Die sichere Verwahrung digitaler Vermögenswerte

Anja Schlick, Foto: Hauck & Aufhäuser Privatbankiers AG

Wer mit Wertpapieren handelt, der möchte auch eine Garantie, dass seine Anlage sicher erstanden, verwahrt und auch wieder abgestoßen werden kann. Im klassischen Handel sind hierfür verschiedene Stellen zuständig, die die einzelnen Schritte verifizieren und begleiten. Werden Anlagen nun tokenisiert und in eine Blockchain eingebunden, werden die Aufgaben besagter Stellen zum Großteil durch die Technologie ersetzt - oder? Die Autorin des vorliegenden Beitrags befasst sich mit der Veränderung des Aufgabenprofils von Wertpapierverwahrstellen, sollte eine weitgehende Tokenisierung des Wertpapierhandels voranschreiten. Überflüssig werden Asset Servicer ihrer Meinung aber nicht, denn das Zusammenspiel von Investoren, Asset Manager, Kapitalverwaltungsgesellschaften und Verwahrstellen habe sich bewährt und sorgt für einen angemessenen Investorenschutz. Um das auch künftig gewährleisten zu können, bedarf es aber noch konkreterer regulatorischer Vorgaben. (Red.)

Digitale Technologien werden zu einem massiven Umbruch der Finanzbranche führen, heißt es derzeit allerorten. Nun ist die Digitalisierung für Marktteilnehmer alles andere als Neuland: Nahezu jedes Wertpapier von der Aktie bis zur Bundesanleihe wird schließlich nicht auf Papier, sondern in digitaler Form emittiert und gehandelt. Elektronische Handelssysteme der Börsen haben den Parketthandel längst abgelöst und Wertpapiertransaktionen in Sekundenbruchteilen ermöglicht. Doch der voranschreitende technologische Wandel wird den Umgang mit Wertpapieren noch einmal nachhaltig verändern - mit Konsequenzen für alle Marktakteure, darunter insbesondere auch Asset Manager und ihre Serviceprovider.

Im Kontext der Digitalisierung des Asset Managements erscheinen insbesondere die Blockchain- beziehungsweise Distributed-Ledger-Technologie (DLT) von Bedeutung. Als derzeit bekannteste Form einer DLT steht die Blockchain bis heute für die meisten Menschen für die Kryptowährungen Bitcoin, Ethereum und dergleichen. Dabei eröffnet sie ein riesiges Anwendungsspektrum sowohl innerhalb als auch außerhalb der Finanzbranche.

Veränderter Umgang mit Wertpapieren

Vereinfacht gesagt ist eine DLT als Dachbegriff für Blockchain und andere mögliche Umsetzungsformen eine Datenstruktur, bei der die Daten nicht in Tabellen einer traditionellen zentralen Datenbank verwaltet werden, sondern dezentral auf Rechnern der Teilnehmer in einzelnen Datensätzen oder Blöcken. Aus der verschlüsselten Verkettung der einzelnen Blöcke ergeben sich sodann alle relevanten Konten- und Transaktionsdaten. Kommen neue Daten hinzu, müssen diese durch die übrigen Teilnehmer verifiziert werden, um der Blockchain hinzugefügt zu werden. Das stellt sicher, dass die Verkettung sich nicht manipulieren lässt und sich stets auf aktuellem Niveau befindet.

Unter den verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten der DLT sticht aktuell die vollständige Digitalisierung von Wertpapieren heraus: Die Technologie ermöglicht, Vermögensgegenstände und Wertpapiere digital zu verbriefen und dezentral auf der Blockchain zu verwahren. Bei einer solchen sogenannten Tokenisierung werden alle relevanten Rahmendaten zur Verbriefung unwiderruflich festgelegt. Dazu zählt beispielsweise der zugrunde liegende und von den Aufsichtsbehörden genehmigte Wertpapierprospekt.

Einzelne Marktteilnehmer rechnen damit, dass der Handel klassischer Aktien bereits in vier Jahren Seltenheitswert hat und gängige Instrumente wie Aktien, Fonds, ETFs und Anleihen nur noch in tokenisierter Form gehandelt werden. Das mag optimistisch klingen. Aber auch unabhängig von der im Fintech-Umfeld verbreiteten Euphorie gibt es seriöse Studien, die voraussagen, dass bis 2027 bereits zehn Prozent aller weltweit verfügbaren Investments und Wertpapiere in tokenisierter Form zur Verfügung stehen werden, entweder ausschließlich oder zusätzlich als digitale Tranche. Schließlich bieten sie eine schnellere Abwicklung, ein vernachlässigbares Settlementrisiko sowie sehr geringe Kosten.

Tokens eröffnen neue Möglichkeiten

Tatsächlich ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich die Tokenisierung zumindest in bestimmten Anlagesegmenten zügig zum Mainstream entwickeln wird. Das gilt zum einen für den Bereich der Unternehmensfinanzierung: Hier eröffnet die Blockchain insbesondere mittelständisch geprägten Unternehmen ganz neue Finanzierungsmöglichkeiten abseits klassischer Bankfinanzierungen oder eines aufwendigen Börsengangs. Zum anderen bietet die Tokenisierung gerade im Bereich von Sachwerten und anderen illiquiden Vermögensgegenständen entscheidende Vorteile, die über einen bloßen Effizienzgewinn hinausgehen.

