Unternehmensfinanzierung: Alternativen zum Bankkredit

Joachim Haedke, Foto: Rita Modl/rimo-design

Die deutsche Wirtschaft ist stark vom Mittelstand geprägt und dieser vertraut in seiner Unternehmensfinanzierung nach wie vor sehr stark dem klassischen Bankkredit. An dieser Zustandsbeschreibung hat sich in den vergangenen Jahren wenig verändert, auch wenn sich die deutsche und europäische Politik stark darum bemühen, die Kapitalmarktfinanzierung für kleine und mittlere Unternehmen attraktiver zu machen. Auch wenn der Grad der konjunkturellen Abkühlung im jetzigen Stadium noch nicht abzusehen ist, hält der Autor einen ordentlichen Finanzierungsmix für angebracht und lenkt den Blick auf Alternativen zum Bankkredit, vom Factoring über das Finetrading und Sale and Lease Back bis hin zu IPOs, Mittelstandsanleihen, Crowdinvesting und Mezzanine-Finanzierungen. (Red.)

Nach neun Jahren Hochkonjunktur sprechen viele Indikatoren für eine Abkühlung der Wirtschaft. Kommt es zu einem wirklichen Abschwung, leiden die Banken, deren Ertragslage ohnehin durch die lange Tiefzinsphase geschwächt ist. Der Mittelstand muss sich deshalb auf schwierige Kreditverhandlungen einstellen. Eine Diversifizierung des Finanzierungsmixes hilft, die Abhängigkeit von den Banken zu reduzieren.

Erschwerter Kreditzugang

Als das Statistische Bundesamt im vergangenen November meldete, das Bruttoinlandsprodukt sei im dritten Quartal 2018 um 0,2 Prozent gesunken, glaubten die meisten Ökonomen an einen Ausreißer. Sie machten Sondereffekte wie die Einführung des neuen Abgasmessverfahrens WLTP und den niedrigen Rhein-Wasserstand für den Rückgang verantwortlich. Mittlerweile mehren sich jedoch die Anzeichen für eine Konjunkturwende. So lag die Produktion im Januar 0,8 Prozent tiefer als im Dezember und 3,3 Prozent tiefer als im Januar 2018.

Der Einkaufsmanagerindex der Industrie, ein wichtiger Frühindikator für die Konjunkturentwicklung, sank im Februar um 2,1 Punkte auf 47,6 Punkte. Werte unter 50 Punkten signalisieren einen Produktionsrückgang. Auch der ifo-Geschäftsklimaindex fiel im Februar auf den schlechtesten Wert seit Dezember 2014. Auch die Bundesregierung hat ihre Prognosen nach unten korrigiert.

Ein Abschwung träfe die Banken in einem schwierigen Moment. Das aktuelle Tiefzinsumfeld und der negative Einlagesatz der EZB sind für die deutschen Geldinstitute, deren Erträge zu knapp 70 Prozent aus Zinsüberschüssen bestehen, eine große Belastung. Einer Studie der Unternehmensberatung Bain & Company zufolge erwirtschaftete im Jahr 2017 bloß jede zwölfte deutsche Bank ihre Eigenkapitalkosten. Dies lässt befürchten, dass sich der Kreditzugang von KMU in näherer Zukunft spürbar verschlechtert.

Bereits im vergangenen Jahr klagte ein Viertel der kleinen Betriebe laut Unternehmensbefragung der KfW über Schwierigkeiten bei der Kreditaufnahme. Umso wichtiger ist es für den Mittelstand, die Abhängigkeit von der Hausbank zu reduzieren. Der folgende Überblick zeigt, welche Finanzierungsoptionen sich zu diesem Zweck eignen.

