Die Zukunft der bankbasierten Mittelstandsfinanzierung

Dr. Christian Fahrholz, Foto: DIHK_Paul Aidan Perry

Die auf die Finanzkrise folgenden Regulierungen haben nach Meinung der Autoren die Struktur und die noch funktionierende Risikotransferfunktion des Finanzsystems systematisch verändert. Die Politik will die erwartete Lücke in der Mittelstandsfinanzierung mit der avisierten Kapitalmarktunion schließen. Dabei sehen Brunkow und Fahrholz jedoch große Hürden. Die meist eher kleineren Unternehmen eignen sich weniger für standardisierte Ratings und könnten die Kapitalmarktanforderung an Reporting und Controlling aus Kosten- und Kapazitätsgründen kaum leisten. Banken hingegen eignen sich aufgrund des Informationsvorsprungs für eine angemessene Risikobewertung eher zur Mittelstandsfinanzierung. Doch Niedrigzinsphase und Regulatorik führen dazu, dass die Banken sich größeren Losgrößen bei der Kreditvergabe zuwenden. Vor allem in einer Abschwungphase könnte das nach Meinung der Autoren zu Problemen für die deutsche Wirtschaft führen. Fintechs und Kreditfonds seien auch nur bedingt geeignet, die entstehende Lücke zu schließen. Brunkow und Fahrholz sehen das wichtigste Ziel aus Sicht der deutschen Wirtschaft darin, dem Mittelstand ein breites Bankangebot zu erhalten. (Red.)

Im Zuge der Finanzmarktkrise von 2007 und den Folgejahren sind zahlreiche Regulierungen auf den Weg gebracht worden, die das Finanzsystem "sicherer gemacht" haben - wie das Frankfurter SAFE-Institut jüngst in einem Gutachten für das Bundesfinanzministerium konstatierte.1) Jedoch verändert die Summe der Finanzmarktregulierungen die Struktur und die noch funktionierende Risikotransferfunktion des gegenwärtigen Finanzsystems schon heute systematisch. Daher rührt auch der propagierte politische Wille, die regulatorisch bedingte, antizipierbare Lücke in der bankbasierten Mittelstandsfinanzierung mittels einer Kapitalmarktunion zu schließen.

Wahrscheinlicher ist jedoch eine zeitliche Divergenz zwischen unmittelbarer Wirkung der Finalisierung von Basel III ("Basel IV") und einer funktionierenden europäischen Kapitalmarktunion. Zwar treten neue Anbieter, wie Fintechs und Kreditfonds, am Markt für Unternehmensfinanzierungen auf. Dennoch dürften aus Sicht der Autoren große Teile der kreditnehmenden Wirtschaft, insbesondere der deutsche Mittelstand, hinsichtlich der Finanzierungsbedingungen womöglich vor besonderen Herausforderungen stehen. Weiter dürfte dieser technologische wie auch regulatorische Strukturwandel im Finanzsystem nennenswert zulasten der kreditgebenden Wirtschaft gehen.

Organisch entwickelt und "natürlich" bankbasiert

Im Einklang mit der besonders mittelständisch geprägten und zugleich global operierenden deutschen Wirtschaft mit diversen weltweit erfolgreichen Hidden Champions liegt der Schwerpunkt des Finanzsystems historisch, kulturell sowie steuerlich bedingt auf der bankbasierten Unternehmensfinanzierung in einem hoch kompetitiven Markt. Der Mittelstand umfasst in erster Linie die Gruppe der Kleinst-, kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) mit weniger als 250 Mitarbeitern und 50 Millionen Euro Jahresumsatz. Im Jahr 2016 machen den Mittelstand im Wesentlichen die etwa 2,4 Millionen KMU einschließlich der fast 2 Millionen Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern und damit 99,3 Prozent aller Unternehmen der deutschen Wirtschaft aus. Der Mittelstand ist für rund ein Drittel des gesamten Umsatzvolumens und für mehr als 60 Prozent der Beschäftigung in Deutschland verantwortlich (Quelle: Destatis).

