Risiko-Overlay im Stresstest: Put-Replikation bietet Schutz vor Markteinbrüchen

Alexander Raviol, Foto: Lupus alpha

Ein Portfolio vor Risiken absichern - wohl eine Kernaufgabe eines jeden Investors. Die Häufung der Marktkorrekturen seit 2001 auf der einen und die andauernde Nullzinspolitik auf der anderen Seite führen jedoch dazu, dass institutionelle Investoren ihre Portfolios offensiver aufstellen müssen, um ihre Ziele zu erreichen. Um in Krisenphasen handlungsfähig zu bleiben, gilt es, zwischen Absicherung und Risiko eine Balance zu halten. Die Absicherung sollte transparenten Modellen folgen, nachvollziehbare und planbare Ergebnisse liefern und kostengünstig sein. Dafür werden in der Praxis verschiedene Risiko-Overlay-Strategien genutzt. Die Autoren des vorliegenden Beitrags sind überzeugt, dass bestmögliche Ergebnisse mit einer Put-Replikation erreicht werden können. So würden diese gleich zwei Vorzüge bieten: Einbrüche würden minimiert und eine Teilhabe an sich erholenden Märkten sei durch sie möglich. (Red.)

Nach dem 11. September 2001, der Finanzmarktkrise 2008/09, der Euro-Schulden-Krise und dem Brexit durchleben die Märkte mit der Corona-Pandemie ein weiteres "Tail Event". Institutionelle Investoren sehen sich damit in relativ kurzer Folge mit Risiken konfrontiert, die trotz breit gestreuter Diversifikation, elaborierten Risikomanagements und ausgefeilter Asset-Allokation den Wert ihrer Portfolios immer wieder unerwartet und stark beeinträchtigen.

Verschiedene Wege für Portfolioabsicherung

Vor dem Hintergrund solcher nicht prognostizierbaren, systemischen Risiken ist es für Investoren sinnvoll, ihr Gesamtportfolio um eine Absicherungsstrategie zu ergänzen. In der Praxis sind diverse Risiko-Overlay-Konzepte mit dem Ziel zu finden, bei möglichst geringen Kosten, Verluste effektiv zu begrenzen. Es zeigt sich aber auch, dass den unerwartet starken Verlusten oft dynamische Phasen mit schneller Kurserholung folgen. Es ist also wichtig, eine Strategie zu wählen, die eine Teilhabe an ansteigenden Kursen ermöglicht, messbar ist und keine unerwartet hohen Kosten verursacht.

Für die Absicherung institutioneller Portfolios führen verschiedene Wege zu dem Ziel, eine definierte Wertuntergrenze nicht zu unterschreiten.

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Alle funktionieren in Krisenzeiten in dem Sinne gut, dass sie in der Lage sind, die Verluste in einem Portfolio effektiv zu begrenzen. Weit verbreitet sind Modelle, welche mittels mathematischer Modellierung das aktuelle Risiko gemessen am Value at Risk (VaR) ins Verhältnis zum Abstand zu einer Wertuntergrenze setzen. Diese VaR-Modelle zählen deshalb zu den risikokapitalbasierten Verfahren, ebenso wie das CPPI-Verfahren (Constant Proportion Portfolio Insurance). Beim CPPI wird der VaR durch einen Konstanten Faktor ersetzt. Im Kern folgen beide Systeme aber den gleichen Gesetzmäßigkeiten. Demgegenüber stehen Wertsicherungskonzepte mit festem Auszahlungsprofil (Payoff).

Alle diese Verfahren haben gemeinsam, dass sie ihre Sicherungspositionen trendfolgend auf- und wieder abbauen. Folglich verursachen sie alle im Mittel auch die gleichen Kosten. Dabei zeigt sich, dass die Streuung der Kosten um den Mittelwert unterschiedlich stark ist. Die Optionsreplikation kommt ihm am nächsten, während bei risikokapitalbasierten Verfahren deutliche Schwankungen um den Mittelwert zu beobachten sind.

CPPI/VaR-Modelle: unerwartet hohe Kosten als Risiko

Für Risiko-Overlay-Ansätze, die das aktuelle Risikokapital als Basis haben, wird ein Risikobudget festgelegt und der Portfoliowert mit Blick auf den aktuellen Abstand zur Wertuntergrenze abgesichert. Dafür wird das vorhandene Risikobudget mit einem definierten maximalen Verlust-Szenario verglichen. Ist der erwartete maximale Verlust größer als das Risikobudget, so werden Sicherungspositionen aufgebaut. Ergänzt ein Investor sein Portfolio um eine CPPI-Strategie, wird er deshalb in ruhigen Marktphasen kaum oder keine Kosten damit haben.

