Europa

Es wird immer zäher

Das Ringen um die Chefposten bei den maßgeblichen europäischen Institutionen hat gezeigt, dass man sich angesichts eines zunehmend heterogener werdenden Länderzusammenschlusses mit vielschichtigen Interessen immer weniger auf Absprachen oder gar eben noch gemachte Zusagen verlassen kann. Das verwundert nicht, schließlich wird munter taktiert. Der Austritt Großbritanniens und die Schwäche einer deutschen Kanzlerin auf Abruf haben das ehemals gefestigte Machtgefüge ins Wanken gebracht. Und das weckt Begehrlichkeiten. Der französische Staatspräsident Macron will die Grand Nation zurück zu alter Stärke führen. Die osteuropäischen Staaten begehren angeführt von national oder zumindest populistisch denkenden Politkern wie dem Ungarn Orban oder dem Tschechen Babis auf und wollen ebenfalls mehr Einfluss zugunsten ihrer Region, den Visegrád-Staaten. Im Stiefel Europas gilt "Italia First, was kümmern uns Verträge oder so etwas". Und wie der neue griechische Ministerpräsident all seine Versprechen halten will, muss sich ebenfalls erst noch zeigen.

Allen Verantwortlichen muss man zugutehalten, dass sie sicherlich an Europa glauben und für und mit Europa Gutes tun und erreichen wollen. Aber die Anzahl der sogenannten NIBs ("Not in my backyard") wächst. Die Begeisterung, Zuständigkeiten und Befugnisse abzugeben und mehr und mehr zusammenzuwachsen, wie es das europäische Leitbild und vor allem auch die europäischen Währung erfordern würden, ist derzeit nur noch verhalten zu spüren. Auch weil die Bürger, sprich die Wähler, Europa immer weniger verstehen, es mitunter gar lediglich als Kostenfaktor und Besserwisser empfinden. Schuld daran ist eine gutes Stück Europa selbst, also die europäischen Institutionen, die mangelhaft kommunizieren und ebenfalls einen ziemlich ausgeprägten Machtanspruch an den Tag legen.

Nur ein Beispiel: Derzeit sorgt etwa der relativ eigenmächtig ausgehandelte Deal zwischen dem Europäer Juncker und dem Amerikaner Trump für Unmut. Die EU macht sich nämlich in Sachen Rindviechern in erheblichem Maße abhängig von den USA. Das Kontingent für US-Rindfleisch soll der Abmachung zufolge schrittweise innerhalb von sieben Jahren auf bis zu 35 000 Tonnen erhöht werden. Nur noch 10 000 Tonnen würden dann aus den anderen Hauptlieferländern Australien, Uruguay und Argentinien kommen. Man wolle "eine neue Phase in den Beziehungen zu den Vereinigten Staaten einleiten", heißt es vonseiten der EU. Das wiederum schmeckt aber vor allem den Franzosen nicht, für die der Agrarsektor eine ganz erhebliche Rolle spielt. Und jeder weiß, in Europa kostet alles eine Gegenleistung. Europa kann im Machtgefüge zwischen den USA und China nur bestehen, wenn es zusammenhält und einheitliche Positionen vertritt. Danach sieht es gegenwärtig aber nicht aus. Das ist gefährlich, auch für so wichtige Themen wie die Vollendung der Bankenunion und der Kapitalmarktunion, ohne die der Abstand zu den amerikanischen Finanzzentren sicherlich noch weiter wachsen wird.

Ein weiteres Indiz für eine schwierigere Zukunft Europas liefern die großen Investoren dieser Welt, die zwar immer wirtschaftlich, aber immer auch ein gutes Stück politisch denken müssen, wollen sie ihre Gelder vermehren. "An der Börse wird die Zukunft gehandelt", heißt es so schön. Laut einer Umfrage von Invesco unter 139 großen staatlichen Investoren, wie Zentralbanken oder Pensionskassen, hat aktuell jedenfalls China spürbar gewonnen und Europa deutlich verloren. Und das trotz der anhaltenden Konflikte des Reichs der Mitte mit dem unberechenbaren starken Mann in Übersee. Europa dagegen leidet bei den Investoren dagegen vor allem unter der Zunahme des politischen Risikos. Der EU-Austritt Großbritanniens und der zunehmende Einfluss populistischer Parteien führen zu einer Abkehr von dem Kontinent als Investitionsziel. Während China auf einer Skala von eins bis zehn mit 6,1 Punkten spürbar gegenüber der letzten Umfrage aus dem Jahr 2017 (5,2) zugelegt hat, haben fast ein Drittel der Investoren ihre Gewichtung in Europa im vergangenen Jahr reduziert, ebenfalls ein Drittel plant dies im laufenden Jahr. Die drei großen europäischen Volkwirtschaften fielen in der Gunst der professionellen Anleger deutlich, Deutschland von 7,8 auf 6,2 Punkte, Frankreich von 6,1 auf 4,9 Punkte und Italien von 6,1 auf nur noch 3,8 Punkte.

Politik muss offensichtlich eben doch verlässlich oder wenigstens berechenbar sein.

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