Der kreditgebenden Wirtschaft primär aus Sparkassen und Genossenschaftsinstituten samt jeweiliger Verbundpartner sowie Privat- und Großbanken kommt dabei aus Sicht der mittelständischen Wirtschaft ein hoher Stellenwert zu. In erster Linie gilt dies, weil diesen Unternehmen ein direkter Kapitalmarktzugang in der Praxis aus vielerlei Gründen kaum möglich ist: KMU weisen im Gegensatz zu zum Beispiel börsennotierten Unternehmen individuellere, für standardisierte Ratingbewertungen schwerer greifbare Geschäftsmodelle und Organisationsstrukturen auf. Dies liegt unter anderem daran, dass steuerlich geprägte Verknüpfungen von Privat- und Geschäftsbereich (beispielsweise über Sicherheitenstellung für Bankkredite aus dem privaten Vermögensbereich) die Unternehmensstrukturen prägen. Ebenso können sie aus Kosten- und Kapazitätsgründen kaum Reporting- und Controlling-Strukturen vorhalten, die den Kapitalmarktanforderungen gerecht werden.

Die vom individuellen Geschäftsmodell der KMU speziell abgeleiteten Finanzierungsbedürfnisse erschweren zusätzlich eine Inanspruchnahme standardisierter, öffentlicher Handelsplätze für Fremd- und Eigenkapital in kleinen Losgrößen über das gesamte Laufzeitenband. Auch die besonderen Anforderungen um die Prospekthaftung erschweren diesen Zugang. Demgegenüber steht ein Kapitalmarkt, insbesondere institutioneller Investoren, der die Kapitalnachfrage von KMU wegen individueller Vertragsbedürfnisse und somit fehlender Skaleneffekte kaum bedienen kann.

Banken weisen im Gegensatz zu Kapitalmarktakteuren bei der Intermediation zumeist einen Informationsvorsprung für eine adäquatere Risikobewertung der vielfältigen Geschäftsmodelle im Mittelstand auf. Dieser Vorsprung resultiert aus der regionalen Fokussierung der Geschäftstätigkeit bei Sparkassen und Genossenschaftsinstituten, aber auch bei Privat- und Großbanken über deren Delegation von Kompetenzen der Kreditwürdigkeitsprüfung auf die lokale Ebene.2) Lokale Präsenz und Kundennähe sowie Kenntnisse regionaler Wirtschaftsstrukturen durch vor Ort vernetzte Mitarbeiter verschaffen diesen Kreditinstituten einen Vorteil bei der kundenspezifischen Informationsgewinnung (Relationship Banking). So gelingt es, zentralisierte Branchen- und Sektorenkenntnisse mit individuellen, regionalen Rahmenbedingungen zu kombinieren. Dies ist ein Vorteil, den die standardisierten Scoring-Modelle der großen Ratingagenturen bislang eher nicht aufweisen.3)

Banken mit Vorteilen bei der Bonitätsbeurteilung

Aktuell scheint dieser Vorteil auch noch die mit Kunden-Bewegungsdaten mittels Big Data Artificial Intelligence (BDAI) operierenden Fintechs und Bigtechs des Nichtbankensektors im Wettbewerb auszustechen. Deren BDAI-Modelle operieren zudem "ungestresst" nur mit Daten eines ungewöhnlich langen Wachstumszyklus von 10 Jahren. Daher scheinen klassische Banken noch immer zu einer präziseren und individuelleren Beurteilung von Bonität und Ausfallwahrscheinlichkeit der - teils sehr kleinteiligen - mittelständisch geprägten deutschen Wirtschaft befähigt. Makroökonomisch erwächst aus diesem Informationsvorsprung der Kreditinstitute ein erheblicher Risikominderungseffekt in Bezug auf Kreditausfälle unter Aufrechterhaltung einer breiten und individuellen Finanzierungsversorgung für KMU.

Darüber hinaus ist der Mittelstand aufgrund der erheblichen internationalen Verflechtung von Handel und Produktion der deutschen Wirtschaft und angesichts des aktuell prognostizierten, ökonomischen Abschwungs mehr denn je auf eine Bankfinanzierung angewiesen. Die Im und Exportquoten Deutschlands haben sich im Zeitraum von 1991 bis 2017 von 24,2 Prozent beziehungsweise 23,7 Prozent auf 31,7 Prozent beziehungsweise 39,2 Prozent erhöht (Quelle: Destatis). Dieses weltweite Agieren erfordert unternehmensspezifische Lösungen mit passgenauen Finanzierungen und Absicherung der grenzüberschreitenden Transaktionen. Insbesondere Großbanken als global aufgestellte Kreditinstitute verfügen über die notwendigen finanziellen Möglichkeiten, um hierfür ein länderspezifisches Netzwerk und die erforderliche Expertise vorzuhalten.

