Sparer auf dem Abstellgleis?

Hans Joachim Reinke, Foto: Union Investment

Eine Anlegerbefragung der Union Investment hat gezeigt, dass mehr als zwei Drittel der Deutschen in den nächsten sechs Monaten weiter niedrige Zinsen erwarten. Dennoch suchen laut Autor nur wenige Menschen nach Anlagealternativen. Hans Joachim Reinke sieht dafür vor allem fehlende Lust und Unwissen als Grund. Fehlende Finanzbildung sei ein Kernthema, an dem gearbeitet werden muss. Die Verantwortung dafür sehen befragte Experten vor allem bei den Familien und den Schulen. Neben dem Mangel an Wissen hält Reinke auch die geopolitisch unruhigen Zeiten als eine Ursache für die Zurückhaltung am Aktienmarkt, da dadurch das Sicherheitsbedürfnis bei der Geldanlage zusätzlich steige. Als eine zentrale Aufgabe seines Unternehmens, aber auch des gesamten Genossenschaftssektors, sieht es der Autor an, die Kunden für ratierliche Sparpläne zu gewinnen. Er verspricht sich dadurch dauerhaft zufriedenere Kunden. Um das Potenzial weiter auszubauen, rät er, die Risikowahrnehmung der Menschen in einen realistischeren Bereich zu bringen. (Red.)

648 Milliarden Euro - auf diese Summe addieren sich die durch niedrige Zinsen verursachten Einbußen deutscher Sparer in den letzten zehn Jahren. Doch wer glaubt, Anleger handeln nun und kümmern sich aktiv und intensiv um ihre Geldanlagen, um für sich das Optimum aus den bestehenden Möglichkeiten herauszuholen, der irrt sich. Auch wenn sich immer mehr Menschen mit den Auswirkungen des extremen Minizinses beschäftigen - der dahinter liegenden Dramatik scheinen sich viele erst nach und nach richtig bewusst zu werden.

Die quartalsweise Anlegerbefragung von Union Investment zeigt: Die Mehrheit der Deutschen (68 Prozent) erwartet gleichbleibend niedrige Zinsen in den nächsten sechs Monaten. Jeder fünfte Umfrageteilnehmer (21 Prozent) geht von weiter fallenden Zinsen aus. Mit steigenden Zinsen rechnet nur noch eine Minderheit von 9 Prozent. Sieben von zehn Anlegern erwarten sogar, dass sie demnächst Negativzinsen für Guthaben auf Sparbeziehungsweise Tagesgeldkonten bezahlen müssen. Dennoch sehen sich nur wenige nach geeigneten Alternativen um und handeln entsprechend.

Warum verharren Sparer in dieser Passivität?

Was steckt dahinter? Kurz gesagt: Keine Lust und wenig Wissen. Fast die Hälfte der Deutschen (46 Prozent) hat einfach keine Lust, verschiedene Anlageformen miteinander zu vergleichen. Vier von zehn halten es für sinnvoll, erst einmal abzuwarten, statt ihr Erspartes umzuschichten oder neu anzulegen. Gut jeder Vierte (26 Prozent) hat sogar schon darüber nachgedacht, mehr Bargeldreserven Zuhause aufzubewahren.

Aber auch das Thema Wissen, in diesem Fall Finanzwissen, spielt eine Rolle beim Verharren der Sparer in altbekannten Verhaltensweisen. Denn den Deutschen fehlt oftmals grundlegende Finanzbildung. Experten aus Finanzindustrie, Lehrerschaft, Politik und Verbraucherschutz vergeben Normalbürgern lediglich die Schulnote 3,8 beim Finanzwissen. Die größten Wissensdefizite verspüren die Deutschen, wenn es um Themen wie Altersvorsorge (89 Prozent), Zinsen und Schulden, Ratenzahlung und Haushaltsbudget (79 Prozent), Zinsen und Sparen (76 Prozent) oder Versicherungen (72 Prozent) geht. Ohne dieses Wissen ist es sehr schwer, zukunftsfähige Entscheidungen bei den eigenen Finanzen zu treffen.

