Schwerpunkte der deutschen Ratspräsidentschaft im Bereich Finanzdienstleistungen

Dr. Jörg Kukies, Foto: Bundesministerium der Finanzen/Photothek

Es hätte wahrlich bessere Zeitpunkte für die Bundesregierung geben können, die EU-Ratspräsidentschaft zu übernehmen als gerade im Sommer 2020. So sind die Hoffnungen an eine deutsche Ratspräsidentschaft ohnehin immer schon sehr hoch, einfach weil erwartet wird, dass die größte europäische Volkswirtschaft mit Gespür und Geschick schon Lösungen finden wird. Darüber hinaus fällt die Übernahme nun aber in eine Zeit, in der das Thema Corona den öffentlichen Diskurs, die Schlagzeilen, die Wirtschaft und damit die politische Agenda dominiert. Für die Bundesregierung heißt das: Im Tagesgeschäft muss die Krise abgefedert werden und mit den verbleibenden Ressourcen muss der Weg aus der wirtschaftlichen Talsohle gefunden werden. Dr. Jörg Kukies spricht im vorliegenden Beitrag aber auch von besseren Aussichten oder wie die Bundesregierung diese mit ihrer Ratspräsidentschaft erwirken möchte. Für den Finanzstandort Europäische Union seien hier vor allem die Banken- und Kapitalmarktunion sowie das Thema Nachhaltige Finanzen von hoher Bedeutung. Um diese Themen aber auch konsequent umsetzen zu können, brauche es weiterhin vor allem eines: Zusammenhalt. (Red.)

Deutschland hat am 1. Juli 2020 die EU-Ratspräsidentschaft in schwierigen Zeiten übernommen. Im Licht der Corona-Pandemie steht die deutsche Ratspräsidentschaft ganz im Zeichen der Frage, wie die EU aus dieser Gesundheits- und Wirtschaftskrise gestärkt hervorgehen kann. Wir wollen getreu unseres Mottos "Gemeinsam. Europa wieder stark machen." daran arbeiten, dass Europa stärker, gerechter und nachhaltiger aus der Krise hervorgeht. Dabei folgen wir einem dreistufigen Ansatz, um die zentralen Herausforderungen der Krise zu adressieren. Erstens werden wir das Krisenmanagement fortsetzen mit dem Ziel, eine gemeinsame Antwort für unser vorrangigstes Ziel, die weitere Eindämmung der Pandemie, zu finden. Zweitens werden wir gemeinsam an einem nachhaltigen Wiederaufbauplan zur Abfederung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Krise arbeiten. Drittens sollten wir aus der Krise die richtigen Schlüsse ziehen und wichtige Erkenntnisse dafür nutzen, unsere Resilienz als EU insgesamt sowie als Mitgliedsstaaten zu verbessern.

Gerade als aktuelle Ratspräsidentschaft setzt Deutschland alles daran, die wirtschaftliche Erholung in der EU zu befördern. Wir wollen die Gelegenheit nutzen, mit unserem Plan zur Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung unserer Mitgliedsstaaten auch die europäische Wirtschaftsstruktur zu stärken. Wichtige Elemente davon sind die Stärkung der wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit, Konvergenz und Nachhaltigkeit der EU. Darüber hinaus wollen wir die strategische Autonomie der EU ausbauen. Darum setzen wir uns für Reformen und Investitionen ein, die integratives Wachstum, Wachstumspotenziale, Digitalisierung und grüne Transformation in Europa voranbringen.

In Deutschland werden bei der Verwirklichung dieser Ziele auch die Förderbanken eine wichtige Rolle spielen. Indem sie einen bedeutenden Beitrag zur Finanzierung der Realwirtschaft leisten, wirken angemessen regulierte und damit ihrerseits stabile Förderbanken als ein stabilisierendes Element für unsere gesamte Volkswirtschaft während der Corona-Krise.

Erfolg gleich zu Anfang

Bereits im ersten Monat der deutschen Ratspräsidentschaft haben wir ein erstes wichtiges Ziel auf europäischer Ebene erreicht: Mit der Einigung des Europäischen Rats im Juli 2020 auf den Mehrjährigen Finanzrahmen für die Periode 2021 bis 2027 und dem Aufbauinstrument "Next Generation EU" ist es uns gelungen, zwei Maßnahmen miteinander zu einem Paket zu verknüpfen, mit dem die EU beim Wiederaufbau nach der Covid-19-Pandemie unterstützt und Investitionen in den grünen und digitalen Wandel gefördert werden.

Insgesamt beträgt das Volumen des Pakets 1,8 Billionen Euro. In den Jahren 2021 bis 2023 sollen davon 750 Milliarden für einen Wiederaufbaufonds zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie bereitstehen. Davon werden 390 Milliarden Euro als Zuschüsse, 360 Milliarden als Kredite zur Verfügung gestellt. In den kommenden Monaten wird die deutsche Präsidentschaft den legislativen Prozess zur Umsetzung der Ratseinigung vorantreiben. Dabei steht ein grüner, sozial inklusiver Aufbau im Vordergrund, der der digitalen Transformation und Wettbewerbsfähigkeit Rechnung trägt.

Der Mehrjährige Finanzrahmen und das Aufbauinstrument leisten bereits einen großen Anteil der zur Bekämpfung der Pandemie benötigten finanziellen Mittel. Allerdings wird sich die deutsche Ratspräsidentschaft darüber hinaus für die Mobilisierung weiterer Ressourcen durch die Finanzmärkte einsetzen. Dabei sind ein starker Bankensektor und ein verlässlicher Zugang zu den Finanzmärkten die Grundlage für eine nachhaltige und vollständige Erholung. Darum sind die weitere Vertiefung der Banken- und Kapitalmarktunion wichtige Projekte, um die Eurozone stabiler und wettbewerbsfähiger zu machen und das Wachstum zu fördern.

