Die Vermessung der (institutionellen Kapitalanlage-)Welt

Abbildung 1: Veränderung der Asset Allocation von 2012 bis 2015 Quelle: Universal-Investment

Markus Neubauer, Geschäftsführer, Universal-Investment-Gesellschaft mbH, Frankfurt am Main - Sowohl zwischen als auch innerhalb der großen Anlagenklassen Aktien und Renten hat der Autor auf der Plattform seines Hauses deutliche Veränderungen ausgemacht. Und getrieben durch unterschiedliche Regulierungsanforderungen und damit einhergehenden Freiheitsgrade in der Kapitalanlage registriert er auch für das Anlageverhalten der wichtigen Investorengruppen bemerkenswerte Unterschiede. Der Tendenz nach hat sich in den vergangen drei Jahren bei den Investoren eine größere Bereitschaft zur Aktienanlage gezeigt. Und innerhalb der Rentenanlage haben Unternehmensanleihen zugunsten von Staatsanleihen und Pfandbriefen an Bedeutung gewonnen und sich aus seiner Sicht zu einer Art Aktienersatz gemausert. Dass Pfandbriefe einen kleinen Einbruch erlebt haben, führt er nicht zuletzt auf die Marktenge durch die Ankaufspolitik der EZB zurück. (Red.)

Ein Blick auf die Zahlen der deutschen Fondsbranche zeigt, dass die Spezialfonds für institutionelle Anleger beim Volumen wie bei den Mittelzuflüssen Publikumsfonds klar überrundet haben. Doch wie investieren institutionelle Investoren eigentlich? Bislang gab es hierzu lediglich Umfragen oder Experteneinschätzungen. Was bis dato für den deutschen Markt weitgehend fehlte, waren reale Zahlen zum Anlegerverhalten, zur Allokation und zu den damit erzielten Renditen.

Renten im Rückwärtsgang

Die Kundendaten von Universal-Investment als größter unabhängiger Plattform für institutionelle Anlagen verschaffen einen weitgehend repräsentativen Einblick in das Anlageverhalten institutioneller Anleger bei ihren Fondsanlagen über die vergangenen drei Jahre. Da für Strategische Asset Allocation die Investoren und für die aktiven Anlageentscheidungen im Rahmen der Taktischen Asset Allocation in den Spezialfonds immer externe Asset Manager verantwortlich sind, ist ein neutraler Blick von Universal-Investment auf die Daten sichergestellt. Dabei wurden alle bei der Gesellschaft in Spezialfonds investierten Gelder nach Anlegergruppen und Assetklassen und Wertentwicklung ausgewertet und die Ergebnisse von Januar 2012 bis heute aggregiert.

Erste Erkenntnis: Der Aktienanteil bei den Fondsanlagen steigt, und zwar sehr stetig: Im Juni 2015 machte diese Anlageklasse mit 30,49 Prozent fast ein Drittel aller Portfolios aus. Zum Vergleich: Ein Jahr zuvor, im Juni 2014, lag der Anteil noch bei lediglich 27,19 Prozent und zu Beginn der Auswertung, also im Januar 2012, bei 22,46 Prozent. In nur gut drei Jahren stieg der Aktienanteil also um über acht Prozentpunkte. Das scheint nicht in jedem Fall eine aktive Mittelumschichtung im Sinne von zusätzlichen Aktienengagements zu sein, sondern vielmehr ein beabsichtigter Effekt angesichts der deutlich gestiegenen Kurse.

Die meisten professionellen Anleger folgen einer an die jeweilige Risikotragfähigkeit angepassten Strategischen Asset Allocation mit festgelegten Quoten, beispielsweise für Aktien oder Renten. Die Anlagen werden dann üblicherweise regelmäßig "rebalanced", also je nach Marktentwicklung wieder auf die ursprünglichen Quoten angepasst. Diese Anpassung der deutlich angewachsenen Aktienanlagen auf die einst festgelegte Quote blieb in den vergangenen Jahren in der Summe oft aus, die Investoren verzichteten bislang offensichtlich bewusst auf die vorzeitige Realisierung von Gewinnen.

