Wirtschaftsförderung nach Corona - die Herausforderungen am Beispiel Berlins

Dr. Jürgen Allerkamp, Foto: Investitionsbank Berlin

Obwohl nicht immer alles reibungslos in der Abstimmung geklappt habe, ist der Autor der Meinung, dass sich die föderalen Strukturen Deutschlands in der Krise bewährt hätten. Auch die Förderbanken seien dezentral und föderal organisiert. Allerkamp sieht den Rückgang der Wirtschaftsleistung in der Krise als geringer an als zuvor befürchtet. Dies sei auch den Hilfen von Bund und Ländern zu verdanken. Zwar haben die Corona-Maßnahmen nicht alle Branchen gleich hart getroffen, doch der Autor weist darauf hin, dass die aktuelle Situation nicht mehr lange tragbar ist. Die Staatsverschuldung steige stark und viele Selbstständige könnten auf der Strecke bleiben. Er hält daher ein Plädoyer dafür, dass die Fortschritte beim Impfen und Testen genutzt werden sollten, bald alle Möglichkeiten der Öffnung und Liberalisierung zu nutzen und eine Öffnungsstrategie zu entwickeln. Er fordert dazu auf, dass die Gesellschaft lernen muss, mit der Pandemie zu leben und kluge Konzepte zu entwickeln. (Red.)

Seit im Frühjahr 2020 die Corona-Pandemie über die Welt hereinbrach sind mehr als 80 000 Menschen in Deutschland, darunter mehr als 3 000 in Berlin, an Covid-19 verstorben. Fast einer von 1 000 Menschen hat in Deutschland sein Leben an diese Krankheit verloren.

Doch nicht nur auf das Leben und Zusammenleben von Menschen hat die Pandemie gravierende, zum Teil verheerende Auswirkungen, sondern auch auf Teile unserer Wirtschaft. Seit Ausbruch der Corona-Krise haben nach Angaben der KfW 40 Prozent der Selbstständigen mehr als die Hälfte ihrer Umsätze verloren und viele von ihnen befürchten, ihre Selbstständigkeit aufgeben zu müssen.

Obwohl bei der Größe der Aufgabe bei der Umsetzung der Hilfsangebote nicht alles reibungslos geklappt hat und auch die Abstimmungen zwischen Bundesund Landesebene Aufwand und Zeit gekostet haben, haben sich die föderalen Strukturen in Deutschland in der Krise bewährt. So haben die Länder mit ihren jeweiligen Förderinstituten die Möglichkeit, mit ergänzenden Angeboten auf die unterschiedlichen Wirtschaftsstrukturen einzugehen und in Ergänzung der Bundeshilfen ein spezifiziertes Unterstützungsangebot anzubieten. Es ist gut, dass Deutschland dezentral und föderal aufgestellt ist und die Förderinstitute diesem Gedanken folgend organisiert sind. KfW und Rentenbank übernehmen die großen, überregionalen beziehungsweise fachspezifischen Aufgaben und die Landesinstitute individualisieren die Unterstützungsleistungen.

Rückgang geringer als befürchtet

So hat etwa Berlin durch seine große Zahl von Soloselbstständigen unter allen Bundesländern mit Abstand die meisten Direktanträge im Rahmen der November- und Dezemberhilfe - mehr als dreimal so viele wie in Hamburg. Soloselbstständige sind aber auch förderpolitisch eine besondere Gruppe mit einer spezifischen Bedarfslage, die sich mit der von Unternehmen und Gewerbebetrieben nur eingeschränkt vergleichen lässt.

Die Berliner Wirtschaft hat im Jahr 2020 mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 3,3 Prozent einen empfindlichen Corona-Dämpfer erlitten. Dabei fiel der Rückgang um 1,2 Prozentpunkte geringer aus als im Bundesvergleich, wo die Wirtschaft um 4,9 Prozent eingebrochen ist. In Berlin verringerte sich das Arbeitsvolumen, also die von Selbstständigen und abhängig Beschäftigten tatsächlich geleistete Arbeit im Jahr 2020 um 4,6 Prozent (Bund: 4,7 Prozent), wobei die Zahl der Erwerbstätigen am Ende des Jahres aber lediglich um 0,4 Prozent unter dem Vorjahreswert lag. Dabei lag die Zahl der Angestellten auf dem Niveau des Vorjahres, die Zahl der Selbstständigen und mithelfenden Familienangehörigen sank dagegen um 3,3 Prozent.

