Steigert Gender Diversity in Führungsteams den Unternehmenserfolg?

Prof. Dr. Martina Voigt, Foto: Studioline Photography

Dass mehr Frauen in Führungspositionen auch mehr wirtschaftlichen Erfolg bedeuten, wird in den Medien oft behauptet. Doch so einfach ist das nicht, wie die Autorin - immerhin Direktorin des Instituts für Mixed Leadership - anmerkt. Demnach stehe diese Aussage nach aktuellem Stand der Forschung auf "tönernen Füßen". Sie sieht Frauen derzeit in den obersten Führungsgremien weiter deutlich unterrepräsentiert, wenngleich sich die Quoten seit Einführung des Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen verbessert hätten - jedoch nur in sehr kleinen Schritten. Voigt stellt zudem fest, dass die Quote von Frauen in Führungspositionen unter den Top-100-Banken besonders niedrig ist. Sie beklagt das "frappierend geringe" Forschungsinteresse an dem Thema in Deutschland und kommt zu dem Schluss, dass ein Zusammenhang zwischen Frauenanteil und Unternehmensperformance nicht nachweisbar sei. (Red.)

"Mehr Chefinnen - mehr Erfolg": Eine Schlagzeile, die in den verschiedensten Medien so oder ähnlich in schöner Regelmäßigkeit zu lesen ist. Dass durch Gender Diversity auch der wirtschaftliche Unternehmenserfolg befördert wird, ist das scheinbar beste Argument in der Debatte, wie man der Unterrepräsentanz von Frauen in den Führungsgremien deutscher Unternehmen beikommen kann. Die gesellschaftlich-normative Legitimation der Forderung nach Gleichstellung der Geschlechter auch in den obersten Führungsgremien von Unternehmen ist zwar unstrittig, benötigt aber offenbar der Ergänzung um das Argument der wirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit. Das Problem ist nur, dass die Aussage, gemischt-geschlechtliche Führungsteams führten zu mehr Unternehmenserfolg, nach aktuellem Forschungsstand auf tönernen Füßen steht.

Die Realität ist: Frauen sind in den obersten Führungsgremien nach wie vor deutlich unterrepräsentiert. Die Entwicklung ist zwar konstant positiv, vollzieht sich jedoch in winzigen Schritten.

Nimmt man als Indikator die 200 umsatzstärksten Unternehmen (ohne Finanzsektor) und als Vergleichsjahr 2015 - das Jahr des Inkrafttretens des Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen (FüPoG) - so kann man feststellen, dass der Anteil weiblicher Aufsichts- beziehungsweise Verwaltungsräte bis 2019 auf 28,2 Prozent (2015: 19,7 Prozent) gestiegen ist. Auch bei den Vorständen hat sich etwas getan; hier erreicht der Anteil weiblicher Vorstände in der Gruppe der Top-200-Unternehmen inzwischen 10,4 Prozent (2015: 6,3 Prozent).

Magerer sieht es im Finanzsektor aus. Bei den 100 größten Banken stieg der Anteil weiblicher Aufsichtsratsmitglieder nur minimal von 21,3 Prozent (2015) auf 22,8 Prozent (2019); der Anteil weiblicher Vorstände liegt 2019 bei 9,8 Prozent im Vergleich zu 7,6 Prozent im Jahr 2015 (vgl. Kirsch/Wrohlich 2020). Geschlechterparität liegt demnach in weiter Ferne und die Debatte darüber, wie eine schnellere Veränderung bewirkt werden kann, wird sich fortsetzen.

Diversity wins?

Als gewichtigstes Argument wird in diesem Zusammenhang regelmäßig vorgetragen, dass sich Gender Diversity in der Führung positiv auf den Unternehmenserfolg auswirkt. Zur Begründung wird dabei häufig auf Zusammenhänge verwiesen, die plausibel und durch empirische Studien teilweise auch gut untermauert sind: Die stärkere Berücksichtigung von Frauen vergrößert den Ressourcenpool von Unternehmen und vermeidet, dass Talente ungenutzt bleiben. Öffentlichkeit und Märkte honorieren Bemühungen um die Förderung von Diversity, insbesondere dann, wenn diese medienwirksam inszeniert werden.

