Bundesgerichtshof

Arbeitnehmerbürgschaften für Kreditschulden

Bundesgerichtshof

Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 11. September 2018 (AZ XI ZR 380/16, abgedruckt unter anderem in ZIP 2018, Seite 2162) an seiner früheren Rechtsprechung festgehalten, dass Arbeitnehmer, die sich zum Erhalt der wirtschaftlichen Existenz ihres Arbeitgebers für dessen Verbindlichkeiten gegenüber einer kreditgebenden Bank verbürgen, sich von dieser Bürgschaft nicht grundsätzlich unter Berufung darauf befreien können, sie sei nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und nichtig. Im entschiedenen Fall geriet die Arbeitgeberin (GmbH), die bereits Bankdarlehen in Höhe von 2 Millionen Euro erhalten hatte, später in Insolvenzgefahr. Zur Abwendung dieser Gefahr war die Bank zu einem weiteren Kredit von 150 000 Euro bereit bei Stellung von Bürgschaften "bonitärer Personen". Auf Bitten des Geschäftsführers der GmbH übernahmen mehrere Arbeitnehmer, darunter ein leitender Angestellter, in Kenntnis der prekären Lage selbstschuldnerische Bürgschaften für diesen Kredit. Einige Zeit später kam es dennoch zum Insolvenzverfahren über die GmbH. Die Bank erhob Klage gegen die bürgenden Arbeitnehmer, die ihre Bürgschaften für sittenwidrig hielten und Zahlungen verweigerten.

Die Klage der Bank wurde vom LG und OLG mit der Begründung abgewiesen, die Bürgschaft eines Arbeitnehmers sei an dem "Leitbild eines Arbeitsvertrags" zu messen. Dieses verbiete es, Arbeitnehmer ohne Gegenleistung mit dem wirtschaftlichen Risiko des Arbeitgebers zu belasten. Daher sei eine Arbeitnehmerbürgschaft grundsätzlich sittenwidrig und nichtig. Der BGH sah das unter Verweisung auf seine frühere Rechtsprechung differenzierter. Er hob das Berufungsurteil des OLG auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung dahin zurück. Die von einem Arbeitnehmer mit mäßigem Einkommen aus Sorge um den Erhalt seines Arbeitsplatzes übernommene Bürgschaft könne zwar sittenwidrig sein, wenn sie den Arbeitnehmer finanziell krass überfordere und der Arbeitgeber sich in einer wirtschaftlichen Notlage befinde. Es gebe aber keine "Regel", dass Bürgschaften zur Übernahme des wirtschaftlichen Risikos des Arbeitgebers unabhängig von einer "krassen finanziellen Überforderung" des Arbeitnehmers schlechthin als Verstoß gegen das "Leitbild des Arbeitsvertrags" unwirksam seien.

Der BGH bestätigt damit seine Auffassung, dass - ähnlich den Bürgschaften der dem Schuldner persönlich nahestehenden Personen - auch für die Sittenwidrigkeit von Arbeitnehmerbürgschaften eine krasse finanzielle Überforderung des Bürgen Voraussetzung sei. Es genüge dafür nicht etwa, dass der bürgende Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber dafür keine Gegenleistung erhalte. Daher begründe auch das Wissen des Gläubigers (Bank) von der Unentgeltlichkeit die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft nicht. Für einen solventen Arbeitnehmer, zum Beispiel einen gut verdienenden leitenden Angestellten, sei die Bürgschaft im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit ein hinnehmbares Risiko, das von seiner Privatautonomie gedeckt werde und nicht in Wertungswiderspruch zur Rechts- und Sittenordnung stehe.

Eine Arbeitnehmerbürgschaft, die die Leistungsfähigkeit des Bürgen nicht überfordere, sei nur aufgrund besonders erschwerender und dem Bürgschaftsgläubiger zurechenbarer sonstiger Umstände, die hier von den Vorinstanzen nicht festgestellt worden seien, sittenwidrig und nichtig nach § 138 Abs. 1 BGB. Da ran wäre etwa zu denken, wenn die Bank auf die Entschließung der Arbeitnehmer durch Verharmlosung ihrer Haftung oder durch verschleiernde oder beschönigende Angaben darüber eingewirkt hätte. Hier aber sei den bürgenden Arbeitnehmer unstreitig die drohende Insolvenz der GmbH bekannt gewesen. Allerdings - der BGH verwies den Fall daher an das OLG zurück - wenn eine Bürgschaft nur der Sicherung eines Darlehens dienen soll, mit der die Bank die Realisierung "ansonsten nicht oder weniger werthaltiger Sicherheiten erreichen will", die Bürgen aber für die Bank erkennbar davon ausgehen, dass ihre Bürgschaft den Versuch einer Sanierung des Arbeitgebers sichern solle, könnte eine Hinweispflicht der Bank bestehen, deren Verletzung der Bürgenhaftung entgegenstehen könnte. Der BGH-Entscheidung ist zuzustimmen; sie erscheint angemessen und interessengerecht. Die Kreditberater der Banken sollten bei der Hereinnahme von Arbeitnehmerbürgschaften den vom BGH in der Entscheidung aufgezeigten rechtlichen Rahmen beachten.

RA Dr. Claus Steiner, Wiesbaden

Dr. Claus Steiner , Rechtsanwalt, Wiesbaden
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