So macht eine digitale Verbriefung auch traditionell illiquide Anlagen jederzeit handelbar: Tokenisierte Anteile lassen sich einfach und effizient kreieren und übertragen. Darüber hinaus bietet die Digitalisierung von Assets auch klassischen Privatanlegern Zugang zum jeweiligen Markt, da die sonst üblichen hohen Mindestanlagesummen wegfallen. Das ermöglicht eine maßgeschneiderte Allokation auch kleinerer Portfolios. Wie der Erfolg von Crowd-Plattformen belegt, überzeugen diese Vorteile insbesondere im Immobiliensegment eine wachsende Zahl von Anlegern.

Setzt sich der Trend zur Digitalisierung und damit zur Nutzung der Blockchain-Technologie erwartungsgemäß fort, ergeben sich für alle am Investmentprozess Beteiligten Konsequenzen: Während Investoren von einem einfacheren und günstigeren Zugang profitieren, werden Asset Manager ihre Prozesse entsprechend anpassen müssen. So lassen sich zum Beispiel bislang aufwendige Abstimmungsprozesse zwischen Investoren und Asset Managern bei der Spezialfondsauflage deutlich verschlanken.

Auch könnte der Einsatz der Blockchain-Technologie Intermediäre für die Ausführung und Bestätigung von Transaktionen weitgehend überflüssig machen. Und schließlich könnten sich steuerrechtlich und regulatorisch geforderte Reportings vollautomatisiert erstellen und vom Investor jederzeit über eine Plattform abrufen lassen. Auch im Portfoliomanagement lässt sich die Blockchain einsetzen, um bestimmte Auswahlkriterien einfach und transparent darzustellen.

Verwahrer bleiben erhalten

Weitreichende Veränderungen ergeben sich damit auch für Asset-Servicing-Gesellschaften, die als Dienstleister umfangreiche Kontrollfunktionen innehaben. Zu den ihnen im Geschäftsfeld Custody/Verwahrstelle vom aufsichtsrechtlichen Rahmen eindeutig vorgegebenen Aufgaben zählen die Wertpapierverwahrung, die Transaktionsüberwachung und das Meldewesen. Angesichts der Funktionsweise der Distributed-Ledger-Technologie mit ihrer dezentralen Erfassung von Transaktionen und Verwahrung der Vermögensgegenstände durch die Investoren selbst könnten diese klassischen Dienstleistungen einer Verwahrstelle letztlich überflüssig werden, argumentieren einige Blockchain-Anhänger. Vor allem institutionelle Investoren beurteilen derartige "Non-Custodian-Lösungen" allerdings mit großer Skepsis.

Denn das Zusammenspiel von Investoren, Asset Manager, Kapitalverwaltungsgesellschaften und Verwahrstellen hat sich vielfach bewährt und prägt die gesamte Investmentkultur. Die Kontrollfunktionen, die der Regulator festgelegt und in den vergangenen Jahren noch erweitert hat, sorgen für einen angemessenen Investorenschutz. Die Einführung einer neuen Technologie allein kann einen solchen Schutz nicht gewährleisten und macht die Instanz Verwahrstelle nicht entbehrlich. Denn IT-Sicherheitslücken, Missbrauch oder Betrug stellen technologieunabhängig latente Risiken dar, wie erste Erfahrungen mit der Blockchain-Verwahrung von Kryptowährungen eindrucksvoll belegen. So haben Diebstahl und Verlust von Private Keys, also der Zugangsberechtigungen zu den digitalen Schließfächern, den sogenannten Wallets, Investoren um erhebliche Vermögenswerte gebracht.

Vertrauen setzt sich durch

Das Gros der institutionellen Investoren verlangt daher zu Recht, dass auch digitalisierte Assets auf einem Sicherheitsniveau verwahrt werden, das sie von klassischen Vermögensanlagen gewohnt sind. Das heißt, dass Verwahrung und weitere Kontrollfunktionen weiterhin etablierten Marktteilnehmern mit entsprechender Erfahrung übertragen werden wird - unabhängig von der Struktur der Vermögensgegenstände.

De facto geht es darum, Verwahrstellen in die Lage zu versetzen, digitale Werte abzurechnen und sicher zu verwahren. Während sie selbst in vielen Fällen längst mit der technologischen Umsetzung befasst sind, müssen die Aufsichtsbehörden die Rahmenbedingungen für eine derartige Verwahrung präzisieren, wobei eine europäische Harmonisierung dringend geboten erscheint. Sicherzustellen ist dabei, auch reine Kryptoverwahrer einem entsprechenden Regelwerk zu unterwerfen. Die ersten derartigen Schritte in Deutschland sind hier zu begrüßen.

Insgesamt ist jedoch zu erwarten, dass das Verwahrgeschäft für institutionelle Investoren und für die Fondsindustrie weiterhin von klassischen Playern dominiert werden wird. Das vielfach über Jahrzehnte gewachsene Vertrauensverhältnis zwischen den beteiligten Akteuren wird die Distributed-Ledger-Technologie ebenso wenig ersetzen können, wie sie ändert, was Verwahrstellen tun. Ändern wird sie nur die Art und Weise, wie sie es tun.

Anja Schlick Head of Relationship Management Asset Servicing/Financial Assets, Hauck & Aufhäuser Privatbankiers AG, Frankfurt am Main
 
Anja Schlick , Head of Relationship Management Asset Servicing/Financial Assets, Hauck & Aufhäuser Privatbankiers AG, Frankfurt am Main
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