Zwei Jahre Smavesto - neue Wege für eine Sparkasse

Thomas Fürst, Foto: Sparkasse Bremen

In Anbetracht des anhaltenden Niedrigzinsumfelds, der zunehmenden Digitalisierung und der sich kontinuierlich verändernden Kundenbedürfnisse müssen Finanzinstitute neue Wege finden, um ihren Kunden die richtigen Lösungen zur Verfügung stellen zu können. Denn diese erwarten heutzutage, dass ihre Bank oder ihr Finanzdienstleister in der Lage ist Produkte anzubieten, mit welchen die eigenen Finanzen einfach und selbstständig verwaltet werden können. Die Sparkasse Bremen hat daher einen eigenen Robo Advisor namens Smavesto entwickelt, der die Kunden bei ihren Anlageentscheidungen unterstützen soll. Die beiden Autoren, die die Entwicklung des Produkts im vorliegenden Beitrag beschreiben, sehen darüber hinaus in der rein digitalen Vermögensverwaltung ein enormes Potenzial, um vor allem junge, digitalaffine - aber schwer erreichbare - Kunden mit diesem neuen Vertriebsweg ansprechen zu können. (Red.)

Welche digitalen Innovationen sind sinnvoll? Wie lässt sich Wachstum im Privatkundengeschäft initiieren? Seit vielen Jahren arbeitet die Sparkasse Bremen an der Beantwortung dieser wichtigen Fragen. Als eine mögliche Maßnahme führte im Jahr 2016 eine Projektgruppe der Sparkasse Bremen eine Vorstudie zum Thema "Einführung einer digitalen Vermögensverwaltung" durch.

Ein kleines Team mit fünf Mitarbeitern analysierte und beschrieb die Funktionsweise sowie Vor- und Nachteile dieser Art, Vermögen zu verwalten. Die Vorstudie betrachtete auch den Markt für Robo-Advisory im Allgemeinen und die bestehenden Wettbewerber im Besonderen. Gleichzeitig untersuchte sie die Struktur des eigenen Bestandsgeschäftes, um Kannibalisierungseffekte zu vermeiden.

Eine der Kernfragen, die sich bei diesem Projekt stellte, war: Wie lässt sich der Nutzen für den Kunden im Wertpapiergeschäft deutlich erhöhen? Das Projektteam des Instituts kam zu dem Schluss, dass dafür eine eigene Digitalisierungsstrategie zwingend vonnöten wäre - mit dem Ziel, eine alternative Vermögensverwaltung zu implementieren. Diese sollte dazu beitragen, bereits frühzeitig der digitalen Entwicklung im Markt zu begegnen und Kunden, die als abwanderungsgefährdet eingestuft wurden, eine Alternative bei ihrer Sparkasse anbieten zu können. Der Sparkasse Bremen war allerdings bewusst, dass sich ein neues digitales Angebot eventuell negativ auf die "klassische" Vermögensverwaltung des Instituts auswirken könnte. Gleichzeitig kennt eine digitale Vermögensverwaltung jedoch auch keine regionalen Grenzen - es bestand also die Chance, überregional Neukunden zu gewinnen und damit mögliche negative Effekte zu kompensieren.

Entwicklung eines eigenen digitalen Vermögensverwalters

Um diese Idee umsetzen zu können, wurde zunächst geprüft, ob bestehende und geplante Lösungen im Sparkassen-Verbund einsetzbar wären. Derartige Planungen entsprachen allerdings nicht den Vorstellungen der Sparkasse Bremen, daher wurde eine eigene digitale Lösung für Privatkunden eingeführt. Auf diese Art und Weise konnte sowohl den wachsenden Forderungen der Kunden als auch dem zunehmenden Druck nach mehr Effizienz in diesem Geschäftsfeld sinnvoll begegnet werden. Das neue Produkt sollte zusätzlich dazu dienen, bisher schwer erreichbare, junge, digitalaffine Nichtwertpapierkunden über einen neuartigen und modernen Vertriebsweg zu gewinnen. Die Sparkasse Bremen nutzte mit der Einführung dieses Produktes die Chance, zu einem günstigen Zeitpunkt in einen Wachstumsmarkt einzusteigen.

Zu Beginn des Projektes wurde vermutet, dass das Marktvolumen für Robo-Adivsory stellenweise noch etwas zu optimistisch eingeschätzt wurde. Aus heutiger Sicht geht die Sparkasse Bremen aber davon aus, dass das von Statista geschätzte Marktvolumen für 2020 von rund 8,1 Milliarden Euro sich bis zum Jahr 2024 auf knapp 30 Milliarden Euro mehr als verdreifachen wird. Auch die Nutzeranzahl wird sich von 2,1 Millionen im vergangenen Jahr auf 3,8 Millionen Nutzer mehr als verdoppeln. Dies impliziert, dass sich auch die kundenseitig angelegten Gelder im Durchschnitt von rund 4 000 Euro auf über 8 000 Euro mehr als verdoppeln sollten.