Woran liegt es, dass die befragten Experten beim Thema Finanzbildung zu einem so kritischen Urteil kommen? Als größte Hindernisse sehen sie eine unzureichende Behandlung des Themas in der Schule (52 Prozent) und mangelnde Wissensvermittlung im Elternhaus (50 Prozent). Die Hauptverantwortung für die Vermittlung von Finanzwissen weisen Experten folgerichtig vor allem den Familien zu (73 Prozent), gefolgt von den Schulen (55 Prozent). Die befragten Experten signalisieren zudem vor allem den Schulen, dass sich diese intensiver des Themas annehmen sollen. Impulse erwarten sie dabei von der Politik, die sich selbst aber deutlich weniger in der Verantwortung sieht. Insgesamt zeigt die Studie, dass die Schule zwar nur ein Teil der Lösung ist, ihre Rolle aber trotzdem deutlich gestärkt werden sollte. 73 Prozent der Bevölkerung wünschen sich eine bessere Verankerung der Finanzbildung bereits in unteren Jahrgängen, 61 Prozent fordern dafür sogar ein eigenes Schulfach.

Zu fehlender Lust und Motivation kommen geopolitisch unruhige Zeiten - Stichwort Handelskonflikt, globale Konjunktursorgen und die Debatte um den Brexit. Diese führen dazu, dass deutsche Sparer Angst vor Vermögensverlust haben und daher großen Wert auf Sicherheit legen. Das Problem dabei ist nur, dass heute Sicherheit zum Risiko geworden ist, da man mit vermeintlich sicheren Zinsanlagen und Sparformen unter dem Strich Geld verliert.

Asset Manager müssen Anstrengungen verstärken

Zusammen mit den genossenschaftlichen Banken gelingt es Union Investment sehr erfolgreich, immer mehr wertpapierunerfahrene Menschen, vor allem über ratierliche Sparpläne für eine ausgewogenere Geldanlage zu gewinnen. Trotzdem hat der Asset Manager noch viel Potenzial. Die Evolution des Sparens ist ein langer Weg und der hat gerade erst angefangen. Ihn zu beschreiten, lohnt sich: Denn wer seine Kunden vom Sparen mit Fonds überzeugt, hat dauerhaft zufriedenere Kunden. Wer einmal die Hürde genommen und in wertpapierbasierte Anlageformen investiert hat, erkennt deren Vorteile und fühlt sich damit auch gut.

Dies zeigt sich durchaus auch in Zahlen: Aktuell hat Union Investment 2,6 Millionen Fondssparpläne im Privatkundengeschäft (Stand 30.9.2019, ohne VL und Riester-Rente). Bei den Sparplänen freut den genossenschaftlichen Asset Manager besonders die Allokation der regelmäßigen Spargelder. So sind heute 96 Prozent der Sparpläne bei Union Investment in Aktien-, Misch- oder Offenen Immobilienfonds angelegt. Vor fünf Jahren waren es noch 77 Prozent. Das zeigt, dass es durchaus möglich ist, die Menschen für chancenreichere Geldanlagen zu gewinnen. Darüber hinaus stieg in den letzten fünf Jahren die durchschnittliche Sparrate pro Kunde um 30 Prozent auf 157 Euro monatlich. Bei neuen Sparplänen, die in den letzten zwölf Monaten abgeschlossen wurden, liegt der Durchschnitt sogar bei 215 Euro. Nimmt man alle Fondssparpläne zusammen, also Riester-Sparpläne und Sparpläne, die mit vermögenswirksamen Leistungen bespart werden, ist Union Invetsment bei 5,1 Millionen Sparverträgen - eine Zahl, auf die Union Investment wirklich sehr stolz sein kann. Der Fondssparplan ist heute dort angekommen, wofür er vor fünfzig Jahren konzipiert wurde. Was als scheinbar langweiliger Ladenhüter begann, ist zur zentralen Lösung in der Evolution des Sparens geworden.