Insgesamt ist der Rückgang der Wirtschaftsleistung und Beschäftigung bisher also geringer ausgefallen als ursprünglich befürchtet. Das ist einerseits in der Wirtschaftsstruktur der Berliner Wirtschaft begründet, andererseits aber auch eine Folge der Hilfsmaßnahmen, die von Bund und Ländern schnell und mit einem hohen Einsatz aufgelegt worden sind. Deutschlandweit wurden 2020 über die KfW, die Landwirtschaftliche Rentenbank und die 15 Landesförderinstitute Hilfen in Höhe von 154 Milliarden Euro zugesagt. Im Jahr davor waren es noch 76 Milliarden Euro. Davon wurden in Berlin über die unterschiedlichen Programme seit Ausbruch der Pandemie rund 3,2 Milliarden Euro an Zuschüssen (3,0 Milliarden Euro), Darlehen (107 Millionen Euro) und Beteiligungen (67 Millionen Euro) an 52 000 KMU und 205 000 Soloselbstständige ausgezahlt. Damit konnten zunächst rund 400 000 Arbeitsplätze in Berlin gesichert werden.

Dabei war und ist die Betroffenheit der einzelnen Wirtschaftszweige aufgrund der Pandemie höchst unterschiedlich. Während einige Branchen den Folgen des Virus beziehungsweise den verfügten Schließungen und Berufsverboten schutzlos ausgeliefert sind und großer Unterstützung bedürfen, erweisen sich andere Branchen als erstaunlich widerstandsfähig und überstehen die Krise nach einer kurzen Anpassung sogar gestärkt.

So zeigt sich auf der einen Seite die extreme Anfälligkeit der für Berlin wichtigen tourismusnahen Branchen, aber andererseits auch die Widerstandsfähigkeit vieler innovativer Zukunftsfelder, die das Land Berlin und die IBB schon seit Jahrzehnten besonders gefördert haben. Dazu gehören insbesondere die Gesundheitswirtschaft, die Digitalwirtschaft sowie einige freiberufliche und technische Dienstleistungen. So verzeichnen 2020 neben der pandemiebedingt starken Gesundheitsbranche vor allem die Branchen Informationsdienstleistungen (plus 11,5 Prozent) und Informationstechnologie (plus 3,0 Prozent) deutlich steigende Umsätze gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Ebenso stemmen sich Post- und Kurierdienste (plus 14,8 Prozent), Architekturbüros und Labore (plus 2,8 Prozent) sowie Unternehmensberatungen (plus 7,8 Prozent) gegen den Trend. Die Umsätze im stark getroffenen Gastgewerbe sanken dagegen um die Hälfte (minus 49,9 Prozent). Aufgrund des wiederholten Stillstands des nationalen und internationalen Tourismus brachen die Gästezahlen um knapp 65 Prozent ein. Vergleichsweise gut durch die Krise gekommen sind die Berliner Industrie und die Bauwirtschaft mit einem Umsatzplus von 2,1 beziehungsweise 6,6 Prozent.

Letztere profitierte davon, dass während der pandemiebedingten Schließungen von Gastronomie und Schulen an vielen Stellen die Zeit für Bau- und Renovierungsmaßnahmen genutzt wurde und die Arbeit auf den Baustellen zumeist weiterlief. Auch die Berliner Finanz- und Versicherungsdienstleister konnten in der Krise um 6,9 Prozent zulegen. Das kann zum Teil auf die bereits seit langem starken Wachstumseffekte im Bereich der schnell wachsenden Fintechs zurückgeführt werden.

Dass sich Deutschland gut ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie noch immer in einer dritten Welle befinden würde, die über das Auftauchen von Virus-Mutationen sogar noch an Brisanz gewonnen hat, war nicht abzusehen. Inzwischen erscheint durch den Einsatz schnell entwickelter Impfstoffe aber ein zages Licht am Ende des Tunnels und es ist jetzt an der Zeit, sich über einen Neustart nach der Pandemie Gedanken zu machen.

