonomie-konformen "grünen" Assets zu den gesamten Assets). Zusätzlich sind qualitative Angaben zur Integration von ESG-Risiken in das Geschäftsmodell, der Strategie, der Governance und dem Risikomanagement sowie Maßnahmen zur Mitigation wie beispielsweise die Emission von Green Bonds offenzulegen.

Auf Produktseite ergänzt die (5) Transparenz-VO (englisch: Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR)8) die Offenlegung durch die Vorgabe von Regeln für die Bewerbung von ESG-Aspekten bei Finanzprodukten in vorvertraglichen Informationen, Kundenberichten und auf der Internetseite. Sowohl die Offenlegung der Green Asset Ratio als auch der hellbeziehungsweise dunkelgrünen Produkte gemäß Art. 8 und 9 SFDR basieren auf der Einstufung (ökologisch) nachhaltiger Aktivitäten gemäß (6) Taxonomie-VO.9) Laut Taxonomie-VO sind ab dem Jahr 2022 zwei von sechs Umweltzielen und ab dem Jahr 2023 alle sechs zu berücksichtigen. Perspektivisch sollen noch soziale Aspekte mit aufgenommen werden.

Der dritte Block umfasst mit der (7) CSR-Richtlinie (englisch: Non-Financial Reporting Directive, NFRD)10) und dem (8) CSRD-Entwurf zum Nachhaltigkeitsreporting (englisch: Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD)11) Mindestangaben zur nichtfinanziellen Berichterstattung. Die (7) NFRD verlangt unter anderem Angaben zum Einfluss von ESG-Aspekten auf Geschäftsverlauf, Geschäftsergebnis und der Lage des Unternehmens. Zusätzlich sollen Auswirkungen der Geschäftstätigkeit mit Bezug auf Umwelt-, Sozial-, und Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung dargestellt werden.12)

Mit der (8) CSRD wird die Berichtspflicht von derzeit circa 11 000 Unternehmen auf über 50 000 Unternehmen in der EU ausgeweitet. Zudem sollen die Angaben im Lagebericht integriert, von einem unabhängigen Dritten geprüft und in einem maschinenlesbaren Format erstmals für das Finanzjahr 2023 veröffentlicht werden. Der entsprechende Standard wird weiter unten konkretisiert. (9) Abschließend stellt der IASB in einem Positionspapier mögliche Wege zur Integration von ESG-Aspekten in die Rechnungslegung nach IFRS zur Konsultation.13)

Institute in der Bringschuld

Die vorgenannten Initiativen bedeuten vor allem eines für Institute: Anforderungen an die zusätzliche Beschaffung und Verarbeitung von ESG-Daten. So sind für die Green Asset Ratio die Konformitätskoeffizienten von den jeweiligen Gegenparteien aus den Lageberichten - sofern verfügbar - oder bilateral zu erheben. Ebenso sind Energieeffizienzklassen für Immobilien- oder Kfz-Kredite bilateral einzuholen.

Für die Offenlegung und das interne Reporting werden einerseits Daten zu Treibhausgasemissionen von finanzierten Kunden (in den Stufen 1, 2 und 3) sowie andererseits physische Risiken wie beispielsweise Überschwemmungen in bestimmten Regionen auf Kunden- und Einzelgeschäftsebene zu ermitteln sein. In der Folge müssen die erhobenen Daten unter anderem in Stresstests mit eingebunden, weiter aggregiert und für das Reporting aufbereitet werden. Insbesondere die Einstufung der Aktivitäten der Gegenparteien in ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten erfordert ein hohes Maß der Klassifizierung und Überprüfung zur Einhaltung bestimmter Kriterien.

Für die Zukunft zeichnet sich ab, dass mit einer Regelung zur Eigenkapitalunterlegung für grüne Kredite und Darlehen zu rechnen ist. Derzeit ist noch offen, ob grüne Investments - vergleichbar mit dem Instrumentarium KMU-Faktor - begünstigt und/oder braune Investments analog zu Hochrisikopositionen mit einem Malus belegt werden. Weiterhin werden Leitlinien zur internen Governance und zu Auslagerungen sowie zum SREP und Stresstesting um die Berücksichtigung von ESG-Aspekten erweitert. In der Beratung werden mit der MiFID II14) spätestens ab Oktober 2022 zusätzliche ESG-Aspekte mit aufzunehmen sein.

