US-Zinsniveau im Fokus der Investoren

Ron Große, Foto: J. Woltersmann

Zu Beginn des laufenden Jahres haben die Autoren in den USA ein überraschend freundliches Wirtschaftswachstum registriert und auch im zweiten Quartal stufen sie die Lage als zu freundlich ein, um einen Crash der noch immer wichtigsten Volkswirtschaft der Welt zu erwarten. Mit Blick auf die Anleger halten sie eine grundsätzliche Attraktivität von US-Anleihen im Vergleich zu Euro-Anleihen tendenziell für gegeben. Angesichts des geopolitisch schwierigen Umfelds halten sie es aus Sicht von Investoren für angebracht, mögliche Wechselkursänderungsrisiken genau zu beobachten und mittels geeigneter Techniken des Risikomanagements sinnvoll zu steuern. (Red.)

Die Wirtschaft der Vereinigten Staaten präsentiert sich aktuell in einer weiterhin recht erfreulichen Verfassung. Die US-Notenbank hatte als Reaktion auf das positive ökonomische Umfeld in Nordamerika bereits eine Reihe von Leitzinsanhebungen vorgenommen und ist jüngst zu der Entscheidung gekommen, das Leitzinsniveau vorsichtig zu senken. Nach dieser Zinswende keimt an den Finanzmärkten eine gewisse Verunsicherung bezüglich der weiteren Pläne der Notenbanker in Washington auf.

US-Wirtschaft und Fed-Geldpolitik

Das offenkundig in Veränderung begriffene geldpolitische Umfeld in den Vereinigten Staaten hat nicht nur Implikationen für die US-Kapitalmarktzinsen, sondern beeinflusst auch das globale Renditeniveau und die internationalen Finanzmärkte im Generellen.

Zum Start des I. Quartals 2019 präsentierte sich das Wirtschaftswachstum in den USA überraschend freundlich (Abbildung 1). Der "Government Shutdown", der im Januar sicherlich nicht förderlich für die ökonomische Aktivität in den Vereinigten Staaten gewesen sein dürfte, hat folglich keine nachhaltigen Belastungen ausgelöst. Im II. Quartal haben sich nach noch vorläufigen Daten zwar gewisse Tendenzen hin zu einer Entschleunigung beim Wachstum gezeigt, die an den Märkten zwischenzeitlich beobachtbaren Rezessionssorgen beim Blick in die USA sind nach der Meldung von nicht unfreundlichen Wachstumszahlen wieder etwas stärker in den Hintergrund getreten. Die Arbeitsmarktlage in den Vereinigten Staaten präsentiert sich am aktuellen Rand einfach zu erfreulich, um Sorgen bezüglich eines kurzfristig drohenden "Crashs" der global wichtigsten Volkswirtschaft wirklich glaubhaft zu rechtfertigen.

Die aufgrund des Zielkatalogs der US-Notenbank1) sehr stark im Fokus der Fed stehende Arbeitslosenquote ist in der jüngeren Vergangenheit klar unter die magische Marke von 4,0 Prozent gefallen (Abbildung 2). Damit herrscht in den Vereinigten Staaten derzeit faktisch Vollbeschäftigung. Die erfreuliche Situation am Arbeitsmarkt sorgt zudem für größere Spielräume der Beschäftigten bei Lohnverhandlungen. Auch wenn die Inflationszahlen vielleicht eine etwas andere Sprache zu sprechen scheinen, gibt es momentan eigentlich keinen wirklich guten Grund für weitere Zinssenkungen durch die Notenbank in Washington.

Das ökonomische Umfeld in den Vereinigten Staaten würde sogar eher für ein noch etwas höheres US-Leitzinsniveau sprechen. Die Finanzmärkte preisen dieses Szenario allerdings überhaupt nicht mehr ein und setzen sogar auf eine noch stärker sinkende Fed Funds Target Rate.

