Corporate Governance

Finanzplatz Deutschland beschädigt

Quelle: Wirecard AG

Es ist ein großer Wirtschaftskrimi mit verheerenden Imageschäden für den Finanzplatz Deutschland: die Causa Wirecard. Beinahe stündlich gibt es neue Entwicklungen. Ex-CEO Markus Braun wurde sogar zeitweise inhaftiert. Wie konnte das passieren?

Unter erfahrenen Börsenveteranen hätten bereits im Oktober 2018 erstmals die Alarmglocken schrillen müssen, als Braun in einem Interview von 100 Milliarden Euro Börsenwert für "sein" Unternehmen Wirecard fabulierte. Die Börsenhistorie ist voll von Beispielen, in denen utopische Kursziele formuliert wurden, denen der jähe Absturz folgte. Doch es hat noch eine ganze Weile gedauert, bis jeder - inklusive Wirtschaftsprüfer und Aufsicht - kapierte, was da im Hause Wirecard abläuft. Dabei gab es schon viele weitere Hinweise. Nicht nur einmal kamen die Vorwürfe der Financial Times, dass mit den Bilanzen irgendetwas nicht in Ordnung sei. Doch in Deutschland fiel die von Wirecard gestreute Mär vom bösen angelsächsischen Turbo-Kapitalisten in Form der leerverkaufenden Hedgefonds, der mit Lügen und Manipulation versuche, unser Vorzeigetechnologieunternehmen "fertigzumachen", um die eigene Gier nach Profitzu stillen, auf sehr fruchtbaren Boden. Auch die Staatsanwaltschaft München und die BaFin sind diesem Narrativ aufgesessen, als die BaFin im vergangenen Jahr deswegen mehrere Personen wegen Marktmanipulation anzeigte und die Staatsanwaltschaft in München ein Ermittlungsverfahren gegen Journalisten der Financial Times einleitete.

Diesen Schuh muss sich die BaFin anziehen. Doch diese Fehleinschätzung ist natürlich nicht das einzige Problem. Vorgeworfen wird der Finanzaufsicht auch, dass sie mit der Wirecard Bank nur eine Tochtergesellschaft beaufsichtigt habe und nicht den ganzen Konzern. Dass BaFin-Chef Felix Hufeld sich gleich zu einem Mea Culpa durchgerungen hat, kann jedoch gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die eigene Schuld einzugestehen ist in heutigen Tagen eine Fähigkeit, die seltsam vielen Protagonisten in Politik und Wirtschaft abhandengekommen zu sein scheint. Auch müssen nun die Prüfmechanismen selbst auf den Prüfstand. Betrug kann nicht immer verhindert werden, so viel ist klar. Aber Prüfer sollten zumindest, wenn es Hinweise darauf gibt, diesem auf die Spur kommen können. Das gilt sowohl für die Prüfer der Finanzaufsicht und ganz besonders auch die Wirtschaftsprüfer.

Doch nicht nur den Wirtschaftsprüfern, der BaFin und der Münchener Staatsanwaltschaft sind Fehler vorzuwerfen. Der Schaden für den Finanzplatz Deutschland betrifft auch den Kapitalmarkt. Das befremdliche Beharren der Deutschen Börse, dass es nur an einem der regulären Termine - der nächste ist im September - zu Anpassungen im ehrwürdigen DAX kommen kann, ist seltsam. Das Image der Kernmarke der Deutschen Börse kann damit noch einige Monate großen Schaden erleiden. Auch hier wäre eine Überprüfung der Regeln angebracht. Wie wäre es mit einem Fast Exit, der seinen Namen auch verdient? Dabei gäbe es viele Ansatzpunkte. Zum Beispiel die Berichtspflicht: Spätestens wenn ein verschobener Publizierungstermin erneut verschoben wird, könnte man ein Unternehmen aus dem DAX werfen. Oder wenn sich ein Betrugsvorwurf erhärtet, sollte eine DAX-Mitgliedschaft entzogen werden können.

Dieser Fall lässt sich nun nicht mehr verhindern, der Schaden ist da. Doch alle Protagonisten des Finanzplatzes Deutschlands - also Aufsicht, Wirtschaftsprüfer, Finanzmarktunternehmen, Kapitalmarktunternehmen und die Politik - müssen sich zusammenraufen und die Regeln zumindest so adjustieren, dass eine neue Causa Wirecard unwahrscheinlicher wird. Zudem bedarf es harter Strafen für die Urheber, wer auch immer am Ende der Drahtzieher war. Dann kann vielleicht wieder ein Teil des verlorengegangenen Vertrauens hergestellt werden. Und alle, die die Short-Attacken-Mär von Wirecard glaubten, sollten vielleicht ihre Stereo typen hinterfragen.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X