Risikomanagement - die neue Königsdisziplin!

Olaf Tecklenburg
Foto: Helaba Invest

Wenn institutionelle Investoren ihre Renditevorstellungen im aktuellen geldpolitischen und regulatorischen Umfeld nur einigermaßen erfüllen wollen, müssen sie höhere Risiken eingehen. Diese Botschaft ist nach der Wahrnehmung der Autoren längst nicht mehr neu und lässt sich deutlich an den Portfolios ablesen. Im Zuge einer tendenziell offensiveren Strategischen Asset-Allokation messen sie deshalb einem strategischen Overlay Management einschließlich dem Management von Fremdwährungsrisiken eine zentrale Bedeutung zu. Sie lenken den Blick auf eine Multi-Modell-Architektur zur Prognose der Wahrscheinlichkeit künftiger Kursentwicklungen für unterschiedliche Betrachtungszeiträume und der täglichen Ermittlung der optimalen Sicherungsquote. (Red.)

Neueste Studien belegen einen Trend, der von institutioneller Anlegerseite bereits vor Jahren prognostiziert wurde: Die Strategische Asset-Allokation (SAA) der Anlageprofis ist im Zeitablauf zunehmend offensiver geworden. So ist im Zuge des anhaltenden Niedrigzinsumfelds nicht nur der Anteil an Creditprodukten, Real-Assets und strukturierten Anlagevehikeln am gesamten Anlagevermögen sukzessive gestiegen. Mit dieser Neuadjustierung ist auch der Internationalisierungsgrad samt FX-Risiken in den Portfolios stetig angewachsen. Immer mehr Anleger sehen sich aufgrund des Renditedrucks dazu gezwungen, die Grenzen ihrer strategischen Vermögenspositionierung erst dort zu ziehen, wo ihre eigene Risikotragfähigkeit diese setzt. Der künftige Anlageerfolg institutioneller Investoren wird entscheidend davon abhängen, inwieweit es gelingt, die Risiken offensiverer SAA-Strukturen zu managen. Somit hat das Risikomanagement das Potenzial, sich als neue Königsdisziplin zu etablieren.

Strategische Asset-Allokation und Risikosteuerung

In verschiedenen Publikationen der letzten Jahrzehnte wurde herausgearbeitet, dass im Hinblick auf den langfristigen Anlageerfolg der SAA eine entscheidende Bedeutung zukommt. Insofern ist es im Rahmen des Risikomanagements sinnvoll, wenige aber wirkungsvolle Sicherungseingriffe vorzunehmen, um den Investitionsgrad hoch und die Opportunitätskosten möglichst niedrig zu halten. Den Ausgangspunkt der Überlegungen bildet dabei zumeist die mittelfristige Ertrags- und Risikotragfähigkeitsplanung des Anlegers. Gegebenenfalls kommen weitere Einflussfaktoren, wie beispielsweise die Struktur von Pensionsverpflichtungen, als Nebenbedingungen hinzu. Die Einschätzung der Entwicklung an den Kapitalmärkten, die daraus abgeleiteten Ertragserwartungen und die unterstellten Risikoszenarien bilden ebenfalls wesentliche Rahmenbedingungen für die SAA.

Erst unter Kenntnis aller Einflussgrößen ist der Entwurf einer passenden Steuerungsarchitektur für das Risikomanagement möglich. Somit stehen die Anlegersituation, die Kapitalmarktsituation, die SAA-Struktur und das Risiko Overlay in enger wechselseitiger Beziehung zueinander, wie die Abbildung 1 veranschaulicht.

Um die Intention der SAA nicht zu konterkarieren, sollte ein Risiko Overlay grundsätzlich eine hohe Partizipation an der strategischen Anlageposition ermöglichen. Der Risikogehalt der SAA-Struktur sollte mithin in einem gesunden Verhältnis zum zur Verfügung gestellten Risikokapital stehen. Kann dies nicht gewährleistet werden, empfiehlt sich eine generelle Reduktion der strategischen Risiken.

Overlay Management als wichtigster Baustein der Risikosteuerung

Wesentlich für die Charakteristik eines Risiko Overlays ist die Ausgestaltung des Risikokontrollverfahrens. Im Rahmen dessen ist beispielsweise festzulegen, ob ein festes Risikobudget oder ein asymmetrisches Auszahlungsprofil zur Dämpfung größerer Verluste implementiert werden soll. Durch antizyklische Elemente, eine weiche Wertuntergrenze oder auch dem systematischen Nachziehen des Risikolimits können zudem die Opportunitätskosten einer Wertsicherungsstrategie gesenkt und ein Ausstoppen (cash lock) vermieden werden.