Factoring: stetiger Cashflow und Schutz vor Zahlungsausfällen

Wenn die wirtschaftliche Zukunft unsicher ist, ist Flexibilität gefragt. Besonders flexibel lassen sich vermögensbasierte Finanzierungsformen wie Factoring, Finetrading und Sale-and-lease-back einsetzen. Beim Factoring generiert das Unternehmen Liquidität, indem es seine offenen Forderungen fortlaufend an einen Finanzierer, den Factor, abtritt. Der Factor zahlt auf ausstehende Rechnungsbeträge innerhalb von zwei Tagen einen Vorschuss von 80 bis 90 Prozent. Den Rest erhält das Unternehmen, sobald seine Kunden ihre Rechnungen beglichen haben.

Die Forderungsfinanzierung vereinfacht die Liquiditätsplanung und verhindert, dass Unternehmen wegen eines Zahlungsverzugs in Schwierigkeiten geraten. Nach Angaben von Creditreform zahlten Geschäftskunden während der zweiten Hälfte des letzten Jahres durchschnittlich 10,7 Tage zu spät. Im Falle eines Abschwungs ist mit weiteren Verzögerungen zu rechnen und die Zahlungsausfälle nehmen zu. Davor sind Factoringnehmer geschützt, denn in den meisten Fällen übernimmt der Factor sowohl das Delkredererisiko als auch das Inkasso.

Finetrading: mehr Flexibilität beim Wareneinkauf

Natürlich sind diese Leistungen nicht gratis. Der Factor berechnet für seine administrativen Leistungen und den Ausfallschutz eine Gebühr von 0,1 bis 2 Prozent des Factoringumsatzes. Dazu kommen Zinsen von zwei bis fünf Prozent pro Jahr auf den Finanzierungsbetrag. Die Kosten werden indes oftmals durch Einsparungen aufgewogen. Zum einen lässt sich die zusätzliche Liquidität für Skontozahlungen verwenden. Zum anderen erhöht das Factoring die Eigenkapitalquote, was günstigere Konditionen bei der Kreditaufnahme ermöglicht.

Eine weitere Variante, die Liquidität zu stärken, ist die Einkaufsfinanzierung durch Finetrading. Der Finetrader übernimmt die Rolle eines Zwischenhändlers. Er erwirbt im Rahmen eines Finanzierungslimits die von seinem Kunden bestellten Waren und verkauft sie ihm mit einem Zahlungsziel von maximal 120 Tagen weiter. Die Konditionen des Wareneinkaufs verhandelt der Kunde mit seinen Lieferanten selbst. Da die finanzierten Waren unter Eigentumsvorbehalt stehen, erfordert das Finetrading keine weiteren Sicherheiten.

Die Einkaufsfinanzierung eignet sich insbesondere für den Kauf von Rohstoffen und Vorprodukten. Sie hat den Vorzug, dass der Unternehmer die Waren erst nach dem Verkauf des fertigen Produkts bezahlen muss. Sofern der Warenumschlag nicht länger als vier Monate dauert, lassen sich über Finetrading ganze Warenlager finanzieren. Das Finetrading verschafft überdies mehr Flexibilität bei der Wahl des richtigen Kaufzeitpunktes - beispielsweise, um saisonale Preisschwankungen auszunutzen.

Der Finetrader begleicht offene Rechnungen sofort. Folglich profitieren Unternehmer bei ihren Einkäufen von Skonti und Rabatten. Die Preisnachlässe erlauben, die Gebühren des Finetraders ganz oder teilweise gegenzufinanzieren. Abhängig von Finanzierungsdauer, Art der Waren, Limit und Bonität beträgt die Höhe der Gebühren im ersten Monat 0,5 bis 2 Prozent des Finanzierungsbetrags. Danach steigt sie schrittweise an.

Sale and lease back: Liquidität aus dem Anlagevermögen freisetzen

Ein erheblicher Teil der Finanzmittel eines Unternehmens steckt in Anlagegütern wie Immobilien, Fahrzeugflotte, Maschinenpark und Büroeinrichtung. Verkaufen kommt nicht infrage, zumal die Güter produktionsnotwendig sind. Mittels Sale and lease back lässt sich das darin gebundene Kapital dennoch freisetzen. Dabei verkauft das Unternehmen Objekte aus seinem Anlagevermögen an eine Leasinggesellschaft, um sie sogleich zurückzuleasen. Die durchschnittliche Leasingdauer beträgt 48 Monate. Anschließend hat der Leasingnehmer in der Regel die Option, die geleasten Objekte zurückzukaufen.