Bei Renten verläuft die Entwicklung spiegelbildlich. Aktuell hat der Rentenanteil in institutionellen Portfolios mit 49,33 Prozent den niedrigsten Stand seit Januar 2012 erreicht und macht nur noch knapp die Hälfte der gesamten Spezialfondsanlagen aus. Vor einem Jahr lag dieser Wert noch bei 53,22 Prozent. Zu Beginn der Datenerfassung Anfang 2012 waren institutionelle Portfolios noch zu 56,64 Prozent in Anleihen investiert - ein Rückgang also um mehr als sieben Prozentpunkte. Institutionelle Investoren reagieren demnach klar auf das niedrige Zinsumfeld und sind bereit, für etwas höhere Renditen zusätz liche (Aktien-)Risiken einzugehen (Abbildung 1).

Aktien- und Renteninvestments im Detail

Parallel zur Veränderung der Asset Allocation in den Fondsanlagen, das zeigen auch viele Gespräche mit institutionellen Investoren, beginnen mehr und mehr Anleger Sicherheitsnetze in die Portfolios einzuziehen. Angesichts der deutlich gestiegenen Aktienmärkte sowie der wachsenden Risiken und dem damit einhergehenden Anstieg der Volatilitäten, beispielsweise in der europäischen Peripherie, gewinnen beispielsweise Risikoreportings, Overlay-Management-Konzepte oder Wertsicherungsstrategien an Bedeutung.

Schaut man sich die Aktien- und aktiennahen Investments auf der Plattform von Universal-Investment mit einer Gesamtsumme von 53,7 Milliarden Euro genauer an, zeigt sich, dass hier Finanzaktien mit 18,2 Prozent die größte Position bilden. Mit gehörigem Abstand teilt sich dann ein Feld von Branchen die folgenden Plätze, jeweils mit einem Gewicht zwischen sieben und neun Prozent: Industriewerte, langlebige Konsumgüter sowie Verbrauchsgüter, Informationstechnologie und Gesundheitswesen.

Neben diesen eher Value-lastigen Investments zeigen die Daten aber zunehmend noch einen vergleichsweise neuen Trend: den zu Sachwertanlagen oder Real Assets. So haben professionelle Anleger aktuell bereits 3,5 Prozent in Private-Equity-Beteiligungen, Windparks oder Solarparks investiert. Anfang 2012 lag der Wert noch bei unter einem Prozent. Auch diese Anlagen in vergleichsweise illiquide Anlagen sind eine klare Reaktion auf das Niedrigzinsumfeld.

Zuspruch für Unternehmensanleihen

Bei den Renten konnten Unternehmensanleihen in den letzten Jahren zu den Staatsanleihen aufschließen. Insgesamt liegen auf der institutionellen Plattform von Universal-Investment derzeit fast 87 Milliarden Euro in Renten, davon jeweils rund 29 Prozent in Staats- und Unternehmensanleihen. Im Dezember 2011 lag das Verhältnis noch bei rund 32 Prozent Staats anleihen und 18,5 Prozent Unternehmensanleihen.

Der Anteil von Staatsanleihen am Gesamtrentenvolumen hat sich also kaum ver ändert, während Investoren offenbar bei einem insgesamt fallenden Rentenanteil Unternehmensanleihen in höheren Maße gehalten oder sogar noch aufgestockt haben. Hier zeigt sich die Zwickmühle der Investoren: Die Zinsen von Staatsanleihen sind am Boden. Auf der anderen Seite stehen viele institutionelle Investoren Aktien wegen deren Volatilität skeptisch gegenüber oder können sich aufgrund regulatorischer Zwänge nicht stärker in Aktien engagieren. Unternehmensanleihen konnten sich damit zum Aktienersatz mausern. Allerdings haben sich hier die Spreads gegenüber Staatstiteln mittlerweile auch deutlich eingeengt.

Einen regelrechten Einbruch - wenn auch auf niedrigerem Niveau - gab es bei Pfandbriefen, die lange Zeit eine feste Säule in institutionellen Portfolios bildeten: Deren Anteil hat sich seit Anfang 2012 von mehr als 15 auf etwa acht Prozent fast halbiert. Das liegt neben den vergleichsweise niedrigen Renditen, die diese Covered Bonds bieten, vor allem am deutlich gesunkenen Emissionsvolumen der Pfandbriefbanken und der EZB-Aufkaufpolitik und dem so deutlich eingeschränkten Angebot (Abbildung 2).

