Europäische Zentralbank

Ende der Anleihekäufe - nicht der Nullzinspolitik!

Prof. Dr. Leef H. Dierks, Professur für Finanzierung und Internationale Kapitalmärkte, Fachhochschule Lübeck

Mitte Juni gab die Europäische Zentralbank (EZB) bekannt, dass sie das Volumen der Anleihekäufe im Rahmen ihres Asset-Purchase-Programmes (APP), welches aktuell 2 431 Milliarden Euro umfasst, von derzeit monatlich 30 Milliarden Euro ab September 2018 auf 15 Milliarden Euro reduzieren wird. Nach fast vier Jahren (die ersten Käufe erfolgten bereits im März 2015) sollen die Anleihekäufe schließlich Ende Dezember 2018 enden. Das Ende der Anleihekäufe mit ihrer Vielzahl unbeabsichtigter Konsequenzen, wie zum Beispiel einer stetig zunehmenden Illiquidität, stellt zweifelsohne einen Schritt in die richtige Richtung dar: Der Ausstieg aus einer übermäßig akkomodierenden Geldpolitik ist überfällig. Doch ist es keine Zäsur.

Das Ende der Anleihekäufe ist kein Ende der Nullzinspolitik! Diese wird die EZB zunächst unvermindert fortsetzen. Denn sie gab Mitte Juni ebenfalls bekannt, dass der Hauptrefinanzierungszinssatz "über den Sommer 2019 und in jedem Fall so lange wie erforderlich" auf seinem aktuellen Niveau (also bei 0,0 Prozent) bleiben wird. Von weiteren Anleihekäufen einmal abgesehen, bleibt der geldpolitische Spielraum in Anbetracht der gegenwärtig eingeschränkten Funktionsweise traditioneller Transmissionsmechanismen in der Eurozone also auch weiterhin begrenzt.

Voraussetzung für den zaghaften Einstieg in den Ausstieg aus einer übermäßig akkommodierenden Geldpolitik ist, dass aktuelle Entwicklungen die mittelfristigen Inflationsaussichten des EZB-Rates bestätigen, das heißt, dass die Inflation in der Eurozone sich auf mittlere Sicht einem Niveau von "unter, aber nahe 2,0 Prozent" annähern wird. Dies scheint momentan durchaus denkbar. Im Mai 2018 stieg die HVPI-Inflation um 1,9 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Im April lag dieser Wert noch bei 1,3 Prozent. Doch ist diese Entwicklung zunächst auf die Preissteigerung tendenziell eher volatiler Güter wie Heizöl, Kraftstoffe und Obst zurückzuführen. Die Kerninflation stieg nach 0,8 Prozent im April im Mai 2018 auf lediglich 1,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.

So lässt die EZB sich also unverändert eine Hintertür offen: Steigt die Inflation in der Eurozone mittelfristig nicht auf "unter, aber nahe 2,0 Prozent", ist auch nicht davon auszugehen, dass die lockere Geldpolitik zeitnah eingestellt wird. Nun mehren sich jedoch die Stimmen, die darauf hinweisen, dass die Inflation aus strukturellen Gründen durchaus dauerhaft auf einem niedrigeren Niveau verharren könnte: Technologischer Fortschritt, das heißt die Digitalisierung, sowie die Globalisierung, das heißt offene Märkte und globale Wertschöpfungsketten, reduzieren den aus Wirtschaftswachstum in der Regel erwachsenden Lohndruck. In dem Maße, in dem es vorrangiges Ziel des ESZB ist, Preisstabilität zu gewährleisten, wäre eine Zinswende also auch erst weit nach dem Sommer 2019 denkbar.

Eine Nullzinspolitik führt jedweden Versuch eines nachhaltigen Deleveraging ad absurdum. So ist es wenig überraschend, dass die Verschuldung zahlreicher Unternehmen und nicht zuletzt auch Mitgliedsstaaten in der Eurozone infolge der günstigen Refinanzierungskosten zuletzt wieder anstieg. Das sichere Ausbleiben einer Zinswende in den kommenden zwölf Monaten begünstigt auch weiterhin ineffiziente Fehlallokationen und so schlussendlich das Entstehen spekulativer Blasen. Dieser Konsequenz muss die EZB sich bei der so zögerlichen Normalisierung ihrer Geldpolitik bewusst sein.

Prof. Dr. Leef H. Dierks, Fachhochschule Lübeck

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