Sale and lease back erhöht die Eigenkapitalquote, was sich positiv auf die Bonität auswirkt. Darüber hinaus lassen sich - vor allem beim Verkauf von Immobilien - stille Reserven realisieren. Ein weiterer Vorteil ist die steuerliche Abzugsfähigkeit der Leasingraten. Der Leasingzins beträgt je nach Bonität des Leasingnehmers zwischen 7 und 14 Prozent.

Weil keine Sicherheiten notwendig sind, eignet sich Sale and lease back auch für Unternehmen in wirtschaftlicher Schieflage. Freilich lohnt es sich, vor Vertragsschluss auf die Tragfähigkeit der Leasingraten zu achten. Ein Zahlungsrückstand kann zur Vertragskündigung und damit zum Verlust des Leasingobjekts führen.

Kapitalmarktfinanzierung: IPO und Mittelstandsanleihen

Eine wichtige Finanzierungsquelle neben Banken und Finanzierungsgesellschaften ist der Kapitalmarkt. Mittelständische Unternehmen haben die Möglichkeit, Mittelstandsanleihen zu emittieren oder an die Börse zu gehen. Allerdings lohnt sich der Gang an die Kapitalmärkte gewöhnlich erst ab einem zweistelligen Millionenbetrag.

Für die Zulassung am Frankfurter Freiverkehrssegment Scale ist beispielsweise ein voraussichtlicher Börsenwert von mindestens 30 Millionen Euro erforderlich. Mittelstandsanleihen haben üblicherweise ein Emissionsvolumen von 15 bis 150 Millionen Euro. Außerdem verursacht ein IPO (Initial Public Offering) oder die Platzierung von Anleihen erhebliche Kosten für Rating, Banken, Beratung und PR. Den meisten kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) bleibt darum der Zugang zu den Kapitalmärkten verwehrt.

Crowdinvesting: Finanzierung durch Kleinanleger

Doch seit einigen Jahren besteht eine interessante Alternative: das Crowdinvesting. Allein im letzten Jahr generierten Schwarmfinanzierungen 290 Millionen Euro an frischem Kapital. Die größte Verbreitung genießt diese Finanzierungsform in der Immobilienbranche, die aufgrund der langfristigen Eigenkapitalbindung durch einzelne Bauprojekte häufig unter einem schlechten Kreditzugang leidet. Durchschnittlich kommen bei einer Finanzierungskampagne rund 320 000 Euro zusammen, Tendenz steigend. Das bisher größte Crowdinvesting-Projekt in Deutschland, die Erweiterung einer Hotelanlage an der Ostsee, zog 7,5 Millionen Euro an Land.

Crowdinvesting erfordert eine intensive Kommunikation mit den potenziellen Geldgebern. Es lässt sich mithin dazu nutzen, die Kundenbindung zu stärken und das Marktpotenzial innovativer Projekte zu sondieren. Das bedeutet jedoch nicht, dass Schwarmanleger keine Renditeerwartungen hätten. Laut Umfrage einer Crowdinvesting-Plattform rechnet die Hälfte der Investoren mit einer Gesamtrendite von über 50 Prozent.

Der Gesetzgeber hat Schwarmfinanzierungen von der Prospektpflicht befreit, sofern sie einen Betrag von 2,5 Millionen Euro nicht übersteigen. Die Ausnahme gilt für Kredite, partiarische und Nachrangdarlehen, nicht aber für Genussrechte oder stille Beteiligungen

Mezzanine-Finanzierungen: Vorteile von Eigen- und Fremdkapital

Partiarische Darlehen, Nachrangdarlehen, Genussrechte und stille Beteiligungen haben eine Gemeinsamkeit: Sie lassen sich nicht eindeutig dem Eigen oder Fremdkapital zuordnen. Sie gehören zum sogenannten Mezzanine- respektive Hybridkapital. Mezzanine Finanzierungen sind wie Fremdkapital zeitlich begrenzt. Sie haben indes eine lange Laufzeit von typischerweise fünf bis zehn Jahren.