Ist es bislang darum gegangen, möglichst allen Unternehmen und Selbstständigen, die durch die Corona-Krise unverschuldet in eine existenzbedrohliche Wirtschaftslage geraten sind, das Überleben durch Subventionen zu ermöglichen, empfiehlt es sich, jetzt vor dem Hintergrund der stark gestiegenen Verschuldung der öffentlichen Haushalte nach einem neuerlichen befristeten Teil-Lockdown schnell alle Möglichkeiten der Öffnung und Liberalisierung umzusetzen.

Gründungsvorhaben besonders stark betroffen

So würde es den am stärksten gebeutelten Branchen des Gastgewerbes und des Kulturbereiches und dem stationären Einzelhandel zunehmend nutzen, die Pforten für Geimpfte - deren Zahl sich ja inzwischen rasch vergrößert - unter entsprechenden Auflagen wieder öffnen zu dürfen. Auf diese Weise könnte man nicht nur sukzessive Druck aus diesen Branchen nehmen, die seit nunmehr einem Jahr die stärksten Einbußen zu verkraften haben, sondern auch die Subventionsströme langsam schließen. Hier zählt jeder Tag! In diesem Zusammenhang ist die Diskussion um eine sogenannte Privilegierung Geimpfter nicht ganz nachvollziehbar. Schon in der Festlegung der Impfreihenfolge liegt diese begründet - zumindest teilweise - und die Rückgabe der Grundrechte an Geimpfte ist nur eine Folge davon.

Andererseits gibt es aber Bereiche, die an den bisherigen Hilfsangeboten nur unzureichend partizipieren konnten. Die für Berlin so wichtigen Unternehmensgründungen zählen dazu. Bei nahezu allen Soforthilfen resultierte aus der Anforderung eines Gründungsdatums vor dem 1. Januar 2020 und dem Erfordernis zuvor erzielter Umsätze ein De-facto-Ausschluss für Gründungsvorhaben. Dabei sind Gründungsvorhaben und junge Selbstständige von der Corona-Krise besonders stark betroffen.

Sie verfügen über weniger Rücklagen und damit über eine schmalere Basis für eine Fremdfinanzierung, was sie schon in normalen Zeiten erheblich anfälliger macht. Kein Wunder, dass auch viele Gründungsinteressierte ihre Pläne aufgegeben oder aufgeschoben haben. Zwar gingen die Gewerbeanmeldungen bundesweit und in Berlin in 2020 lediglich um jeweils rund zwei Prozent zurück, aber hier ist mit einem Anstieg zu rechnen, wenn es nicht gelingt, die Gründungsvorhaben stärker in die Förderung einzubeziehen.

Stabilisierungserfolge nicht gefährden

Die Überbrückungshilfe III und die Neustarthilfe laufen noch bis Ende August weiter. Hier sind Unternehmen grundsätzlich antragsberechtigt, wenn sie vor dem 31. Oktober 2020 gegründet wurden. Der Härtefallfonds und ergänzende Angebote in einigen Ländern stehen unmittelbar vor der Einführung. In Berlin wird die Neustarthilfe des Bundes um eine "Neustarthilfe Berlin" in Höhe von 150 Millionen Euro aufgestockt, auch um den vielen Soloselbstständigen und Kleinstunternehmen einen besseren Start aus dem Lockdown zu ermöglichen. Sieht die Neustarthilfe des Bundes einen Fördersatz von 50 Prozent des Referenzumsatzes vor, soll die Berliner Förderung für Soloselbstständige bei 75 Prozent liegen. Damit unterstützt das Land Berlin insbesondere Soloselbstständige, die im Jahr 2019 niedrige Umsätze erwirtschaftet haben. Der maximale Fördersatz bleibt bei 7 500 Euro. Geplant ist zudem, dass kleinere Unternehmen und Selbstständige mit bis zu fünf Mitarbeitern einen Zuschuss von bis zu 6 000 Euro zur Sicherung der Existenz aufsetzend auf die Überbrückungshilfe III erhalten.

