S-Hub: Brücke von der analogen zur digitalen Welt

Jens Rieken, Foto: Sparkassen Innovation Hub

Dass große Banken in den vergangenen Jahren hauseigene Zentren aufgebaut haben, die mit großer Offenheit für die Kooperation mit Fintechs und agilen Arbeitsmethoden die vielfältigen Möglichkeiten der Digitalisierung ausschöpfen wollen, ist in der Öffentlichkeit wiederholt sehr offensiv herausgestellt worden. Die Sparkassenorganisation ist seit 2017 ebenfalls mit einer solchen Einheit unterwegs, in der für die Ortsbanken und die Verbundunternehmen Produkt- und Dienstleistungsideen entwickelt werden sollen, die im engen Dialog die Anforderungen an Entwicklung, Vertrieb und Regulierung von vornherein möglichst gut durchdenken, aufeinander abstimmen und schnell in die Praxiserprobung bringen sollen. Auch die in der Sparkassenorganisation und bei vielen Verbrauchern kontrovers diskutiert Öffnung von Schnittstellen für Drittanbieter rechnet der Autor beim S-Hub zu den üblichen Arbeitsmethoden. (Red.)

Seit der Sparkassen Innovation Hub, genannt S-Hub, 2017 in Hamburg an den Start ging, hat er sich nicht nur zur wichtigsten zentralen Anlaufstelle für Fintechs innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe entwickelt. Mit eigenen Event-Formaten, zwei Trendstudien, dem neuen Digital-Magazin Goldilocks sowie kreativen Arbeitsmethoden und alternativen Denkweisen unterstützt er die Sparkassen auch dabei, sich für die Zukunft bestmöglich zu wappnen. Für ihn ist die Digitalisierung zuallererst mit Chancen verbunden, die es Deutschlands größtem Bankenverbund ermöglichen, auch zukünftig für die Kunden relevant zu sein.

Hierarchiefreie Arbeitsweise

Jeder Besucher des S-Hubs begreift schnell, dass die Dinge hier ein wenig anders laufen: Das mittlerweile auf 30 Personen angewachsene Team arbeitet weitestgehend hierarchiefrei auf einer hellen und weitläufigen Fläche. Je nach Anforderung kommt es in variablen Einheiten zusammen, die Räume sind offen, Arbeitsplätze werden je nach Bedarf genutzt. Die Mitarbeiter agieren autonom, an selbstgewählten Orten, die ideal für ihre Aufgaben und die jeweilige Teamgröße funktionieren.

Neue Arbeitsweisen wie Scrum, Kanban und Design Thinking, einem Ansatz zur Entwicklung kundenorientierter Produkte und Dienstleistungen, gehören zum festen Set-up und sind wichtige Erfolgsfaktoren des Hamburger Think Tanks. So kommt der Hub einer seiner Hauptaufgaben nach: Gemeinsam mit Sparkassen und Verbundpartnern Produktideen entwickeln, testen und vorantreiben, aus denen Innovationen für Kunden der Sparkassen-Finanzgruppe entstehen.

Deutliche Beschleunigung der Entscheidungen

Mit agiler Entwicklung in interdisziplinären Teams lassen sich in kürzester Zeit zahlreiche Ansätze diskutieren, Ideen schneller bewerten und Entscheidungswege radikal beschleunigen. Jeder Sprint - wie die einzelnen Kurzphasen dieser Arbeitsmethode genannt werden - liefert konkrete Ergebnisse für einzelne Anwendungen. Die Resultate sind plastisch und der so entstandene Prototyp lässt sich bereits im nächsten Schritt mit Testern verproben.

Auch dies ist ein Vorteil agiler Entwicklung: Durch repräsentatives Nutzerfeedback gelingt es, die Weichen frühzeitig richtig zu stellen, indem sich etwa feststellen lässt, welche App-Funktionen wirklich genutzt und damit zum Kern eines Produkts werden. Idealerweise erreicht die Produktidee am Ende Marktreife und kann für alle Sparkassenkunden ausgerollt werden.

Viele Produktideen bereits in der Umsetzung

Mehr als 20 Product Discoveries haben seit 2017 im S-Hub stattgefunden, gut ein Drittel der dort entworfenen Produktideen befindet sich aktuell in der Umsetzung oder wird gerade für eine mögliche Umsetzung bewertet. Wesentlicher Bestandteil der verschiedenen Teams sind stets Mitarbeiter aus den Sparkassen, der DSV-Gruppe und der Finanz Informatik. Das ermöglicht allen Beteiligten ein realistisches Feedback zu einer möglichen Fortführung der angestoßenen Produktidee.

Ein Beispiel ist eine Product Discovery zum Thema Gamification. Besonders für jüngere Nutzer steht bei digitalen Anwendungen eine spielerische Nutzererfahrung hoch im Kurs. Das gilt auch für Produkte von Sparkassen und Banken. Seit Anfang Februar dieses Jahres erarbeiten ein Team des S-Hubs und Mitarbeiter von verschiedenen Sparkassen Produktideen zu eben diesem Gamification-Ansatz. Ergänzt wird die agile Arbeitsgruppe durch Gaming-Experten der Hamburger Goodgame Studios.

Weitere Themen reichen von der gemeinsam mit dem Münchener Fintech Aboalarm entwickelten Idee, das Vertragsmanagement der Kunden zu vereinfachen, über Prototypen für eine sparkasseneigene Wallet für Kryptowährungen bis hin zu Anwendungen für das Firmenkundengeschäft, einer Taschengeld-App für Kinder oder intelligente Sparassistenten.