Das Interesse an nachhaltigen Geldanlagen nimmt zu

Renditechancen sind nicht der einzige Grund, dass Menschen sich für Fonds interessieren. Im Zuge der in der Gesellschaft breit diskutierten Nachhaltigkeitsdebatte ergeben sich auch beim Sparen zunehmend Optionen für nachhaltiges Handeln. Anleger zeigen sich dafür auch durchaus offen. Knapp jeder zweite deutsche Anleger hält nachhaltige Geldanlagen für attraktiv. Für drei Viertel der Anleger (77 Prozent) spielt dabei das nachhaltige Handeln eine wichtigere Rolle als die Erzielung von kurzfristigen Gewinnen. Folgerichtig kommt für 40 Prozent der Sparer eine Anlage in nachhaltige Investmentfonds ganz sicher oder wahrscheinlich infrage. Nur jeder Vierte (24 Prozent) lehnt ein solches Investment ab. Bemerkenswert ist, dass ökologische oder soziale Gesichtspunkte für viele Anleger bei der Geldanlage mindestens genauso wichtig sind wie der Gewinn, der am Ende herauskommt: 85 Prozent der Befragten wären sogar bereit, zugunsten der Nachhaltigkeit weniger Gewinn in Kauf zu nehmen.

Mehr als die Hälfte der Befragten im Union-Investment-Anlegerbarometer geht davon aus, dass das Interesse an nachhaltigen Anlagestrategien in Zukunft noch weiter zunimmt. Denn viele verstehen mittlerweile, dass nachhaltiges Investieren nicht zwangsläufig mit Renditeverzicht einhergeht. Im Gegenteil: 44 Prozent sind davon überzeugt, dass "grüne" Investments zwar nicht kurzfristig, aber auf lange Sicht höhere Ertragschancen bieten als herkömmliche Geldanlagen.

Trotzdem sind nachhaltige Geldanlagen unter deutschen Privatanlegern immer noch relativ gering verbreitet. Gerade einmal zwölf Prozent der Befragten sind darin investiert. Am häufigsten begründen die Sparer ihre Zurückhaltung damit, dass sie dafür kein Geld übrig haben (41 Prozent). Drei von zehn Sparern geben an, dass das Angebot an nachhaltigen Geldanlagen unübersichtlich ist. Dabei würde gut jeder zweite Befragte (52 Prozent) nachhaltig investieren, wenn er als Kleinanleger wüsste wie.

Hervorzuheben ist, dass von den Nachhaltigkeitskriterien in den letzten Jahren vor allem ökologische Gesichtspunkte an Bedeutung gewonnen haben. Knapp die Hälfte der Befragten (46 Prozent), die ihr Vermögen nachhaltig investieren möchten, halten ökologische Aspekte im Vergleich zu sozialen (49 Prozent) für wichtiger.

Die gestiegene Attraktivität von nachhaltigen Investments ist zum einen auf das veränderte Konsumverhalten zurückzuführen: Menschen entscheiden heute bewusster, auch in ihrem Alltag achten die Sparer daher auf den Umwelt- beziehungsweise Klimaschutz. Zum anderen suchen die Sparer in Zeiten niedriger Zinsen und zunehmender Unsicherheit an den Kapitalmärkten nach adäquaten Anlagealternativen. Nachhaltige Geldanlagen sind dabei eine Option.

Auch wenn die Türen für diversifiziertes Sparen und Anlegen mit Fonds so weit offen stehen wie selten zuvor, hat die Branche noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Wie? Indem auf der einen Seite die Ängste und Vorbehalte der Kunden und ihre Vorlieben beim Thema Sicherheit und auch Nachhaltigkeit ernst genommen werden. Auf der anderen Seite aber immer wieder deutlich machen, dass Sicherheit beim Sparen und Anlegen im aktuellen Zinsumfeld völlig neu bewertet werden muss. Insofern sieht Union Investment hier auch eine große Chance: Wenn es gemeinsam mit den Beratern und Beraterinnen in den Partnerbanken gelingt, die Risikowahrnehmung der Menschen in ein realistischeres Licht zu rücken, wäre dies ein großer Fortschritt in der Evolution des Sparens. Diesen Schritt zu begleiten ist eine historische Chance für Union Investment.

Hans Joachim Reinke Vorsitzender des Vorstands, Union Investment, Frankfurt am Main
Hans Joachim Reinke , Vorsitzender des Vorstands , Union Investment, Frankfurt am Main

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