Börsen

Äquivalenz-Streit zwischen EU und Schweiz

Ein EU-Diplomat hat der Nachrichtenagentur Reuters mitgeteilt, dass die EU die Äquivalenz im Börsenhandel nicht verlängern werde. Damit könnte die Schweizer Börse ab 1. Juli 2019 die Anerkennung der Gleichwertigkeit mit EU-Standards verlieren. In der Folge dürften Investoren und Aktienhändler aus der EU keine Aktien mehr in der Schweiz erwerben. Das wäre für die Schweizer Börse ein schwerer Schlag, da mehr als die Hälfte des Börsenumsatzes aus der EU stammt. Davon ist allerdings wiederum mehr als die Hälfte aus London, das bald - oder zumindest irgendwann - nicht mehr zur EU zählt. In diesem Zusammenhang verwundert es nicht, dass die Schweiz darauf ebenfalls eindeutig reagiert. Ende Juni 2019 hat das Eidgenössische Finanzdepartment seine Bereitschaft bekräftigt, im Falle einer Nichtverlängerung der Äquivalenz-Regelung die Maßnahmen zum Schutz der Schweizer Börseninfrastruktur zu aktivieren. Diese sollen den Handel mit Schweizer Aktien in der EU untersagen. Das Ziel ist klar: Es soll Druck aufgebaut werden vonseiten der Vermögensverwalter auf die Politik, da diese dann vorerst keine Aktien der Eidgenossen mehr handeln könnten. Auch der Handel mit Derivaten auf Schweizer Aktien in der EU könnte Probleme bekommen.

Jedoch sollte die Hängepartie um die Äquivalenz im Zusammenhang mit einer übergeordneten, noch größeren Hängepartie gesehen werden. Bereits seit mehreren Jahren verhandeln die Schweiz und die EU über ein Rahmenabkommen, um die Beziehungen insgesamt neu zu regeln. Es gibt dabei schon einen fertigen Vertragsentwurf, den die EU der Schweiz schon 2018 vorgelegt hat. Doch die Eidgenossen würden gerne einige Punkte nachverhandeln, ohne es so zu nennen, da die EU das kategorisch ausgeschlossen hatte. Dabei geht es um drei Streitpunkte: Die Unionsbürgerrichtlinie, die EU-Bürgern den Zugang zur Schweizer Sozialversicherung erleichtern soll, Bestimmungen zu staatlicher Beihilfe und den Lohnschutz. Doch die EU will sich - auch um kein falsches Signal nach London zu senden - nicht erweichen lassen. Auch aus der Schweiz wird wenig Kompromissbereitschaft signalisiert. Sobald dieser gordische Knoten durchschlagen ist, hätte sich auch das Problem mit der Äquivalenz-Regelung erledigt und es könnte wieder frei zwischen Schweizern und EU-Märkten Aktien gehandelt werden.

Doch das Beispiel Brexit hat gezeigt, dass sich bilaterale Verhandlungen endlos in die Länge ziehen können. Die Kompromissbereitschaft hat auf politischer Ebene abgenommen. Für die Schweizer Börsen wäre das keine gute Nachricht, aber auch keine existenzbedrohende. Wie bereits erwähnt stammt ein maßgeblicher Teil des Handels aus der EU, davon aber wiederum der größte Teil aus London. Auch das ein Grund für die EU, nicht zu hart zu bleiben. Ansonsten wäre es nicht unwahrscheinlich, dass es zu bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und Großbritannien kommt und am Ende die EU in die Röhre schaut. Vielleicht ist es doch wieder so, dass nach langem und lautem Gezeter in letzter Sekunde noch eine Einigung erzielt wird. Oder es gibt in letzter Sekunde nochmal einen Aufschub, wie es ihn ja auch für London beim Brexit das ein oder andere Mal gab. Die Trump'sche Politkultur hat sich schleichend auch in Europa verbreitet. Es wäre schön, in der heutigen Zeit ein Signal der politischen Kultur zu bekommen und doch noch eine geräuschlose und konstruktive Einigung zu finden, wenn auch mal wieder erst in allerletzter Sekunde.

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