Speziell wegen der mittelständisch geprägten und international orientierten Wirtschaftsstruktur Deutschlands mit den genannten strukturellen Limitierungen kommt der breit diversifizierten Bankfinanzierung eine besondere Bedeutung zu. Im Kern geht es dabei um ein Finanzsystem effizienter Institutionen zur Verarbeitung unternehmerischer Risiken, das diesen KMU die benötigte Produktpalette über alle Laufzeitbänder und Dienstleistungen weiter anbieten kann.

Jedoch gewinnen mittlerweile regulatorische Rahmenbedingungen und der technologische Wandel maßgeblich an Einfluss und etablieren so neue Einschränkungen für eine effiziente Risikotransformation im deutschen Finanzsystem. Zudem beeinflussen die anhaltende Niedrig- und Negativzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) das Kreditangebot an KMU strukturell und auf lange Sicht auch die Leistungsfähigkeit des Finanzsystems negativ. Das zeigt die nachfolgende Situationsanalyse zum Strukturwandel auf.

Kreditgebende Wirtschaft - unrund laufender Motor

Einen ersten Anhaltspunkt für diesen Strukturwandel liefert ein Blick auf das bilanzielle Eigenkapital der Kreditinstitute. Dieses stellt aus Sicht der Regulierung einen gesamtwirtschaftlichen Risikopuffer dar. Tatsächlich hat das Gros der deutschen Banken ihr bilanzielles Eigenkapital im Zeitraum von zehn Jahren nach Ausbruch der Finanzkrise von 224 Milliarden Euro (2008) auf 363 Milliarden Euro (2017) erhöht.4) Innerhalb der unterschiedlichen Institutsgruppen hat sich in diesem Zeitraum dessen Verteilung jedoch deutlich verschoben: Während die Privatbanken bei der Ausstattung mit Eigenkapital Ende 2008 noch mit Genossenschaftsinstituten und Sparkassen in etwa gleichauf lagen, fällt dieselbe in den letzten zehn Jahren relativ zu den anderen beiden Säulen ab (Abbildung 1). Angesichts weiterer Belastungen im Zuge der Umsetzung von "Basel IV" könnte diese Entwicklung durchaus zum Risiko für die Mittelstandsfinanzierung werden, weil das bilanzielle Eigenkapital immer stärker mit dem möglichen Angebotsvolumen an Finanzierungen korreliert und so interne Kapitalkosten (inklusive Verwaltung) Volumen und Güte der Kreditausreichungen ökonomisch limitieren könnten.

Erosion der Passivmarge

Neben dem Eigenkapital stellt auch die Bruttozinsspanne der Banken eine Art gesamtwirtschaftlichen Risikopuffer für die Finanzmarktstabilität dar. Die Bruttozinsspannen der Kreditinstitute - das sind die jährlichen Zinserträge in Relation zur Bilanzsumme - sind von durchschnittlich 4,9 Prozent (2008) auf 2,1 Prozent (2017) gefallen (Abbildung 2).

Wichtige Ursache hierfür ist die Erosion der Passivmarge, das heißt der Wegfall von Zinsertrag aus dem Valutanutzen nicht bewegter Sichteinlagen und die Negativverzinsung auf die EZB-Einlagenfazilität bei bislang nur geringer Weitergabe an Endkunden. Zudem sorgt die anhaltende Niedrigzinspolitik der EZB für einen Renditeschwund über das gesamte Laufzeitband, sodass sich die Zinserträge aus der Transformationsmarge reduzieren. Dabei ermöglichen gerade relativ hohe Bruttozinsspannen exogene Schocks - wie eine branchenspezifische Krise - zu absorbieren.

Trotz dieser negativen Entwicklung dominiert im langfristigen Durchschnitt der Zinsüberschuss mit 73 Prozent der operativen Erträge weiter die Ertragslage der Kreditinstitute. Dies entspricht nach den Lehren der Finanzmarktkrise sicherlich den Anforderungen von Politik. Jedoch offenbart die hohe Abhängigkeit von der Transformationsmarge bei weiter erodierenden Bruttozinsspannen irgendwann immanente Grenzen.

