Wohlstand dank sozialer Marktwirtschaft

Steffen Kampeter, Foto: BDA (Michael Hübner)

"Die soziale Marktwirtschaft ist nicht nur eine Erfolgsgeschichte der Vergangenheit und Gegenwart, sondern liefert auch die richtige Orientierung in der global vernetzten und digitalen Wirtschaftswelt der Zukunft." Das Wirtschaftsmodell nach Ludwig Ehrhard ist nach Überzeugung der deutschen Arbeitgeber auch weiterhin ein Erfolgsmodel - auch in einer global vernetzten und digitalen Wirtschaftswelt. Allerdings gehen dem Autor die prozesspolitischen Eingriffe zu weit. Denn sie würden sich als investitionshemmend und demotivierend für Unternehmer und Gründer weisen. Gerade für die Zeit nach der Corona-Krise, wenn Wachstumsimpulse dringend gebraucht werden, rät er zu einem Rückzug der staatlichen Aktivitäten und einer Besinnung auf die unternehmerische Freiheit. Und er warnt vor einer weiteren Verteuerung des Faktors Arbeit. Sonst sei auch die zweite große Herausforderung dieser Generation - der Klimawandel - nicht zu bewältigen. Die Arbeitgeberverbände wollen all das begleiten. (Red.)

Wohlstand für alle: Die von Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard 1957 in Buchform gegossene und schnell zum politischen Bestseller avancierte Vision hat mit ihrer Strahlkraft die Jahrzehnte überdauert. Wohlstand für alle bleibt bis heute eine gesamtgesellschaftliche Zielvorstellung, aber Wohlstand für viele - das wurde dank der ebenfalls von Erhard vorangetriebenen sozialen Marktwirtschaft ohne Zweifel erreicht. Freiheit, Eigentum und Wettbewerb, das war dem späteren Bundeskanzler klar, bilden die Grundpfeiler einer Wirtschaftsordnung, auf denen kurz nach den menschlichen, aber auch ökonomischen Verheerungen des Zweiten Weltkriegs ein funktionierendes Gemeinwesen aufgebaut werden kann.

Wohlstand ist dabei nicht nur materiell, sondern auch sozial und ökologisch nachhaltig zu verstehen. Dabei war und ist die Ordnungspolitik die Quelle des Wohlstandes - die heute so beliebte Prozesspolitik sollte lediglich zweite Wahl bleiben.

Es gab im Laufe der vergangenen 63 Jahre natürlich immer wieder wirtschaftliche Einbrüche und notwendige Nachjustierungen, aber die soziale Marktwirtschaft hat sich - gerade im verschärften Systemkonflikt des Kalten Krieges - allen anderen Wirtschaftsordnungen als überlegen erwiesen. Auch nach schwierigen Phasen, wie der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009, haben wir rasch den Wachstumspfad erreichen können. Bis Anfang 2020 die Corona-Pandemie und ein nie dagewesener Schock auf der Angebots- wie auf der Nachfrageseite zuschlug. Wohlstand für alle - plötzlich infrage gestellt von einem unberechenbaren Virus und einer Unsicherheit, die Gift ist für Berechenbarkeit von Wirtschaftstätigkeit.

Freiheit, Eigentum und Wettbewerb

Warum ist die soziale Marktwirtschaft nach Überzeugung der deutschen Arbeitgeber auch weiterhin ein Erfolgsmodell - gerade jetzt inmitten und vor allem nach der Krise? Auf Basis von Freiheit, Eigentum, Wettbewerb und dem belastbaren Miteinander der Sozialpartner konkurrieren Unternehmen in einem verlässlichen Ordnungsrahmen um Verbraucher. Dieser Wettbewerb ist nötig, um sich weiterzuentwickeln, Neues zu erschaffen oder die eigenen Prozesse zu optimieren. Im marktwirtschaftlichen Wettbewerb entstehen somit nicht nur Gewinne, sondern auch Innovationen, Problemlösungen und wettbewerbsfähige Arbeitsplätze. Nichts zeigt diese Kraft wohl deutlicher als der in Rekordzeit durch ein deutsches Unternehmen entwickelte Impfstoff gegen Corona.

Durch den Ordnungsrahmen der sozialen Marktwirtschaft ist Deutschland heute eines der nachhaltig erfolgreichsten Länder der Welt. Denn einerseits gibt sie den Unternehmen Freiraum, damit sie sich entfalten können. Andererseits schafft sie gleichzeitig auch einen Ausgleich über ein Sozialsystem, das weltweit seinesgleichen sucht. Und sie erst hat jenen Wohlstand geschaffen, dank dem unser Land überhaupt den finanziellen Spielraum hat, um unverschuldet in Schieflage geratenen Firmen in der derzeitigen Krise zu helfen - wenngleich die Frage, wie die momentane Verschuldung auf Dauer zurückgeführt werden soll, zu sehr im Ungewissen bleibt. Denn klar ist: Ohne Schuldenbremse und konsolidierte Finanzen in der Vergangenheit wären wir in finanziellen Schwierigkeiten.