Unabhängig vom gewählten Verfahren sollte die Risikosteuerung nicht ausschließlich auf historische Marktkorrelationen und -volatilitäten abstellen. In der Kapitalmarktrealität kommt es immer wieder zu Schockszenarien, in denen die gängigen Wechselwirkungen zwischen einzelnen Assetklassen außer Kraft gesetzt werden. Wie schnell Korrelationsbrüche erfolgen können, hat das "Taper Tantrum" im Jahr 2013 offenbart: Nachdem der damalige Fed-Chef Ben Bernanke den Anfang des Ausstiegs aus der extrem expansiven US-Geldpolitik angekündigt hat, konnte eine hohe positive Korrelation zwischen Aktien-, Renten- und Creditmarkt beobachtet werden. Die reine Verwendung von historisch beobachteten Marktkorrelationen und -volatilitäten greift für die Risikosteuerung also deutlich zu kurz.

Eine zukunftsfähige Risikosteuerung, die auch ungünstigen Marktverhältnissen weitestgehend standhält, sollte darum auch abnormale Korrelationsverhältnisse und Tail-Risiken in das Risikokalkül mit einbeziehen.

Know your Risk - Risiken identifizieren und effektiv steuern

In jedem Fall muss ein Risiko Overlay die gewünschten Sicherungseffekte wirksam entfalten können. Auch hier spielt die SAA eine wesentliche Rolle: Bereits bei der Investition in die SAA-Struktur sollte darauf geachtet werden, wie die Risiken eindeutig adressiert und effektiv abgesichert werden können.

Während für liquide Anlageklassen ein breites Spektrum an Sicherungsinstrumenten zur Verfügung steht, muss für illiquide Vermögenspositionen vorab ein separiertes Risikobudget definiert werden, um Schockszenarien und Liquiditätslöcher auffangen zu können.

Auch andere, generell gut sicherbare Anlageklassen können bei Marktturbulenzen dazu neigen, Illiquiditätsprämien aufzubauen, die sich nicht mehr effektiv absichern lassen. Im Creditbereich lässt sich die Gefahr der Materialisierung von Liquiditätskrisen beispielsweise dadurch eindämmen, dass ein bestimmter Anteil der Creditrisiken nicht physisch sondern synthetisch abgebildet wird.

Ein Spagat zwischen Sicherbarkeit und Sinnhaftigkeit

Ein Aspekt, der liquide und illiquide Assets gleichermaßen betrifft, ist der Umgang mit Fremdwährungsrisiken. In Abgrenzung zu Risikoprämien bringen Währungen einerseits ein zusätzliches, nicht honoriertes Risiko ins Portfolio. Andererseits macht eine vollständige Absicherung die erzielten Diversifikationsgewinne oftmals wieder vollständig zunichte. Im globalen Portfoliokontext gilt es darum, die offene Fremdwährungsquote so auszutarieren, dass eine bestmögliche Balance zwischen positiven Korrelationseffekten und Fremdwährungssicherungskosten realisiert werden kann.

Sofern geeignete Instrumente zur Verfügung stehen, können grundsätzlich alle FX-Risiken gesichert werden. Dies erfolgt im Normalfall über Devisentermingeschäfte oder FX-Futures. In einigen Ländern der Emerging Markets, in denen der Zugang zum Kapitalmarkt reglementiert ist, stellen oftmals auch Non-Deliverable Forwards eine geeignete Absicherungsalternative dar.

Neben der Klärung der generellen Sicherbarkeit der FX-Risiken stellt sich im Rahmen eines professionellen Risikomanagements vor allem die Frage nach der Sinnhaftigkeit, bestimmte FX-Risiken ins Portfolio aufzunehmen beziehungsweise zu sichern. Losgelöst von kundenspezifischen Gegebenheiten hängt die Antwort dabei entscheidend von der Höhe der Sicherungskosten und der Wirkung der Fremdwährungsposition im Portfoliokontext ab. Bei Devisentermingeschäften setzen sich die Sicherungskosten aus der Zinsdifferenz der betreffenden Währungsräume zuzüglich eines Basis-Swap-Satzes, der die Liquidität und die Risikobereitschaft der Marktteilnehmer widerspiegelt, zusammen. Im Extremfall können die Sicherungskosten die komplette Überrendite, welche die Fremdwährungsposition im Vergleich zu einer Anlage in der Heimatwährung verspricht, aufzehren. Dieses Phänomen lässt sich gehäuft bei Emerging-Markets-Währungen feststellen, da in diesen Ländern oftmals flache bis inverse Zinsstrukturen vorzufinden sind. Aber auch der US-Dollar-Markt ist seit geraumer Zeit von hohen Absicherungskosten geprägt.

Nichtsdestoweniger kann die Beimischung von FX-Risiken selbst bei hohen Sicherungskosten sinnvoll erscheinen. Zum einen weisen einige Währungen günstige Risiko- und Korrelationseigenschaften zu verschiedenen Anlageklassen auf und fungieren, wie der Schweizer Franken oder der japanische Yen, als "sichere Häfen". Zum anderen ist für die gänzliche Einschätzung der Vorteilhaftigkeit einer Fremdwährungsanlage die erwartete Wertentwicklung des Basisinvestments mit einzubeziehen. Schließlich bestünde auch die Möglichkeit, die FX-Ri siken generell ungesichert ins Portfolio aufzunehmen. Hiervon ist jedoch mit Blick auf die hohen Draw-Down-Eigenschaften im Währungsbereich abzuraten (Abbildung 2).