Sicherlich lässt sich die Belastung der Ertragslage eine gewisse Zeit durch Kostensenkungen und Kapazitätsabbau sowie durch ertragsstützende Auflösungen von Risikovorsorge lindern. Auch hält die von der EZB unterstützte Ausweitung der Kreditvergabe die Banken eine Weile über Wasser. Insgesamt stellt dies aber im Hinblick auf einen möglichen konjunkturellen Abschwung eine bedenkliche Entwicklung dar - nicht nur hinsichtlich der gesamtwirtschaftlichen Finanzmarktstabilität, sondern vor allem mit Blick auf die Frage, wer zukünftig noch Finanzierungspartner insbesondere eines auch international operierenden Mittelstands sein kann und will.

Als Konsequenz der sinkenden Profitabilität ist heute schon eine zunehmend ressourcenoptimierte Kapitalallokation der Kreditinstitute auf wenige Geschäftsfelder ersichtlich. Diese Entwicklung bedingt aus Sicht der kreditnehmenden Wirtschaft die Herausforderung, die Zahl der Finanzierungspartner zur Sicherstellung eines gleichwertigen Finanzdienstleistungsangebots möglicherweise vergrößern zu müssen. Zudem steigt die Gefahr, dass insbesondere weniger "Return-on-Equity"-generierende Mittelständler durch die Banken ausgesteuert werden könnten.

Veränderungen im Finanzsystem bereits sichtbar

Der Rückgang der Dominanz der Bankfinanzierung (sogenannte Disintermediation) tritt bereits heute zutage. So ist der Fremdkapitalanteil in der Unternehmensfinanzierung von rund 80 Prozent (2003) auf 70 Prozent (seit 2015) zurückgegangen bei entsprechendem Anstieg der Eigenkapital-Quoten.5) Diese Tendenz verstärkter Innenfinanzierung macht nicht zuletzt den Mittelstand widerstandsfähiger gegenüber exogenen Schocks. Analoge Effekte werden bei den größeren Unternehmen auch mittels einer zweiten Form der Eigenfinanzierung (den Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen) erzielt, wovon KMU strukturbedingt jedoch kaum profitieren können. Der Anstieg zentralisierter Cash-Management-Systeme sowie bankähnlicher Inhouse-Lösungen verstärkt aber zusätzlich den negativen Effekt auf Kreditvolumen und Zinsüberschuss der Banken.

Der Anteil dieser Verbindlichkeiten stieg im Zeitraum von 2003 bis 2017 von 20 Prozent auf 32 Prozent. Korrelierend dazu ist der Rückgang der Bankverbindlichkeiten im oben genannten Zeitraum - bezogen auf einen deutlich größeren Bruttowert - um 10 Prozentpunkte auf knapp 15 Prozent zu betrachten (Abbildung 3). Dies bleibt jedoch im Kontext des von der EZB induzierten Kreditwachstums nicht ohne Folgen für Geschäftsvolumen und vor allem Profitabilität der Kreditinstitute. Der hiervon verstärkte Strukturwandel in der bankbasierten Unternehmensfinanzierung hin zu einem stärker "Return-on-investbasierten Kreditangebot erfasst dabei insbesondere die Gruppe der Kleinst- und Kleinunternehmen. Eine Tendenz der Banken zur Fokussierung auf eher größere Losgrößen mit höherer Rentabilität zeigt sich bereits bei der Bewertung des Finanzierungszugangs aus Sicht der kreditnehmenden Wirtschaft in den Konjunkturumfragen des DIHK. Vor allem seit 2011 äußern sich Teile der rund 2 Millionen Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern deutlich kritischer im Hinblick auf ihren Finanzierungszugang als in früheren Umfragen. Mit Abstrichen gilt dies auch für die Kleinunternehmen mit weniger als 20 Mitarbeitern (Abbildung 4).

Dieser Befund sollte aufhorchen lassen, da sich die deutsche Wirtschaft seit 2009/10 in einem kontinuierlichen Aufschwung befand - begleitet von einer expansiven Geldpolitik der EZB, für deren Liquidität die Kreditinstitute nur unter immer größerem Margendruck Kreditnehmer finden. So überlagern die Ausweitung der Kreditvolumina und gelockerte Vergabestandards in Reaktion auf die anhaltende Niedrig- und Negativzinspolitik der EZB derzeit quasi die latenten Schwierigkeiten von KMU beim Finanzierungszugang. Zudem könnte auch die relativ geringe Investitionsneigung im Inland mit ihrer dämpfenden Wirkung auf das Angebotsvolumen an Mittelstandsfinanzierungen etwaige Finanzierungsschwierigkeiten kaschieren. Insoweit könnten sich vor allem in einer konjunkturellen Abschwungphase der beschriebene Strukturwandel im Finanzsystem und eine schwindende Profitabilität in mittelständischen Kundenbeziehungen zu einem Standortnachteil der deutschen Wirtschaft auswachsen.