Die soziale Marktwirtschaft ist nicht nur eine Erfolgsgeschichte der Vergangenheit und Gegenwart, sondern liefert auch die richtige Orientierung in der global vernetzten und digitalen Wirtschaftswelt der Zukunft. Deutschland geht es - trotz der Corona-Krise - heute vergleichsweise gut. Gleichzeitig steht in der digitalen Transformation viel auf dem Spiel. Ein flexibler ordnungspolitischer Rahmen für freies, innovatives Unternehmertum sowie das Vertrauen in die Stärken der Sozialpartner sind das Rezept für zukünftiges Wachstum und Wohlstand. Die Sozialpartner zeigen, dass sie Digitalisierung konkret und menschenzentriert gestalten können - sei es in Form von moderner Aus- und Weiterbildung oder mit flexiblen Tarifverträgen.

Das Prinzip der Sozialpartnerschaft

Das Recht, Tarifverträge abzuschließen, ist Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips in der sozialen Marktwirtschaft. Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften regeln gemeinsam die Arbeitsbedingungen, ohne dass der Staat darauf unmittelbar Einfluss nimmt. Die Sozialpartner haben in Deutschland mit über 77 000 Tarifverträgen ein differenziertes System von Arbeitsbeziehungen geschaffen, das die wirtschaftlichen Notwendigkeiten in einem Unternehmen mit der sozialen Teilhabe der Arbeitnehmer in den gewünschten Einklang bringt. So können statt staatlicher Pauschalregulierung individuelle Antworten nah an der Unternehmensrealität entwickelt werden. Das Prinzip der Sozialpartnerschaft - der Wille zu einvernehmlichen Lösungen - ermöglicht Stabilität und sozialen Frieden, stärkt soziale Gerechtigkeit und trägt maßgeblich zu Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand bei. Besonders in Krisenzeiten gewinnt Sozialpartnerschaft durch gemeinsame Verantwortungsübernahme der Tarifparteien entscheidende Bedeutung und trägt zu allgemeiner Akzeptanz bei. Die schnelle Verständigung auf Kurzarbeit zu Beginn der gegenwärtigen Krise steht exemplarisch für das gelingende Miteinander der Sozialpartner.

Ein Bündel an Ideen

Allerdings wird die für innovative Ideen dringend benötigte unternehmerische Freiheit in jüngster Zeit durch vielfältige, prozesspolitische Eingriffe stark eingeengt. Höhere bürokratische Lasten oder die anhaltend hohen Steuer- und Abgabenbelastungen der Wirtschaft schränken die aus den Eigentumsrechten abzuleitenden Entscheidungsmöglichkeiten zunehmend ein. Selbstständigkeit muss auch Spaß machen. Die schon vor Corona zurückgehende Zahl der Gründungen und Unternehmensnachfolgen sollte deshalb eine Warnung sein. Gerade in Zeiten des demografischen und digitalen Wandels und zur nachhaltigen Überwindung der ökonomischen Folgen der Pandemie ist mehr Unternehmertum erforderlich.

Für eine leistungsfähige und zukunftsorientierte Wirtschaft, die die anstehenden Herausforderungen bewältigen kann und die unternehmerische Freiheit fördert, muss die Politik deshalb entschlossen handeln. Ideen, wie dies erreicht werden kann, gibt es zur Genüge. So muss der erforderliche Spielraum für Investitionen sowie unternehmerische Entscheidungsfreiheit sichergestellt werden. Insbesondere weitere Belastungen durch ein Unternehmensstrafrecht, durch neue Regulierungen im Arbeitsrecht und auf dem Arbeitsmarkt oder neue erweiterte Haftungen für globale Lieferketten müssen vermieden werden. Beschränkungen befristeter Arbeit, neue Ansprüche auf mobiles Arbeiten und Verbote im Zusammenhang mit Zeitarbeit und Werkverträgen würden die Arbeitsbeziehungen weniger anpassungsfähig machen und Beschäftigungschancen gefährden.

Die Arbeitsmarktpolitik muss auf die digitale, demografische und ökologische Transformation reagieren. Sie muss dabei unterstützen, den Fachkräftebedarf von morgen zu decken. Gestaltungsspielräume für Sozial- und Vertragspartner sollten gestärkt und erweitert werden.

Die Tarifautonomie muss ohne staatliche Eingriffe gestärkt werden, damit die Sozialpartner ihre Gestaltungskraft wieder entfalten können. Die Idee einer modularen Tarifbindung kann diesen Prozess nachhaltig vorantreiben.

Deutschland muss aus der Corona-Krise herauswachsen. Es müssen Wachstumsbremsen gelöst und auf die Innovationskraft der Wirtschaft gesetzt werden. Richtig ist, im laufenden Jahr Geld für Stabilisierungsmaßnahmen in die Hand zu nehmen und diese nicht abrupt enden zu lassen. Aber: Wenn die Not vorbei ist, muss es wieder ans Sparen gehen. Auf eine Politik des umfangreichen Geldausgebens sollte eine Politik ohne Geld folgen. Das erfordert von den zuständigen Entscheidungsträgern Kreativität, ist aber unumgänglich für den Handlungsspielraum kommender Generationen.

