Banken

"Aufklärungsbedarf" über Negativzinsen

Am 3. Dezember 2020 hat das Landgericht Köln über den Rechtsstreit einer Bank als Klägerin gegen den Inhaber eines bei ihr mit 13 Millionen Euro auf Guthabenbasis geführten Girokontos entschieden, dass die Kontenkündigung der Bank aufgrund der Weigerung des Kunden, Negativzinsen für das Guthaben zu akzeptieren, wirksam geworden ist. In der ZIP-Zeitschrift für Wirtschaftsrecht, die dieses Urteil in ihrer Ausgabe 8/2021, Seite 400 abgedruckt hat, wurde dazu der folgende redaktionelle Leitsatz formuliert: "Die Kündigung eines gebührenfrei geführten Girokontos wegen der Belastung der Bank mit Negativzinsen ist wirksam, wenn auf dem Konto Einlagen in achtstelliger Höhe vorgehalten werden und der Kunde zur Vereinbarung eines Verwahrentgelts als milderes Mittel nicht bereit ist".

Die Umstände, unter denen diese Kontoverbindung 2018 zustande kam, sowie die Größenordnung des Guthabens und die Schwierigkeiten der Bank, ihre Kündigung dem Kunden an seine (mehreren) Adressen zuzustellen, auch sein gesamtes Verhalten waren recht ungewöhnlich. Das soll hier aber nicht thematisiert werden. Das Urteil ist aus einem anderen Grund bemerkenswert: Es zeigt nämlich, dass weite Teile der Öffentlichkeit das Begriffsfeld "Negativzinsen" dimensional unzutreffend verstehen, vermutlich wegen der von den Banken über ihre eigene Negativzinspflicht gestreuten Informationen. Die Bürger nehmen in der Regel offenbar an, die Banken müssten ihrerseits die Kundeneinlagen in vollem Umfang mit 0,5 Prozent an die Zentralbank negativ verzinsen, sodass die Negativzinsen der Einleger (nur) dem Ersatz dieses Eigenaufwands ihrer Bank dienen würden.

Das Urteil des LG Köln zeigt nun, dass die "Öffentlichkeit" bei diesem Verständnis der Negativzinsen auch eine Richterbank des LG Köln im Rahmen ihrer Rechtsprechung "Im Namen des Volkes" einschließt. Zwei Sätze in der Begründung dieses Urteils legen das zutage: "... durch die Einlage von 13 Millionen Euro (ist) eine derartige Veränderung der Verhältnisse eingetreten, dass der Klägerin die weitere Führung des Girokontos nicht zumutbar war. Denn nunmehr musste sie für die Einlage des Beklagten Negativzinsen in Höhe von 0,5 Prozent jährlich (hier 65 000 Euro pro anno) an die EZB leisten. Sie ist also lediglich mit Kosten belastet, ohne aus der Geschäftsbeziehung Vorteile zu ha - ben ..."

Diese unrichtige Feststellung des Gerichts zur Negativzinspflicht der Bank weist auf den offenbar flächendeckenden Aufklärungsbedarf über diese Pflicht nicht nur im "Grundsätzlichen" hin, sondern auch vor allem im "dimensionalen" Bereich. Diese Aufklärung bedingt somit, dass die Banken bei der Begründung ihrer Absicht, Negativzinsen für die Einlagen ihrer Kunden zu erheben, von ihrem tatsächlichen Eigenaufwand an Negativzinsen ausgehen sollten, der ja im Wesentlichen von der geschäftlichen "Weiterverwendung" dieser Einlagen abhängt. Am Rande sei dazu angemerkt, dass auch die juristische Wertung des Girovertrags im Sinne eines Verwahrungsvertrags grundsätzlich (nur) den Ersatz des Eigenaufwands des Verwahrers im Auge hat, hier also der Bank.

Diesen "Eigenaufwand" der Banken habe ich schon früher in dieser Zeitschrift (ZfgK, Heft 24/2019, Seite 1237) angesprochen und darauf hingewiesen, dass die Fakten dazu nicht immer von den Banken offenbart werden. Das führt dann zu dem falschen Meinungsbild in der Öffentlichkeit. Vor allem das Faktum bleibt zuweilen im Nebel, dass die von den Banken bei der Zentralbank zu haltenden Mindestreserven von 1 Prozent der Kundeneinlagen sowie das Sechsfache dieses Betrags frei von Negativzinsen sind. Damit bleiben derzeit 7 Prozent der Kundeneinlagen einer Bank, die bei der Zentralbank "geparkt" werden, negativzinsfrei.

Fakt ist ferner der primäre Geschäftszweck der Banken, den höchstmöglichen Teil ihrer Kundeneinlagen positiv zinstragend in ihren Aktivgeschäftsfeldern einzusetzen. Sie "parken" daher bei der Zentralbank neben der Mindestreserve nur den Teil der Kundeneinlagen, den sie zur Aufrechterhaltung ihrer Liquidität und als Reserve brauchen und/oder als Überschussliquidität in ihrem Aktivgeschäft nicht zeitgleich einsetzen können. Wenn man praxisnah dafür etwa 10 Prozent der jeweiligen Kundeneinlagen unterstellt, ergibt sich, dass nach Abzug der negativzinsfreien 7 Prozent überhaupt nur für die restlichen bei der Zentralbank gehaltenen 3 Prozent der Kundeneinlagen negative Zinsen für die Bank anfallen.

Bei rechnerischer Umverteilung des Zinsaufwands für diese 3 Prozent der Einlagen auf nur die Hälfte der Gesamteinlagen (bei Berücksichtigung der von der Bank gewährten Freibeträge von Negativzinsen) führt das zu dem Ergebnis, dass der Zinsaufwand der Bank für diese Hälfte nur 0,03 Prozent betrüge, also eine verkraftbare Gebühr von 30 Euro pro 100 000 Euro Einlage wäre. Die Umlage von pauschal 0,5 Prozent Negativzinsen auf die Hälfte der Kundeneinlagen brächte der Bank dagegen mit 0,25 Prozent der Gesamteinlagen das knapp 17-Fache ihres Eigenaufwands an Negativzinsen ein, also 25 Millionen Euro gegen 1,5 Millionen Euro (Beispiel von 10 Millionen Euro Gesamteinlagen, wovon 1 Million Euro bei der Zentralbank geparkt ist). Für den Zinsüberschuss wäre das zweifellos ein "positives" Negativzins-Ergebnis. Für die Meinungsbildung in der Öffentlichkeit könnte es dagegen eher im negativen Bereich verharren.

Dr. Claus Steiner, Rechtsanwalt, Wiesbaden

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