Risiken effizient managen - neue Wege in der Wertsicherung

Alexander Schindler, Mitglied des Vorstands, Union Investment, Frankfurt am Main - Die anhaltende Ertragsschwäche klassischer Rentenanlagen drängt Investoren mehr denn je ins Risiko. Die lange Zeit existenten sicheren Häfen gehören der Vergangenheit an. Das Risiko ist zurück und zum Dauerzustand geworden. Vor diesem Hintergrund registriert der Autor eine wachsende Bedeutung von Wertsicherungsstrategien. Gleichzeitig sieht er die Anleger auch hier vor neuen Herausforderungen. Während der wertsichernde Wechsel in eine risikolose Anlage bislang den Verzicht auf Mehrertrag bedeutete, muss der Investor heute damit rechnen, überhaupt keine positiven Erträge mehr zu erzielen. Dies hat Auswirkungen auf das Risikomanagement. Da die Chancen am Kapitalmarkt nun permanent genutzt werden müssen, steht das Portfolio ständig im Risiko. Im Rahmen der Wertsicherung muss die Portfoliosteuerung nach Ansicht des Autors daher künftig neue Wege gehen. (Red.)

Verluste reduzieren die Kapitalbasis und schmälern die Risikobudgets. Um den Verlust zu kompensieren, müssen fortan an den Märkten überproportional hohe Gewinne erzielt werden - und das unter Inkaufnahme gleichermaßen erhöhter Risiken. Verluste zu vermeiden zählt daher zu den Kernaufgaben von Wertsicherungsstrategien. Moderne Wertsicherungsstrategien müssen heute jedoch weit mehr leisten, als einmal festgelegte Verlustgrenzen verlässlich einzuhalten. Gerade in einem Umfeld, in dem Investoren auf Zusatzerträge zwingend angewiesen sind, rückt eine weitere zentrale Anforderung in den Vordergrund: Wertsicherungskonzepte müssen über die Verlustvermeidung hinaus in der Lage sein, Renditechancen an den Märkten durch aktives Management und eine dynamische Portfoliosteuerung wahrzunehmen.

Dynamisch-asymmetrische Wertsicherungsstrategien können beide Erwartungen erfüllen. Im Gegensatz zu statischen Konzepten ermöglichen sie die Berücksichtigung von Renditechancen im Rahmen einer kontinuierlichen Umschichtung zwischen risikoarmen und risikoreicheren Anlagen je nach Marktlage und Risikoeinschätzung. Steigt der Wert des Portfolios, ermöglicht dies eine erhöhte Nutzung von risikobehafteten Assets und eine effiziente Auslastung des Risikobudgets. Doch solche Wertsicherungskonzepte, die bei Union Investment bereits seit zwei Jahrzehnten eingesetzt werden, müssen kontinuierlich weiterentwickelt und veränderten Kapitalmarktgegebenheiten angepasst werden. Dies gilt umso mehr in Zeiten des "zinslosen Risikos".

Markowitz mit Tücken

Den Ausgangspunkt eines dynamischasymmetrischen Wertsicherungskonzepts bildet der Abgleich von Risikotragfähigkeit und Ertragsanspruch des Investors. Entsprechend dem Ergebnis wird dann das zur Verfügung stehende Risikobudget definiert und die strategische Portfolioausrichtung entwickelt. Hierbei führt der Weg zumeist über das klassische Allokationsmodell nach Harry M. Markowitz. Auf der Grundlage von Renditeprognosen sowie Volatilitäts- und Korrelationsprognosen werden die Portfolios entlang der sogenannten Effizienzlinie optimiert, sodass am Ende eine optimale strategische Asset Allocation mit maximaler Rendite bei gegebenem Risiko steht.