Da die Kosten aber im Mittel nicht null sind, muss es im Umkehrschluss zu Jahren kommen, in denen deutlich höhere Kosten entstehen. Dies ist beispielweise der Fall bei den schnell wechselnden Auf-und-Ab-Bewegungen eines Zickzack-Marktes. In einem solchen Szenario müssen dem Trend folgend ständig Sicherungspositionen auf- und wieder abgebaut werden. Dadurch entstehen hohe Absicherungskosten. Hohe Kosten entstehen auch, wenn das Risikobudget nahezu oder ganz aufgebraucht und das Vermögen damit im sogenannten "Cash Lock" ist.

Um diese teilweise deutlichen Absicherungskosten nicht direkt sichtbar werden zu lassen, kombinieren CPPI-Manager ihre Sicherungsstrategie häufig mit einer Alpha-Komponente. Die darunter leidende Transparenz erschwert es dem Investor, die Auswirkungen von Marktbewegungen auf sein Portfolio richtig zu beurteilen. Deshalb sollte die transparente Evaluation von CPPI-Strategien eine Aufteilung in Alpha- und Absicherungskomponente umfassen. Noch besser ist es, die strategische Asset-Allokation und die Absicherungskomponente klar voneinander zu trennen, um jeweils klar messbare Ergebnisse zu erzielen.

Einfache Put-Option versus Basket-Put-Option

Auf der anderen Seite stehen Wertsicherungskonzepte mit einem festen Auszahlungsprofil. Um diesen Payoff zu be kommen, liegt es nahe, einzelne Portfolio- Positionen über eine Put-Option abzusichern. Denn wenn jedes Sub-Investment im Portfolio abgesichert ist, kann das Gesamtportfolio nicht unter einen bestimmten Wert fallen. Als Beispiel soll ein Investor mit nur einer Anlage, einem Investment in ein beliebiges DAX-ETF, dienen. Möchte er dieses Investment zum Jahresende absichern, kauft er eine Put-Option mit gewünschtem Basispreis und Fälligkeit. Für die Absicherung des komplexen Gesamtportfolios eines institutionellen Investors ist dieser Weg jedoch nicht gangbar, denn für jeden einzelnen Portfolio-Bestandteil müsste eine eigene Put-Option gehandelt werden. Verlässt man dabei die Assetklasse Aktien, so sind sehr schnell keine börsengehandelten Optionen mehr für die abzusichernden Investments verfügbar.

Replizierte Basket-Put-Option: transparent und kostengünstig

Darüber hinaus vernachlässigt die Absicherung jedes Einzelinvestments über eine eigene Put Option die Diversifikationseffekte auf Portfolioebene. Das erzeugt wiederum unnötige Kosten. Denn die Volatilität der Einzelassetklassen ist höher als die Volatilität des Gesamtportfolios - und genau hier liegt der Kostentreiber einer Absicherung. Dazu ein vereinfachtes Beispiel: Abgesichert werden soll ein Portfolio aus 60 Prozent Anleihen und 40 Prozent Aktien. Die Aktien erhalten 16 Prozent Risikobudget, die Anleihen 6 Prozent, sodass das Portfolio bei Maximalverlust in beiden Assetklassen nicht mehr als 10 Prozent verliert. Betrachtet man nun den Preis der entsprechenden Put-Optionen, so liegt die Prämie für den Aktien-Put bei 1,59 Prozent und für den Anleihen-Put bei 0,01 Prozent. Die Absicherung für das Gesamtportfolio kostet damit 0,64 Prozent.

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Will ein Investor hingegen die Diversifikationseffekte nutzen, also die Korrelation der Assetklassen zueinander, so sichert man das Gesamtportfolio aus Aktien und Anleihen als Basiswert mit einer Basket-Put-Option ab. Die deutlich niedrigere Volatilität des Gesamtportfolios im Vergleich zu seinen Einzelwerten senkt die Kosten erheblich, die Prämie der Basket-Put-Option beträgt nur 0,13 Prozent. Es liegt daher nahe, die Absicherung auf der Gesamtportfolio-Ebene durchzuführen.

Börsengehandelt ist solch eine Option auf exakt das abzusichernde Vermögen nicht zu haben, weshalb auf den ersten Blick nur ein maßgeschneidertes Produkt einer Investmentbank infrage kommt, eine OTC-Basket-Put-Option. Eine derart hoch spezifizierte Transaktion ist für die Investmentbank mit einer Reihe von Unsicherheiten verbunden: Die Replizierbarkeit des abzusichernden Vermögens, die auftretende Volatilität oder auch "Overnight-Schocks" sind dabei die wichtigsten Faktoren. Da die Put-Option einen garantierten Payoff hat, lässt die Investmentbank sich diese Risiken plus einer Marge kompensieren - die Absicherung wird so unverhältnismäßig teuer und macht sie als Absicherungsinstrument für die Praxis untauglich.