Marktprozesse treiben Strukturwandel - Margendruck steigt

Die zunehmende Fragmentierung finanzieller Wertschöpfungsketten verschärft die Wettbewerbssituation in der Kreditvergabe und drückt somit auf die Margen in der bankbasierten Unternehmensfinanzierung. Verschärfend wirken hierbei seit wenigen Jahren neuartige Finanzintermediäre (Fintechs und Kreditfonds) mit dem Ziel, Banken als Finanzierungsanbieter im deutschen Mittelstand zu ergänzen bisweilen sogar zu ersetzen.

Diese im Zuge der Digitalisierung und des technologischen Wandels neu am Markt aufgetretenen Unternehmen drän gen insbesondere in das Finanzierungsgeschäft. Dabei stellen zum Beispiel virtuelle Plattformen für ein sogenanntes Marketplace Lending einen neuen Vergabekanal für Firmenkundenkredite dar. Fintechs könnten sich damit möglicherweise als alternative Finanzierungsanbieter mit nicht bankmäßigen Regulierungs- und Aufsichtsrahmen für den Mittelstand etablieren. Charakteristisch für diese Anbieter ist jedoch, dass diese regelmäßig ohne eigenes Kreditbuch als Mediatoren zwischen Investoren und Unternehmen makeln. Damit wird eine Kreditanfrage im juristischen Sinne formal mit einem Letter-of-Intent beantwortet und erst nach Ziehung der Investoren bedient. So fehlt diesen Fintechs im Gegensatz zum traditionellen Relationship-Banking auch der eigene, kreditmäßige Spielraum für Prolongationen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass diese unbesicherten Finanzierungsangebote in Form kurzfristiger, auch revolvierender Spitzenausgleiche bestehende Hausbankfinanzierungen eher ergänzen.

Stand-Alone- oder Lead-Positionen bei syndizierten Finanzierungen stellen bisher wohl eher die Ausnahme dar. Zudem sind die publizierten Ablehnungsquoten von Fintechs von aktuell circa 75 Prozent noch zu hoch für eine substituierende Rolle in der Mittelstandsfinanzierung. Die Risikomodelle dieser Anbieter scheinen also mit den Standardisierungsbedürfnissen der Kapitalmarktinvestoren mit den individuellen KMU-Geschäftsmodellen noch nicht harmonisieren zu können. Dies gilt insbesondere für Klein- und Kleinstunternehmen, die sich Ratingstochastisch eher im Bereich der Bonität "BB" und geringer bewegen und weniger attraktive Losgrößen langfristig und revolvierend nachfragen. Auch der Verzinsungsanspruch von Anlageinvestoren kann selbst bei mittelstarken Bonitäten eine wesentliche Belastung für den Unternehmensertrag - und damit wiederum das Rating - darstellen. So wird sich aus Sicht der Autoren erst noch erweisen müssen, inwieweit dieses Marktangebot sich im Lackmustest eines für diese Anbieter erstmaligen, konjunkturellen Abschwunges als verlässliches Hausbankensurrogat wird etablieren können. Da bei diesen Anbietern die präventive Überprüfung vonseiten der Aufsicht weitgehend entfällt, wird sich die Risikotragfähigkeit der Scoring-Algorithmen und Ausfallreaktion der Direktinvestoren nur in Echtzeit erweisen.

Markteintritt von Kreditfonds in die Unternehmensfinanzierung

Zur veränderten Wettbewerbssituation gehört auch der Markteintritt von Kreditfonds in die Unternehmensfinanzierung. Diese verzichten wie Fintechs in der Regel auf Sicherheitenstellung. Dafür finden weitreichende Verwertungsrechte an den zu finanzierenden Unternehmen Anwendung. Die kreditnehmende Wirtschaft erhält eine Finanzierung ohne die Kosten einer Emission an öffentlichen Handelsplätzen. Die entsprechenden Kreditverträge sind jedoch rechtlich komplex und erfordern eine umfassende Sorgfältigkeitsprüfung (Due Diligence), sodass sich ein Finanzierungsangebot bei kleinen Losgrößen betriebswirtschaftlich kaum rechnet. Strukturell fokussieren Kreditfonds ihr Angebot auf mittlere bis gehobene Bonitätsklassen, da sie in der Regel nur begrenzte Kapazitäten für die Risikobeurteilung vorhalten. Die allermeisten KMU dürften damit als potenzielle Kreditnehmer auf absehbare Zeit ausscheiden.

