Geldpolitik

EZB legt Verschnaufpause ein

Es war ein fast schon ungewohntes Bild, das sich da im Nachgang zur jüngsten EZB-Ratssitzung am 16. Juli bot: Erstmals seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie vor gut vier Monaten hatte Christine Lagarde keinerlei neue expansive Maßnahmen zu verkünden. Was der Veranstaltung diesmal also an Spannung in Form von neuen Beschlüssen fehlte, machte Lagarde mithilfe einiger kerniger Statements wett. So ließ sie beispielsweise keinen Zweifel daran, dass das PEPP in vollem Umfang ausgeschöpft wird. Damit widersprach sie eindeutig den "hawkishen" Äußerungen von einigen ihrer Kollegen, wonach die EZB ihre PEPP-Käufe verringern sollte, sofern es die Umstände zuließen. Dieser unter anderem von Isabel Schnabel geäußerte Gedanke sollte im Wesentlichen die Märkte vorsichtig daran erinnern, dass - selbst im Fall der EZB - nicht automatisch mit immer weiteren geldpolitischen Stimuli gerechnet werden könne.

Dass Lagarde diesem Vorstoß nun ziemlich unverblümt eine Absage erteilte, dürfte indes nicht der einzige Punkt ihrer Ausführungen gewesen sein, der im Lager der Falken für Unmut sorgte. Denn die Französin wurde auch mit Blick auf die im EZB-Rat durchaus kontrovers geführte Debatte darüber, wie stark die Notenbank im Zuge ihrer PEPP-Käufe vom Kapitalschlüssel abweichen soll, sehr deutlich: "Die EZB wird niemals zulassen, dass die Orientierung am Kapitalschlüssel die Effektivität von PEPP beeinträchtigt." Anders als etwa Jens Weidmann hat Lagarde damit offensichtlich keine Vorbehalte, dass Wertpapiere bestimmter Euroländer überproportional erworben werden.

In diesem Zusammenhang zeigen erste Analysen zum PEPP bereits, dass die EZB abweichend von ihrem Kapitalschlüssel in etwas größerem Umfang italienische Staatsanleihen angekauft hat. Das Ausmaß dieser Abweichung mag bislang zwar wenig besorgniserregend sein, dem bei PEPP-Kritikern gern bemühten Vorwurf der monetären Staatsfinanzierung durch die Hintertür wird dadurch nichtsdestoweniger neue Nahrung geliefert. Die EZB täte also gut daran, hier behutsam vorzugehen und den Kapitalschlüssel als wesentliches Element der Selbstbeschränkung nicht leichtfertig über Bord zu werfen - zumal dieser in den vergangenen Jahren auch für den Europäischen Gerichtshof beim Absegnen der Anleihekaufprogramme regelmäßig ein wichtiges Argument darstellte.

Ihre mit Abstand am wenigsten kontroverse, gleichwohl nicht minder bedeutende Botschaft hob sich Lagarde im Übrigen ganz bis zum Schluss der Pressekonferenz auf. Mit Blick auf den am darauffolgenden Tag startenden EU-Gipfel in Brüssel zu Haushalt und Wiederaufbaufonds appellierte sie an die politischen Entscheider: "Es ist wichtig, dass sich die Verantwortlichen schnell auf ein ehrgeiziges Paket einigen. Die EZB hofft sehr stark darauf." Tatsächlich war es - anders als bei den Hilfsmaßnahmen der EZB - eine schwere Geburt, doch nach fünf (anstatt zwei) Tagen zäher Verhandlungen und Streitigkeiten standen die Corona-Hilfen und der neue EU-Haushalt im Gesamtvolumen von 1,8 Billionen Euro. Auch die 27 Regierungen der Eurozone haben also endlich die Zeichen der Zeit erkannt. Die EZB-Granden dürften im September also einigermaßen optimistisch aus der Sommerpause zurückkehren, denn zumindest bei der Krisenbewältigung sind sie ab sofort nicht mehr auf sich allein gestellt. Wie die gigantischen Schuldenberge jemals wieder abgetragen werden sollen, steht allerdings auf einem anderen Blatt.

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