Alternativ bietet sich eine Optionsreplikation mithilfe von Aktienfutures, Zinsfutures, Credit Default Swaps und Devisentermingeschäften an. Aus diesen Instrumenten lässt sich ein für den Investor transparentes Replikations- oder Hedgeportfolio bilden, das sich bestmöglich im Gleichlauf mit seinem abzusichernden Portfolio bewegt. Im Umfang der Sicherungsposition können dann Short-Positionen auf das Replikationsportfolio eingegangen werden. Das Auszahlungsprofil entspricht am Ende dem der gewünschten Basket-Put-Option.

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Mit der Replikation einer Basket-Put-Option hat der Investor im Gegensatz zum CPPI-Modell zudem eine deutlich geringere Kostenstreuung um deren Mittelwert. Das liegt am unterschiedlichen Verhalten der beiden Strategien im Kursabschwung: Bei CPPI-Konzepten greift die Absicherung erst, wenn das Risikobudget unter Druck gerät, weil für sie allein der Abstand zur Wertuntergrenze maßgeblich ist. Die Absicherung im Falle einer Optionsreplikation wird hingegen deutlich früher in kleineren Schritten sukzessive aufgebaut.

Markterholung inklusive

CPPI-Modelle und Put-Replikation unterscheiden sich in einem weiteren Punkt: Die Chance, an der auf einen Kurssturz folgenden Markterholung teilzuhaben, ist bei CPPI-Modellen nach einem schnellen Kurssturz begrenzter als bei der Replikation einer Put-Option. Dieser Unterschied wird anhand der Abbildung 4 sichtbar. Sie zeigt die Entwicklung eines Simulationsportfolios, dessen Kurspfad zur Verdeutlichung so angelegt wurde, dass er nahe der Wertuntergrenze von 88 Prozent läuft. Solch ein Pfad dient der Verdeutlichung der Risiken, die mit einer CPPI-Strategie eingegangen werden.

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Natürlich gibt es auch andere CPPI-Verläufe mit Jahren, in denen keine Kosten anfallen, weil das Overlay keine Sicherungspositionen aufbaut. Der graue Verlauf ohne Risikoabsicherung verliert zunächst krisenbedingt stark an Wert, erholt sich aber im Zeitverlauf von den Verlusten. Die Verläufe in Rot (Put-Replikation) und Blau (CPPI) stellen die Performance mit entsprechendem Risiko-Overlay dar. Es zeigt sich, dass beide Absicherungsmethoden ihren Zweck erfüllen: Sie sind in der Lage, die Verluste auf Portfolioebene auf Höhe der Wertuntergrenze zu beschränken. Zugleich wird aber deutlich, dass die Put-Replikation die Abwärtsbewegung früher bremst, während das CPPI-Overlay zunächst reaktionslos dem Markt nach unten folgt.

Ist das Tief der Krise überwunden, ist das CPPI-Verfahren jedoch nicht in der Lage, mit der Erholung des ungesicherten Portfolios Schritt zu halten - ein Hinweis darauf, dass das zur Verfügung stehende Risikobudget im Drawdown nahezu aufgebraucht worden ist. Die Put-Replikation hingegen nimmt an der Erholungsbewegung teil und es entstehen keine unerwartet hohen Kosten durch diesen ungünstigen Verlauf.

Hohe implizite Volatilität nicht kostenrelevant

Angesichts der anhaltend hohen impliziten Volatilität am Markt fragen sich viele Investoren, ob eine Absicherung derzeit überhaupt sinnvoll ist, da diese viel zu teuer wäre. Im Falle der replizierten Basket-Put-Option ist dies aber nicht der Fall, da keine Option gehandelt, sondern diese mithilfe von Futures nachgebildet wird. Deshalb ist dieses Sicherungskonzept nicht von der impliziten Volatilität betroffen. Seine Kosten ergeben sich allein aus der aktuell tatsächlich realisierten Volatilität, die typischerweise deutlich unter der impliziten liegt.

Die Corona-Krise hat einmal mehr gezeigt, wie sinnvoll es ist, seine Asset-Allokation um eine Absicherungsstrategie zu ergänzen. So wurden die Drawdowns in Mandaten von Lupus alpha je nach Parametrisierung teilweise um über 50 Prozent reduziert und konnten zugleich an der folgenden Markterholung partizipieren. Ist die Absicherung zudem transparent gestaltet und nicht durch eine Alpha-Komponente verzerrt, lassen sich die Ertragsquellen auf der einen Seite und die Verlustminimierung in Krisen auf der anderen Seite bestmöglich kombinieren.

Alexander Raviol CIO Alternative Solutions, Lupus alpha, Frankfurt am Main
Marvin Labod Portfolio Manager Alternative Solutions, Lupus alpha, Frankfurt am Main
 
Alexander Raviol , Partner und CIO Alternative Solutions, Lupus alpha, Frankfurt am Main
Marvin Labod , Head of Quantitative Analysis , Lupus alpha Asset Management AG, ­ Frankfurt am Main

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