Vielfalt impliziert generell, dass unterschiedliche Perspektiven berücksichtigt werden, umfassende Informationen in Entscheidungsprozesse einfließen und unterschiedliche Kompetenzen zum Einsatz kommen. Insofern stehen die Chancen auf bessere Ideen und Problemlösungen sowie ausgewogenere Entscheidungen gut. Allerdings sollte auch nicht verschwiegen werden, dass die Wahrscheinlichkeit von Konflikten in Mixed Teams ebenfalls als größer einzuschätzen ist.

Weiterhin werden regelmäßig empirische Untersuchungen herangezogen, die den generellen Zusammenhang zwischen dem Anteil von Frauen in Führungspositionen Unternehmen und dem Unternehmenserfolg herstellen. Ein aktuelles Beispiel ist die Studie von McKinsey & Company (2020): "Diversity wins", die mehr als 1 000 Unternehmen aus 15 verschiedenen Ländern in ihr Sample einbezogen hat und zu dem Ergebnis kommt, dass es einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem weiblichen Anteil an Führungskräften und dem Unternehmenserfolg gibt.

Dies ist sicherlich zunächst einmal ein positives Signal. Allerdings gebietet es die wissenschaftliche Seriosität, nicht zu verschweigen, dass es sich hier um die Feststellung von Zusammenhängen (Korrelationen) und nicht um den Nachweis von Kausalität handelt. Es ist genauso gut möglich und ebenfalls plausibel, dass gerade erfolgreiche beziehungsweise finanzstarke Unternehmen mehr dafür tun, um Diversität in den Führungsetagen zu fördern oder dass es Faktoren gibt, die gleichermaßen positiv auf den weiblichen Anteil in Führung und den Unternehmenserfolg einwirken. Dies verschweigen die Verfasser/-innen der Studie im Übrigen auch keineswegs: "Just as we cannot assert causality, we cannot say definitely what drives the correlation we find. It is theoretically possible that the better financial outperformance enables companies to achieve greater levels of diversity" (ebd., S. 51).

Abbildung 1: Frauenanteil in den Top-200-Unternehmen (ohne Finanzbereich) sowie in den Top-100-Banken (in Prozent) Quelle: Kirsch / Wrohlich 2020, Seite 39 und Seite 44

Im Hinblick auf den aktuellen Forschungsstand bietet die Literaturauswertung der Forscher/-innen-Gruppe Kröll/Szlusnus/Hüttermann/Boerner (2014) in Verbindung mit der darauf aufbauenden Metaanalyse von Reinwald u. a. (2015) eine erste gründliche globale Bestandsaufnahme. Die Wissenschaftler/-innen geben einen Überblick über einschlägige Untersuchungen zum Thema "Mixed Leadership und Unternehmenserfolg", die zwischen 1990 und 2012 publiziert wurden. Sie kommen letztendlich zu dem Ergebnis, dass die Befunde äußerst inkonsistent sind und "auf Basis der bestehenden Forschung kein Beleg für eine generelle ökonomische Vorteilhaftigkeit von Gender Mixed Leadership gefunden werden kann" (ebd., S. 612).

