Rechtsfragen

BGH-Dauerthema "Widerrufsbelehrung"

Bundesgerichtshof

Im Gespräch des Tages in Heft 16/17-2016 wurde die Frage angesprochen, ob die gesetzlichen Grundlagen und die von den Obergerichten dazu formulierten Anforderungen an Textur und Signatur von Widerrufsbelehrungen in Verträgen über Verbraucherdarlehen wirklich so "überformalistisch" streng sein und bleiben müssen, wie sie tatsächlich sind. In dem dort dargestellten Urteil vom 12. Juli 2016 (AZ XI ZR 501/15) war nach Meinung des BGH eine im Text korrekte Widerrufsbelehrung nur deshalb fehlerhaft, weil sich die Unterschrift des Darlehensnehmers zur Anerkennung seiner Belehrung nicht ausschließlich auf den Belehrungstext bezog, sondern auch die nach diesem Text stehende Empfangsbestätigung einschloss. Die Frage der "Verhältnismäßigkeit", bei einer so "fehlerhaften" Belehrung einen Darlehensvertrag Jahre über die Rückführung hinaus für widerrufbar zu erhalten, und der Bank die für sie daraus folgenden materiellen Nachteile zuzumuten, ist anscheinend weder bei diesem noch in manchen anderen vergleichbaren Gerichtsverfahren behandelt worden. Gelegentlich wird der Gesichtspunkt der "Verwirkung" des Widerrufsrechts angesprochen, dessen Zeitfaktor aber oft nicht greift.

Nun steht ein weiteres Grundsatzurteil des BGH zu diesem Thema vom 22. November 2016 (Aktenzeichen XI ZR 434/15) im Raum, das bisher nur als Pressemitteilung des BGH veröffentlicht wurde. Darin wird mitgeteilt, dass in dem Urteil "darüber entschieden (wurde), unter welchen Voraussetzungen der Darlehensgeber einen Verbraucher als Darlehensnehmer klar und verständlich über den Beginn der Widerrufsfrist informiert". Der folgende Sachverhalt lag dem zugrunde: Die Verbraucher (Kläger) schlossen im August 2010 mit der beklagten Sparkasse einen Immobiliendarlehensvertrag mit einer Laufzeit bis 2026 bei zunächst 10-jähriger Zinsbindung und einem effektiven Zins von 3,78 Prozent. Die Widerrufsbelehrung lautete: "Die Frist (zum Widerruf) beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (zum Beispiel Angabe des effektiven Jahreszinses, Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags, Angabe der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde) erhalten hat." Am 29. August 2013 widerriefen die Kläger ihre Vertragserklärung und verlangten die gerichtliche Feststellung ihrer aufgrund des Widerrufs niedrigeren als im Vertrag festgelegten Gesamtschuld. Sie behaupteten, die Widerrufsfrist habe nicht begonnen, weil die in dem Belehrungstext genannte Angabe der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde nicht erfolgt sei. Land- und Oberlandesgericht hielten die Widerrufsbelehrung der Sparkasse für korrekt und wiesen die Klage daher ab. Es blieb dem BGH vorbehalten, trotz der auch von ihm ausdrücklich bestätigten Korrektheit der Belehrung ein "Haar in der Suppe" zu finden. Er hob daher das OLG-Urteil auf und verwies den Rechtsstreit zu Feststellungen über den von der Sparkasse eingewendeten, aber in den Vorinstanzen nicht relevanten Rechtsmissbrauch der Kläger zurück.

Worin bestand nun dieses "Haar in der Suppe"? Der BGH sah es tatsächlich darin, dass die Sparkasse im Klammerzusatz zu ihrem Belehrungstext beispielhaft für die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB auch die Angaben zum Verfahren bei der Kündigung des Vertrags sowie zur Aufsichtsbehörde erwähnt hatte, obwohl diese nach Art. 247 § 9 des EinfG zum BGB bei Immobiliendarlehensverträgen nicht notwendig sind. Die Sparkasse habe mit der Nennung der beiden Angaben im Klammerzusatz eine eigene vertragliche Voraussetzung für den Beginn der Widerrufsfrist gesetzt, an die sie gebunden sei. Formal kann man gegen diese Argumentation nichts einwenden, außer sie in hohem Maße für "überformalistisch" zu erklären. Man vermisst darin die Thematisierung des (Miss-)Verhältnisses, das zwischen dem rein formalen Nicht-streichen einer ohnehin vom Gesetz ausdrücklich ausgenommenen Angabe im Klammertext einerseits und den daraus resultierenden materiellen Folgen für die Sparkasse andererseits entstanden ist. Das gilt vor allem auch, wenn man das "Gewicht" der fehlenden Angabe der Aufsichtsbehörde bedenkt. Die Kläger hätten sie in einem Kurztelefonat bei jeder beliebigen Sparkassenfiliale bei Bedarf erhalten können! Die "Hoffnung" bleibt also, dass die Rückverweisung der Sache letztlich zu der richterlichen Erkenntnis führt, dass ein korrekt belehrter Darlehensnehmer, der mit derart formaler Begründung die Fortdauer seines Widerrrufsrechts geltend macht, es schon aus diesem Grund verwirkt hat.

Rechtsanwalt Dr. Claus Steiner (Wiesbaden)

Dr. Claus Steiner , Rechtsanwalt, Wiesbaden
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