Darum wollen wir im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft die Bankenunion vorantreiben. Unser Ziel ist es, eine stärkere und wettbewerbsfähige Union für künftige Generationen zu schaffen. Das beinhaltet neben einem effizienten Rahmen für Krisenmanagement und einer Diskussion zu einer europäischen Einlagensicherung auch die Regulierung von Staatsrisiken und eine Stärkung der Marktintegration.

Kapitalmarktunion ist Teil der Lösung

Neben der Bankenunion wollen wir zudem die Kapitalmarktunion weiter vorantreiben. Zielgerichtete Reformen im Bereich des Kapitalmarkts sollen dabei vor allem der Finanzierung kleiner und mittlerer Unternehmen zugutekommen. Solche Maßnahmen werden hier besonders im Fokus stehen, die innerhalb eines angemessenen Zeitraums erreicht werden können - denn so können wir die Erholung der Wirtschaft sinnvoll unterstützen und Wiederaufbaumaßnahmen im Sinne der Verbraucher und Unternehmen optimal nutzen. Die weitere Finanzmarktintegration wird ein wichtiger Beitrag dazu sein, in einem Postkrisenszenario eine ausreichende Finanzierung der Realwirtschaft sicherzustellen.

Der Zugang zu Finanzierungen für Unternehmen in der ganzen EU muss erleichtert werden, um ein wettbewerbsfähiges, lebhaftes Geschäftsumfeld zu schaffen. So kann die Erholung nach der Krise beschleunigt und Wachstum gefördert werden. Das beinhaltet insbesondere auch die Finanzierung von kleinen und mittleren Unternehmen. In Hinblick auf den angekündigten Aktionsplan der Kommission könnte das bedeuten, einen entsprechend ausgestalteten European Single Access Point zu schaffen.

Ambitionierte Agenda für digitalen Finanzmarkt

Die Digitalisierung prägt inzwischen fast alle Lebensbereiche. Die Corona-Krise hat diese Entwicklung weiter beschleunigt und führt uns die Vorteile der Digitalisierung, aber auch die Abhängigkeit von digitalen Prozessen im Finanzsektor vor Augen. Um Chancen und Risiken angemessen begegnen zu können, braucht es eine ambitionierte Agenda im Bereich digitaler Finanzmarkt. Dies ist auch ein wichtiger Baustein dafür, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Finanzmärkte zu stärken. Die Schaffung eines sicheren Umfelds für Digitalisierung im Finanzsektor ist darum von zentraler Bedeutung für die deutsche Ratspräsidentschaft.

Darunter fallen der Aufbau eines sicheren und wettbewerbsfähigen Finanzmarkts für tokenisierte Finanzdienstleistungen, die Förderung der Zahlungsverkehr-Richtlinie sowie die Erhöhung der Cybersicherheit und der Widerstandsfähigkeit des europäischen Finanzmarkts. Ziel muss es sein, die staatliche Souveränität zu sichern, die Stabilität und Resilienz des Finanzmarktes zu erhöhen und auf Risiken vorbereitet zu sein - etwa durch Bedrohungen der Cybersicherheit oder um den sicheren Umgang mit Krypto-Assets zu gewährleisten.

Sustainable Finance von zentraler Bedeutung

Die Integrität unseres Finanzsystems ist von verschiedenen Seiten bedroht, unter anderem durch Aktivitäten im Bereich Geldwäsche. Dieses Thema beschäftigt uns auch im Rahmen der Ratspräsidentschaft. Unser Ziel ist es, die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung weiter zu verbessern. Im Fokus steht dabei die Frage, welche Bereiche am besten durch eine Verordnung reguliert werden können. Außerdem wollen wir diskutieren, wie eine zukünftige Aufsichtsstruktur auf EU-Ebene zu einer besseren Einhaltung des rechtlichen Rahmens auf dem gesamten gemeinsamen Markt beitragen kann.

Sustainable Finance bleibt als Querschnittsthema von zentraler Bedeutung für unsere Ratspräsidentschaft, insbesondere in Hinblick auf den Kampf gegen den Klimawandel. Wir setzen uns darum für die Veröffentlichung einer ambitionierten Sustainable-Finance-Strategie der Kommission ein und erkennen an, dass um nachhaltiges Wachstum zu erreichen neben einem politischen Fahrplan auch ausreichend finanzielle Mittel nötig sind. Damit eine Kopplung ökonomischer Ziele von Investoren mit den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung gelingt, unterstützen wir die Ausgabe von und Investitionen in europäische grüne Anleihen - denn ein weiteres Ziel der deutschen Präsidentschaft besteht darin, dass die EU ein anerkannter Standort für nachhaltige Investitionen bleibt. Auf nationaler Ebene geht die Bundesregierung hier bereits voran und emittiert im September die erste grüne Bundesanleihe.

Trotz der unvorhergesehenen Änderungen des Arbeitsprogramms und der organisatorischen Einschränkungen aufgrund von Covid-19 haben wir uns das ehrgeizige Ziel gesetzt, substanziellen Fortschritt in vielen Bereichen zu erreichen. Gleichzeitig werden wir weiterhin flexibel auf alle Herausforderungen in den kommenden Monaten reagieren.

Dr. Jörg Kukies Staatssekretär, Bundesministerium der Finanzen, Berlin
Dr. Jörg Kukies , Staatssekretär, Bundesministerium der Finanzen, Berlin
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