Anlegergruppen im Fokus

Neben den Allokationsdaten auf der Gesamtebene aller Spezialfonds lässt sich auch das Anlageverhalten unterschiedlicher Investorengruppen genauer beleuchten, denn auch hier gibt es interessante Unterschiede, meist getrieben durch unterschiedliche Regulierungsanforderungen und damit einhergehenden Freiheitsgrade in der Kapitalanlage.

So folgt die Gruppe der Pensionskassen und Versorgungseinrichtungen dem Trend hin zu höheren Aktien- und niedrigeren Rentenanteilen stärker als der Durchschnitt der Anlegergruppen. Der Aktienanteil in Spezialfonds liegt derzeit bei mehr als einem Drittel, nämlich 34,2 Prozent.

Das ist der zweithöchste Stand seit Start der Auswertung Anfang 2012 - der Anteil liegt damit aktuell 3,7 Prozentpunkte höher als der aktuelle Durchschnittswert aller Anlegergruppen. Vor einem Jahr noch lag die Aktienquote noch bei 29,72 Prozent, während die niedrigste Aktienquote mit 19,35 Prozent im Oktober 2012 erreicht wurde.

Den Rentenanteil bei den Fondsanlagen haben die Pensionskassen und Versorgungswerke aktuell auf 35,77 Prozent zurückgefahren - ein Rekordtief seit Anfang 2012. Damit nehmen Aktien und Renten nun fast die gleiche Bedeutung ein. Der Rentenanteil liegt nur noch rund 1,6 Prozentpunkte höher als der Aktienanteil. Noch vor einem Jahr machten Renten 42,22 Prozent der Portfolios aus. Den Anteil von 48,25 Prozent im Januar 2012 haben Renten seither nicht wieder erreicht. Damals betrug der Abstand zum Aktienbestand fast 27 Prozentpunkte (die Aktienquote lag damals bei lediglich 21,43 Prozent).

Unternehmen Spitzenreiter bei Aktien

Weisen die Pensionskassen schon eine hohe Aktienquote auf, so setzt sich die Anlegergruppe Unternehmen an die Spitze der Bewegung. Der Aktienanteil in Spezialfonds liegt hier aktuell bei deutlich mehr als einem Drittel, nämlich bei 35,14 Prozent. Das ist nach Mai 2015 der zweithöchste Stand seit Beginn der Auswertung (damals lag der Anteil bei 35,77 Prozent) und liegt um fast fünf Prozentpunkte höher als der aktuelle Durchschnittswert aller Investorengruppen von 30,49 Prozent. Ähnlich wie bei den Pensionskassen war die niedrigste Aktienquote bei den Unternehmen nicht bei Beginn der Auswertung zu beobachten, sondern erst im Januar 2013 mit 30,11 Prozent.

Der Rentenanteil in Spezialfonds von Unternehmen liegt derzeit bei 51,38 Prozent und damit etwa zwei Prozentpunkte über dem Durchschnittswert. Das ist ein deutlicher Rückgang seit Januar 2012, als der Anteil bei 53,95 Prozent lag. Den niedrigsten Rentenanteil erreichte die Anlegergruppe im Januar 2013 mit 50,35 Prozent, den höchsten hingegen im September 2013 mit 54,35 Prozent. Aktien und Renten machen insgesamt 86,5 Prozent der Portfolios von Unternehmen aus. Die restlichen 13,5 Prozent verteilen sich zum Beispiel auf Dachfonds, Zertifikate und Cash.

Banken und Versicherungen haben wiederum einen deutlich höheren Rentenanteil, getrieben durch die deutlich gestiegenen Regulierungsbestimmungen und die damit einhergehenden Anforderungen und Liquidität. So liegt die Anleihequote aufgrund der hohen Liquiditätsanforderungen bei den Bank-Investoren auf der Plattform aktuell bei über 70 Prozent und damit deutlich höher als der Durchschnitt. Die Versicherungsanleger wiederum folgen mit knapp 67 Prozent, der Aktienanteil liegt hier wegen der geforderten hohen Eigenkapitalunterlegung mit 23 Prozent weit unter dem Investorenschnitt.