Vielmehr scheint der Zusammenhang durch diverse Randbedingungen beziehungsweise Moderatoren (zum Beispiel Größe des Führungsteams, Branche, Unternehmenskultur) beeinflusst zu sein. Die am In stitut Mixed Leadership (IML) an der Frankfurt University of Applied Sciences durchgeführte Aktualisierung dieser Literaturrecherche für den Zeitraum 2012 bis 2020 nach den Parametern der Originalstudie bestätigt das gemischte Bild.1)

Auffällig ist, dass in die Auswertung von Kröll u. a. bis auf die Arbeit von Lindstädt/Fehre/Wolff (2011) keine weitere Untersuchung, die sich mit Deutschland beschäftigt, eingeflossen ist. Der Schwerpunkt der Forschungsaktivitäten liegt auf den USA; darüber hinaus gibt es etliche Studien zu Norwegen, Frankreich, Spanien, Italien, Niederlande, UK und Australien. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Ergebnisse von Studien, die in anderen Ländern durchgeführt wurden, nicht unmittelbar auf deutsche Verhältnisse übertragbar sind. Nur zwei Stichworte: Der kulturelle Kontext, in dem Unternehmen agieren, dürfte den Zusammenhang zwischen Gender Diversity in Führungsteams und Unternehmenserfolg beeinflussen und auch die dualistische Un ternehmensverfassung in Deutschland markiert eine Besonderheit. Daher ist es wichtig, gezielt den Forschungsstand in Deutschland unter die Lupe zu nehmen.

Forschungsergebnisse für Deutschland

Die aktuelle Literaturrecherche bestätigte zunächst den Eindruck, dass das Forschungsinteresse in Deutschland, insbesondere auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen, frappierend gering ist. Bereits die Analyse von Kröll u. a. hatte nur eine einzige deutsche Untersuchung identifiziert. Die Literaturrecherche für den Zeitraum 2012 bis 2020 förderte lediglich fünf weitere einschlägige neuere Studien zutage, die sich mit dem Zusammenhang zwischen Gender Diversity in Führungsgremien und dem Unternehmenserfolg beschäftigen.

Fasst man die Ergebnisse der Studien (siehe Abbildung 2) zusammen, so kristallisiert sich dabei heraus, dass ein allgemeiner direkter Zusammenhang zwischen dem Frauenanteil in Führungsgremien und der Unternehmensperformance derzeit nicht nachweisbar ist. Begünstigende Einflussfaktoren für den Unternehmenserfolg sind nach aktuellem Forschungsstand ein Frauenanteil von mindestens 30 Prozent sowie ein generell hoher Anteil weiblicher Beschäftigten im Unternehmen und ein Geschäftsfeld, das insbesondere Privatkunden bedient.

Abbildung 2: Übersicht über einschlägige Studien2) Quelle: Martina Voigt

Welche Schlussfolgerungen sind im Hinblick auf Wissenschaft und Praxis zu ziehen? Ein direkter und allgemeiner Zusammenhang zwischen Gender-Diversität in den Führungsgremien und dem Unternehmenserfolg ist derzeit nicht eindeutig zu belegen. Bisherige wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass das Thema sehr viel komplexer ist als es die scheinbar eindeutigen Ergebnisse verschiedener Beratungsgesellschaften nahelegen. Insofern kann man vermuten, dass Gender Diversity in Führungsgremien kein Garant für den Unternehmenserfolg ist. Aber: Pessimismus ist ebenso wenig angebracht!

Langzeitstudie sinnvoll

Weitere Forschung, die sich insbesondere mit deutschen Unternehmen beschäftigt, ist dringend geboten. Da die Anteile der Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten inzwischen leicht gestiegen sind, wäre zum Beispiel eine Langzeitstudie, die den Zeitraum seit 2015 abdeckt, zielführend. Weiterhin fehlt es an Studien, die sich tiefergehend mit den moderierenden Variablen beschäftigen, um Wege aufzuzeigen, wie Unternehmen Rahmenbedingungen schaffen können, unter denen sich das Potenzial von Gender-Diversity in Führungsteams möglichst effektiv entfalten kann.