Diese alternativen Geschäftsmodelle brechen jedoch gewachsene, finanzielle Wertschöpfungsketten auf. Grundsätzlich birgt diese Entwicklung auch Chancen für die kreditnehmende Wirtschaft, weil sie neue Kombinationen, ergänzende und gegebenenfalls kosteneffizientere Angebote in der Finanzierung ermöglichen könnten. So ist ein Innovationsdruck auf bewährte Geschäftsmodelle der Banken in Ansätzen bereits sichtbar. Eine mit dieser Entwicklung womöglich einhergehende sukzessive Auflösung des traditionellen Universalbankprinzips könnte aber eine Spezialisierung nach sich ziehen, bei der sich die Anzahl von Finanzdienstleistern innerhalb einer finanziellen Wertschöpfungskette vergrößert. Das dürfte aber die Erzielung auskömmlicher Deckungsbeiträge erschweren. Zudem birgt solch eine Fragmentierung das Risiko steigender Kosten aufgrund komplizierter Zurechnungen von Wertschöpfungsanteilen auf alle beteiligten Intermediäre.

So dürften in der Praxis gleichzeitig auch Cross-Selling-Möglichkeiten bezüglich zusätzlicher Finanzdienstleistungen in den Kundenbeziehungen verloren gehen. Das Produkte-Wallet für die Rentabilität einer Kundenbeziehung wird unbedeutender. Damit wird allerdings der Druck auf die Margen für die eigentliche Bankfinanzierung zunehmen, da die für die Mittelstandsfinanzierung wichtige Möglichkeit einer Quersubventionierung verschiedener Stufen einer finanziellen Wertschöpfungskette tendenziell verloren gehen.

Offen bleibt in diesem Themenzusammenhang, wie der Mittelstand ein sich verbreiterndes Angebot von Anbietern überhaupt kosten- und / oder kapazitätsoptimiert nutzen kann. Während multinationale Konzern und Großunternehmen mittlerweile über eigene Einkaufsbereiche für Finanzdienstleistungen verfügen (Corporate-Finance- oder Treasury-Bereiche), stellt diese Tätigkeit beim Mittelstand weiterhin eine Nebentätigkeit zum eigentlichen operativen Geschäft dar.

Der beschriebene Strukturwandel verändert das Finanzsystem. Kennzeichnend sind steigende Anpassungskosten sowie eine aktuell kaum überschaubare Anzahl unterschiedlicher Angebotsmodelle mit unbekannter Halbwertzeit. Zusätzlich initiiert die Regulierung schlecht kompensierbare Verwaltungskosten und belegt die Mittelstandsfinanzierung mit grundlegend neuen Vergabebedingungen.

Regulierung treibt Strukturwandel - Kostendruck steigt

Kennzeichen der letzten Jahre sind dabei in erster Linie eine kontinuierliche Erhöhung der Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen an Kreditinstitute. Diese Anforderungen an die Risikotragfähigkeit und Vergabestruktur limitieren die Ausreichung langfristiger Finanzierungen beziehungsweise die Abbildung resultierender Risiken auf der Bilanz. Gleichzeitig erschwert die Regulierung den Transfer und das nachgelagerte Management solcher Risiken, wie innerhalb von Verbundstrukturen oder auch via Verbriefung in die Finanzmärkte. Zudem stellen die Verschärfungen bei den aufsichtsrechtlichen Prüfungen einen Overhead-Kostentreiber dar (siehe oben).

Regulatorische Eingriffe erhöhen die Finanzmarktstabilität, verändern aber unmittelbar das potenzielle Finanzierungsangebot an Unternehmen. So binden zum Beispiel aufsichtsrechtliche Kapitalzuschläge sukzessive immer mehr Eigenmittel der Banken, auch wenn diese isoliert betrachtet berechtigt erscheinen. Die Ausweitung der Melde-, Informations- und Dokumentationspflichten bei der Kreditvergabe führt nachweislich zur Erhöhung des Verwaltungsaufwandes zulasten der Ertragslage (siehe SAFE-Studie). Besonders hohe regulatorisch bedingte Fixkosten fallen dabei im Auslandsgeschäft an. In Reaktion darauf scheinen insbesondere die für das Auslandsgeschäft wichtigen Privat- und Großbanken das ehedem breit gefächerte Universalbankenangebot vor Ort zu reduzieren. Hinzu kommen eine Zurückhaltung bei der Finanzierung kleinerer Losgrößen und individueller Strukturen sowie entsprechend höhere Preisforderungen.