Aktives FX-Risiko-Overlay als Lösungsansatz

Auf Grund der Tatsache, dass die Marktverhältnisse in Bezug auf die Attraktivität eines bestimmten Währungsraumes aus Sicht des Euro-Anlegers im Zeitablauf nicht stabil sind, ist eine fortlaufende Beobachtung und Bewertung der Gegebenheiten an den Fremdwährungsmärkten unerlässlich. Ein aktives FX-Risiko-Overlay stellt dafür ein geeignetes Mittel dar.

Eine dynamische Steuerung der Fremdwährungsquote eröffnet für Anleger zudem die Chance, opportunistisch an einer möglichen Aufwertung einer Fremdwährung zu partizipieren. Ein aktives Währungs-Overlay betrachtet somit das FX-Risiko nicht nur als Risiko-, sondern auch als Ertragsquelle und lässt sich als integraler Bestandteil der Bewirtschaftung von SAA-Strukturen definieren.

Für die Festlegung der Absicherungsquoten empfiehlt sich grundsätzlich ein regelbasiertes System. Da kaum ein anderes Vermögensgut derart vielen Einflussfaktoren ausgesetzt ist wie der Wechselkurs eines Währungspaares, sollten die Sicherungsentscheidungen auf einer möglichst breiten und ökonomisch fundierten Grundlage getroffen werden. Als besonders stabil und aussagekräftig haben sich Prognosemodelle herausgestellt, die auf einer Multi-Modell-Architektur fußen.

Hierbei werden auf Basis eines rein mathematisch-statistischen Verfahrens Handelssignale erzeugt, die sich sowohl auf Fundamentaldaten als auch auf Indikatoren, welche die Marktstimmung abgreifen, stützen. Konkret wird die Wahrscheinlichkeit künftiger Kursentwicklungen für unterschiedliche Betrachtungszeiträume prognostiziert und daraus täglich die optimale Sicherungsquote ermittelt.

Stabile Performanceergebnisse

Als große Stärke dieser Multi-Modell-Architektur sind die sehr stabilen Performanceergebnisse hervorzuheben. Das asymmetrische Risiko-Ertrag-Profil, welches dem Auszahlungsprofil einer Option ähnelt, hilft nicht nur, Verluste zu begrenzen und Draw-Downs abzumildern, sondern ermöglicht gleichzeitig die Partizipation an einer positiven Währungsentwicklung. Schließlich bietet der Ansatz die Möglichkeit einer kunden- und portfoliobezogenen Ausgestaltung der Steuerungsparameter. Diese Architektur regelt exakt die zulässigen Sicherungsbandbreiten je Währungspaar sowie das maximal mögliche FX-Risiko auf Portfolioebene unter Berücksichtigung der Risikotoleranz des Anlegers (Abbildung 3).

Der künftige Anlageerfolg institutioneller Investoren wird entscheidend davon abhängen, inwieweit es gelingt, Risiken, die mit einer offensiveren SAA-Struktur einhergehen, zu beherrschen. Als Herausforderungen sind hierbei ein Regimewechsel in der Geldpolitik, Korrelationsbrüche unter den Anlageklassen sowie der risikowirksame Umgang mit illiquiden Vermögensgütern zu nennen. Dem Management von Fremdwährungsrisiken kommt als Assetklassen übergreifende Querschnittsaufgabe dabei eine besondere Bedeutung zu.

Risikostrategie für den Krisenfall rechtzeitig konzipieren

Mit einem sowohl auf die individuellen Kundenanforderungen als auch auf die spezifische SAA-Struktur zugeschnittenen Risiko Overlay lässt sich dieser Herausforderung zielführend begegnen. Für das Management der FX-Risiken gilt es, eine richtige Balance zwischen Sicherungskosten, potenziellen Fremdwährungsverlusten und der Aufrechterhaltung der Chance, an Fremdwährungsaufwertungen teilzuhaben, zu finden. Die Steuerung der FX-Risiken auf Basis einer regelbasierten Multi-Modell-Architektur bietet hier einen aussichtsreichen Lösungsansatz.

Spätestens in der nächsten Marktkrise wird sich zeigen, ob die Disziplin Risikomanagement das Potenzial zum "Königsmacher" hat. Eines steht jedoch fest: König dürfte nur der Anleger werden, der bereits in ruhigen Börsenzeiten vorausschauend eine Risikostrategie für den Krisenfall konzipiert hat.

Olaf Tecklenburg Hauptabteilungsleiter Asset Management Wertpapiere, Helaba Invest Kapitalanlagegesellschaft mbH, Frankfurt am Main
Dr. Adam Traczyk Portfolio Manager, Helaba Invest Kapitalanlagegesellschaft mbH, Frankfurt am Main
Olaf Tecklenburg , Hauptabteilungsleiter Asset Management Wertpapiere, Helaba Invest Kapitalanlagegesellschaft mbH, Frankfurt am Main
Dr. Adam Traczyk , Portfolio Manager, Helaba Invest Kapitalanlagegesellschaft mbH, Frankfurt am Main

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