Für Institute wird die größte Herausforderung in der umfassenden Bewältigung dieser Anforderungen durch alle betroffenen Bereiche liegen. Somit werden für das ESG-Reporting insbesondere das Risikomanagement, Rechnungs- und Meldewesen weiter zusammenwachsen müssen. Insgesamt müssen Banken die Relevanz der Vorgaben für das eigene Haus bewerten sowie die Dringlichkeit und Bedeutung der Initiativen anhand Auswirkungen auf das Geschäftsmodell und Umsetzungskosten abschätzen. Auf dieser Basis ist eine institutsspezifische Umsetzungs-Roadmap abzuleiten.

Herausforderungen beim Aufbau des ESG-Datenhaushalts

Für die Umsetzung der neuen Anforderungen müssen Institute neben der dargestellten wesentlichen Herausforderung der Datenbeschaffung und -verarbeitung weitere spezifische Herausforderungen in Bezug auf das ESG-Reporting berücksichtigen. Im Detail müssen sich Institute zur Erfüllung der regulatorischen Anforderungen den folgenden vier Herausforderungen stellen:

1. Es fehlt ein allgemeingültiger ESG-Reporting-Standard, sodass Institute verschiedene Standards mit verschiedenen Datenanforderungen berücksichtigen müssen.

2. Es müssen für das adressatengerechte ESG-Reporting relevante Leistungsindikatoren (KPI - Key Performance Indicator) ermittelt und deren Steuerungswirkung abgestimmt werden.

3. Externe Datenanbieter sind zielgerichtet in die Reporting-Prozesse einzubeziehen, decken aber in der Regel klassische Portfolios deutscher Institute nicht vollständig ab.

4. Eigene Datenerhebungen sind zur Validierung externer Daten beziehungsweise bei Fehlen oder nicht angemessener Qualität externer Datenbereitstellungsmöglichkeiten aufzusetzen.

Allgemeingültiger ESG-Reporting-Standard: Für die Berichterstattung von ESG-Aspekten hat sich eine Vielzahl von Rahmenwerken/Standards und Metriken etabliert.15) Dabei werden Standards sowohl offiziell von Regierungsbehörden als auch von privaten Initiativen herausgegeben. Diejenigen mit hoher Relevanz für deutsche Institute sind in Abbildung 2 aufgeführt. Die Zahl der existierenden Standards wird auf über 600 geschätzt.16)

Zuerst zu erwähnen ist der ESG-Reporting-Standard der Task Force on Climaterelated Financial Disclosures (TCFD). Für europäische Institute ist er von hoher Relevanz, da er von EZB-beaufsichtigten Instituten ab dem Jahr 2022 verbindlich anzuwenden ist.17) Der TCFD-Reporting-Standard gibt eine Struktur für die Kernbereiche Governance, Strategie, Risikomanagement, Metriken und Ziele vor. Für die Kernbereiche sind - wie in der Abbildung 3 skizziert - Mindestinhalte definiert. So ist beispielsweise im Bereich Governance gefordert, die Einsichtsmöglichkeiten des Vorstands in Klimarisiken und -chancen offenzulegen. Auch für die anderen Kernbereiche werden derartige detaillierte Mindestangaben gefordert. Darüber hinaus werden durch den Bereich Metriken und Ziele konkrete klimabezogene Kennzahlen und Ziele definiert.

Abbildung 1: Initiativen mit Fokus ESG-Reporting Quelle: zeb

Handlungsbedarf bei der Vereinheitlichung

Aufseiten der Regierungsbehörden sind die Leitlinien für die Berichterstattung über nichtfinanzielle Informationen und die Taxonomie-VO18) als bedeutendste Standards für deutsche Institute hervorzuheben. Anhand der beiden Standards wird deutlich, dass aktuell Klimarisiken eindeutig im Fokus stehen. Demgegenüber stehen private Initiativen, die neben Klima auch in stärkerem Maße Governance- und soziale Aspekte berücksichtigen. Von den privaten Initiativen findet der deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK) am weitesten Verwendung bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung deutscher Institute. Der DNK ist ein branchenübergreifender Transparenzstandard für die Berichterstattung unternehmerischer Nachhaltigkeitsleistungen.

