Commerzbank

Ein Befreiungsschlag?

Quelle: Commerzbank

Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank bleibt nicht ohne Folgen für den deutschen Bankenmarkt, das ist gewiss. Und der Druck zur Veränderung steigt, denn spätestens seit der letzten Entscheidung des EZB-Rates muss allen Beteiligten oder besser Betroffenen klar sein, dass die Kreditwirtschaft auf Jahre hinaus ohne Zinsen auskommen muss. Das stellt erhebliche Anforderungen an die Geschäftsmodelle. Und die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Sparkassen und Volksbanken verschärfen ihre Sparprogramme, schließen Filialen oder legen diese sogar gruppenübergreifend zusammen, wie im Rhein-Main-Gebiet.

Die Commerzbank geht noch einen ganzen Schritt weiter und kündigte massive Eingriffe in die bisherige Aufstellung an: 4 300 Mitarbeiter müssen gehen, zusätzlich zu den bereits im letzten Strategieprogramm angekündigten, 200 Filialen werden geschlossen, die erfolgreiche Direktbank-Tochter Comdirect wird komplett übernommen und in den Konzern integriert, die polnische mBank, eine der letzten Perlen im Portfolio, wird verkauft, Kunden sollen vor allem zur digitalen Nutzung des Angebots der neuen "Multikanalbank mit dem Schwerpunkt auf mobilen und stationären Angeboten", motiviert werden. Dabei geht es nicht um die Weiterführung bisheriger Strategien, trotz des diesen Eindruck vermittelnden Namens "Commerzbank 5.0", und ein wenig Kosmetik am Auftritt, sondern um einen echten Radikalumbau.

Mit diesen Maßnahmen hofft der Vorstand bis 2023 die Kosten um 600 Millionen Euro gegenüber dem Niveau von 2019 zu senken, die Erträge sollen durch bessere Ausschöpfung der Kundenbasis weiter wachsen und die Eigenkapitalrendite dann vernünftige 4 bis 5 Prozent betragen.

Zunächst einmal aber steht harte Arbeit an. Diese beginnt unerfreulich, nämlich mit einer Ertragswarnung. Entgegen ursprünglichen Planungen werden die bereinigten Erträge der Commerzbank in diesem Jahr nicht steigen, sondern allenfalls flat bleiben. Dabei sei man bei der Prognose, so betont Noch-Finanzvorstand Stephan Engels, nicht etwa von steigenden Zinsen ausgegangen. Vielmehr habe sich die Margensituation dahingehend verschlechtert, dass man inzwischen mehr Risiko für den gleichen Ertrag nehmen müsse. "Wir sind nicht bereit, an allen Stellen die erforderlichen Risiko-Ertrag-Relationen einzugehen", so Engels. Auch der Stellenabbau, die Integration der Comdirect und die Schließung der Filialen verursachen zunächst einmal Kosten und Unruhe - bei den Mitarbeitern, aber auch bei Kunden. Nun mag man anführen, dass es den Commerzbank-Verantwortlichen bislang äußerst geräuschlos gelungen ist, die Mitarbeiterzahl zu reduzieren. Und mit Blick auf die Filialschließungen wird ebenfalls beschwichtigt: Bei den meisten der 200 Filialen liege eine andere Zweigstelle fußläufig entfernt. Zudem handele es sich um Filialen, die gemessen an den er zielten Erträgen unter dem Durchschnitt des gesamten Filialnetzes liegen würden. Doch natürlich kann ein solcher Radikalumbau nicht spurlos an einem Konzern wie der Commerzbank vorbeigehen und wird in den kommenden Monaten viele Kapazitäten binden.

Bleibt die Ertragsseite: Wo sollen in einem hart umkämpften Markt mit sinkenden Margen, wie von Stephan Engels angedeutet, die notwendigen Mehreinnahmen herkommen? Zudem soll das Neukundenwachstum in den kommenden Jahren gedrosselt werden, obwohl die neu gewonnenen Kunden 2018 für rund ein Drittel der gesamten Erträge im Privatkundengeschäft stehen. Strategie ist es, Karteileichen auszusortieren, die viel Geld kosten, aber keinen Ertrag mehr bringen, und im Bestandsgeschäft die Kundenverbindungen zu intensivieren. Die Preispolitik soll überdacht werden, wobei sich die Verantwortlichen noch vor allzu tiefen Einschnitten scheuen. So soll es weiterhin ein kostenloses Girokonto geben und die Negativzinsen werden vorerst nicht in großem Stil an die breite Masse der Kunden weitergereicht. Das Angebot soll durch die Integration der Comdirect gestrafft und stärker digitalisiert werden. Im Grunde genommen sollen die Kunden ihre Bankgeschäfte eigentlich nur noch mobil erledigen. Dafür ist das Filialnetz mit immer noch fast 800 Niederlassungen aber sehr groß.

Das alles klingt nachvollziehbar, aber auch furchtbar vertraut, hat man es doch so oder so ähnlich schon einmal gehört, bei dieser oder anderen Banken. Hinzu kommt, dass mit dem Verkauf der mBank, der zur Finanzierung des Umbaus zwingend erforderlich ist, eine gute Ertragsquelle verloren geht. Die polnische Tochter hat in den vergangenen Jahren im Schnitt 300 Millionen Euro in der Konzernzentrale abgeliefert, was natürlich gegen das Einsparziel von 600 Millionen Euro bis 2023 gerechnet werden muss.

Ob der radikale Schlag zu einem echten Befreiungsschlag für die Commerzbank werden kann, oder wie vereinzelt geunkt nur zur Erhöhung der Attraktivität für einen potenziellen Käufer dient, wird sich nur anhand der künftigen Erfolge messen lassen. Und dafür bleibt nicht viel Zeit.

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