Derzeit noch nicht abschätzbar sind die wechselseitigen, kumulierenden Effekte des skizzierten technologischen und regulatorischen Strukturwandels auf das Angebot und den Preis von Unternehmensfinanzierungen sowie auf die Gewährleistung eines konstanten Angebotes an sonstigen Finanzdienstleistungen für den Mittelstand. Womöglich könnten Banken aus Kostengründen oder möglichen Klumpenrisiken zum Schluss kommen, gewisse Produktangebote (zum Beispiel Absicherungsgeschäfte) in bestimmten Kundengrößensegmenten nicht mehr wie bislang gewohnt anbieten zu wollen. Damit könnte sich mittelbar die Rating beeinflussende Risikobewertung von Geschäftsmodellen auch international operierender Mittelständler verschlechtern. Dieser Selbstverstärkungseffekt hätte wiederum negative Auswirkungen auf die Höhe der risikogebotenen Eigenmittelunterlegungen der Kreditinstitute und damit auf Spielräume in der bankbasierten Mittelstandsfinanzierung. Sichtbar sind zudem eine stärkere Standardisierung von Prozessen und Finanzierungsprodukten sowie eine steigende Zahl von Zusammenschlüssen regionaler Kreditinstitute. Ein Verlust an Vielfalt in der Unternehmensfinanzierung durch Standardisierung ist somit ein Nebeneffekt eines regulatorisch bedingten Strukturwandels. Individuelle Finanzierungslösungen sind jedoch Voraussetzung für eine effektive Verarbeitung verschiedenster Unternehmensrisiken. Die Konsolidierungstendenz hin zu größeren Banken könnte zudem das Systemrelevanz-Thema (too big to fail) verändert aufleben lassen und damit wieder zusätzliche Risiken für die Finanzmarktstabilität schaffen.

Finanzierungslösungen für den Mittelstand erhalten

Gemäß Feststellung der SAFE-Studie hat die Finanzmarktregulierung der letzten Jahre die Märkte stabiler gemacht, ohne die Finanzierungskonditionen des Mittelstands substanziell einzuschränken - dem ist rückblickend sicherlich zuzustimmen. Aufgrund des angestoßenen Strukturwandels im Finanzsystem ist es jedoch sehr wahrscheinlich, dass Kreditnehmer - insbesondere große Teile des Mittelstands - zukünftig vor neuen Herausforderungen in der Finanzierung stehen. Dabei hat sich bislang noch kein kompensierendes Angebot zur bankbasierten Mittelstandsfinanzierung am Markt etabliert. Die Alternativen sollten aus Sicht der Autoren daher differenzierter beleuchtet werden. So ist aktuell noch nicht ersichtlich, wie sich angesichts der Spezifika von KMU beziehungsweise der Anforderungen von Investoren die Kapitalmarktunion kurzfristig als Ersatz für ein regulativ limitiertes Bankkreditangebot qualifizieren sollte. Auch behindern die Schwierigkeiten von KMU und Ratingagenturen zur gemeinsamen Fortentwicklung schon heute deren adäquate Ratingbeurteilung, einem Kernelement der Kapitalmarktfinanzierung.

Belastung der bankbasierten Mittelstandsfinanzierung

Wie oben abgeleitet können Fintechs und Kreditfonds eine "Basel IV"-bedingte Lücke in der bankbasierten Mittelstandsfinanzierung und der Kapitalmarktunion nicht schließen. Dasselbe gilt zudem für Einrichtungen der Wirtschaftsförderung wie der KfW und Bürgschaftsbanken - zumal deren Geschäftsmodelle im Wesentlichen auf dem Durchleitprinzip und damit auf der klassischen Bankfinanzierung beruhen.