Folglich ist das Renditeniveau von US-Staatsanleihen im Laufzeitsegment von zehn Jahren zuletzt wieder sehr deutlich unter die Marke von 3,0 Prozent gefallen. Neben der Erwartungshaltung, dass die US-Notenbank die Leitzinsen nicht mehr anheben (und vielleicht sogar weiter senken) wird, spielen zur Erklärung der jüngsten Bewegung am nordamerikanischen Rentenmarkt natürlich auch geopolitische Sorgen eine Rolle. Washington steht zwar im Zentrum der Auseinandersetzungen im Rahmen des Handelsstreits zwischen China und den USA, Staatsanleihen der Vereinigten Staaten bleiben für sicherheitsbewusste Anleger in turbulenten Märkten allerdings auch weiterhin der "sichere Hafen". Insofern sind in krisenhaften Situationen Mittelzuflüsse in der Form von Umschichtungen von finanziellen Mitteln aus risikobehafteten Asset-Klasse in US-Treasuries zu beobachten, was das Zinsniveau in den Vereinigten Staaten zuletzt aufgrund der Nachrichtenlage im Handelskonflikt zwischen Peking und Washington hat sinken lassen.

Zinsen in den USA und in Euroland

Aufgrund des internationalen Zinszusammenhangs haben die Bewegungen bei den US-Zinsen nicht nur eine Bedeutung für die Finanzmärkte in Nordamerika. Es gibt auch unübersehbare Auswirkungen auf die Renditen in Euroland. In diesem Kontext muss natürlich auch der Wechselkurs zwischen dem US-Dollar und der Gemeinschaftswährung der Eurozone berücksichtigt werden. Abbildung 3 zeigt die Entwicklung der Renditen (zehn Jahre Restlaufzeit) in den USA und in Deutschland.

Zinsdifferenzen zwischen beiden Währungsräumen lassen sich aus einer Perspektive, die man in bestem Neudeutsch mit dem Begriff "International Finance" klassifizieren könnte, in der Tat auch als Kompensation für Abwertungserwartungen an den Finanzmärkten verstehen.2) In jedem Fall besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Verzinsung von Staatsanleihen in beiden Ländern. In Abbildung 4 wird der rollierende Korrelationskoeffizient zwischen den Zinsen in Deutschland und in den USA dargestellt. Dabei werden Papiere im Laufzeitbereich zehn Jahre betrachtet. Es handelt sich um Monatsdaten (End-of-Period). Die Korrelationen werden jeweils auf der Basis von 30 historischen Datenpunkten der absoluten Monatsveränderungen der Renditen in beiden Ländern berechnet.

Generell zeigt sich ein hoher Korrelationskoeffizient, der in einem relativ engen Band zwischen 0,75 und 0,95 schwankt. Damit wird ein hoher Gleichlauf der Veränderungen der Zinsniveaus in den beiden Ländern angezeigt. Interessant ist in diesem Kontext, dass die deutliche Erhöhung der Zinsdifferenz zwischen Deutschland und den USA, welche seit dem Jahr 2013 klar zu beobachten ist, zwar zu einer Verringerung der Korrelation geführt hat; die in diesem Zeitfenster errechneten Werte der rollierenden Korrelationskoeffizienten liegen aber immer noch im Bereich von 0,80. Insofern wird auch weiterhin ein hoher Gleichlauf der Renditebewegungen an beiden Rentenmärkten angezeigt.

Der Rückgang des Renditeniveaus von US-Anleihen hat die Stärke des US-Dollars in jüngster Vergangenheit etwas belastet. In Euroland notiert die Verzinsung von "sicheren" Staatsanleihen (zum Beispiel aus Deutschland und Österreich) mittlerweile allerdings tief im negativen Bereich. Damit bleibt eine grundsätzliche Attraktivität von US-Anleihen im Vergleich zu Euro-Anleihen tendenziell gegeben. Sobald sich die geopolitischen Risiken reduzieren und etwaige Rezessionsängste nachlassen, sollte das langfristige US-Renditeniveau wieder ansteigen und die US-Währung zumindest für eine Weile gegenüber dem Euro aufwerten können. In diesem Umfeld bieten sich kürzere Laufzeiten für Anlagen an.

Eigentlich gilt der US-Dollar in unsicheren Zeiten als sicherer Hafen. Folglich wäre das hier skizzierte Szenario prinzipiell nicht förderlich für die Währung der USA. Das sich dann aber wohl zeigende ökonomische Umfeld spräche jedoch gegen die an den Märkten eingepreisten bis zu drei Zinssenkungen der Fed, was einen festeren US-Dollar favorisieren lassen würde. Investoren müssen in diesem auch geopolitisch schwierigen Umfeld Wechselkursänderungsrisiken genau beobachten und mittels geeigneter Techniken (zum Beispiel quantitative Ansätze) sinnvoll steuern.