Literatur

Eulerich, Marc/Patrick Velte/Carolin van Uum (2014): The impact of management board diversity on corporate performance - An empirical analysis for the German two tier system, in: Problems and Perspectives in Management, 1/12, S. 25 - 39

Fessler, Thomas (2013). Wirkung der Diversität von Aufsichtsräten auf die Unternehmensperformance in und nach der Finanzkrise. Eine Panelanalyse deutscher Aktiengesellschaften, München und Mehring: Rainer Hampp Verlag

Hunt, Vivian/Sandiatu Dixon Fyle/Sara Prince/Kevin Dolan (2020): Diversity wins: How inclusion matters, McKinsey and Company May 2020

Kirsch, Anja/Katharina Wrohlich (2020): Frauenanteile in Spitzengremien großer Unternehmen steigen - abgesehen von Aufsichtsräten im Finanzsektor. DIW Wochenbericht Nr. 4/2020, S. 38 - 49

Joecks, Jasmin/Kerstin Pull/Karin Vetter (2013): Gender DIversity in the Boardroom and Firm Performance: What Exactly Constitutes a "Critical Mass?" in: Journal of Business Ethics, 118, S. 61 - 72

Kröll, Julia/Tanja Szlusnus/Hendrik Hüttermann/Sabine Boerner (2014): Sind gemischt geschlechtliche Führungsteams erfolgreicher? Der Zusammenhang zwischen Mixed Leadership und Unternehmenserfolg, in: BFuP, 66, Heft 6, S. 602 - 625

Lindstädt, Hagen/Kerstin Fehre/Michael Wolff (2011): Frauen in Führungspositionen. Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Berlin

Momtaz, Peyman (2014): Beeinflusst die Geschlechterquote den Unternehmenserfolg? Bestandsaufnahme der Geschlechterquote in Aufsichtsräten und Vorständen sowie Einflussanalyse für den Unternehmenserfolg, in: ZCG 6/14, S. 249 - 254.

Reinwald, Max/Hendrik Hüttermann/Julia Kröll/Sabine Boerner / (2015): Gender Diversity in Führungsteams und Unternehmensperformanz: Eine Metaanalyse, in: zfbf, September 2015, S. 262 - 296

Ulrich, Patrick (2017): Diversity in DAX 30 Unternehmen. Struktur des Aufsichtsrats und Einfluss auf den Unternehmenserfolg, in: ZCG 3/17, S. 109 – 113

Fußnoten

1) Vorgehensweise der Literaturrecherche: Schlagworte verknüpft durch Boolesche Operationen: "board gender diversity"; "board diversity" AND performance; ("female director" OR "female executive") AND performance; "gender diversity" AND performance AND (management OR board); woman AND performance AND board; woman AND "Top Management Team"; ("woman OR "gender diversity") AND "top management" AND (performance OR effectiveness); Unternehmenserfolg AND "mixed leadership" Suchzeitraum: 2012 bis 2020

2) Auswahlkriterien: a) Finanzieller Unternehmenser folg: Studien zum "Nichtfinanziellen Unternehmenserfolg", etwa bzgl. Nachhaltigkeit oder Innovation, wurden nicht berücksichtigt; b) Industrieländer: Studien aus Schwellen und Entwicklungsländern, insbesondere zahlreiche Studien aus Südamerika, dem Nahen und Mittleren Osten, Afrika, Südostasien und Osteuropa wurden nicht berücksichtigt Datenbanken: WISO; JSTOR; EconBiz; Social Sciences Citation Index; Business Source Premier Zeitschriften: Zeitschrift für Corporate Governance; Journal of Business Ethics; Journal of Management

3) Zur Messung des Unternehmenserfolgs werden in der Regel folgende Größen verwendet: ROA (Return on Assets), ROE (Return on Equity), Tobin's Q (Marktwert Buchwert Verhältnis), EBITDA (Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization), EBITDA Marge (EBITDA/Umsatz)

Prof. Dr. Martina Voigt Direktorin, Institut für Mixed Leadership, Frankfurt University of Applied Sciences, Frankfurt am Main
Prof. Dr. Martina Voigt , Direktorin, Institut für Mixed Leadership , Frankfurt University of Applied Sciences, Frankfurt am Main

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X