Die jüngere Generation ist es auch, die wie selbstverständlich mit den digitalen Arbeitsmöglichkeiten von heute aufwächst. Wenn die Corona-Krise etwas Gutes hat, dann ist es der deutliche Digitalisierungsschub in der ganzen Breite unserer Arbeitswelt. Er zeigt sich insbesondere am Beispiel der mobilen Arbeit. Dieses Instrument wird von Unternehmen und Beschäftigten dort, wo dies möglich und betriebswirtschaftlich angemessen ist, eingesetzt. Unternehmen und Arbeitnehmer nutzen dies verantwortungsvoll - auch um Infektionsrisiken zu vermindern. Die Entwicklung der vergangenen Monate hat gezeigt, dass ein Rechtsanspruch auf Homeoffice überflüssig ist. Er kann zu einer Spaltung der Belegschaft und Störung des Betriebsfriedens führen, weil viele Tätigkeiten - vor allem auch solche, die besonders zur Bewältigung der Krise gebraucht werden - nicht im Homeoffice ausgeführt werden können. Auch künftig muss klar sein, dass die Bestimmung von Arbeitsinhalten, Arbeitszeiten und Arbeitsort im Rahmen gesetzlicher Regelungen durch den Arbeitgeber erfolgt.

Ein Thema, welches die Arbeitgeberverbände seit vielen Jahren beschäftigt und das wir trotz der mit Corona verbundenen Herausforderungen nicht aus dem Auge verloren haben, ist der rapide Anstieg der Sozialversicherungsbeiträge. Auch hier müssen wir unserer Verantwortung kommenden Generationen gegenüber gerecht werden. Im Konjunkturpaket der Bundesregierung wurde eine Deckelung der Sozialversicherungsbeiträge bei maximal 40 Prozent bis zum Jahr 2021 beschlossen. Ein richtiger Schritt, perspektivisch drohen die Sozialversicherungsbeiträge jedoch weiter zu steigen und zunehmend den Faktor Arbeit zu verteuern. Eine dauerhafte Begrenzung auf maximal 40 Prozent ist daher zwingend notwendig.

Vorschläge für erforderliche Strukturreformen bei allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherungen wurden von der BDA-Kommission "Zukunft der Sozialversicherung: Dauerhafte Begrenzung der Beitragsbelastung" unter der Leitung von Professor Dr. Martin Werding erarbeitet und liegen auf dem Tisch. Unsere Mitgliedsverbände können sich darauf verlassen, dass wir die Ideen der Kommission auch im wichtigen Superwahljahr 2021 mit aller Kraft gegenüber der Politik adressieren werden.

Sozialen Frieden sichern

Wohlstand für alle: Das ist keine ferne Utopie, sondern der tägliche Antrieb von Unternehmen und Arbeitgeberverbänden in der sozialen Marktwirtschaft. Möglichst vielen Menschen gute und sichere Arbeit zu geben ist unser Ziel, denn nur dann entsteht sozialer Frieden und ein Umfeld für Innovationskraft und Gründergeist. Dies gilt auch angesichts der - neben der Digitalisierung - zweiten globalen Herausforderung des Klimawandels. Mit weniger mehr zu erreichen - ein Erfordernis gegen die globale Erderwärmung - kann nur durch unternehmerische Innovationen und marktgetriebene Veränderungen gelingen. Der Staat mag ja ehrgeizige Zielsetzungen vorgeben. Ohne eine Vorstellung von den Mitteln und Wegen, wie diese Ziele zu erreichen sind - und ohne konkrete Umsetzungsschritte - werden wir nicht erfolgreich sein. Und Umsetzung erfolgt in Unternehmen und nicht in Bürokratien. Das ist die Vision vom ökologischen Wohlstand für alle.

Corona hat gezeigt, dass Wirtschaft nicht alles, aber ohne Wirtschaft vieles nichts ist. Wenn wir auf die leeren Innenstädte und geschlossenen Geschäfte schauen, blutet uns allen das Herz. Die drastischen Lockdown-Bilder machen uns klar: Wachstum und Wohlstand entstehen auch künftig nicht durch den Staat, sondern - Ludwig Erhard folgend - nur durch marktwirtschaftliche Tätigkeit. Hierfür brauchen Unternehmen größeren Spielraum, denn Flexibilität kann neue Sicherheit schaffen. In der Krise sehen wir deutlicher als je zuvor, dass Arbeit weit mehr ist als das Verdienen des Lebensunterhaltes. Arbeit sorgt dafür, dass Menschen einen Ankerplatz in der Gesellschaft finden. Arbeit stiftet Sinn und Zugehörigkeit. Dieser Verantwortung sind sich die deutschen Arbeitgeber bewusst. Arbeit beschäftigt uns - auch im neuen Jahr.

Steffen Kampeter Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Präsidiums, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Berlin
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Steffen Kampeter , Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Präsidiums , Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Berlin
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