Spezialfonds als Performance-Treiber

Die Wertentwicklung der Spezialfonds über alle Anlegergruppen hinweg liegt bei durchschnittlich 4,72 Prozent jährlich über die vergangenen zehn Jahre - und das nach Kosten. Die meisten Investorengruppen haben mit ihren indirekten Anlagen eine (BVI-) Performance oberhalb der für viele Anleger wegen Beitragszusagen relevanten Schwelle von vier Prozent pro Jahr erreicht - teilweise sogar deutlich darüber.

Besonders gut schneiden Pensionskassen und Versorgungswerke ab, mit 5,38 Prozent pro Jahr über die vergangenen zehn Jahre, direkt gefolgt von Unternehmen (4,88 Prozent). Eine der Ursachen für das überdurchschnittliche Abschneiden dürfte der vergleichsweise hohe Aktienanteil dieser Anlegergruppen sein. Für die ersten fünf Monate des Jahres 2015 stellt sich die Situation ebenfalls sehr gut dar, mit einer durchschnittlichen Performance von 4,41 Prozent. Zum Stichtag Ende Juni 2015 lagen Pensionskassen/Versorgungswerke year to date bei einer Performance von 5,54 Prozent und Unternehmen bei 4,81 Prozent. Dass diese Kennzahl nicht noch besser ausfällt, liegt vor allem an der zuletzt wieder gestiegenen Marktvolatilität und der Korrekturen, die sowohl Aktien- als auch Rentenmärkte im Mai und Juni dieses Jahres hinnehmen mussten.

Noch erfreulicher sieht der Rückblick auf die vergangenen zwölf Monate aus, wiederum zum Stichtag Ende Juni 2015: durchschnittliche Performance 6,87 Prozent, Pensionskassen/Versorgungswerke 7,30 Prozent und Unternehmen 8,25 Prozent. Schaut man auf die einzelnen Performancetreiber, so zeigt sich, dass vor allem Aktienfonds und Private-Equity-Fonds - natürlich mit unterschiedlicher Gewichtung und kurzfristig höheren Schwankungen - die positive Wertentwicklung stützen, und das über alle Anlegergruppen hinweg. Die auf lange Sicht sehr wichtige Performance-Säule der Rentenfonds hat dagegen zuletzt an Bedeutung verloren und birgt zugleich - mit Blick auf eine mögliche Zinswende - zusätzliche Risiken (Abbildung 4).

Die Spezialfondswelt entwickelt sich weiter. Die Gewichtung zwischen den klassischen Anlageklassen Renten und Aktien verschiebt sich peu à peu zugunsten von Aktien. Wegen der damit steigenden Risiken setzen immer mehr Investoren auf Absicherungslösungen, sei es über Overlay-Management-Ansätze oder Wertsicherungsstrategien. Auch innerhalb der beiden großen Sektoren kommt es zu Verschiebungen, Investoren reduzieren in Zeiten niedriger Zinsen tatsächlich Staatsanleihen und gehen vermehrt in Unternehmensanleihen. Der Rentenklassiker Pfandbriefe verschwindet dagegen zunehmend aus den Portfolios. Auch der medial befeuerte Trend der Real Assets findet sich vermehrt in den Spezialfonds wieder, versprechen Investitionen in Private Equity, Infrastruktur oder erneuerbare Energien doch verlässliche und stetige Renditen.

Methodik und Relevanz

Die Auswertung erfasst alle Anlagen in Spezialfonds bei Universal-Investment für den Zeitraum von Januar 2012 bis zum 30. Juni 2015 und wird monatlich aktualisiert. Das Gesamtvolumen der analysierten Assets under Administration beträgt derzeit rund 176 Milliarden Euro. Dieses Volumen entspricht in etwa 13,3 Prozent des gesamten vom BVI erfassten Spezialfondsvermögens in Höhe von 1 339 Milliarden Euro per Ende Mai 2015.

Markus Neubauer , Geschäftsführer , Universal-Investment-Gesellschaft mbH

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