Die Forderungen der Mezzanine Kapitalgeber werden im Insolvenzfall gegenüber den Ansprüchen klassischer Fremdkapitalgläubiger nachrangig behandelt. Dies hat den Vorteil, dass Banken und Ratingagenturen Mezzanine-Kapital zum wirtschaftlichen Eigenkapital zählen. Daher nutzen Unternehmen hybride Finanzierungen oft dazu, ihre Eigenkapitalquote und damit den Zugang zu Bankkrediten zu verbessern.

Gegenüber der Aufnahme von neuem Eigenkapital bietet eine hybride Finanzierung den Vorzug, dass die unternehmerische Freiheit der bisherigen Gesellschafter nicht angetastet wird. Denn die Kapitalgeber erhalten im Normalfall kein Mitbestimmungsrecht. Eine Anteilsverwässerung findet ebenso wenig statt. Im Gegensatz zum Bankkredit, der meist einer eng definierten Zweckbindung unterliegt, sind Mezzanine Finanzierungen frei verwendbar. Sie erfordern auch keine banküblichen Sicherheiten, weshalb sie sich nicht zuletzt für Start-ups und Unternehmen mit eingeschränkter Bonität eignen.

Ein Vorteil, den sich hybride Finanzierungen mit dem Kredit teilen, ist die steuerliche Abzugsfähigkeit. Die Steuerbehörden bewerten Finanzierungen, bei denen die Investoren nicht zugleich am Unternehmensgewinn und am Liquidationserlös partizipieren, üblicherweise als Fremdkapital.

Neue Kapitalgeber gesucht

Im Übrigen unterliegen Mezzanine Finanzierungen nur wenigen gesetzlichen Beschränkungen. Entsprechend können Unternehmen und Investoren die Finanzierungsinstrumente individuell an ihre Bedürfnisse anpassen. Bei so vielen Pluspunkten besteht ein kleiner Wermutstropfen: Hybridfinanzierungen sind meist teurer als ein Bankkredit.

Je nachdem, ob das Finanzierungsinstrument eher den Charakter von Fremd oder Eigenkapital hat, fallen jährlich Zinszahlungen in der Höhe von 8 bis 20 Prozent an. Es kommt zudem vor, dass sie eine gewinn- oder umsatzabhängige Komponente beinhalten, die es erlaubt, die Kapitalkosten dem Geschäftsgang anzupassen. Neben den bereits erwähnten Crowd-Anlegern kommen als Kapitalgeber auch Mezzanine Fonds, Private Equity-Gesellschaften oder private Investoren infrage.

Auf Abschwung vorbereiten - Finanzierungsmix diversifizieren

Während der letzten neun Jahre wuchs die deutsche Volkswirtschaft nahezu ununterbrochen. Derzeit gibt es die längste Aufschwungsphase seit der Wiedervereinigung. Doch die Anzeichen mehren sich, dass der Wachstumsmotor ins Stottern gerät. Für den Mittelstand bedeutet dies, sich auf eine Verschlechterung des Kreditzugangs einzustellen. Die gezeigten Finanzierungsalternativen helfen, die Abhängigkeit von der Hausbank zu verringern. Die meisten Instrumente erhöhen zudem das wirtschaftliche Eigenkapital und schonen potenzielle Sicherheiten. Dadurch stärken sie die Verhandlungsposition in künftigen Kreditverhandlungen.

Joachim Haedke Geschäftsführer, Finanzierung.com GmbH, München
Joachim Haedke , Geschäftsführer, Finanzierung.com GmbH, München
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