Eine Vermögensverwaltung erfordert einen soliden Unterbau: Die Sparkasse Bremen gründete eine eigenständige Tochtergesellschaft, die Smavesto GmbH. Das Produkt durchlief viele rechtliche Prü fungen und es musste eine eigene Vermögensverwaltungslizenz gemäß des Kreditwesengesetzes (KWG) beantragt werden. Insbesondere erfordert aber jedes digitale Angebot effiziente und für den Kunden intuitive Prozesse. Diese Prozesse müssen dabei auch den hohen internen Ansprüchen an Qualität und den gesetzlichen Vorgaben genügen können.

Ziel war es immer, Interessenten zu ermöglichen, fallabschließend eine professionelle Vermögensverwaltung über das Internet zu ermöglichen - quasi von zu Hause aus, auf dem Sofa sitzend. Hierzu sind innerhalb der Onboarding- beziehungsweise Registrierungsphase lediglich die Anlageprämissen sowie die relevanten Daten in Bezug auf das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) zu erfassen:

  • Risikoprofil erstellen,
  • Anlagekriterien auswählen:
  • Anlage ausschließlich in nachhaltige Finanzinstrumente (ja/nein),
  • Investition in Emerging Markets (ja/nein),
  • Fremdwährung ausschließen (ja/nein).
  • Anlageziele und Anlagehorizont erfassen,
  • Erfahrungen und Kenntnisse im Wertpapiergeschäft aufnehmen,
  • Persönlichen Daten, finanzielle Verhältnisse, Bankdaten et cetera aufnehmen.

Durch die jeweiligen Eingaben eines Kunden konstruiert das System von Smavesto mithilfe eines Algorithmus ein individuelles Portfolio. So ergeben sich aus dem Zusammenspiel der unterschiedlichen Einstellungen zur Risikobereitschaft, den Anlageprämissen zu Nachhaltigkeit, Fremdwährungen oder Emerging Markets über 200 verschiedene Konstellationen, ein Portfolio anzulegen. Darüber hinaus erfolgt nicht nur der Registrierungsprozess online.

Auch den Investmentprozess im Hintergrund unterstützt eine Künstliche Intelligenz (KI). Dies ist in einem Wettbewerb, in dem im Hintergrund einer Onlineanmeldung oft lediglich eine klassische Vermögensverwaltung arbeitet, ein Mehrwert für interessierte Kunden. Smavesto setzt kundenindividuelle Präferenzen für die Anlage je Einzeldepot digital um.

Individuelles Portfolio mittels KI

Für den Aufbau des Produktes bedient sich Smavesto verschiedener externer Dienstleister. So führt die Kundenkonten sowie die Wertpapierdepots zum Beispiel die Baader Bank. Für die erforderliche Legitimation oder das Portfolio-Management-System wird das Know-how anderer Experten genutzt. Das Anlageuniversum, also der "Topf" von Wertpapieren, die bei der Berechnung der Portfolios betrachtet werden, besteht aus einer Vielzahl von Exchange-Traded Funds (ETFs) und Exchange-Traded Commodities (ETCs). Der Einsatz von ETFs und ETCs erlaubt es, schnell und kostengünstig - und gleichzeitig breit gestreut - in unterschiedliche Märkte, Regionen und/oder Anlageklassen investieren zu können.

Das Anlageuniversum wurde nach einem Schema definierter Kriterien (unter anderem auch Kosten) aus dem gesamten Markt vorhandener Produkte selektiert, was regelmäßig überprüft wird. In den Kundendepots befinden sich dann bis zu zehn ETFs und ETCs. Smavesto stellt diese nach den individuellen Vorgaben der Kunden zusammen.

Im Rahmen des Portfoliomanagements wird Smavesto durch einen von GET Capital entwickelten, KI-basierten Algorithmus unterstützt. Im Rahmen einer Big-Data-Analyse überwacht das System täglich tausende Wertpapiere und verschiedenste Indices und berechnet Risiko-/Ertragsprognosen. GET Capital hat auf Basis von Methoden des Machine Learning Schätzer entwickelt, mit denen die Marktperformance eines Index über verschiedene Zeithorizonte hinweg prognostiziert wird. In volatilen Marktphasen verwendet das System die ermittelten Kennzahlen für kurzfristigere Zeithorizonte, in stabilen Märkten für längerfristige Zeithorizonte und deren Ertragserwartungen. Dies ist grundsätzlich ein Vorteil gegenüber beispielsweise der reinen Betrachtung gleitender Durchschnitte. Auf dieser Basis wird regelmäßig analysiert und entschieden, welche Märkte derzeit attraktiv sind und in welche für Kunden investiert werden sollte.