Dieses lange Zeit dominierende Modell hat jedoch seine Tücken. Zum einen erweisen sich historische Renditen für die Prognose künftiger Returns nur als begrenzt tauglich. Wird stattdessen auf prognostizierte Renditen zurückgegriffen, führen schon kleine Abweichungen im Vergleich zu den tatsächlichen Ergebnissen zu erheblichen Veränderungen in der "optimalen" Allokation. Zum anderen dominieren die verwendeten Renditeprognosen die Allokationsergebnisse in hohem Maße. Häufig führen sie zu sehr konzentrierten Portfolios, die der Idee der Diversifikation entgegenstehen. Die Verwendung idealisierter Renditeprognosen oder die Einführung von Restriktionen können diese Probleme mindern, aber nicht grundsätzlich lösen.

Risikobasierte Allokationsmodelle

Als Alternative zu Markowitz bieten sich risikobasierte Allokationsmodelle an, zu denen auch der Risk-Parity-Ansatz zählt. Ansätze der risikogesteuerten Asset Allocation führen eine Dynamisierung der Vermögensaufteilung ein, welche allein auf Volatilitäts- und Korrelationsannahmen basiert und die kontinuierliche Anpassung an sich verändernde Marktstrukturen vorsieht. Sie fußen auf der Annahme, dass eine Einheit Risiko über alle Assetklassen hinweg langfristig gleich entlohnt werden muss. Bei der strategischen Vermögensaufteilung wird daher eine Gleichverteilung des Risikos über alle Anlageklassen angestrebt.

Weil diese Vorgehensweise ohne Renditeprognosen auskommt, reduziert sie die Abhängigkeit von unsicheren Ertragsschätzungen. Stattdessen werden vergleichsweise stabilere Inputfaktoren bei der Portfoliokonstruktion berücksichtigt. Allerdings ist auch der einfache Risk-Parity-Ansatz (Equal Risk Contribution) nur eingeschränkt in der Lage, optimale Portfoliokonstruktionen zu generieren. Einerseits ergibt sich bei dieser Vorgehensweise aufgrund der niedrigeren Volatilitäten im Zinsbereich eine Fokussierung auf Rentenanlagen. Zum anderen muss das ermittelte Risk-Parity-Portfolio auf das gewünschte Risikoniveau herauf- oder herunterskaliert werden. Hierzu bedarf es unter Umständen eines Leverage, der für viele institutionelle Anlegergruppen nicht einfach umsetzbar ist.

Das Beste aus zwei Welten

Um die beschriebenen Schwächen der jeweiligen Allokationsmodelle zu vermeiden, lassen sich die Techniken von risikogesteuerter und prognosebasierter Vermögensaufteilung - so wie von Union Investment bereits praktiziert - miteinander kombinieren. Grundlage bildet zwar auch hier ein klassisches, nach Harry M. Markowitz optimiertes Portfolio. Dieses wird jedoch mithilfe der Methodik aus den bekannten Risk-Parity-Ansätzen so modifiziert, dass dessen Anfälligkeit für Prognosefehler deutlich reduziert wird. Darüber hinaus wird das gewünschte Ziel erreicht, ein breiter diversifiziertes Portfolio unter Einbeziehung aller verfügbaren Assetklassen zu generieren und so wahrhaft robuste Strukturen zu erzeugen. Und: Im Rahmen der Optimierung wird auch das gewünschte jeweilige Portfoliorisiko erreicht, ganz ohne den Einsatz von Leverage.

Die Optimierung der strategischen Asset Allocation ist allerdings nur die halbe Miete. Zur Herstellung der sowohl für die Absicherung nach unten als auch für die Chancennutzung nach oben notwendigen Reaktionsfähigkeit und Flexibilität kommt es ebenso darauf an, das strategische Ausgangsportfolio im Rahmen der taktischen Asset Allocation aktiv zu steuern. Nur so lässt sich jederzeit zeitnah auf Veränderungen an den Märkten reagieren. Je nach kurz- und mittelfristiger Markterwartung können einzelne Assetklassen dann gegenüber dem aus der strategischen Allokation erwachsenen Exposure über- oder untergewichtet werden.