Das vordringlichste Ziel aus Sicht der deutschen Wirtschaft besteht deshalb darin, dem Mittelstand trotz Strukturwandel ein breites Bankangebot an Finanzierungslösungen zu erhalten. Dies schließt die Sicherstellung einer individuellen Kreditwürdigkeitsprüfung, Bankprodukte gleicher Art und Güte im mittel-/langfristigen Laufzeitband und im Ausland sowie einen besseren Zugang zu kapitalmarktbasierter Unternehmensfinanzierung mit ein. Nur so lässt sich ein effektiver und kosteneffizienter Risikotransfer ohne disruptive gesamtwirtschaftliche Einflüsse weiterhin gewährleisten. Aus Sicht der Autoren sollte daher kurzfristig insbesondere die bankbasierte Mittelstandsfinanzierung nicht weiter übermäßig regulatorisch belastet werden.

Es ist für die Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit unabdingbar, auch künftig den individuellen Finanzierungbedürfnissen im Mittelstand bestmöglich gerecht zu werden, sodass unternehmerische Chancen weiterhin wahrgenommen werden können. Gleichwohl entbinden diese Überlegungen die kreditgebende Wirtschaft nicht von einer geschäftsstrategisch zukunftsorientierten Erneuerung ihrer Geschäftsmodelle. Dies erfordert wahrscheinlich eine Weiterentwicklung des Universalbankprinzips, das nicht allein auf Realisierung kostensenkender Größen- und Verbundvorteile, sondern mit Blick auf die neuartigen Finanzintermediäre auf effiziente Kooperationen zwecks Sicherung angemessener Produktpaletten in der Mittelstandsfinanzierung setzt. 6)

Fußnoten

1) Siehe Haselmann/Krahnen/Wahrenburg (2019): Evaluierung gesamt und finanzwirtschaftlicher Effekte der Reformen europäischer Finanzmarktregulierung im deutschen Finanzsektor seit der Finanzkrise, SAFE Policy Report No. 1, März 2019.

2) Siehe beispielsweise auch Schäfer/Zurek (2019): Zum Einfluss der räumlichen Distanz auf die Kreditkonditionen, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 08/2019, S. 26-31.

3) Erste Ansätze für ein womöglich valides mittelständisches Rating, wie zum Beispiel TRIBRating, sind allerdings bereits am Markt.

4) In diesem Abschnitt abstrahieren die Autoren von den eingangs erwähnten arbeitsteiligen Strukturen der sogenannten drei Säulen der Kreditinstitute. Insoweit stellt nachfolgende Diskussion nur auf Sparkassen, Genossenschaftsinstitute und Privatbanken ohne ihre dazugehörigen zentralen Einrichtungen (Landesbanken, Zentralinstitute o. Ä.) ab. Anderenfalls wäre bei den nachfolgenden Kennzahlen eine Separierung von Ertragspositionen und Aufwendungen in holdingartigen Strukturen zu erbringen, was zu zusätzlichen statistischen Problemen führt. Die nachfolgenden Zahlen zum Eigenkapital (einschließlich offener Rücklagen, Genussrechtskapital und der Risikovorsorge im Fonds für allgemeine Bankrisiken) und zur Bilanzsumme stehen folglich nur pars pro toto für die Kreditinstitute der deutschen Wirtschaft.

5) Siehe Deutsche Bundesbank (2018): Ertragslage und Finanzierungsverhältnisse deutscher Unternehmen im Jahr 2017, Deutsche Bank Monatsbericht Dezember 2018, S. 33-46.

6) Die hier geäußerten Ansichten spiegeln die Position der Autoren und nicht notwendigerweise die von BaFin, BDI, DIHK und VDB wider. Die Autoren danken Hartmut Bechtold, Hans-Peter Burghof, Horst Gischer, Carl-Christoph Hedrich, Rainer Kambeck, Bernd Loewen, Volker Meissmer und Rolf Urban für Kommentare und Anregungen.

Dr. Christian Fahrholz Leiter des Referats Unternehmensfinanzierung und Finanzmärkte, DIHK; Mitglied des Vorstands des Verbands Deutscher Bürgschaftsbanken e.V. (VDB), Berlin
 
Ralf Brunkow Stellvertretender Vorsitzender des DIHK-Geld- und Kreditausschusses, Berlin; Vorstand des Ausschusses für Unternehmensfinanzierung und Finanzmärkte beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI); Mitglied des Fachbeirats der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)
Ralf Brunkow , Stellvertretender Vorsitzender des DIHK-Geld- und Kreditausschusses, Berlin; Vorstand des Ausschusses für Unternehmensfinanzierung und Finanzmärkte beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI); Mitglied des Fachbeirats der Bundesanstalt für Finanzdien
Dr. Christian Fahrholz , Direktor , True Sale International GmbH, Frankfurt am Main

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