Zahlungsverkehr I

Bedeutung des Bargelds schwindet weiter

"Bargeld braucht doch nur noch Deine Oma - und der Bankräuber." Oder: "Ein verlorener Fünfhunderter ist für immer weg." So warben die Schweden vor mehr als zehn Jahren in ihrer Kampagne "Bargeldlos jetzt". Mit Erfolg. Denn zwischen 2008 und 2019 hat sich die Anzahl der Kartenzahlungen je Einwohner auf 360,2 pro Jahr verdoppelt. Der Anteil der Barzahlungen im Einzelhandel liegt inzwischen bei unter 30 Prozent. Und manche Banken wie die SEB, die Swedbank und die Nordea Bank haben in rund drei Viertel ihrer lokalen Filialen die Bargeld-Dienstleistungen eingestellt.

Gemessen am digitalen Zahlungsverkehr läuft Deutschland den Skandinaviern weit hinterher. Zu beliebt ist das Bargeld. Hier war es fast schon eine Sensation, als 2018 erstmals der Umsatzanteil mit bargeldlosen Zahlungsmitteln, vor allem Karten, mit 48,6 Prozent den Bargeldanteil, der bei 48,3 Prozent lag, überholt hat. Tendenz seitdem weiter leicht steigend. Auch im gesamten Euroraum liegen Bargeld und bargeldlose Zahlverfahren weiter nahezu gleich auf, mit leichten Vorteilen für das Bargeld. So wickelten erwachsene Verbraucher einer EZB-Studie zufolge 48 Prozent der Transaktionsvolumen bei Zahlungen an Verkaufsstellen in bar und 41 Prozent mit Karte ab. 2016 waren es noch 54 Prozent respektive 36 Prozent.

Bleibt die spannende Frage nach Corona: Um die potenziellen Auswirkungen der aktuellen Pandemie auf das Zahlungsverhalten der Verbraucher zu verstehen, erweiterte die EZB ihre Studie aus dem Jahr 2019 um eine Ad-hoc-Erhebung, die im Juli 2020 durchgeführt wurde. Vier von zehn Befragten gaben demzufolge an, seit Beginn der Pandemie Bargeld weniger häufig verwendet zu haben. Zwar erwarteten die meisten von ihnen, dass sie dies nach der Pandemie beibehalten werden, doch die langfristigen Auswirkungen auf das Zahlungsverhalten sind noch ungewiss. Andere Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen.

Und das kommt der EZB entgegen. Zwar betont EZB-Direktor Fabio Panetta, dass es Kernaufgabe der EZB sei, dafür zu sorgen, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Zahlungsmethode frei wählen können. Entsprechend sei es das Ziel, "die Akzeptanz von Bargeld und den Zugang zu Bargeld im Euroraum sicherzustellen und gleichzeitig Innovationen im elektronischen Zahlungsverkehr zu fördern. Dazu gehört auch unsere Arbeit an der möglichen Einführung eines digitalen Euro." Betrachtet man aber den Trend von der Einführung von Sepa über die Abschaffung des 500-Euro-Scheins, die Diskussionen um eine Obergrenze für Barzahlungen und den Push für Instant Payments bis hin eben zu den Überlegungen für einen digitalen Euro, so ist die Präferenz der Politik und der Notenbanken hin zu einer Gesellschaft mit weniger Bargeld unverkennbar. Man erhofft sich davon einen besseren Überblick über den Umgang der Menschen mit ihrem Geld (Kritiker sprechen von Kontrolle) sowie eine Eindämmung von Steuersünden und der Finanzierung der organisierten Kriminalität.

All das ist nicht unumstritten. Werden gerade ältere Menschen durch diesen Trend nicht abgehängt? Wird es für Verbraucher schwieriger, einen Überblick über ihre Finanzen zu behalten und droht manchem die Überschuldung, weil er zu viel ausgibt? Droht als Ausweichreaktion auf die weitgehende Abschaffung des Bargeldverkehrs nicht vielmehr ein spürbarer Anstieg der virtuellen Kriminalität - mit vermutlich durchschnittlich viel höheren Schäden für die Verbraucher beim Kartenbetrug? Und kommen virtuelle Währungen wie Bitcoin und Co. nicht längst schon bei illegalen Machenschaften zum Einsatz, sodass eigentlich nichts gewonnen ist? Die Erfahrungen der vergangenen Monate haben manches davon entkräftet. Zumindest in Staaten mit einem entwickelten Banksystem werden größere Bevölkerungsgruppen nicht "abgehängt". Und Wallets und Banken-Apps bieten den Verbrauchern inzwischen einen fast genauso guten Echtzeitüberblick über ihre Finanzen wie der Blick ins Portemonnaie. Und doch scheint es so, dass der frühere Deutsche-Bank-Chef John Cryan irrte, als er 2016 in Davos prognostizierte: "In zehn Jahren wird Bargeld wahrscheinlich nicht mehr existieren". Bargeld ist halt auch gelebte Freiheit.

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