Dabei setzt der DNK einen klaren Fokus auf Wesentlichkeit und hat zum Ziel, die Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen vergleichbar und bewertbar zu machen. Die Berichterstattung beinhaltet 20 DNK-Kriterien und ergänzende nichtfinanzielle KPIs, die aus Standards der Global Reporting Initiative (GRI) und European Federation of Financial Analysts Societies (EFFAS) ausgewählt wurden.19)

Abbildung 2: Nachhaltigkeitsstandards mit hoher Relevanz für deutsche Institute* Quelle: zeb

Insgesamt ist festzuhalten, dass aktuell kein allgemeingültiger Standard existiert und die regulatorischen Initiativen auf die unterschiedlichen Rahmenwerke bei der Definition von Anforderungen zurückgreifen. Daher müssen Institute verschiedene Standards und damit verbunden eine Vielzahl verschiedener Datenanforderungen anwenden. Damit die Adressaten überhaupt die Möglichkeit haben, die Berichterstattung nachzuvollziehen und bankübergreifend zu vergleichen, sollte ein allgemeingültiger Standard entwickelt werden. So können Inkonsistenzen und Interpretationsschwierigkeiten deutlich reduziert und Unternehmen wie Instituten ein einheitlicher Rahmen der Berichterstattung von nichtfinanziellen Informationen geboten werden.20)

Der Handlungsbedarf wurde sowohl aufseiten der privaten Initiativen und auch aufseiten der Regulierungsbehörden erkannt.21) Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang der CSRD-Entwurf der Europäischen Kommission, der unter anderem die Anwendung eines EU-weit einheitlichen Reporting-Standards für nichtfinanzielle Informationen zum Ziel hat. Dieser Standard soll durch die European Financial Reporting Advisory Group (ERFAG) bis Mitte 2022 entwickelt und durch die Unternehmen und Institute ab 2023 anzuwenden sein. Die erste Berichterstattung soll nach den Zeitplänen der EU-Kommission im Jahr 2024 erfolgen.

Abbildung 3: TCFD-Reporting-Standard* Quelle: zeb nach Darstellung TCFD

Relevante KPIs: Für ein adressatengerechtes Reporting ist im ersten Schritt aufgrund der Vielzahl möglicher KPIs eine Fokussierung zur zielgerichteten Steuerung durch die Institute notwendig. Allgemeingültige KPIs ohne Branchendifferenzierung können von bestehenden Vorlagen der GRI22) und EFFAS23) übernommen werden, wie es der Rat für nachhaltige Entwicklung im Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) vorschlägt. Ergänzend empfiehlt der DNK die Verwendung von branchenspezifischen KPIs. Als "bedeutsamste nichtfinanzielle Leistungsindikatoren" gemäß NFRD werden die Sustainable Development Key Performance Indicators (SD-KPIs) für 68 Industriebranchen genannt.24)

Im zweiten Schritt müssen die gewählten KPIs auf ihre Geeignetheit und Stimmigkeit untereinander geprüft werden. Allgemeine ESG-KPIs sorgen einerseits für Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Assetklassen. Andererseits ist die Trennschärfe und Validität der Ergebnisse nicht so gut wie bei branchenspezifischen KPIs. Für Institute ergibt sich somit zunächst die Notwendigkeit einer institutsspezifischen Auswahl geeigneter KPIs. Zum einen ist dabei festzulegen welche Kombination von KPIs sich auf Basis der individuellen Branchenstruktur im Portfolio zur angemessenen Steuerung eignet. Zum anderen sind die relevanten KPI für die externen Reportinganforderungen (nichtfinanzielle Berichterstattung, Offenlegung, Meldewesen) zu konsolidieren.

Externe Datenanbieter: Die dritte Herausforderung beinhaltet die Integration externer ESG-Datenanbieter. Auch wenn am Markt bereits eine Konsolidierung der ESG-Ratinganbieter stattgefunden hat, besteht weiterhin eine Vielzahl unterschiedlicher ESG-Ratings, Scorings oder Rankings.25) Beispielsweise seien Bloomberg, ISS26) , MSCI, Refinitiv, S&P Global, Sustainalytics und der CSR HUB genannt. Neben Unternehmen/Einzelemissionen werden mittlerweile auch Länder, Fonds und Indices in Bezug auf ESG geratet sowie weiterführende ESG-Informationen zur SFDR oder Taxonomie-VO je Unternehmen angeboten. Weil die externen Datenanbieter in der Regel nur öffentliche Informationen wie beispielsweise Nachhaltigkeitsberichte von Unternehmen verwenden, werden meist nur börsennotierte Unternehmen analysiert.

Trotz der hohen Anbieteranzahl unterscheidet sich die Abdeckung unter den Anbietern daher nur geringfügig. Aufgrund des hohen Anteils von nicht börsennotierten KMU in den Portfolios deutscher Institute eignen sich die etablierten Anbieter nur bedingt zur Beurteilung von ESG-Risiken.27) Zusätzlich unterscheidet sich auch die Methodik der ESG-Rating-Anbieter, weil auf divergierende ESG-Auslegungen (beispielsweise US versus EU) zurückgegriffen wird. Dies führt zu einer Varianz in den resultierenden ESG-Urteilen.