Der Vorteil dieses Vorgehens liegt nicht nur darin, kurzfristige Marktschwankungen zu nutzen. Durch die zusätzliche Diversifizierung des Risikos kann auch die risikoadjustierte Performance deutlich verbessert werden. Kurz gesagt: Moderne Wertsicherungsstrategien kommen heute nicht mehr ohne eine aktive taktische Steuerung aus. In Zeiten unvermeidbar erhöhter Risikoübernahme bilden eine aktive Marktmeinung und der stete Abgleich mit den aktuellen Risikoparametern vielmehr zentrale Voraussetzungen für den Erfolg von asymmetrischer Wertsicherung.

Wertsicherungskonzepte erfordern daher mehr denn je die Fähigkeit des Asset Managers, unterschiedliche Assetklassen und ihre Märkte fortlaufend systematisch, fundiert und umfassend einschätzen zu können. Grundlage dafür ist die detaillierte Analyse der volkswirtschaftlichen Makrolage sowie zunehmend auch der politischen Einflüsse und der damit verbundenen Risiken für die Kapitalmärkte. Hieraus ergeben sich die taktischen Ableitungen für die Anlagestrategie und Portfoliostruktur aller Fonds eines Vermögensverwalters.

Bei Union Investment nimmt diese Aufgabe das Investment Committee als übergeordnetes Gremium wahr. Ziel dieses Gremiums ist es, die Markteinschätzungen und Anlageideen aus allen Bereichen des Portfoliomanagements zu verzahnen und monatlich zu bewerten, um so in Zeiten sich rasch verändernder Märkte eine Richtschnur für alle Fondsmanager festzulegen. Ein zentraler Aspekt ist hierbei die Risikoanalyse und -bewertung.

Breite Marktmeinung

Neben der ausgewiesenen Marktexpertise ist auch eine ausgereifte IT-Landschaft Voraussetzung für die Umsetzung weiterentwickelter Wertsicherungskonzepte. Dies gilt insbesondere für die Ebene der dynamischen Portfoliosteuerung, bei der es unter anderem um die kontinuierliche Performance- und Risikoüberwachung geht.

So muss beispielsweise die Ermittlung der Risikobeiträge pro Assetklasse auf Basis von Intraday-Kursen genauso gewährleistet sein wie die Echtzeit-Simulation des Portfolios auf Tagesbasis. Auch andere Parameter müssen fortlaufend berechnet und in die Portfoliosteuerung integriert werden. Damit dies konsistent und kontrolliert erfolgen kann, ist ein hoher technischer Standard erforderlich, der auf der personellen Seite mit der Fähigkeit der Portfoliomanager einhergehen muss, die Informationsfülle sachgerecht interpretieren und anwenden zu können.

Einsatz neuer Methoden der Portfoliooptimierung

Im Niedrigzinsumfeld ist der Aufbruch in neue und risikoreichere Anlageklassen ebenso unvermeidlich geworden wie geeignete Schutzmaßnahmen für das Portfolio. Allerdings kann dabei nicht mehr ohne Weiteres auf die klassischen Konzepte der Wertsicherung zurückgegriffen werden. Angesichts kürzerer Markttrends, hoher Volatilität und verbreiteter Verunsicherung an den Märkten bedarf es neuer, aktiv-dynamischer Konzepte, um Portfolios robuster zu machen.

Der Einsatz neuer Methoden der Portfoliooptimierung kann hierzu wesentlich beitragen. Dabei eröffnet die Berücksichtigung von Verfahren der risikogesteuerten Asset Allocation Investoren die Möglichkeit, sich von unsicheren Renditeprognosen unabhängig zu machen und breit diversifiziert Risikoprämien zu erzielen. Idealerweise sollten entsprechende Techniken mit einem prognosebasierten, aktiven Management kombiniert werden. Auf diese Weise können zwei unabhängige Verfahren der Vermögensallokation mit entsprechend großem Diversifikations- und Chancenpotenzial genutzt werden.

Alexander Schindler , Mitglied des Vorstands , Union Investment
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