Nachdem der Algorithmus die attraktivsten Märkte definiert hat, erfolgt in einem weiteren Schritt die Portfoliokonstruktion. Hierzu spielt Smavesto die individuellen Prämissen der Anleger zu. Das System berücksichtigt dabei die Vorgaben, die der Kunde wählte, als er sich registrierte - etwa zu nachhaltigen Anlageinstrumente oder der Vorgaben zur Investition in Fremdwährungen und in Emerging Markets. Im Rahmen einer klassischen Optimierung stellt Smavesto dann automatisch das beste Portfolio für den Kunden zusammen. Einzahlungen von zusätzlichen Sparraten oder Einmalzahlungen werden im Rahmen dieser (mindestens monatlich stattfindenden) Reallokation der Kundenvermögen ebenfalls berücksichtigt. Und bevor die ermittelte Order an der Wertpapierbörse weitergeleitet wird, plausibilisiert ein erfahrener Portfoliomanager die Geschäfte und gibt diese zur Ausführung frei.

Fortlaufende Weiterentwicklung

Als das Produkt konzipiert wurde, war das Thema Nachhaltigkeit sehr wichtig. Anleger können bereits seit Markteinführung die Möglichkeit festlegen, dass die Vermögensverwaltung ausschließlich nachhaltige Anlageinstrumente einsetzt. Um den Umgang mit Nachhaltigkeit in Unternehmen zu beurteilen, wendet Smavesto die Methodik von MSCI ESG-Research an. Hier werden ETFs unterschiedlichster Länder und Branchen mithilfe der einheitlichen Skala des ESG-Ratings in verschiedenen Kategorien zur Nachhaltigkeit bewertet und so vergleichbar gemacht. Für das Nachhaltigkeitsportfolio sind aktuell ausschließlich ETFs ausgewählt, die eine erstklassige Bewertung innerhalb der drei Säulen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung besitzen.

Seit zweieinhalb Jahren ist Smavesto jetzt verfügbar. Er blickt auf gute Ergebnisse im Hinblick auf Performance zurück und hat gute Ergebnisse in unabhängigen Verbrauchertests erhalten. Diese Ergebnisse konnten erzielt werden, weil der beschriebene Investmentansatz konsequent umgesetzt wurde. Auch in der Corona-Krise hat die KI gute Anlagesignale geliefert. Bereits zum Monatswechsel Februar/März 2020 stieg Smavesto für alle Kunden aus aktienbehafteten Investments komplett aus. Der Wiedereintritt in die Aktienmärkte wurde sukzessive beginnend im April angezeigt und umgesetzt. Somit verhinderte Smavesto zuerst größere Kursverluste für die Kunden und half ihnen, im weiteren Verlauf an den wieder stärkeren Entwicklungen auf dem Kapitalmarkt zu partizipieren.

In der digitalen Welt ist Stillstand mehr denn je Rückschritt. Deshalb müssen Angebote für Produkte und Service laufend weiterentwickelt werden. Das betrifft zum Beispiel den Algorithmus, aber auch die fortlaufende Entwicklung zusätzlicher Möglichkeiten für die Kunden. Aktuell arbeitet Smavesto beispielsweise daran, dass vielfach nachgefragte Depot für Minderjährige einzuführen. Darüber hinaus beschäftigt sich das Team damit, es für die Kunden noch einfacher und komfortabler zu gestalten, sich zu legitimieren. Auch der Bereich Nachhaltigkeit und ESG soll noch weiter verbessert werden.

Junge und digitalaffine Kunden im Fokus

Gestartet als Projekt mit einer frühen "Family and Friends Phase", um rechtzeitig Fehler erkennen und beheben zu können, ist Smavesto nun bereits seit dem Jahr 2019 im erfolgreichen Live-Einsatz. Nachdem in den letzten Jahren viel für die regionale Vermarktung getan wurde, steht als nächster Schritt an, das Produkt bundesweit im Markt anzubieten. Um auch überregional Kunden anzusprechen, erhält Smavesto hierzu ein neues Design.

Darüber hinaus soll das Produkt zukünftig auch verstärkt anderen Instituten angeboten werden. Mit der Sparkasse Duisburg konnte bereits der erste externe Partner aus der Sparkassenorganisation für Smavesto gewonnen werden. Die Erfahrungen aus dieser Kooperation zeigen, dass in diesem Bereich sowohl mit Unternehmen aus dem Sparkassen-Verbund als auch mit anderen Banken und Finanzdienstleistern zusammengearbeitet werden kann.

Sei es um bestehende Kundenbeziehungen zu sichern oder neue digitalaffine Kunden zu gewinnen. Auch das weiter anhaltende Niedrigzinsumfeld erfordert es, Kunden andere, oft sinnvollere Produkte anzubieten und bisherige Sparer - in Zeiten mager verzinster Sparprodukte - möglicherweise zu zufriedenen Anlegern am Kapitalmarkt zu machen.

Thomas Fürst , Vorstandsmitglied, Sparkasse Bremen AG, Bremen
Volker Bulling , Director Controlling , Smavesto GmbH

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X