US-Notenbanker nicht mehr im "Autopilot-Modus"

Angesichts der eher unübersichtlichen Situation mit widerläufigen Tendenzen können zum Risikomanagement rein datenbasierte, quantitative Verfahren hinzugezogen werden. Big-Data-Methoden, die bewährte Verfahren mit künstlicher Intelligenz kombinieren, haben sich in diesem Kontext als vielversprechende Ergänzung zu einer eher qualitativ orientierten Betrachtung hervorgetan. Damit ist eine ausgewogene Beachtung beider Indikatoren ein sinnvoller Pfad zu einer fundierten Entscheidung.

Die Finanzmärkte werden die US-Geldpolitik auch weiterhin genau im Auge behalten müssen.3) Die Notenbanker in Washington befinden sich nicht mehr im "Autopilot-Modus". Zwar gibt es durchaus Gründe für konstante Leitzinsen, vor allem die Inflationsentwicklung könnte weiter Kappungen der Fed Funds Target Rate aber erlauben. Sollte es zu einer ökonomischen Krise (wie beispielsweise zu einem "echten" Handelskrieg zwischen Peking und Washington) kommen, wären wohl sogar recht zügig sinkende US-Leitzinsen denkbar.

Vorausschauendes Risikomanagement gefragt

Für Investoren in US-Rentenpapiere ist die Lage zuletzt also sicherlich noch unübersichtlicher geworden. Die Bewegungen der Renditen in den USA haben zudem auch eine Bedeutung für die europäischen Finanzmärkte. Das geldpolitische Umfeld in Washington muss in der Kapitalanlage also sicherlich berücksichtigt werden. Es ergeben sich beispielsweise zweifellos Implikationen für das Risikomanagement. Sollte in der US-Notenbank relativ kurzfristig doch noch ein Bedarf für Leitzinssenkungen gesehen werden, käme die Währung der Vereinigten Staaten mit hoher Wahrscheinlichkeit unter einen gewissen Abwertungsdruck. Ein vorausschauendes Risikomanagement muss den wichtigen Einflussfaktor US-Zinsniveau ohne jeden Zweifel im Auge haben und angemessen steuern.

Fußnoten

1) Vgl. zum Beispiel Pollard, P. S. (2003): "A Look Inside Two Central Banks: The European Central Bank and the Federal Reserve", in: Federal Reserve Bank of St. Louis Review, Jg. 85, S. 11ff. sowie McCandless, G. T. und Weber, W. E. (1995): "Some monetary facts", in: Federal Reserve Bank of Minneapolis Quarterly Review, Jg. 19, S. 2ff.

2) Vgl. zum Beispiel Bekaert, G., Wei, M. und Xing, Y. (2007): "Uncovered interest rate parity and the term structure", in: Journal of International Money and Finance, Jg. 26, 1038f. und Ismailov, A. und Rossi, B. (2018): "Uncertainty and deviations from uncovered interest rate parity", in: Journal of International Money and Finance, Jg. 88, 242ff.

3) Vgl. zum Beispiel Bordo, M. D. und Wheelock, D. C. (2007): "Stock market booms and monetary policy in the twentieth century", in: Federal Reserve Bank of St. Louis Review, Jg., 89, S. 91ff. und Windels, T., Basse, T. und Große, R. (2015): "Muss der Aktienmarkt Leitzinsanhebungen der US-Notenbank fürchten?", in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Jg. 68, S. 225f.

Ron Große Leiter Private Banking Beratungsspezialisten, Braunschweigische Landessparkasse, Braunschweig
 
Prof. Dr. Hans-Jörg Henri von Mettenheim Chair of Quantitative Finance and Risk Management, Director, IPAG Business School, Paris, Oxford-Man Institute of Quantitative Finance, Associate Member University of Oxford
 
Werner Schilli Stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes, Braunschweigische Landessparkasse, Braunschweig
Ron Große , Leiter Private Banking Beratungsspezialisten , Braunschweigische Landessparkasse, Braunschweig
Prof. Dr. Hans-Jörg Henri von Mettenheim , Chair of Quantitative Finance and Risk Management, Director, IPAG Business School, Paris, Oxford-Man Institute of Quantitative Finance, Associate Member University of Oxford
Werner Schilli , Stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes, Braunschweigische Landessparkasse, Braunschweig

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