Neue Impulse für die täglichen Abläufe

Vor allem die richtige Einstellung sowie eine ausgeprägte digitale Kompetenz bei den Sparkassenmitarbeitern sind entscheidend, um für die Kunden mit aktuellen Entwicklungen Schritt zu halten. Daher sind auch Cross-Industry-Formate wie der Innovation Day, der jährlich in Hamburg stattfindet, oder der Hackathon Symbioticon zu wichtigen Standbeinen des Hubs gereift. Sie ermöglichen es, sich einerseits einem interessierten Publikum sowie der Fintech-Welt stärker zu öffnen.

Zum anderen liegt darin eine Chance für Sparkassen und Verbundpartner, über die Mitarbeit am S-Hub hinaus, sich für digitales Denken und modernes Vorgehen zu sensibilisieren und neue Impulse in die täglichen Abläufe zu integrieren.

Neben diesen Veranstaltungen hat der Hub mit Goldilocks auch medial neue Wege beschritten. Als reiner Newsletter gestartet, steht das Digital-Magazin mittlerweile allen Interessierten per Download als App oder Browser-Version zur Verfügung.

Das gemeinsam mit dem journalistischen Newsletter "Finletter" entworfene Format wirft dabei einen Blick über den Tellerrand hinaus und berichtet über aktuelle Trends, Innovationen und Entwicklungen der Digital- und Finanzbranche. Jede Ausgabe behandelt ein übergreifendes Thema und soll mit Hintergrundberichten, News, Interviews, Analysen und neuen Produktideen einen Beitrag zu innovativem Denken leisten.

"Casual Banking": Sehnsüchte und Ängste der Generation Y

Der S-Hub beobachtet intensiv den Markt, erforscht Trends und bewertet diesen Pool an Informationen mit den Beiratsmitgliedern. Dabei wurden bisher nicht nur rund 650 Start-Ups für eine potenzielle Kooperation gescreent sowie mehr als 200 Interviews geführt, sondern auch zwei Trendstudien mit dem Trendbüro aus München erstellt - mit interessanten Erkenntnisse für die Sparkassen. Die kürzlich veröffentlichte zweite Trendstudie nimmt dabei Mitglieder der Generation Y, geboren in den frühen achtziger Jahren bis in die späten neunziger Jahre, ins Visier und geht der Frage nach, wie sie mit ihren Finanzen umgehen.

Die Studie kombiniert Trend- und Marktforschung, bei der Thesen entwickelt und mit Fokusgruppen diskutiert wurden. In einer repräsentativen Umfrage wurden 1 000 sogenannte Millenials im gesamten Bundesgebiet befragt. Wichtigste Erkenntnis: Banking muss dort stattfinden, wo der Kunde sich aufhält. Dabei sind Einfachheit, Sicherheit, Geschwindigkeit und Transparenz relevante Faktoren für das Banking von morgen. Es wird also für Sparkassen verstärkt darum gehen, die Wünsche der Kunden zu verstehen, individuelle Problemlösungen zu finden und daraus ein Geschäft zu machen. Was denken Kunden wirklich und wie können Sparkassen davon profitieren? Einfache Fragen entscheiden in Zukunft über Erfolg und Irrelevanz. Kunden, deren individuelle Bedürfnisse und eine schnelle Reaktion auf das Kundenfeedback sind der Schlüssel für erfolgreiche digitale Produkte.

Testerplattform "Move"

Dass es der Sparkassen Innovation Hub mit der Ausrichtung auf die Kundenbedürfnisse der jüngeren, digital aufgewachsenen Generation ernst meint, zeigt die Testerplattform Move, die seit Anfang des Jahres interessierten Sparkassen zur Verfügung steht, und mit ihr bereits mehr als 3 600 aktive Teilnehmer aller relevanten Zielgruppen. Die stetig wachsende Community beantwortet Fragen, bewertet Ideen und Konzepte und testet Prototypen von Apps und Services bis ins kleinste Detail. Im Moment dreht sich auf Move alles um die Themen Mobile Banking, Sparen sowie Kundenservice. Ziel ist es, für die Sparkassen bis Ende 2019 zehntausend Nutzer auf die Plattform zu bringen.

Sparkassen allein können unmöglich jede technische Lösung für alle relevanten Fragen und aktuellen Kundenanforderungen entwickeln und erfolgreich implementieren. Zu den erwähnten kooperativen Ansätzen des Sparkassen Innovation Hubs und kreativen Impulsen für digitales Denken gesellt sich insofern auch der hauseigene Open-Banking-Ansatz, der sich in der Entwicklung von Ahoi, der Multi-Banking-Schnittstelle der Sparkassen-Finanzgruppe, niederschlägt.

Impulse durch interdisziplinären Austausch

Geeignete Drittanbieter erhalten mit ihr Zugriff auf Konto- und Umsatzdaten der Sparkassen. Für den S-Hub liegt darin weniger Schreckgespenst, als vielmehr enormes Potenzial für neue digitale Businessideen, die der gesamten Sparkassen-Finanz gruppe zugutekommen. Ohne interdisziplinären Austausch lassen sich aktuelle und künftige Herausforderungen nicht kundenfokussiert meistern.

Jens Rieken Leiter, Sparkassen Innovation Hub, Hamburg
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Jens Rieken , Leiter, Sparkassen Innovation Hub, Hamburg

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