Ob dies ausreicht, hängt von dem weiteren Verlauf der Pandemie ab. Selbstverständlich müssen die Unternehmen, denen die Ausübung ihres Gewerbes untersagt war, auch in Zukunft die notwendige Unterstützung erhalten. Es wäre sogar fahrlässig, die bisherigen Stabilisierungserfolge auf den letzten Metern zu gefährden. Um diesen Unternehmen nachhaltig und langfristig zu helfen, ist aber nachdrücklich dafür zu plädieren, die Fortschritte beim Testen und Impfen und bei der Immunisierung so rasch wie möglich mit einer Öffnungsstrategie zu verknüpfen. Es muss gelernt werden, mit der Pandemie zu leben und deshalb kluge Konzepte zu entwickeln, wie sich beides vereinbaren lässt: Gesundheitsschutz und wirtschaftliches Überleben.

Wie wird es nach der Corona-Krise weitergehen? Schwer zu sagen. Die Long-Covid-Folgen für breite Teile der Wirtschaft, wie nachlaufende Insolvenzen, schmerzhafte Strukturänderungen und eine rasch steigende Verschuldung der Staats- und Landeshaushalte, werden sich erst nach dem Abklingen der akuten Symptome erst nach und nach zeigen. Aber es ist bereits zu spüren, dass die Plattentektonik der Wirtschaftsstrukturen in Bewegung geraten ist. Und wo sich große Platten bewegen, kann es zu Verwerfungen kommen. Die Förderpolitik muss sich jeweils flexibel darauf einstellen.

Grundsätzlich glaubt die IBB mit ihrem gegebenen Förderinstrumentarium für die Nach-Corona-Zeit gut aufgestellt zu sein und keine neuen Programme anbieten zu müssen. Sie verfügt über ein breites Spektrum angefangen beim Businessplan-Wettbewerb und der Gründerberatung über verschiedene Technologie- und Investitionsförderprogramme bis hin zu den Beteiligungsangeboten. Hier muss an der ein oder anderen Stelle vielleicht nachjustiert werden, muss das Angebot für weitere Anspruchsgruppen geöffnet und vielleicht ein Schwerpunkt für die Stabilisierung von Gründungsvorhaben definiert werden, aber eine grundsätzliche Erweiterung des Förderangebots über die vorhandenen Programme hinaus ist derzeit nicht notwendig.

Diversifizierte Wirtschaft in der Krise ein Vorteil

In der Krise hat es sich als Vorteil erwiesen, dass die Ausrichtung der Berliner Wirtschaft inzwischen so diversifiziert ist und es Bereich gibt, die sogar dazu beigetragen haben, den Absturz der Wirtschaft in der Corona-Krise etwas abzufedern. Dazu gehört zu allererst der Bereich Information und Kommunikation, der trotz Krise um 1,6 Prozent gewachsen ist und mit 216 Millionen Euro einen positiven Wachstumsbeitrag generiert hat. Diese Branche, die im Zentrum der Digitalisierung der Wirtschaft steht, kann als Krisengewinner eingeordnet werden. Das betrifft nicht nur den in Berlin ausgesprochen starken Onlinehandel, der in der Krise boomte, sondern auch die verstärkte Nachfrage anderer Branchen nach Digitalisierung, das sogenannte B2B-Geschäft. In diesem Bereich wurden in der Krise sogar 6 000 Arbeitsplätze aufgebaut und es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass die Bedeutung der Digitalwirtschaft infolge der virtuellen Arbeitswelten und einer deutlich gestiegenen Bedeutung des Homeoffice weiter zunehmen wird.

Es zahlt sich hier aus, dass sich die Innovationspolitik in Berlin und Brandenburg unter dem Motto "Stärken stärken" gezielt auf die Entwicklung zukunftsfähiger Strukturen in fünf Clustern konzentriert hat. Neben dem Bereich "IKT, Medien Kreativwirtschaft" sind dies die Gesundheitswirtschaft, der Bereich "Verkehr, Mobilität und Logistik", die Energietechnik sowie "Optik und Photonik". Berlin hat in den vergangenen Jahrzenten mit der Ausrichtung auf diese Zukunftsfelder auf die richtigen Wirtschaftsbereiche gesetzt und verfügt heute über ein diversifiziertes und in Teilen krisenresistentes Dienstleistungsspektrum. Hier sind auch die Ansätze für eine Weiterentwicklung der Berliner Wirtschaft nach der Krise zu suchen.

Dr. Jürgen Allerkamp , Vorsitzender des Vorstands, Investitionsbank Berlin

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