Auch externe Bewertung schwer vergleichbar

So befinden sich am Beispiel einer deutschen Großbank von den sieben zuvor genannten Anbietern zwei ESG-Ratings im oberen Quartil, drei ESG-Ratings in den mittleren Quartilen und zwei ESG-Ratings im unteren Quartil der Bewertungsskala.28) Die Verwendung von externen ESG-Datenquellen ist mithin grundsätzlich als praktikabel und sinnvoll einzustufen. Eingeschränkt wird die Nutzbarkeit durch die nicht vollumfängliche Verfügbarkeit sowie die begrenzte Verlässlichkeit der Ergebnisse. Nicht zuletzt aus diesem Grund sind die Institute gezwungen, sich mit der eigenen (Primär-) Datenerhebung zu beschäftigen.

Abbildung 4: Anwendungsbeispiele von ESG-Daten je Institutsbereich Quelle: zeb

Eigene Datenerhebung: Aufgrund der zuvor genannten Grenzen der externen Datenbeschaffung haben Institute festzulegen, wie die eigene Datenerhebung in die Gesamtbankprozesse und -methoden integriert werden kann. Beispielsweise müssen Institute Kenntnis von den jeweiligen Energieeffizienzklassen von Immobiliensicherheiten, der Konformität der Wirtschaftstätigkeiten mit der Taxonomie-VO oder der CO2-Emissionen der Stufe 3 von ihren Kunden erlangen. Daher sind Vorkehrungen zu treffen, um bilateral die benötigten Daten beispielsweise aus Kundengesprächen, Fragebögen oder im Rahmen des Kreditvergabeverfahrens in Erfahrung zu bringen.

Für den Prozess zur Kreditvergabe ökologisch nachhaltiger Kredite hat auch die EBA ihre Erwartungen in der Leitlinie EBA/GL/2020/06 formuliert. Konkret müssen Institute bei der Vergabe ökologisch nachhaltiger Kredite die ökologischen Geschäftsziele des Kunden in Erfahrung bringen, die Erfüllung von Kriterien ökologisch nachhaltiger Kredite beurteilen, die Bereitschaft und Kapazität des Kunden zur zweckgerichteten Verwendung sicherstellen und die tatsächlich ordnungsgemäße Zuweisung der Mittel regelmäßig überwachen.29) Banken sind damit angehalten, ihre Kreditvergaberichtlinien und Kreditprozesse weiterzuentwickeln, um ESG-Risiken angemessen zu berücksichtigen und dabei relevante Informationen im Rahmen der Kreditgewährung und -überwachung zu erheben.

Zusammenfassend stellt der für das ESG-Reporting benötigte Datenhaushalt die Institute vor erhebliche neue Herausforderungen. Das ESG-Reporting befindet sich noch in der Entwicklung und allgemeingültige Standards werden sich erst noch herauskristallisieren. Bis dahin sind die Institute gefordert, selbst Best-Practice-Ansätze zu entwickeln.

Abbildung 5: Datennutzungskomplexität und Datenerhebungsaufwand Quelle: zeb

Erfolgsfaktoren für die Umsetzung des ESG-Reportings

Um die vielfältigen Anforderungen des Reportings von ESG-Risiken zu bedienen, ist eine umfassende Integration von ESG-Informationen in den Datenhaushalt von Instituten notwendig. Dazu soll zunächst dargestellt werden, welche Bankbereiche betroffen sind, um im Anschluss darauf einzugehen, auf welchen Prinzipien und Erfolgsfaktoren die Integration von ESG-Daten in das Datenmodell fußt. ESG-Daten müssen in allen Bereichen eines Instituts (Vertriebs-, Produkt-, und Steuerungsbereiche) erhoben, aggregiert und abgerufen werden. Die Beispiele in Abbildung 4 zeigen exemplarisch die große Bandbreite von Anwendungsfällen auf.

Die Anwendungsbeispiele verdeutlichen, dass ESG ein Querschnittsthema ist und ESG-Daten institutsweit zu verzahnen sind. Daher ist das gesamte Datenmodell des Instituts in jeder Dimension hinsichtlich Relevanz für die Berücksichtigung von ESG-Daten zu überprüfen. ESG-Daten sollten dementsprechend nicht als separater Baustein gesehen, sondern als weiterer Aspekt in das bestehende Datenmodell des Instituts integriert werden. Im Hinblick auf die praktische Ausgestaltung sollten folgende sechs Erfolgsfaktoren berücksichtigt werden:

  • Aufgrund der themen- beziehungsweise bereichsübergreifenden Nutzung von ESG-Daten sollte die Integration von ESG-Daten in den Datenhaushalt eines Instituts durch eine zentrale Organisation oder zumindest im Rahmen einer klaren Strategie erfolgen. Nur so kann eine unternehmensweit einheitliche Datenverwendung zur Vermeidung von Themensilos oder Insellösungen sichergestellt werden. Zentrale Herausforderung ist in diesem Zusammenhang die Klärung von Zuständigkeiten und damit der Data Governance. Über klare Prozessvorgaben inklusive rollenbasierter Zuständigkeiten ist sicherzustellen, dass die Erhebung und Pflege der benötigten Daten zielgerichtet erfolgt und die Datenbestände für das Reporting in der benötigten Granularität und in hoher Datenqualität zur Verfügung stehen.
  • Grundsätzlich ist der Anwendungsbereich, also die Datennutzung, maßgebliche Grundlage für die Datenanforderungen. Banken sollten also die für sie relevanten Use Cases definieren und darüber die resultierenden ESG-Datenanforderungen ableiten.
  • Die Datenerhebungsaufwände je Nutzungsbereich sind im nächsten Schritt gegen die damit zu erzielenden Mehrwerte abzuwägen. Abbildung 5 zeigt links exemplarische Kategorien für ESG-Datennutzungen und rechts die Dimensionen, das heißt Aufwandstreiber, der dafür notwendigen Datenerhebung. Für die Kategorie ESG-Zahlungsströme und Sicherheiten ist beispielsweise für die Ausprägung Kosten der CO2 -Emissionen von einer überdurchschnittlichen Komplexität und einem eher hohen Aufwand bei der Datenerhebung auszugehen, da die Daten auf Einzelgeschäftsebene (Granularität), quantitativ statisch (Objektivität) und derzeit primär (Exklusivität) erhoben werden müssen.
  • Je nach Anspruch und Verwendungszweck können Daten von Drittanbietern wie beispielsweise CO2-Emissionen, Datenbanken für Stürme, Überflutungen, Hitzewellen und weitere Klimakatastrophen bezogen werden oder müssen über eigene Prozesse wie beispielsweise Energieeffizienzklassen bei Immobiliensicherheiten oder Kraftfahrzeugen erhoben werden. Im Falle des Drittbezugs ist die Anbindung von Schnittstellen zu beachten. Demgegenüber stehen Anpassungen der Erfassungssysteme bei geplanter Eigenerhebung. Für eine zielgerichtete Umsetzung sind somit frühzeitig Überlegungen anzustellen, in welchen Bereichen auf externe oder interne Daten abgestellt werden soll.
  • In einem weiteren Schritt ist die Verarbeitung beziehungsweise Aggregation in nachgelagerten Anwendungssystemen und letztendlich die Anbindung der ESG-Daten an die Reporting-Lösung unter Beachtung der Zugriffs- und Bearbeitungsmöglichkeit durch vor- und nachgelagerte Bereiche zu berücksichtigen. Daraus ist die technische Zielarchitektur unter Berücksichtigung interner und externer Datenanbindungen beziehungsweise Schnittstellenvorgaben abzuleiten.
  • Vor dem Hintergrund der erheblichen Bedeutung von ESG-Daten für die Banksteuerung ist die Einbindung in das Datenqualitätsmanagement unerlässlich. Dies erfordert die Definition von Datenqualitätsstandards und das Aufsetzen von Prozessen zur Etablierung laufender DQ-Reports und -Verbesserungen.

Es gibt bereits eine Vielzahl von gesetzlichen ESG-Reporting-Vorgaben, die zum Teil kurzfristig umzusetzen sind. Dies unterstreicht die Notwendigkeit zur Entwicklung einer institutsspezifischen Roadmap, um ein fristgerechtes und qualitativ hochwertiges ESG-Reporting sicherzustellen. Da ESG-Risiken alle Bereiche eines Instituts betreffen, müssen sich die Banken Gedanken über eine angemessene Governance machen, also um die Prozesse und Organisation von Datenhaltung und -verarbeitung. Die Anforderungen und Lösungsansätze zum ESG-Reporting entwickeln sich dynamisch, sodass sich allgemeingültige Standards und Best Practices erst in den kommenden Jahren etablieren werden. Wichtig für die Banken wird es daher sein, dass ihre Umsetzungsplanungen entsprechende Flexibilität aufweisen.

Dr. Jacob Kleinow , Manager , zeb
Dr. Frerich Buchholz , Senior Consultant , zeb

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